Entscheidungsdatum
10.07.2021Norm
B-VG Art78aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerden des Herrn A und der Frau B, beide vertreten durch C, Rechtsanwältin in ***, im Zusammenhang mit Amtshandlungen durch Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 19.03.2021 am Flughafen *** (Zurückweisung an der Grenze, Eintragung eines Kreuzes sowie des Kennbuchstabens „C“ bei den in ihren Reisepässen angebrachten Einreisestempeln und das Aufbringen des Stempels „AUFGEHOBEN“ am unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerks des Erstbeschwerdeführers), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
I. zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde, der Erstbeschwerdeführer sei durch Aufbringen des Stempels „AUFGEHOBEN“ auf seinem unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Dieser Akt wird für rechtswidrig erklärt.
2. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 1.659,60 (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
II. den Beschluss gefasst:
4. Die Beschwerden, die Beschwerdeführer seien durch die Zurückweisung an der Grenze in ihren Rechten verletzt worden, werden wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
5. Die Beschwerden, die Beschwerdeführer seien mangels Aushändigung einer begründeten Entscheidung über die Zurückweisung an der Grenze in ihren Rechten verletzt worden, werden wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
6. Die Beschwerden, die Beschwerdeführer seien durch die Eintragung eines Kreuzes sowie des Kennbuchstabens „C“ bei den in ihren Reisepässen angebrachten Einreisestempeln vom 19. März 2020 in ihren Rechten verletzt worden, werden wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
7. Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517,
€ 1.241,65 (Vorlage-, Verhandlungs- und Schriftsatzaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
8. Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517,
€ 1.256,00 (Vorlage-, Verhandlungs- und Schriftsatzaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
9. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Zum Beschwerdevorbringen:
Mit Schriftsatz vom 30. April 2021 erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, vertreten durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung eine auf Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde im Zusammenhang mit Amtshandlungen durch Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 19.03.2021 am Flughafen *** (Zurückweisung an der Grenze, Eintragung eines Kreuzes sowie des Kennbuchstabens „C“ bei den in ihren Reisepässen angebrachten Einreisestempeln und das Aufbringen des Stempels „AUFGEHOBEN“ am unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerks des Erstbeschwerdeführers).
Die Beschwerdeführ, türkische Staatsangehörige, seien mit unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerken nach einem, durch die Pandemie erzwungenen, Aufenthalt von etwas mehr als 12 Monaten in der Türkei am 19.03.2021 mit dem Flugzeug von *** nach *** geflogen, wo ihnen vom Stadtpolizeikommando ***, Grenzpolizei, jedoch die Einreise nach Österreich verweigert worden sei. Die zunächst in den Reisepässen angebrachten Einreisestempel seien ungültig gemacht worden und auf dem unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk des Erstbeschwerdeführers sei der Stempel „aufgehoben“ angebracht worden. Nicht so bei der Zweitbeschwerdeführerin. Es habe keine Befragung der Beschwerdeführer stattgefunden und es sei ihnen auch keine begründete Entscheidung ausgefolgt worden.
Die Voraussetzungen für eine Hinderung an der Einreise bzw. Zurückweisung gemäß Artikel 14 SGK und § 41 FPG seien nicht vorgelegen. Die belangte Behörde habe ihr Vorgehen offenbar auf die Bestimmung des § 20 Abs. 4 NAG gestützt, welche jedoch im vorliegenden Fall gemäß der Stillhalteklausel nach Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.09.1980 (ARB) nicht anzuwenden sei, zumal die Beschwerdeführer beabsichtig hätten, künftig einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachzugehen.
Die Beschwerdeführer beantragten, die angefochtenen Akte bzw. Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und die Zuerkennung von Aufwandsersatz gemäß § 35 VwGVG.
II. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 6. Mai 2021 wurde die belangte Behörde eingeladen, binnen drei Wochen ab Zustellung hierzu eine Gegenschrift zu erstatten und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die bezughabenden Akten vorzulegen.
