Entscheidungsdatum
30.06.2021Norm
StVO 1960 §31Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des Herrn A, wohnhaft in ***, ***, vom 11. Dezember 2020 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, Fachgebiet Strafen, vom 18. November 2020, GZ. ***, betreffend einer Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Der Beschwerdeführer hat keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens werden aufgehoben.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§§ 50, 52 Abs. 8 und Abs. 9 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, Fachgebiet Strafen, vom 18. November 2020, GZ. ***, wurde über Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) wegen Verletzung der Vorschriften § 31 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. e StVO 1960 eine Geldstrafe von € 150,00, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, verhängt. Überdies wurde die Verpflichtung zur Tragung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von € 15,00 ausgesprochen.
In diesem Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung wie folgt zur Last gelegt:
„Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ des Gartenvereins B mit Sitz in ***, *** in Ihrer Funktion als Obmann zu verantworten, dass dieser Verein folgende Übertretung begangen hat:
Eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt angebracht, da Sie ein Verkehrszeichen „10km/h Schild“ ohne Verordnung aufgestellt haben. …“
In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, nämlich dass es sich bei den Vereinswegen um keine Straßen mit öffentlichem Verkehr lt. § 1 StVO handle, aufgrund der ständigen Rechtsprechung des VwGH kein Zweifel an der Eigenschaft als Straße mit öffentlichem Verkehr bestehe. Ebenso stehe unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Obmann des Gartenvereins B das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ sei. Er habe es somit zu verantworten, dass gegen den § 31 Abs. 1 StVO verstoßen wurde, indem unbefugt eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, ein Verkehrszeichen „10km/h Schild“ ohne Verordnung im Ortsgebiet ***, *** angebracht wurde.
Da der Beschwerdeführer trotz Aufforderung über seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse keine Angaben gemacht habe, sei das Einkommen mit € 1.200,-- netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, angenommen worden. Bei der Strafbemessung sei das Fehlen verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen mildernd und kein Umstand erschwerend zu werten. Die verhängte Strafe erscheine somit als schuldangemessen und erforderlich, um ihn und andere in Hinkunft von der Begehung auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Verwaltungsübertretungen abzuhalten.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und richtete sich dabei gegen die Bestrafung dem Grunde nach. Dabei führte er an, dass die Behörde es unterlassen habe durch einen Lokalaugenschein die Fakten im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Verkehrseinrichtungen ausreichend zu würdigen. Außerdem würde die Behörde mit der StVO eine unpassende Rechtsnorm anwenden, da diese nur auf Straßen mit öffentlichen Verkehr anzuwenden sei, was hier jedoch nicht vorliege. Deshalb beantragte der Beschwerdeführer, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich das angefochtene Straferkenntnis aufhebe und das Verfahren einstelle.
2. Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 legte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, Fachgebiet Strafen, die Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt, insbesondere durch Einsicht in Grundbuch und Flächenwidmungsplan, sowie durch Einsichtnahme in die schriftlichen Auskünfte der Marktgemeinde *** und der schriftlichen Stellungnahmen des Beschwerdeführers.
3. Beweiswürdigung:
Der angeführte maßgebliche Sachverhalt bzw. Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt der Behörde. Die Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Inhalt der angeführten Akten sowie dem Beschwerdevorbringen.
Unstrittig ist, dass die ***, Parzelle ***, EZ *** (KG ***) im derzeit gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung „Verkehrsfläche privat“ aufweist und im Alleineigentum des Gartenvereins B steht. Eine Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung – insbesondere betreffend eines „10 km/h Schild“ – liegt nicht vor.
Ebenso unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer dem Gartenverein B seit dem Jahr 2012 als Obmann vorsteht. Im Zeitraum seiner Funktion als Obmann wurde im Jahr 2013 ein Verkehrszeichen „10 km/h Schild“ angebracht. In seiner Stellungnahme vom 15. September 2020 gab der Beschwerdeführer selbst an, dass diesbezüglich ein Beschluss der Generalversammlung verkündet wurde. Es konnte jedoch weder festgestellt werden, wer genau das Verkehrszeichen angebracht hat, noch zu welchem genauen Zeitpunkt es angebracht wurde.
