Entscheidungsdatum
09.07.2021Norm
BauO NÖ 2014 §41 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von 1) A und 2) B, beide vertreten durch C Rechtsanwalts GmbH, ***, ***, vom 14. April 2021, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 16. März 2021, Zl. ***, mit dem eine Berufung der Beschwerdeführer vom 13. Juli 2019 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 4. Juli 2019, Zl. ***, betreffend Vorschreibung einer Stellplatz-Ausgleichsabgabe, keine Folge gegeben und der angefochtene Abgabenbescheid des Bürgermeisters vollinhaltlich bestätigt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
2. Eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt:
1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2019 suchten A und B (in der Folge: Beschwerdeführer) Bewilligung für das Vorhaben - Umbau des Hauses – auf dem Grundstück Nr. .*** EZ *** KG *** (Adresse: ***, ***) an.
1.1.2.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 29. Mai 2019, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern im Spruch unter Punkt I. die Bewilligung für das nachstehend angeführte Vorhaben erteilt:
„Umbau des Hauses in ***, ***, Parz. Nr. .*** EZ *** KG *** unter Einhaltung der Bestimmungen samt zugehörigen Verordnungen sowie der nachstehenden Auflagen:
Allgemeine Auflagen:
1. Die Fertigstellung des Bauvorhabens ist ...
Folgende Befunde und Atteste sind der Baubehörde mit Fertigstellungsanzeige vorzulegen:
a) Bescheinigung des Bauführers gemäß Auflagen Pkt. N1 …
Hinweise:
? Der Beginn der Ausführung des Vorhabens ist ….
? Gleichzeitig wird gemäß § 63 Absatz 7 der NÖ Bauordnung 2014 festgestellt, dass für den erforderlichen PKW-Stellplatz die Herstellung auf Eigengrund nicht möglich ist. Für diesen Stellplatz, Zone 1, ist gemäß § 41 Absatz 1 der NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatzausgleichsabgabe zu entrichten, welche mit gesondertem Bescheid vorgeschrieben wird.“
In der Folge wird im Spruch unter Punkt II. an Verfahrenskosten ein Betrag von € 251,90 vorgeschrieben, der mit dem beiliegenden Zahlschein zu entrichten sei.
Im Rahmen der folgenden Begründung werden zunächst der bisherige Verfahrensgang und die als maßgeblichen erachteten Rechtsvorschriften angeführt und danach das Vorhaben einer ausführlichen rechtlichen Würdigung - geteillt zu den Spruchpunkten I. und II. - unterzogen.
Dieser Bescheid blieb unbekämpft erwuchs gegenüber den Beschwerdeführern in Rechtskraft.
1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 4. Juli 2019, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer der Liegenschaft mit der Anschrift ***, *** gemäß § 41 NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe in der Höhe von € 17.819,00,- vorgeschrieben und ausgeführt, dass sich die vorzuschreibende Stellplatz-Ausgleichsabgabe wie folgt errechne:
Anzahl der festgestellten
Stellplätze
mal
Einheitssatz
EUR
=
Stellplatz-Ausgleichsabgabe
EUR
1
x
17.819,00
=
17.819,00
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Hohe der Stellpatz-Ausgleichsabgabe ist gemäß § 41 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m² Nutzfläche festzusetzen sei. Der Einheitssatz betrage auf Grund der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vorn 23. Juni 2015 für jeden gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 festgestellten Stellplatz in der Zone 1 € 17,819‚00. Die Steilplatz-Ausgleichsabgabe ist aus dem Produkt der gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 festgestellten Anzahl von Stellplätzen und dem Einheitssatz zu errechnen. Durch die Baubehörde der Stadtgemeinde *** sei mit Bescheid vom 29. Mai 2019, Zl. *** gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 festgestellt worden, dass für die im Spruch angeführte Anzahl von Stellplatzen die Herstellung auf Eigengrund nicht möglich sei. Für diese Stellplätze sei daher gemäß § 41 Abs. 1 NO Bauordnung 2014 eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe vorzuschreiben gewesen.
1.2.2.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2019 erhoben die Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 4. Juli 2019 und begründeten diesen damit, dass es sich bei dem gegenständlichen Gebäude um ein Wohngebäude im Sinne des § 63 Abs 1 Z 1 handle. Es sei daher eine Erhöhung der Anzahl der Wohnungen maßgeblich. Beim gegenständlichen Bauvorhaben bleibe die Gesamtzahl der Wohnungen unverändert. Es werde beantragt, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben.