In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der Akten aus, dass im Zuge der Einreisekontrolle festgestellt worden sei, dass sich die Beschwerdeführer seit 09.01.2020 (letzter Ausreisestempel 08.01.2021 Flughafen ***) nicht mehr im EWR-Gebiet aufgehalten haben. Dementsprechend seien die Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 4 NAG ex lege erloschen. Eine Verständigung der NAG-Behörde, dass ein Grund vorliege, die Frist auf 24 Monate zu erstrecken, sei nicht erfolgt. Die Beschwerdeführer hätten auf Befragung durch die Grenzkontrollorgane angegeben, dass sie wegen der COVID-19-Pandemie länger als zwölf Monate außerhalb des EWR-Gebietes gewesen seien. Im Zuge der Einreisekontrolle hätten die Beschwerdeführer niemals angegeben, in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu wollen, sodass sie nicht unter die Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommen EWG/Türkei fielen. Auch vom Sohn und der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer, welche telefonisch mit einem Grenzkontrollorgan Kontakt hatten, sei nie erwähnt worden, dass die Beschwerdeführer beabsichtigen, in Österreich eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu wollen.
Die Reisedokumente mit dem darin befindlichen Aufenthaltstitel seien der Landespolizeidirektion Niederösterreich als Behörde im Sinne des Grenzkontrollgesetzes vorgelegt worden. Der Journaldienst der Landespolizeidirektion Niederösterreich, Polizeikommissariat ***, habe die Kenntlichmachung der Ungültigkeit im Sinne des § 10 Abs. 4 iVm § 20 Abs. 4 NAG angeordnet. Irrtümlicherweise sei neben dem Wiedereinreise-Sichtvermerk des Erstbeschwerdeführers jedoch der sich im Reisedokument der Zweitbeschwerdeführerin befindliche Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung unbefristet“ des D, geb. ***, ausgestellt vom Amt der Wiener Landesregierung am 08.06.1999, als ungültig gekennzeichnet worden.
Erst im Zuge eines Telefonats der Rechtsvertreterin mit dem Juristischen Dauerdienst der Landespolizeidirektion Niederösterreich sei von dieser angegeben worden, dass die Beschwerdeführer wieder einer Beschäftigung in Österreich nachgehen wollen. Da sich die Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits im Flugzeug befunden hätten, welches schon auf dem Weg zur Startbahn war, habe die Zurückweisung für eine neuerliche Überprüfung des Sachverhalts nicht mehr abgebrochen werden können.
Die Verweigerung der Einreise gemäß Art. 14 SGK bzw. die Zurückweisung gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 FPG sei mangels gültigen Aufenthaltstitel und Visum rechtmäßig gewesen. Der Grund der Zurückweisung sei in deutscher Sprache zur Kenntnis gebracht worden. Das Standardformular zur Einreiseverweigerung sei auf Grund der Tatsache, dass zwischen der Einreise und der Wiederausreise lediglich 65 Minuten lagen, aus zeitlichen Gründen nicht ausgefolgt worden.
Am 1. Juli 2021 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und die handelnden Organe des Stadtpolizeikommandos *** als Zeugen einvernommen. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde zudem die Problematik der Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich behandelt. Seitens der Vertreterin der Beschwerdeführer wurde auf die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich beharrt. Von einer Weiterleitung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Bundes wurde daher abgesehen, zumal die Beschwerde auch am letzten Tag der sechs wöchigen Frist gemäß § 7 Abs. 4 letzter Satz VwGVG eingebracht worden ist und eine Weiterleitung unmöglich rechtzeitig möglich gewesen wäre.
III. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Die Beschwerdeführer sind türkische Staatsangehörige und verfügten zum Zeitpunkt der Einreise über unbeschränkte Wiedereinreise-Sichtvermerke, jeweils ausgestellt von der Bundespolizeidirektion Wien am 13. Mai 1992.
