TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/14 LVwG-AV-18/001-2021

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Veröffentlicht am 14.07.2021
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Entscheidungsdatum

14.07.2021

Norm

BauO NÖ 2014 §38 Abs1 Z2
BAO §4 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der Frau A und des Herrn B, beide vertreten durch C Rechtsanwalts GmbH, vom 7. Jänner 2021 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 30. November 2020, Aktenzeichen: ***, mit welchem eine Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. Dezember 2019, betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe, als unbegründet abgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:

Frau A und Herr B (in der Folge: Beschwerdeführer) sind grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***. Das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer an der Liegenschaft, ursprünglich bestehend aus dem Grundstücken Nr. *** wurde aufgrund eines Kaufvertrages im Jahr 2011 verbüchert. Für dieses Grundstück ist weder eine frühere Baubewilligung noch eine Bauplatzerklärung aktenkundig.

Aufgrund eines Bauansuchens vom 20. Mai 2014 wurde den Beschwerdeführern mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. Juni 2014, Aktenzeichen: ***, die baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Einfamilienhauses sowie eines Carports und einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. *** im Bauland-Wohngebiet erteilt. Diese Baubewilligung wurde nicht angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.

Im Bebauungsplan ist das Grundstück mit der Bauklasse I, II ausgewiesen, das bewilligte Bauvorhaben entspricht der Bauklasse II. Die Fläche des Grundstückes betrug zum Zeitpunkt der Baubewilligung 607 m².

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. April 2018 wurde eine von den Beschwerdeführern beantragte Änderung von Grundstücksgrenzen (Zusammenlegung der Grundstücke Nr. *** und *** zum Grundstück Nr. ***) bewilligt bzw. nicht untersagt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 10. Juli 2018 zu TZ *** wurde die Vereinigung der beiden Grundstücke in der EZ *** entsprechend dem bewilligte Teilungsplan grundbücherlich durchgeführt. Das Baugrundstück Nr. *** ist damit im zusammengelegten Grundstück Nr. *** aufgegangen.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. Dezember 2019, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 aus Anlass der mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 10. Juni 2014 erteilten Baubewilligung eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von € 22.327,62 vorgeschrieben.

Es bestehe gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 die gesetzliche Verpflichtung, aus Anlass der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Die Abgabe werde aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet. Die Berechnungslänge sei die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates, der Bauklassenkoeffizient sei von der bewilligten Höhe des Bauwerkes abzuleiten, der Einheitssatz sei gemäß der Verordnung des Gemeinderates € 725,00 festgesetzt. Die Berechnung der Aufschließungsabgabe stelle sich demnach wie folgt dar:

Grundstück Fläche  Ber.Länge x BKK x Einheitssatz = Aufschließungsabgabe

***            607 m²  24,6374 1,25 € 725,00   € 22.327,62

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer durch ihre gemeinsame ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 7. Jänner 2020 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. In diesem Berufungsschreiben führten sie aus, dass das Grundstück *** nicht mehr existiere. Aufgrund der Zusammenführung der Grundstücke bestehe nur das Grundstück *** aus EZ ***. Der Bescheid sei aufgrund der Falschbezeichnung nicht vollstreckbar.

Zudem sei die Aufschließungsabgabe für die Grundstücke *** und *** bereits entrichtet, was mit rechtskräftigem Feststellungsbescheid der Marktgemeinde *** vom 20. August 2018 rechtsverbindlich festgestellt worden sei. Als einmalig zu entrichtende Gemeindeabgabe dürfe die Aufschließungsabgabe daher nicht nochmals erhoben werden. Der angefochtene Bescheid sei daher ersatzlos aufzuheben.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 30. November 2020, Zl. ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 10. Dezember 2019 als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Tatbestand der Aufschließungsabgabe mit der Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. *** entstanden. Entsprechend dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben sei die zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Sach- und Rechtslage heranzuziehen.