4. Anzuwendende Rechtsgrundlagen:
4.1. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG:
§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 42. Auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde darf in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.
§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
(…)
§ 50. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(…)
(8) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
(…)
4.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.
…
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
4.3. Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG:
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist
4.4. Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO:
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
(2) Für Straßen ohne öffentlichen Verkehr gilt dieses Bundesgesetz insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich auf diese Straßen nicht.
§ 31. (1) Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) dürfen nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.
§ 99. (2) lit. e Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden,…
5. Rechtliche Würdigung:
5.1. Zu Spruchpunkt 1:
Dem Beschwerdeführer wurde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, er sei als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ des Gartenvereins B in seiner Funktion als Obmann dafür verantwortlich, dass der Verein eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs – nämlich ein Verkehrszeichen „10km/h Schild“ – unbefugt angebracht habe.
Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat (Z. 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z. 2), zu enthalten. Somit muss im Spruch die Erfüllung aller Tatbestandselemente der Vorschrift, die nach Auffassung der Behörde übertreten wurde, dargetan werden (vgl. etwa B.Kneihs in N.Raschauer/W.Wessely, VStG § 44a Rz 4 und 5, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, sowie etwa das Erkenntnis des VwGH 2004/07/0041).
Es ist rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tat so genau zu umschreiben, dass einerseits die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und andererseits die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Zur Erfüllung des ersten Erfordernisses sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können (VwGH Ra 2017/10/0013).
Den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH Ra 2018/09/0163).
Insbesondere ist zu beurteilen, ob die im Spruch enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt (VwGH 82/03/0265, 84/01/0148).
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe den Tatbestand („eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt angebracht“) am 02.07.2020 um 13:19 Uhr als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten.
Diese Tatanlastung erweist sich aus folgenden Gründen als verfehlt:
Bei der vorgeworfenen Übertretung des § 31 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. 2 StVO handelt es sich nicht um ein Dauerdelikt. Nach dem klar gefassten Tatbild besteht das strafbare Verhalten nur im unbefugten Anbringen einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, nicht aber in der Aufrechterhaltung eines durch das rechtswidrige Ausführen geschaffenen Zustands (VwGH 2002/02/0124). Vielmehr handelt es sich bei dem Delikt iSd § 31 Abs. 1 StVO um ein „Zustandsdelikt“. Ausschließlich das unbefugte Anbringen eines Straßenverkehrszeichens und nicht das Unterlassen des Entfernens ist tatbestandsmäßig (VwGH 2008/02/0228; VwGH 2004/02/0061).
Da das Verkehrszeichen „10km/h Schild“ bei der Anzeige am 02.07.2020 bereits fertig angebracht vorgefunden wurde, war zu diesem Zeitpunkt der rechtswidrige Zustand bereits eingetreten und die Tätigkeit als vollendet und endgültig abgeschlossen anzusehen.
Eine Festlegung der Tatzeit mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt oder der Strafbehörde bekannt wurde, scheidet demnach aus. Insbesondere deshalb, da sich aus dem Akt ergibt, dass bereits im Juni 2013 das Aufstellen solcher Verkehrszeichen beschlossen wurde und des Verkehrszeichen auch bereits im Jahr 2013 tatsächlich angebracht wurde. Im vorliegenden Fall entspricht daher die Anlastung des „Anbringens“ nicht den Anforderungen des § 44a VStG.