1.2.3.
Der Stadtrat der Stadtgemeinde *** gab der Berufung der Beschwerdegegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Juli 2019, Zl. ***, keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich. Begründend wurde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass die Mindestanzahl der nach § 63 Absatz 1 der NÖ Bauordnung 2014 zu errichtenden Stellplatze für Personenkraftwagen je nach dem Verwendungszweck des Gebäudes in den Bestimmungen des § 11 Absatz 1 Ziffer1 der NÖ BTV 2014 eindeutig festgelegt werde. Da ein derartiger Stellplatz für einen Personenkraftwagen auf der Liegenschaft *** nicht geschaffen werden konnte und der notwendig sei, wäre aufgrund der Konsenszuführung einer weiteren Wohneinheit im Erdgeschoß - Hoftrakt rechts - daher die Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Absatz 1 der NÖ Bauordnung 2014 für die Zone 1 In der Hohe von € 17.819,00 vorzuschreiben gewesen.
1.3. Beschwerdeverfahren:
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Vertretung mit Schreiben vom 14. April 2021 rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und führte begründend im Wesentlichen aus, dass im Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 29. Mai 2019, Zl. ***, lediglich unter den mit „Hinweisen“ überschriebenen Äußerungen die Stellplatz-Ausgleichsabgabe erwähnt werde. Ein verbindlicher Ausspruch zu einer etwaigen Stellplatzverpflichtung finde sich im allein verbindlichen Spruch an keiner Stelle. Der Abgabentatbestand gemäß § 41 NÖ Bauordnung sei damit nicht erfüllt. In der Folge wird ausführlich dargelegt, dass nach Ansicht der Beschwerdeführer auch keine Erhöhung der Anzahl an Wohnungen erfolgt sei.
1.4. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:
1.4.1.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2021 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
1.4.2.
Vom erkennenden Gericht wurde für den 28. Juni 2021 eine mündliche Verhandlung anberaumt, in deren Verlauf von der belangten ausgeführt wurde, dass sie sich an den Wortlaut des § 63 Abs. 7 gehalten habe und im Spruch des Baubewilligungsbescheides festgestellt habe, dass ein Stellplatz erforderlich sei und dieser auf Eigengrund nicht hergestellt werden könne. Dass die belangte Behörde in der Begründung diesbezüglich keine Ausführungen getroffen habe, mache den Bescheid nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Normalerweise seien die Baubescheide im Spruch gegliedert nach I. Bewilligung, II. Auflagen, III. Feststellungen und IV. Kosten. Der vorliegende Bescheid sei nicht entsprechend durchnummeriert worden, die Nummerierung dürfte hinuntergerutscht sein. Die Hinweise fänden sich normalerweise auf einem an den Bescheid angefügten Beiblatt. Im gegenständlichen Fall sei aus dem angefochtenen Punkt eindeutig erkennbar, dass es sich dabei um Feststellung handle, zumal sich die Behörde klar am Gesetzeswortlaut orientiert habe. Es handle sich nicht um einen bloß allgemeinen Hinweis. Von Seiten des Beschwerdeführervertreters wurde ausgeführt, dass die Erwähnung des Stellplatzes gerade nicht im Spruch erfolgt sei. Auch sei nicht ausdrücklich ein Stellplatz als Pflicht vorgeschrieben worden. Weiters sei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ein Stellplatz zu errichten sei. Auch sei kein konkreter zahlenmäßiger Ausspruch darüber erfolgt. Dieser Ausspruch sei weiters nicht unter einem eigenen Punkt („Feststellungen“ wie von der Behörde erwähnt), sondern unter der Rubrik „Hinweise“ erfolgt. Wenn die Behörde darauf hinweise, dass die unter der Überschrift „Hinweise“ angeführten Punkte lediglich allgemeine Hinweise seien, die ansonsten auf einem Beiblatt zum Bescheid stünden, zeige dies, dass daraus kein normativer Charakter abzuleiten sei.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2021.
1.6. Feststellungen:
1.6.1.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümerin des Grundstück Nr. .*** EZ *** KG *** welches als Bauland gewidmet ist und die topographische Anschrift ***, ***, aufweist.