Davor habe es für das Grundstück *** auch keinen Anlass zur Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe gegeben, weder sei das Grundstück zum Bauplatz erklärt worden, noch sei vor 2014 eine Baubewilligung zur Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt worden.

Bei dem in der Berufung als „Feststellungsbescheid“ bezeichneten Schreiben vom 20. August 1998 handle es sich um ein Auskunftsschreiben ohne normative Wirkung.

Mit Schriftsatz vom 7. Jänner 2021 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene gemeinsame Rechtsvertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 30. November 2020.

Zur Begründung wurde „insbesondere“ vorgebracht, dass der Feststellungsbescheid vom 20. August 1998 der Vorschreibung entgegenstehe.

Es handle sich dabei um einen Bescheid an den damaligen Grundstückseigentümer mit Feststellungscharakter, der der nunmehrigen Abgabenvorschreibung entgegenstehe. Der angefochtene Bescheid sowie der Abgabenbescheid seien ersatzlos aufzuheben.

Mit Schreiben vom 10. März 2021 legte der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten, unbedenklichen Akt der Gemeindebehörden.

Insbesondere enthält der Akt auch das inkriminierte Schreiben vom 20. August 1998.

Das Vorliegen früherer Vorschreibungen einer Aufschließungsabgabe für das verfahrensgegenständliche Grundstück oder die Erbringung früherer Leistungen eines Grundstückseigentümers für den Ausbau von Fahrbahn, Gehsteig, Oberflächenentwässerung oder Beleuchtung konnte nicht festgestellt werden

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Bauordnung 2014:

Aufschließungsabgabe

§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2

         1.       ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder

         2.       eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.

Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.

(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:

A = BL x BKK x ES

Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …

(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:

Bauplatzfläche = BF
BL = ?BF

(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:

in der Bauklasse I       1,00 und

bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je  0,25 mehr,

in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00

bei einer Geschoßflächenzahl

- bis zu 0,8        1,5

- bis zu 1,1        1,75

- bis zu 1,5        2,0

- bis zu 2,0        2,5 und

- über 2,0        3,5

Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.

Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.

(…)

2.3. Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** über die Festlegung des Einheitssatzes zur Errechnung der Aufschließungsabgabe vom 10. Dezember 2012 (Wirksamkeit ab 1. Jänner 2013):

Der Einheitssatz wird für die Berechnung der Aufschließungsabgabe mit € 725,- festgelegt.

2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. Dezember 2019, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 aus Anlass der mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. Juni 2014, Aktenzeichen: ***, erteilten Baubewilligung zum Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, im Bauland-Wohngebiet eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von € 22.327,62 vorgeschrieben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Abgabenbescheid vollinhaltlich bestätigt.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich auf die Frage reduzieren, ob diese Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe dem Grunde nach zu Recht erfolgen durfte. Die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung bestimmt auch den Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens.

Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes voraus.

Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).

Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 4 Bundesabgabenordnung das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier in der NÖ Bauordnung 2014) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen.

Der Abgabenbescheid ist dann lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419).

§ 38 NÖ Bauordnung 2014 regelt den Tatbestand einer Aufschließungsabgabe.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 ist dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2,3 und 5 erteilt wird.

Bei dem nach einer Teilung 1963 geschaffenen verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr. *** handelt es sich demnach um einen Bauplatz gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014. Auf einem solchen Bauplatz ist die erstmalige Errichtung eines Gebäudes als Abgabentatbestand zu betrachten (vgl. auch Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht, Praxiskommentar, 2. Auflage, S.299).

Für die Verwirklichung des Abgabentatbestandes kommt im gegenständlichen Fall nur die Baubewilligung mit der darin enthaltenen Bauplatzerklärung vom 10. Juni 2014 auf dem Grundstück *** in Betracht. Gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 gilt die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist.

Weder konnte für das verfahrensgegenständliche Grundstück festgestellt werden, dass diese zum Bauplatz erklärt worden wäre oder dass dort ein baubehördlich bewilligtes Gebäude bestanden hat.