Die Beschwerdeführer haben sich vor den gegenständlich angefochtenen Amtshandlungen seit dem 9. Jänner 2020 (letzter Ausreisestempel 8. Jänner 2020 Flughafen ***) nicht mehr im EWR-Gebiet aufgehalten.
Der Erstbeschwerdeführer spricht gebrochen Deutsch und versteht die deutsche Sprache. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügte über unzureichende Deutschkenntnisse um mit den Organen des Stadtpolizeikommandos *** zu kommunizieren.
Am 19. März 2021 sind die Beschwerdeführer mit dem Flug *** aus *** kommend am Flughafen *** gelandet und haben sich der Grenzkontrolle gestellt. Hierbei haben sie jeweils einen gültigen türkischen Reisepass sowie einen abgelaufenen türkischen Reisepass vorgezeigt, in welchen die unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerke angebracht waren. Über einen (davon unabhängigen) Aufenthaltstitel bzw. ein Visum für die Einreise haben die Beschwerdeführer nicht verfügt.
Im Zuge der Einreisekontrolle hat der Erstbeschwerdeführer angegeben, dass er wisse, dass der Abwesenheitszeitraum länger als 12 Monate betragen hat und begründete dies allgemein unter Hinweis auf die COVID-19-Pandemie. Die Absicht, in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu wollen, wurde hierbei nicht erwähnt. Es wurde auch keine (dem Gericht nunmehr vorgelegte) Arbeitszusage vorgezeigt oder erwähnt. Dies auch nicht, als die Beschwerdeführer unter Beiziehung von Airline-Mitarbeitern in türkischer Sprache danach gefragt worden sind, ob sie irgendwelche Schriftstücke mit sich führen, die eine Einreise ermöglichen.
Daraufhin haben Organe des Stadtpolizeikommandos *** nach Rücksprache mit ihrem Journaldienst auf dem Wiedereinreise-Sichtvermerkt des Erstbeschwerdeführers den Stempel „AUFGEHOBEN“ angebracht. Dies war auch hinsichtlich des Wiedereinreise-Sichtvermerks der Zweitbeschwerdeführerin geplant, jedoch wurde irrtümlich der im Reisedokument der Zweitbeschwerdeführerin befindliche Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung unbefristet“ des D, geb. ***, ausgestellt vom Amt der Wiener Landesregierung am 8. Juni 1999, als ungültig gekennzeichnet.
Anschließend wurde den Beschwerdeführern die Einreise verweigert bzw. wurden sie zurückgewiesen. Eine schriftliche Erledigung über diesen Umstand, insbesondere das Standardformular für die Einreiseverweigerung gemäß Anhang V Teil B Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) wurde den Beschwerdeführern nicht ausgehändigt.
Weiters wurde bei den zuvor bereits angebrachten Einreisestempeln in den Reisepässen der Beschwerdeführer jeweils ein Kreuz sowie der Kennbuchstabe „C“ des Schengener Grenzkodex eingetragen.
Die Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich veranlassten daraufhin die überwachte Ausreise der Beschwerdeführer mit dem Flug *** nach ***.
Anschließend wurde im Zuge eines Telefonats der Rechtsvertreterin mit dem Juristischen Dauerdienst der Landespolizeidirektion Niederösterreich von dieser eine Erwerbsabsicht vorgebracht. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Beschwerdeführer bereits im Flugzeug befunden, welches schon auf dem Weg zur Startbahn war. Die Zurückweisung konnte für eine neuerliche Überprüfung des Sachverhalts nicht mehr abgebrochen werden.
Diese Feststellungen sind im Wesentlichen unstrittig und ergeben sich aus den übereinstimmenden bzw. unbestritten gebliebenen Vorbringen der Parteien. Darüber hinausgehende Feststellungen waren in Hinblick auf die fehlende Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich hinsichtlich mehrerer Amtshandlungen nicht erforderlich.
IV. Erwägungen:
1. Zur Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Spruchpunkte 4, 5 und 6)
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm § 131 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte der Länder über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, soweit sich aus § 131 Abs. 2 und 3 B-VG nichts anderes ergibt.
