TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W241 2243240-1

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Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W241 2243240-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2021, Zl. 1159804107/210180807, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 55 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3, 46, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge: BF), einer Staatsangehörigen der Mongolei, wurde am 24.10.2017 erstmals ein Aufenthaltstitel „Studierender“, gültig bis 23.10.2018, erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde am 24.10.2018 für ein weiteres Jahr verlängert.

Am 14.10.2019 stellte die BF einen Verlängerungsantrag.

Am 11.09.2020 heiratete die BF einen in Österreich aufhältigen mongolischen Staatsbürger.

Am 21.12.2020 stellte die BF einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus. Dieser Antrag wurde am 21.03.2021 zurückgezogen.

2. Am 09.02.2021 stellte die BF gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG.

3. Am 26.04.2021 wurde die BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, dass sie in der Mongolei Politikwissenschaft studiert habe. In Österreich habe sie beabsichtigt, das Masterstudium Politische Bildung zu absolvieren, habe jedoch den nötigen Studienerfolg nicht erbracht. In Österreich habe sie während des Studiums in einem Eisgeschäft gearbeitet. Die Beschäftigungsbewilligung des AMS sei am 08.03.2021 abgelaufen. Derzeit sei sie arbeitslos gemeldet. Im Oktober 2017 sei sie legal nach Österreich eingereist. Von Juni 2016 bis Februar 2017 habe sie in Deutschland gelebt. In der Mongolei lebten noch ihre Eltern und zwei Brüder. Seit 11.09.2020 sei sie mit einem mongolischen Staatsbürger verheiratet, die Ehe sei in der Mongolei geschlossen worden. Ihr Mann verfüge seit Juli 2020 über eine Aufenthaltsberechtigung Plus. Sie spreche Deutsch auf dem Niveau B1. Sie habe Bekannte durch ihr Studium und ihre berufliche Tätigkeit, sei nicht Mitglied in einem Verein und gehe keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie leide an Endometriosis, sei aber in Behandlung, da ein Kinderwunsch bestehe.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) vom 30.04.2021 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen. Nach § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in die Mongolei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die BF nur vorübergehend zum Zweck des Studiums in Österreich aufgehalten habe. Die Ehe mit einem mongolischen Staatsbürger sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, als sich die BF habe bewusst sein müssen, dass ihr Aufenthaltstitel nicht verlängert werde. Eine Fortsetzung des Familienlebens in der Mongolei oder die Aufrechterhaltung der Beziehung durch gegenseitige Besuche sei möglich. Berufliche Bindungen bestünden nicht. Die Rückkehrentscheidung stelle daher keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben der BF dar.

4. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 28.05.2021 Beschwerde erhoben.

Der Beschwerde lagen folgende Unterlagen bei:

- Bescheid über die Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung

- Zeugnis des Deutschen Roten Kreuzes vom 30.09.2017

- Schreiben des Ehemannes der BF

- Bestätigung des Studienerfolges

- Anmeldungen für Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2021

- Arztbrief vom 16.03.2021

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige der Mongolei, ihre Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

1.2. Die BF reiste im Oktober 2017 ins Bundesgebiet ein und hielt sich seither durchgehend (mit kurzen Unterbrechungen) hier auf.

1.3. Ihr wurde am 24.10.2017 erstmals ein Aufenthaltstitel „Studierender“, gültig bis 23.10.2018, erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde am 24.10.2018 für ein weiteres Jahr verlängert. Am 14.10.2019 stellte die BF einen Verlängerungsantrag. Am 21.12.2020 stellte die BF einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus. Dieser Antrag wurde am 21.03.2021 zurückgezogen.

1.4. Seit Zurückziehung des Zweckänderungsantrags vom 21.03.2021 hält sich die BF ohne Aufenthaltstitel und damit illegal im Bundesgebiet auf.

1.5. Am 09.02.2021 stellte die BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG.

1.6. Die BF heiratete am 11.09.2020 in der Mongolei einen mongolischen Staatsbürger, XXXX , geb. XXXX . Dieser hatte 2004 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Jahr 2011 wurde ihm (abgeleitet von seiner Mutter) der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Aufgrund mehrere strafrechtlicher Verurteilungen wurde ihm im April 2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2020 wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigung Plus erteilt.

Der Ehemann der BF hat einen zwölfjährigen Sohn, der in Österreich lebt und ebenfalls mongolischer Staatsbürger ist. Er steht mit seinem Sohn über regelmäßige Besuche in Kontakt und leistet Unterhalt.

Die BF lebt mit ihrem Ehemann seit Oktober 2019 in einem gemeinsamen Haushalt.

1.7. Die BF leidet an Endometriose. Im November 2020 wurde eine operative Sanierung durchgeführt. Aus dem Arztbrief vom 16.03.2021 ergibt sich, dass die BF aktuell beschwerdefrei ist und kein Behandlungsbedarf besteht.

