TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/7 LVwG-AV-1086/001-2021

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Veröffentlicht am 07.07.2021
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Entscheidungsdatum

07.07.2021

Norm

KanalG NÖ 1977 §5
KanalG NÖ 1977 §10
ZustG §26 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A und Frau B, ***, ***, vom 18. Juni 2021 gegen den Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 10. Juni 2021, Zl. ***, mit dem die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 23. April 2021 betreffend Refundierung von entrichteten Kanalbenützungsgebühren abgewiesen worden war, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.1.1.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Februar 2012, Rechnung ***, wurde gegenüber der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, die Kanalabenützungsgebühr mit Wirkung ab 1. Jänner 2012 unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 413,90 m² (EG 177,90 m², OG 177,90 m² und Garage 58,10 m²) und eines Einheitssatzes von € 2,28 neu festgesetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.1.2.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. Jänner 2021, Rechnung ***, wurde gegenüber Herrn A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) als nunmehrige Eigentümer der Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, die Kanalabenützungsgebühr mit Wirkung ab 1. Jänner 2021 unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 413,90 m² (EG 177,90 m², OG 177,90 m² und Garage 58,10 m²) und eines Einheitssatzes von € 2,51 neu mit € 1.142,78 festgesetzt.

1.1.3.

Mit Schreiben vom 27. Jänner 2021 erhoben die Beschwerdeführer ein als „Einspruch“ bezeichnetes Rechtsmittel und führten aus, dass eine Fehlberechnung vorliege, da die Fläche des Erdgeschoßes 134,2 m² und des Obergeschoßes 102,75 m² betrage. Die Fläche der Garage müsse entfallen da sie Teil des Kellers sei und ca. 1 Meter unter dem Kellerniveau liege und in den Hang gebaut sei. Die Bemessungsgrundlage seien 236,95 m² statt 413,9 m². Die Gebühr müsse daher entsprechend berichtig werden. Gleichzeitig werde um Refundierung der seit 06/2014 zu viel bezahlten Gebühren ersucht.

1.1.4.

Im Rahmen eines Ortsaugenscheines am 28. Jänner 2021 wurden die Berechnungsflächen auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft neu erhoben und für das Erdgeschoß eine Fläche von 175,81 und für das Obergeschoß eine Fläche von 121,91 m² ermittelt.

1.1.5.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 23. April, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführer vom 27. Jänner 2021 insoweit Folge gegeben, als die maßgebliche Berechnungsfläche ab 1. Jänner 2021 mit 297,72 m² festgesetzt wurde und nunmehr mit Wirkung ab 1. Jänner 2021 eine jährliche Kanalbenützungsgebühr in der Höhe von € 822,01 (inkl. USt.) vorgeschrieben wurde. Dieser Bescheid bleib unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

1.1.6.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters des Stadtgemeinde *** vom 23. April 2021, Zl. ***, wurde das Ansuchen der Beschwerdeführer auf Refundierung der seit 06/2014 zu viel bezahlten Gebühren abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Erwerb der Liegenschaft im Jahr 2014 keine Veränderung beim Bauamt mittels Veränderungsanzeige gemäß § 13 NÖ Kanalgesetz 1977 angezeigt worden sei. Da somit die Kanalbenützungsgebühr auf einen in Rechtskraft erwachsenen Abgabenbescheid aus dem Jahr 2012 zur Vorschreibung gebracht worden sei, bestehe auch kein Anspruch auf Rückzahlung zu viel bezahlter Kanalbenützungsgebühren, zumal sich die zur Vorschreibung gebrachten Kanalbenützungsgebühr auf einen rechtskräftigen, dingliche Wirkung entfaltenden Abgabenbescheid gründe. Bis zur Erbringung der Veränderungsanzeige am 27. Jänner 2021 habe daher keine Veranlassung bestanden, von der der Abgabenbehörde bekanntgegebenen Berechnungsgrundlage abzuweichen und einen neuen Abgabenbescheid zu erlassen.

1.1.7.

Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 erhoben die Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 23. April 2021 das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründeten diese damit, dass der Abgabenbescheid vom 15. Februar 2012 als nicht zugestellt gelte, da kein Zustellnachweis erbracht werden konnte. Die unrichtige überhöhte Flächenberechnung für das Haus ***, *** sei fehlerhaft von der Behörde auf Basis der korrekten Einreichpläne und Kollaudierung mit folgenden Fehlern erstellt worden. Die Garage sei ebenfalls der Wohnfläche zugerechnet worden. Die Angaben des Abgabepflichtigen seien korrekt, die Berechnung der zuständigen Behörde bzw. des Bauamtes falsch. Es werde um Refundierung der zu viel bezahlten Kanalbeträge der Jahre 2014 bis 2019 ersucht.