Die gegenständliche Beschwerde bezieht sich (hinsichtlich Zurückweisung an der Grenze einschließlich ihrer Modalitäten sowie der Eintragung eines Kreuzes und des Kennbuchstabens „C“ bei den in ihren Reisepässen angebrachten Einreisestempeln) auf Amtshandlungen in Vollziehung des FPG. Hierbei handelt es sich um Angelegenheiten der Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG sowie der Fremdenpolizei gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG. Diese Angelegenheiten können gemäß Art. 102 Abs. 2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Entsprechend dieser verfassungsrechtlichen Grundlage normiert das FPG (im Gegensatz zur Rechtslage vor dem BGBl. I Nr. 87/2012) ausschließlich Zuständigkeiten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der Landespolizeidirektionen als Behörden erster Instanz, bei denen es sich jeweils um Bundesbehörden im organisatorischen Sinn handelt (VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016). Die gegenständlich angefochtenen Maßnahmen gelten gemäß § 3 Abs. 4 FPG als Amtshandlungen der örtlich zuständigen Landespolizeidirektion. Diese besondere Zuständigkeitsvorschriften gehen der generellen Festlegung der sachlichen Zuständigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SPG iVm § 4 SPG vor (Giese in Thanner/Vogl (Hrsg) SPG2 § 2 Anm. 1).
Es liegt daher eine Rechtssache in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes vor, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Über eine solche Rechtssache erkennt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG das Verwaltungsgericht des Bundes.
Insbesondere liegt keine Vollziehung im Rahmen der Sicherheitsverwaltung im Sinne des Art. 78a B-VG vor. Die in Art. 78a B-VG verankerte Behördenorganisation ist ein Vollzugsmodell, das eine Mischform darstellt und außerhalb des Art. 102 B-VG steht. Hierbei werden Bundes- und Landesbehörden in einer Weise kombiniert, die weder der mittelbaren noch der unmittelbaren Bundesverwaltung eindeutig zuzuordnen sind. Es handelt sich um eine Mischform, bei der auf unterer Ebene die Elemente der mittelbaren Bundesverwaltung dominieren, während sie auf mittlerer Ebene der unmittelbaren Bundesverwaltung nachgebildet ist. Aus diesem Grund kommt in solchen Angelegenheiten die Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG zur Anwendung, was die grundsätzliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder zur Folge hat (VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261; VfSlg. 19.986/2015; RV 1618 BlgNR 24. GP 15).
Wie bereits dargelegt, erfolgt die Vollziehung des FPG jedoch ausschließlich durch Bundesbehörden ohne Einbindung von Landesbehörden, sodass die Mischform der Sicherheitsverwaltung nicht mehr vorliegt. Die Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG kommt daher nicht zur Anwendung und ist keine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich gegeben (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261; 25.04.2017, Ro 2016/01/0005).
Eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich könnte sich bloß auf Grundlage eines Bundesgesetzes gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 1 B-VG ergeben, das nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden darf.
Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob eine solche Zuständigkeit durch § 88 Abs. 1 SPG begründet werden kann, zumal die Sicherheitsverwaltung gemäß § 2 Abs. 2 SPG auch aus der Fremdenpolizei und der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm besteht.
Gemäß § 88 Abs. 1 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG).
Wie bereits dargelegt, hat sich der Gesetzgeber im vorliegenden Fall jedoch dazu entschieden, die Bestimmungen des FPG, somit Teile der Sicherheitsverwaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 SPG, außerhalb des Vollzugsmodells der Sicherheitsverwaltung iSd Art. 78a B-VG bzw. § 4 SPG ausschließlich unmittelbar von Bundesbehörden vollziehen zu lassen (wozu er grundsätzlich berechtigt ist; VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261). Es liegt daher gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG - da es sich um unmittelbare Bundesverwaltung im Sinn des Art. 102 Abs. 2 B-VG handelt - eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes vor.