1.6.2.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 29. Mai 2019, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern im Spruch unter Punkt I. die Bewilligung für den Umbau des Hauses in ***, ***, Parz. Nr. .*** EZ *** KG *** unter Einhaltung der Bestimmungen samt zugehörigen Verordnungen sowie der nachstehenden Auflagen das nachstehend angeführte Vorhaben erteilt. Weiters findet sich im Spruch unter Punkt I. auch folgender Hinweis:
? „Gleichzeitig wird gemäß § 63 Absatz 7 der NÖ Bauordnung 2014 festgestellt, dass für den erforderlichen PKW-Stellplatz die Herstellung auf Eigengrund nicht möglich ist. Für diesen Stellplatz, Zone 1, ist gemäß § 41 Absatz 1 der NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatzausgleichsabgabe zu entrichten, welche mit gesondertem Bescheid vorgeschrieben wird.“
Im Rahmen der folgenden Begründung werden zunächst der bisherige Verfahrensgang und die als maßgeblichen erachteten Rechtsvorschriften angeführt und danach das Vorhaben einer ausführlichen rechtlichen Würdigung - geteilt zu den Spruchpunkten I. und II. - unterzogen. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
1.7. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen (vgl. Punkt 1.6.) nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 108. (1) Bei der Berechnung der Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.
(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.
(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. …
2.2. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 52/2017:
Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge und Fahrräder
§ 41. (1) Ist die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich, dann hat der Eigentümer des Bauwerks oder des Grundstücks für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, außer das Vorhaben liegt in einer Zone, für die eine Verordnung nach § 63 Abs. 8 erlassen wurde.
(2) Eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge hat der Eigentümer eines Bauwerks auch dann zu entrichten, wenn er verpflichtet war, Stellplätze für Kraftfahrzeuge herzustellen, diese jedoch ersatzlos aufgelassen wurden und eine Neuherstellung nicht mehr möglich ist (§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).
(3) Die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge ist vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m2 Nutzfläche festzusetzen. …
(6) Die Stellplatz-Ausgleichsabgaben sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Ihr Ertrag darf nur für die Finanzierung von öffentlichen Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge und Fahrräder oder für Zuschüsse zu den Betriebskosten des öffentlichen Personen-Nahverkehrs verwendet werden.
Herstellung von Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge sowie Ein- und Ausfahrten
§ 63. (1) Wird ein Bauwerk gemäß Z 1 bis 7 errichtet, vergrößert oder dessen Verwendungszweck geändert oder die Anzahl von Wohnungen erhöht, sind dem voraussichtlichen Bedarf entsprechend Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge herzustellen. Die Mindestanzahl der Stellplätze ist mit Verordnung der Landesregierung festzulegen: …
Bei Änderungen des Verwendungszwecks von Gebäuden ist eine bereits anlässlich früherer Vorhaben erfüllte Stellplatzverpflichtung zu berücksichtigen.
(5) Die Abstellanlagen sind grundsätzlich auf dem Baugrundstück herzustellen.
(6) Ist die Herstellung oder Vergrößerung einer Abstellanlage mit der erforderlichen Anzahl von Stellplätzen nach Abs. 1 auf dem Baugrundstück
- technisch nicht möglich,
- wirtschaftlich unzumutbar oder
- verboten (Bebauungsplan),
darf die Anlage auf einem anderen Grundstück hergestellt werden. Dieses Grundstück muss
- in einer Wegentfernung bis zu 300 m liegen und
- seine Verwendung für die Anlage grundbücherlich sichergestellt sein, wenn dieses Grundstück nicht im Eigentum des Verpflichteten steht.
In begründeten Einzelfällen darf die Wegentfernung auf bis zu 600 m erweitert werden.
(7) Wenn auch das nicht möglich ist, ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die erforderliche und nicht herstellbare Anzahl der Stellplätze festzustellen. Die Baubehörde nach § 2 Abs. 1 hat diese Feststellung in einem eigenen Bescheid vorzunehmen, wenn
- sie für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist oder
- eine Maßnahme nach § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a gesetzt wird oder
- die Pflichtstellplätze abgeändert oder ersatzlos aufgelassen werden (§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).
In diesen Fällen ist nach Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 Abs. 1 die Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 vorzuschreiben.