1.1.8.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde vom 10. Juni 2021, Zl. ***, wurde diese Berufung vom 21. Mai 2021 abgewiesen. Die Begründung entspricht im Wesentlichen jener des Bescheides des Bürgermeisters vom 23. April 2021. Ergänzend wird ausgeführt, dass der Abgabenbescheid vom 15. Februar 2012 ordnungsgemäß an die frühere Liegenschaftseigentümerin zugestellt worden sei. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis habe die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Im vorliegenden Fall habe die Bescheidadressatin die ihr basierend auf diesem Abgabenbescheid zur Vorschreibung gebrachten Quartalsvorschreibungen in weiterer Folge entrichtet. Die Berechnungsfläche für die Liegenschaft *** in *** sei aufgrund der Angaben der früheren Liegenschaftseigentümerin iSd § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 berechnet worden. Bis zur Eingabe der Beschwerdeführer vom 27. Jänner 2021 sei keine Veränderungsanzeige erstattet worden, sodass auch keine Veranlassung bestanden habe, den Bescheid zu korrigieren oder die Berechnungsfläche entsprechend anzupassen. Durch die Einbringung der Veränderungsanzeige vom 27. Jänner 2021 sei die Berechnungsfläche neu ermittelt und mittels neuen Abgabenbescheids vom 23. April 2021 ab dem Jahr 2021 vorgeschrieben worden.


1.2. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 18. Juni 2021 erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen wie die Berufungsschrift vom 21. Mai 2021.

1.3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

1.3.1.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2021 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der Stadtgemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

1.4. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl. I Nr. 52/2021:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

         a)       Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

         b)       abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

         c)       über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

         a)       eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

         b)       eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden. …

2.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 2/2021 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

2.3. Zustellgesetz idF BGBl. I Nr. 42/2020 - ZustG

Zustellung ohne Zustellnachweis

§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

2.4. NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. Nr. 12/2018:

§ 5. (1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

Abgabepflichtiger

§ 9. Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. …

Dingliche Wirkung von Entscheidungen

§ 10. Die nach diesem Gesetz an Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber erlassenen Entscheidungen, mit Ausnahme jener nach § 15, wirken auch gegen alle späteren Eigentümer.

§ 12. (3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr und die Fäkalienabfuhrgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.

Veränderungsanzeige

§ 13. (1) Treten nach Zustellung der Abgabenentscheidung derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).

(2) Eine auf Grund einer im Abs. 1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr (§ 14 Abs. 1 lit.c) ist, soferne sich nicht aus § 12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten.

Abgabenbescheid

§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:

a)   die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);

b)   die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);

c)   Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;

(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;

b) den Grund der Ausstellung;

c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;

d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;

e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;

f) die Rechtsmittelbelehrung und

g) den Tag der Ausfertigung.

(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.

(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Diese Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt (vgl. Ritz, BAO 5, § 279, Rz. 10). "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 2009/15/0152, VwGH 2010/16/0032 und VwGH 2012/15/0161).

3.1.2. Zur Zustellung des Bescheides vom 15. Februar 2012:

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. VwGH 2007/16/0175). Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. VwGH 2007/17/0202). Im vorliegenden hat nun die Behörde dargelegt, dass in der Folge des Bescheides vom 15. Februar 2012 von der damaligen Liegenschaftseigentümerin auch die Quartalsvorschreibungen anstandslos bezahlt wurden. Darüber hinaus ist auch zu betonen, dass die Behauptung der Beschwerdeführer betreffend die nicht erfolgte Zustellung darauf abzielt, dass die Voreigentümerin diesen Bescheid nicht erhalten habe. Nähere Beweise für diese Behauptung der vermeintlich fehlenden Zustellung an die Voreigentümerin sind von den Beschwerdeführern aber nicht vorgelegt worden.

3.1.3.