Weil § 88 SPG in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes-Inneres, BGBl. I Nr. 161/2013, jedoch ohne Zustimmung der Länder kundgemacht worden ist, kann § 88 Abs. 1 SPG im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Eine sich in Hinblick auf § 2 Abs. 2 SPG ergebende Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte für Angelegenheiten der Fremdenpolizei wäre nämlich nicht mit Art. 131 B-VG in Einklang zu bringen, zumal sich eine Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte mangels der hierfür notwendigen Zustimmung der Länder auch nicht auf Art. 131 Abs. 4 Z 1 B-VG stützen ließe (siehe VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261 in Bezug auf § 88 Abs. 2 SPG und die Vollziehung eines Bereichs des Passwesens iSd § 2 Abs. 2 SPG nach den Bestimmungen des FPG).
Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die in Frage stehende Angelegenheit von einer Behörde wie dem BFA vollzogen wird, die nicht zu den Sicherheitsbehörden im Sinne des Art. 78a B-VG zählt oder von einer Sicherheitsbehörde, die jedoch nicht im Rahmen Sicherheitsverwaltung im Sinne des Art. 78a B-VG, sondern in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig wird. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt § 88 Abs. 1 SPG nämlich auch in Angelegenheiten, die in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden nicht als Rechtsgrundlage für eine an das Landesverwaltungsgericht zu richtende Maßnahmenbeschwerde gegen eine Landespolizeidirektion in Betracht (VwGH 25.04.2017, Ro 2016/01/0005).
Die Wortfolge „sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“ ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie sich nur auf die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Rahmen der Sicherheitsverwaltung gemäß Art. 78a B-VG bezieht (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 19.986/2015 bereits explizit ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht des Bundes gemäß Art. 131 Abs. 6 B-VG zur Entscheidung über Richtlinienbeschwerden im Zusammenhang mit der Ausübung der Fremdenpolizei gemäß Rückverweisung auf Art. 131 Abs. 2 B-VG zuständig ist, da diese von Bundesbehörden vollzogen wird.
Zumal jenes Verwaltungsgericht zur Entscheidung über einfachgesetzlich eingerichtete Verhaltensbeschwerden (zu denen sowohl Richtlinienbeschwerden als auch Beschwerden gemäß § 88 Abs. 2 SPG zählen) zuständig ist, das in der jeweiligen Angelegenheit über Beschwerden gegen die „Haupttypen“ gemäß § 130 Abs. 1 B-VG entscheidet, muss selbiges auch für Maßnahmenbeschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gelten (siehe ebenso VfSlg. 19.986/2015).
Außerdem normieren weder § 9 FPG noch § 41 Abs. 3 FPG eine Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte, auch wenn in diesen Bestimmungen augenscheinlich von einer solchen Zuständigkeit ausgehen.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate auch vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht für Maßnahmenbeschwerden im Bereich der Sicherheitsverwaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 SPG in Angelegenheiten zuständig waren, die unmittelbar von Bundesbehörden vollzogen worden sind. Eine unmittelbare Bundesvollziehung war in diesen Materien schlichtweg nicht vorgesehen. Insbesondere waren die Bezirksverwaltungsbehörden als Landesbehörden im organisatorischen Sinn in die Vollziehung des FPG eingebunden (siehe § 3 Abs. 1 FPG idF vor dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, welcher hinsichtlich der Behördenzuständigkeit sogar explizit auf § 4 SPG verwies). Selbiges gilt etwa auch für die Vollziehung des Grenzkontrollgesetzes (siehe § 8 Abs. 1 Grenzkontrollgesetz idF vor dem FNG-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2013). Diese Struktur entsprach jener der Behörden der Sicherheitsverwaltung gemäß § 2 SPG (siehe ausdrücklich RV 114 BlgNR 20. GP, 16) und ist auch in der geltenden Rechtslage zum Beispiel in § 48 Abs. 1 Waffengesetz 1996, § 9 Abs. 1 Vereinsgesetz 2002 oder § 16 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 vorgesehen.