2.3. Verordnung der Stadtgemeinde *** idF vom 23. Juni 2015 über die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge und Fahrräder:
Auf Grund des § 41 NÖ Bauordnung 2014, LGBI. 1/2015 wird die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge und Fahrräder wie folgt festgesetzt:
Zone 1: Stadtkern eingegrenzt durch ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***‚ ***, ***. ***, ***
€ 17.819,00 pro Stellplatz für Kraftfahrzeuge
€ 1.782,00 pro Stellplatz für Fahrräder
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
3.1.1.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
Der Abgabentatbestand für die Stellplatz-Ausgleichsabgabe ist erst mit dem Abspruch der Baubehörde im Baubewilligungsbescheid bzw. im Bescheid über die Anzahl der zu errichtenden bzw. der fehlenden Stellplätze verwirklicht (zur vergleichbaren Rechtslage nach der Wiener Bauordnung etwa VwGH 2009/17/0264 oder VwGH 2011/17/0172 zur NÖ Bauordnung 1996).
3.1.2.
Gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 hat der Eigentümer des Bauwerks oder des Grundstücks für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, wenn die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich ist. Gemäß § 41 Abs. 3 leg.cit. ist die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m² Nutzfläche festzusetzen. Diese Festsetzung ist mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 23. Juni 2015 erfolgt.
In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Die Erlassung des Abgabenbescheides vom 4. Juli 2019 auf Basis der vorgenannten Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 23. Juni 2015 erfolgte somit grundsätzlich zu Recht.
3.1.3.
Die bescheidmäßige Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein den Bestand einer Abgabenschuld (bzw. eines Abgabenanspruches der Gemeinde) voraus. Nach § 41 Abs.1 NÖ Bauordnung 2014 liegt ein Abgabentatbestand vor, wenn die Herstellung von Stellplätzen nicht möglich ist und gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 die erforderliche Anzahl von Stellplätzen festgestellt wurde.
Gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die Anzahl der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze festzustellen.
Im gegenständlichen Fall ist der Abgabentatbestand durch den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 29. Mai 2019, Zl. ***, im Spruch unter Punkt I. unter der Rubrik „Hinweise“ im letzter Punkt begründet worden, da in diesem für das bewilligte Vorhaben ausdrücklich die Anzahl der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze festgestellt worden ist.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ist auch durch die verwendete Wortfolge „… festgestellt, dass für den erforderlichen PKW-Stellplatz die Herstellung auf Eigengrund nicht möglich ist. …“ klar und unmissverständlich dargelegt worden, dass ein PKW-Stellplatz nicht hergestellt werden kann.
Wenn die Beschwerdeführer monieren, dass die Feststellung der Zahl der erforderlichen Stellplätze disloziert erfolgt sei, so ist dem zu entgegnen, dass diese zum einen sehr wohl im Spruch erfolgt sind. Zum anderen sind dislozierte Feststellungen grundsätzlich möglich (vgl. VwGH Ra 2021/08/0008 zum Aufbau von Erkenntnissen eines Verwaltungsgerichtes). Wenn etwa vereinzelt in der rechtlichen Beurteilung dislozierte Feststellungen nachgeholt werde, müssen diese als solche mit hinreichender Deutlichkeit erkannt werden können (vgl. VwGH Ra 2021/02/0089). Im vorliegenden Fall ist durch die Überschrift „Hinweis“ im Bescheid vom 9. Mai 2019 klargestellt, dass es sich um einen „Rat, Tipp, Wink; Bemerkung oder Mitteilung, die in eine bestimmte Richtung zielt und jemandem etwas (besonders eine Kenntnisnahme oder ein Handeln) nahelegt“ handelt (vgl. DUDEN Online, ***).
Daraus folgt, dass der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** in der Folge den im Instanzenzug bekämpften Abgabenbescheid vom 4. Juli 2019 erlassen durfte, da der Abgabentatbestand bereits verwirklicht worden war und der Bescheid vom 29. Mai 2019 in Rechtskraft erwachsen war.
3.1.4.
Sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführer betreffen bei genauer Betrachtung nur den rechtskräftig gewordenen baubehördlichen Bewilligungsbescheid und somit auch die dort rechtskräftig gewordene Feststellung hinsichtlich der Erforderlichkeit, aber Nichtherstellbarkeit von KFZ-Stellplätzen. Die Einwendungen waren daher nicht geeignet, eine Änderung in der Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der - abgeleiteten - Abgabenfestsetzung herbeizuführen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Stellplatz-Ausgleichsabgabe; Baubewilligung; Feststellung; Rechtskraft; Abgabenschuld;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.978.001.2021Zuletzt aktualisiert am
10.11.2021