Die Frage, ob die der Berechnung der an die Voreigentümerin im Jahre 2012 ergangene Abgabenbescheid zugrunde gelegten Flächen richtig waren bzw. sind, sohin ob die Gebühr damals richtig vorgeschrieben wurde, stellte sich angesichts der längst eingetretenen Rechtskraft dieses Bescheides nicht mehr. Dieser gegenüber der früheren Liegenschaftseigentümerin erlassene Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Februar 2012 gehört dem Rechtsbestand an, ist mangels Erhebung einer Berufung dagegen in Rechtskraft erwachsen und entfaltete damit Bindungswirkungen sowohl für die Abgabenbehörde als auch für die Beschwerdeführer, für welche diese Bescheide zufolge der in § 10 NÖ Kanalgesetz 1977 vorgesehenen dinglichen Bescheidwirkung (als Rechtsnachfolger der damaligen Bescheidadressatin im Liegenschaftseigentum) wirksam wurden. Die Rechtskraft bewirkt bei unverändertem Sachverhalt (und unveränderter Rechtslage) das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Maßgebliche Wirkungen eines rechtskräftigen Bescheides sind dessen Unwiederholbarkeit und dessen Unabänderbarkeit. Parteien und Behörden haben den Bescheidinhalt als maßgeblich zu betrachten („res iudicata ius facit inter partes“). Die Unwiederholbarkeitswirkung verbietet, dass über die mit dem Bescheid rechtskräftig erledigte Sache neuerlich entschieden wird (vgl. VwGH 2006/12/0066).

Schon aus diesem Grund war dem Begehren der Beschwerdeführer auf Rückzahlung der vermeintlich zu Unrecht entrichteten Gebühren der Erfolg zu versagen.

3.1.4. Zur Neufestsetzung 2021:

Unmittelbarer Anlass der Neufestsetzung war die durch das Inkrafttreten der Änderung der Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** per 1. Jänner 2021 eingetretene Veränderung des Einheitssatzes zur Berechnung der Kanalbenützungsgebühr. Auf dieser Grundlage wurde vom Bürgermeister der Stadtgemeinde *** vom 19. Jänner 2021, Rechnung ***, gegenüber den Beschwerdeführern die Kanalbenützungsgebühr neu vorgeschrieben. Auf Grund der Berufung vom 27. Jänner 2021, die u.a. die bisher der Vorschreibung zugrunde gelegten Berechnungsflächen kritisierte, wurde im Rahmen der - in Rechtskraft erwachsenen - Berufungsentscheidung vom 23. April 2021, die jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr neu berechnet und auf Grund der nunmehr ermittelten - geringeren - Berechnungsfläche festgesetzt.

Den Abgabenbehörden war es nicht verwehrt, anlässlich der Abgabenvorschreibungen gemäß § 14 Abs. 4 NÖ Kanalgesetz 1977 ausschließlich aufgrund der Änderung der Einheitssätze nunmehr auch eine geänderte rechtliche Beurteilung für die Berechnungsfläche heranzuziehen.

In diesem Falle ist die Abgabenbehörde auch berechtigt, der Abgabenbemessung eine geänderte Berechnungsfläche zugrunde zu legen, nur weil sich ihre Rechtsansicht geändert hat. Eine Änderung der Berechnungsfläche kann diesfalls auch ohne Veränderung des Gebäudes erfolgen (vgl. VwGH 2010/17/0105).

Bei dem der nunmehrigen Neufestsetzung zu Grunde liegenden Abgabenverfahren handelt es sich um ein von den vorangegangenen Abgabenvorschreibungen unabhängiges Abgabenverfahren, weshalb es den Abgabenbehörden auch freistand, bei der Abgabenbemessung von ihrer geänderten rechtlichen Beurteilung des Untergeschoßes auszugehen und dieses nicht mehr als Kellergeschoß iSd § 5 Abs. 3 zweiter Satz NÖ Kanalgesetz 1977 zu behandeln. Umgekehrt stünde es im Falle der Erlassung eines neues Kanalbenützungsgebührenbescheides auch den Abgabepflichtigen frei, den neuen, abgeänderten Bescheid in jeder Richtung (z.B. hinsichtlich Abgabepflicht, Bemessungsgrundlage) zu bekämpfen, selbst wenn dieser Bescheid die Kanalbenützungsgebühr ausschließlich in Bezug auf den geänderten Einheitssatz neu festgesetzt hat (vgl. VwGH Zl. 1107/72 und VwGH 2010/17/0105).

3.1.5.

Da die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzeigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.6

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt.

Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanalbenützungsgebühr; Rückzahlung; Abgabenbescheid; Zustellung; Berechnungsfläche; dingliche Wirkung; Rechtskraft;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1086.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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