Diesbezüglich ist auch zu beachten, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz-Inneres, BGBl. I Nr. 161/2013, die in § 88 Abs. 1 SPG geregelte Beschwerdemöglichkeit kein selbständiges Rechtsinstitut war, sondern nur ein Fall der im Allgemeinen im B-VG und AVG vorgesehenen sogenannten Maßnahmenbeschwerde (VwGH 26.05.2009, 2005/01/0203). Der Bestimmung des § 88 Abs. 1 SPG kam keine eigenständige normative, sondern ausschließlich deklarative Bedeutung zu, zumal diese Befugnis des UVS insowiet bereits unmittelbar aufgrund des Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG bestand (Wessely in Thanner/Vogl (Hrsg) SPG2 § 88 Anm. 1).
Zusammenfassend kann eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich hinsichtlich Zurückweisung an der Grenze auch nicht aus § 88 SPG abgeleitet werden.
Gleiches gilt auch für die von der Zurückweisung zu unterscheidende Kenntlichmachung dieses Umstandes im Reisepass gemäß § 45 Abs. 3 FPG – und zwar auch dann, wenn die Beschwerde diesbezüglich als Verhaltensbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG qualifiziert wird –, weil Art. 131 Abs. 6 B-VG eine zu den typengebundenen, verfassungsrechtlich zwingend eingerichteten Zuständigkeiten akzessorische sachliche Zuständigkeit begründet. Eine sich in Hinblick auf § 2 Abs. 2 SPG ergebende Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte wäre nicht mit Art. 131 B-VG in Einklang zu bringen, zumal sich eine Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte mangels der hierfür notwendigen Zustimmung der Länder auch nicht auf Art. 131 Abs. 4 Z 1 B-VG stützen ließe (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261). Es besteht daher auch keine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich hinsichtlich der Eintragung eines Kreuzes sowie des Kennbuchstabens „C“ bei den in den Reisepässen der Beschwerdeführer angebrachten Einreisestempel (siehe auch VfSlg. 19.986/2015, wonach das Verwaltungsgericht des Bundes zur Entscheidung über typenfreies Verwaltungshandeln [hier Richtlinienbeschwerde] im Bereich der Fremdenpolizei zuständig ist, da diese von Bundesbehörden vollzogen wird).
2. Zur Anbringung des Stempels „AUFGEHOBEN“ auf dem unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk des Erstbeschwerdeführers (Spruchpunkt 1)
Zunächst ist festzuhalten, dass das NAG in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird und somit die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG gegeben ist. Gemäß § 20 Abs. 4 NAG erlischt ein Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“, wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten. Gemäß § 10 Abs. 4 NAG ist die Ungültigkeit, Gegenstandslosigkeit oder das Erlöschen von im Reisedokument Fremder ersichtlich gemachter Aufenthaltstitel in diesen Reisedokumenten kenntlich zu machen. Hiezu ist jede Behörde ermächtigt, der ein Reisedokument anlässlich einer Amtshandlung nach einem Bundesgesetz vorliegt; Staatsbürgerschaftsbehörden sind hiezu verpflichtet (zur Verneinung der Bescheidqualität einer solchen Kennzeichnung VwGH 17.3.2009, 2007/21/0536; 15.12.2011, 2009/09/0236).