Der Zeitpunkt, zu dem sich der Abgabentatbestand des § 38 Abs. 1 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 verwirklicht hat, ist der Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides, mit dem die Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes auf diesem Bauplatz erteilt wurde.

Zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben (VwGH 174/75; 3706/80, uva.) sind für die Vorschreibung einer Abgabe die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches vorliegenden Verhältnisse maßgebend, das heißt die Sach- und Rechtslage (Berechnungslängen, Bauklassenkoeffizienten, Einheitssatz, Eigentumsverhältnisse, etc.) in diesem Zeitpunkt.

Es liegt einer jener Fälle vor, deren der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75, Slg 9315 A/1977, gedacht hat, wenn er ausführte, eine "andere Betrachtungsweise" (nämlich eine andere als das Abstellen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) werde "auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war". Der sogenannte Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben stellt eine solche aus der Systematik der Abgabengesetze gewonnene rechtliche Regel dar. Es ist jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde bzw. der Abgabenanspruch entstanden ist.

Es ist daher die 2014 geltende Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** über die Festsetzung des Einheitssatzes der Aufschließungsabgabe maßgeblich. Und es ist als Gegenstand der Vorschreibung das 2014 bestehende Baugrundstück Nr. *** heranzuziehen, mag es auch durch eine spätere Grundstückszusammenlegung in einem anderen Grundstück aufgegangen sein.

Nachträgliche Sachverhaltsänderungen, wie im gegenständlichen Fall die erst später erfolgte Änderung der Grundstücksgrenzen, sind nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführer vermeinen, ein Schreiben der Marktgemeinde *** vom 20. August 1998 stehe der nunmehrigen Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegen.

In diesem Schreiben, adressiert an den früheren Eigentümer, wurde bezugnehmend auf die Grundstücke *** und das verfahrensgegenständliche Baugrundstück *** - unter anderem - Folgendes ausgeführt:

„Hiermit bestätigt die Marktgemeinde ***, daß für die im Betreff angeführten Grundstücke die Aufschließungsabgabe im Sinne des § 38 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, abgegolten sind.“

Zum Inhalt dieser Erledigung ist zunächst auszuführen, dass damit nicht das Vorliegen eines Abgabentatbestandes bestätigt wird und auch nicht die bescheidmäßige Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe bestätigt wird oder gar dadurch erfolgt. Tatsächlich konnten auch keine Hinweise auf eine frühere Bauplatzerklärung, eine frühere Baubewilligung oder einen früheren Abgabenbescheid in den vorgelegten Verwaltungsakten aufgefunden werden.

Ein früherer (allenfalls bereits verjährter) Vorschreibungsanlass oder ein früherer Abgabenbescheid (als res iudicata) können dementsprechend der nunmehrigen erstmaligen Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe nicht entgegenstehen.

Insoweit damit bestätigt worden sein sollte, dass die Abgabe abgegolten, d.h. beglichen sei, ist festzuhalten, dass eine allenfalls durch den Grundstückseigentümer bereits erfolgte Leistung ebenfalls nicht der Vorschreibung entgegenstehen könnte, sondern lediglich im Wege der Aufrechnung mit dem nunmehr vorgeschriebenen Abgabenbetrag an Zahlungsstatt geltend gemacht werden könnte. Dementsprechend käme für die Tilgung der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe möglicherweise eine Entrichtung im Wege einer (auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machenden) Kompensation in Betracht.

Durch die Behauptung einer früher bereits erfolgten Leistung wird kein subjektiv-öffentliches Recht geltend gemacht, sondern letztlich das Bestehen eines zivilrechtlichen Aufrechnungsanspruches eingewendet. Eine (allenfalls einem öffentlich-rechtlichen Abgabenanspruch der Gemeinde entgegenstehende) zivilrechtliche Forderung kann nicht mit Erfolg im hoheitlichen Verfahren zur Geltendmachung des Abgabenanspruches eingewendet werden, sondern muss auf dem dafür vorgesehenen Zivilrechtsweg gesondert geltend gemacht werden.