Ebenso ist die Zurechenbarkeit der Straftat im Spruch des Straferkenntnis aus folgenden Gründen nicht ausreichend konkretisiert:
Anders als im Kriminalstrafrecht oder im FinStrG gibt es im VStG keine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen. Es besteht nur eine Strafbarkeit von natürlichen Personen (VwGH 94/09/0035; 96/16/0198). Gemäß § 9 VStG kommt es zu einer Umlegung der Pflicht zur bzw. Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen auf die zur Vertretung nach außen berufenen Vertretungsorgane. § 9 VStG begründet jedoch keine Erfolgshaftung. Die Vertretungsorgane haben dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer der juristischen Person zurechenbaren Verwirklichung einer Straftat kommt. Haben sie die vernünftigerweise geschuldeten Vorkehrungen getroffen, haften sie nicht für eine trotzdem eintretende Tatbestandsverwirklichung (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 9 Rz 6). Die Strafbarkeit folgt somit nicht bereits bloß aus der Innehabung einer solchen Stellung, sondern beruht auf eigenem Fehlverhalten. Die Strafbarkeit für ein zur Vertretung nach außen berufenes Vertretungsorgan besteht nur im Rahmen des eigenen Verschuldens (VwGH 90/03/0148).
Eine Verantwortlichkeit iSd § 9 VStG besteht nur für jene Rechtsvorschriften, deren Einhaltung der juristischen Person auch obliegt. Eine Verantwortung gemäß § 9 VStG setzt somit voraus, dass die Straftat nicht bloß im Umfeld der juristischen Person begangen wird, sondern dieser auch rechtlich zurechenbar ist (VwGH 2014/02/0087; Raschauer/Wessely § 9 Rz 3).
Voraussetzung für eine Zurechnung ist das Bestehen einer einschlägigen Rechtspflicht, die die juristische Person trifft. § 9 VStG bleibt jedoch unanwendbar, wenn sich die Rechtspflicht bloß auf das Verhalten einer natürlichen Person bezieht (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 9 Rz 7).
§ 9 VStG kommt daher nicht zur Anwendung, wenn eine verwaltungsrechtliche Pflicht an eine natürliche Person adressiert ist (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 9 Rz 10). Das unbefugte Anbringen eines Verkehrszeichens ist als eine „körperlich zum Tatzeitpunkt vollzogene Tätigkeit“ zu sehen. Eine solche körperliche Tätigkeit kann nur von einer natürlichen Person und nicht von einem Verein als juristische Person vollzogen werden. Da der rechtswidrige Zustand nicht vom Verein herbeigeführt wurde, scheidet eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als Obmann aus.
Die Behörde legte im Straferkenntnis nicht eindeutig offen, inwiefern Handlungen des Beschwerdeführers, die dem Verein zuzurechnen seien zur Verwirklichung des Tatbildes führten. Es fehlt an einem schlüssigen Nachweis, dass der Beschwerdeführer das Anbringen der Verkehrstafel selbst vorgenommen hat bzw. veranlasst hat. Da im Verwaltungsstrafverfahren § 2 StGB nicht analog anzuwenden ist (VwGH 89/10/0122), kann dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, dass er das Anbringen nicht verhindert hat.
Schließlich fehlt es im Spruch auch an einer hinreichenden Konkretisierung, dass das unbefugte Anbringen der Verkehrstafel dem Verein zurechenbar sei und daher der Beschwerdeführer zu verantworten wäre. Nur wenn das Anbringen durch den Beschwerdeführer dem Verein eindeutig zuzurechnen wäre, könnte es zur einer Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 1 VStG kommen.
Insgesamt war somit mit einer Aufhebung des Straferkenntnisses und einer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vorzugehen, ohne auf das Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs.4 VwGVG abgesehen werden, da einerseits die Durchführung einer solchen nicht beantragt wurde und andererseits aufgrund der Aktenlage feststand, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Eine mündliche Erörterung ließ eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und ein Entfall der Verhandlung stand weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.
5.2. Zu Spruchpunkt 2 – Kosten des Strafverfahrens:
Da der Beschwerde Folge gegeben wurde, waren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG auch keine Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzutragen. Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfällt wegen der Aufhebung der verhängten Strafe auch der im angefochtenen Bescheid festgesetzte Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens.
5.3. Zu Spruchpunkt 3 – Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Organfunktion; Verfahrensrecht; Konkretisierungsgebot; verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.2490.001.2020Zuletzt aktualisiert am
10.11.2021