Im konkreten Fall verfügte der Erstbeschwerdeführer ursprünglich über einen unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk nach dem PassG 1969, der im Ergebnis gemäß § 11 Abs. 3 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung in einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach dem NAG aufging. Nach dem neuen Regime, nämlich nach § 20 Abs. 4 NAG erlöschen derartige Titel, wenn sich der Betroffene länger als zwölf Monate (bzw. in bestimmten Fällen länger als 24 Monate) außerhalb des EWR aufhält. Keine Anwendung findet dieser Erlöschenstatbestand jedoch im Anwendungsbereich der Stillhalteklauseln des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des (wirkungsgleichen [VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0289]) Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen, zumal ein Erlöschen des Aufenthaltstitels durch Abwesenheit aus dem Gebiet des EWR erst mit dem NAG eingeführt wurde und gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage eine Verschärfung darstellt (VwGH 26.6.2012, 2009/22/0307). Allerdings fällt eine nationale Regelung nur insoweit in den Anwendungsbereich der Stillhalteklauseln, als sie geeignet ist, eine selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit i.S.d. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit oder Dienstleistungsfreiheit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates zu beeinträchtigen (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0043). Auf Sachverhalte, die diesen Bereichen nicht zuzuordnen sind, finden die Stillhalterklauseln daher keine Anwendung. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen türkische Staatsangehörige nicht die Absicht haben, sich in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates zu integrieren (EuGH 21.10.2003, Abatay und Sahin, C-317/01 und C-369/01; VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0004; 9.8.2018, Ra 2017/22/0111) bzw. mit Blick auf den gleichartigen Schutzbereich des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0289) sich dort i.S.d. Niederlassungsfreiheit niederzulassen oder sich dort i.S.d. Dienstleistungsfreitheit zu entfalten. Der hier interessierende Erlöschenstatbestand des § 20 Abs. 4 NAG wird daher durch das Unionsrecht nur partiell, nämlich im Anwendungsbereich der Stillhalterklauseln überlagert.
Von Relevanz für die Anwendbarkeit der Stillhalteklauseln und damit spiegelbildlich die Anwendbarkeit des Erlöschenstatbestandes des § 20 Abs. 4 NAG ist daher der vom Fremden verfolgte Aufenthaltszweck, wobei es am Fremden liegt, diesen Zweck im konkreten Fall der Behörde bzw. dem einschreitenden Organ gegenüber zu offenbaren (VwGH 27.2.2020, Ra 2017/22/0040) und glaubhaft zu machen (§ 41 Abs. 3 FPG; i.d.S. ausdrücklich die stRsp., etwa VwGH 30.6.2000, 2000/02/0107; 18.5.2001, 98/02/0319).
Unabhängig von der konkreten Einreise ist für die Beurteilung des Erlöschens des Aufenthaltstitels jedoch ausschlaggebend, dass der Erlöschungstatbestand des § 20 Abs. 4 NAG im Hinblick auf die oben dargelegten Stillhalteklauseln durch das Unionsrecht partiell verdrängt wird. Spiegelbildlich dazu sind die genannten Aufenthaltstitel daher jedenfalls nicht zur Gänze erloschen, sondern bloß zu solchen Aufenthaltszwecken, die nicht dem Anwendungsbereich der Stillhalteklauseln zuzurechnen sind. Der undifferenzierte Eintrag einer Ungültigkeit bringt dies aber nicht zum Ausdruck, sondern beurkundet die Rechtsposition der Beschwerdeführer unrichtig. Zumal von einer gänzlichen ex-lege-Ungültigkeit der Aufenthaltstitel nicht ausgegangen werden kann, weil dies gegen die obgenannten Stillhalteklauseln verstieße, erweist sich auch eine undifferenzierte Kenntlichmachung im Reisedokument als unzulässig. Der Beschwerde war daher insoweit Erfolg beschieden (zur identen Rechtsfrage siehe auch LVwG NÖ 15.05.2020, LVwG-M-3/001-2020; zum Vorrang des Maßnahmenbeschwerdeverfahrens gegenüber einem Feststellungsverfahren vgl. VwGH 26.9.2019, Ra 2019/09/0097).
V. Kosten
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen wird, dann ist gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Diese Bestimmungen sind gemäß § 53 VwGVG auch in Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze sinngemäß anzuwenden.
Die Höhe des Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwands ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung festgelegt.
Wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet, besteht ein Anspruch auf mehrfachen Schriftsatzaufwand. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte ist anhand der getroffenen Feststellungen wesentlich, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (VwGH 16.03.2016, Ra 2015/05/0090, 24.01.2013, 2011/21/0125; 12.04.2005, 2004/01/0277 mwN).