Wenngleich die Geltendmachung einer Aufrechnung im (der Vorschreibung nachfolgenden) Einbringungsverfahren den Beschwerdeführern unbenommen ist, wird dennoch festgehalten, dass es sich bei der im Schreiben vom 20. August 1998 enthaltenen Bestätigung der Abgeltung bzw. Entrichtung einer Abgabe somit um eine zivilrechtliche Information handelt. Als mögliche Deutung dieser Information käme zudem auch in Betracht, dass zum damaligen Zeitpunkt mangels eines entstandenen Anspruchs bzw. einer erfolgten Vorschreibung keinerlei Forderungen der Gemeinde hinsichtlich einer Aufschließungsabgabe offen gewesen waren.

Auf einen normativen Ausspruch kann aus der im Schreiben vom 20. August 1998 gewählten Formulierung jedenfalls nicht zwingend geschlossen werden. Die Formulierung, es werde die Abgeltung der Abgabe bestätigt, verstärkt den Eindruck, dass damit lediglich eine (möglicherweise erfolgte) Erbringung von Leistungen durch den Grundstückseigentümer oder schlicht die damals bestehende Ausgeglichenheit des Abgabenkontos dokumentiert werden sollte. Jedenfalls kommt dieser Aussage allenfalls Informationscharakter zu, ein Gestaltungswille dergestalt, damit öffentlich-rechtliche Ansprüche auszuschließen, kann dem Aussteller dieses Schreibens – auch mangels gesetzlicher Grundlage für ein derartiges Vorgehen – nicht unterstellt werden. Dass die Aussage namens der „Marktgemeinde ***“, somit namens einer Gebietskörperschaft und nicht einer Abgabenbehörde, getroffen wurde, bestätigt die Beurteilung, dass es sich bei diesem Schreiben nicht um einen verbindlichen Bescheid handeln konnte.

Die Richtigkeit der der Vorschreibung zu Grunde gelegten Bemessungsgrundlagen ist nicht weiter zweifelhaft. Zur Berechnung der Aufschließungsabgabe ist gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 anzuwenden. Dieser ist mit der Berechnungslänge des Grundstückes und dem nunmehrigen Einheitssatz zu multiplizieren.

Die Berechnungslänge ergibt sich aus der Wurzel der (im Juni 2014 gegebenen) Bauplatzfläche von 607 m² mit 24,6374. Der Einheitssatz wurde vom Gemeinderat mit € 725,- festgesetzt.

EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu

EA= 1,25 x 24,6374 x 725 = € 22.327,62

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die gegenständliche Entscheidung konnte gemäß § 274 Bundesabgabenordnung unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern nicht beantragt und ist auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall ausschließlich Rechtsfragen zu erörtern waren (vgl. EGMR vom 5. September 2002, Zl. 42057/98, Speil/Austria).

3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Auch geht die Auslegung des Inhaltes der Erledigung vom 20. August 1998 in ihrer Wirkung nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit sohin nicht angesprochen.

4. Ergänzendes:

Gemäß § 212a BAO kann ein Beschwerdeführer einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abgabe stellen, soweit deren Höhe von der Erledigung der Bescheidbeschwerde abhängt.

Über diesen Antrag hätte auch im Beschwerdeverfahren die Abgabenbehörde zu entscheiden und sind die Beschwerdeführer mit ihrem Antrag „der Beschwerde möge aufschiebende Wirkung zuerkannt werden“ an die zuständige Abgabenbehörde, der die Einhebung der den Gegenstand des Antrages bildenden Abgabe obliegt, zu verweisen.

Schlagworte

Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Baubewilligung; Abgabenschuld; Zeitbezogenheit; Zivilrechtsweg;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.18.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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