Sind die inhaltlichen Voraussetzungen einer Gegenschrift gegeben, steht der Kostenersatz dem Rechtsträger der obsiegenden belangten Behörde auch dann zu, wenn die Beschwerde wie im gegenständlichen Fall aus formellen Gründen zurückgewiesen wird (VwGH 1.12.1992, 92/14/0023).
Gegenständlich lieg jeweils hinsichtlich der Zurückweisung der Beschwerdeführer an der Grenze ein sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbarer Akt unmittelbarer Verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt vor.
Das Unterlassen der Aushändigung des Standardformulars wurde – im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung präzisiert – ausdrücklich als eigenständige Amtshandlung angefochten. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen eigenständigen Akt handelt, wurde dieses Unterlassen in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht widerlegt, sondern vielmehr bestätigt, sodass diesbezüglich kein Schriftsatzaufwand zuzusprechen war (VwGH 20.1.1998, 97/08/0545).
Die Eintragung eines Kreuzes sowie des Kennbuchstabens „C“ bei den in den Reisepässen angebrachten Einreisestempeln stellt einen schlicht-hoheitlichen Verwaltungsakt dar, für den gemäß § 35 iVm § 53 VwGVG ebenfalls der Ersatz des Schriftsatzaufwandes je Beschwerdeführer zusteht.
Schließlich hat nur der Erstbeschwerdeführer das Aufbringen des Stempels „AUFGEHOBEN“ auf seinem unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk erfolgreich angefochten.
Im Ergebnis war daher der belangten Behörde je Beschwerdeführer der zweifache Schriftsatzaufwand in der Höhe von jeweils 368,80 Euro und dem Erstbeschwerdeführer der einfache Schriftsatzaufwand in der Höhe von 737,60 Euro zuzusprechen.
Der Ersatz für den Verhandlungsaufwand gebührt der belangten Behörde gemäß der zu § 35 VwGVG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur einmal, wenn über mehrere Beschwerden gemeinsam verhandelt wird (VwGH 16.03.2016, Ra 2015/05/0090; siehe auch VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163).
Ebenso war dem Erstbeschwerdeführer hinsichtlich des Spruchpunktes 1 der einfache Verhandlungsaufwand zuzusprechen.
Der Vorlageaufwand der belangten Behörde ist durch die Zahl der erforderlichen Aktenvorlagen begrenzt (VwGH 22.3.2000, 97/01/0745). Gegenständlich wurden je Beschwerdeführer ein Verwaltungsakt vorgelegt. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin war daher der einfache Vorlageaufwand in der Höhe von 57,40 Euro zuzusprechen, während hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers aufgrund dessen teilweisen Obsiegens drei Viertel von € 57,40 zuzusprechen waren (VwGH 22.05.2018, Ra 2017/17/0812).
VI. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision
1. Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision hinsichtlich des Erkenntnisses
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte. Zum einen ist der Anwendungsbereich der Stillhalteklauseln durch die oben wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH und des EuGH ebenso wie das Verhältnis zum Erlöschenstatbestand des § 20 Abs. 4 NAG hinreichend abgeklärt. Zum anderen folgt die Beweiswürdigung zur Feststellung des Sachverhalts den Regeln, wie sie in Lehre und Rechtsprechung anerkannt sind.
2. Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision hinsichtlich des Beschlusses
Die Revision ist zulässig, weil eine (ausdrückliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehlt, ob die Verwaltungsgerichte der Länder zur Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden im Bereich der Sicherheitsverwaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 SPG zuständig sind, wenn diese in Abweichung von der in Art. 78a B-VG bzw. § 4 SPG vorgesehenen Behördenzuständigkeit in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Zurückweisung an der Grenze; Reisepass; Eintragung; Zuständigkeit; Vollziehung des Bundes;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.29.001.2021Zuletzt aktualisiert am
10.11.2021