1.8. Die BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Sie reiste zum Zweck des Studiums nach Österreich ein, ihr Aufenthaltstitel „Studierender“ wurde jedoch mangels Studienerfolgs nicht verlängert. Sie war bisher nicht an einer österreichischen Universität oder Fachhochschule als ordentliche Studierende zugelassen. Sie absolvierte im Jahr 2019 mehrere Sprachkurse (Deutsch, Russisch, Chinesisch), legte darüber hinaus aber keine Prüfungen ab.

Die BF verfügt in Österreich über soziale Kontakte. Die BF ist kein Mitglied in Vereinen oder Organisationen und geht keinen kulturellen oder sportlichen Aktivitäten nach.

Sie ist strafrechtlich unbescholten.

1.9. Die BF war von 2017 bis März 2021 im Ausmaß von 20 Wochenstunden als Thekenkraft beschäftigt. Die im März 2021 abgelaufene Beschäftigungsbewilligung wurde bis März 2022 verlängert, weshalb davon auszugehen ist, dass die BF ihre berufliche Tätigkeit wiederaufgenommen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität der BF ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Eine Kopie ihres Reisepasses liegt im Akt auf.

2.2. Der Aufenthalt der BF in Österreich ergibt sich ebenfalls zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt. Da die BF in ihrer Einvernahme am 26.04.2021 angab, dass ihre Ehe in der Mongolei geschlossen wurde, ist davon auszugehen, dass sie sich mindestens einmal für kurze Zeit dort aufgehalten hat.

2.3. Der Ablauf des Verfahrens, im Zuge dessen der Aufenthaltstitel „Studierender“ der BF letztlich nicht verlängert wurde, ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

2.4. Da der der Zweckänderungsantrag von der BF zurückgezogen wurde und sie auch über keine anderen Aufenthaltstitel verfügt, war der Aufenthalt der BF ab 21.03.2021 unrechtmäßig.

2.5. Die Antragstellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

2.6. Die Feststellungen zum Ehemann der BF ergeben sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde, der Aussage der BF, wonach die Ehe in der Mongolei geschlossen wurde, und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht betreffend den Ehemann vom 28.07.2020, W182 1258495-2.

Der gemeinsame Haushalt ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.

2.7. Die Feststellungen zum gesundheitlichen Zustand der BF ergeben sich aus den vorgelegte ärztlichen Unterlagen. Im Arztbrief vom 16.03.2021 ist „Pat kommt zur Kontrolle, subj beschwerdefrei“ vermerkt, weshalb davon auszugehen ist, dass aktuell kein Behandlungsbedarf besteht.

2.8. Die Deutschkenntnisse der BF ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und der Tatsache, dass die Einvernahme vor dem BFA auf Deutsch durchgeführt wurde. Der fehlende Studienerfolg und die bisher nicht erfolgte Zulassung als ordentliche Studierende ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen der XXXX . Weder aus den eigenen Angaben der BF noch aus den Unterlagen geht hervor, dass die BF jemals zum ordentlichen Studium in Österreich zugelassen gewesen wäre. Die BF hat nur im Zeitraum von Jänner bis März 2019 Prüfungen abgelegt.

Die privaten Verhältnisse der BF in Österreich ergeben sich aus ihren Angaben. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug.

2.9. Die Erwerbstätigkeit ergibt sich ebenfalls aus den vorgelegten Unterlagen und den eigenen Angaben der BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 55 Abs.1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Nach § 55 Abs. 2 AsylG, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird. Auch das AsylG sieht eine entsprechende zwingende Verbindung von Aussprüchen nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor. § 10 Abs. 3 AsylG lautet: "Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."(vgl. dazu VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/082).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG BGBl I. Nr. 87/2012 idgF zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 9 Abs. 3 BFA-VG lautet:
"Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Die BF ist mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten mongolischen Staatsbürger verheiratet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigten, dass diese Beziehung eingegangen wurde, als sich die BF der Unsicherheit ihres Aufenthaltes bewusst sein musste. Sie reiste im Oktober 2017 nach Österreich ein und verfügte zunächst über einen Aufenthaltstitel „Studierender“. Das Studium wurde von der BF jedoch nie ernsthaft betrieben, sie war nie als ordentliche Studierende immatrikuliert und legte erst 2019 einige Sprachprüfungen ab. Bei Stellung ihres zweiten Verlängerungsantrags im Oktober 2019 muss der BF daher klar gewesen sein, dass sie die Voraussetzungen für die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels nicht erfüllte, da zwei Jahre nach Beginn ihres Studiums kein Studienerfolg vorlag. Dennoch begründete sie im September 2019 einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem späteren Ehemann. Der Aufenthaltstitel wurde nicht rechtzeitig vor Ablauf im Oktober 2019 verlängert. Obwohl die weitere Erteilung eines Aufenthaltstitels unwahrscheinlich war, schloss die BF im September 2020 in der Mongolei die Ehe mit ihrem Gatten und stellte (im Bewusstsein der fehlenden Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel „Studierender“) im Dezember 2020 einen Zweckänderungsantrag. Da auch dieser Antrag keine Aussicht auf Erfolg hatte, zog sie den Antrag im März 2021 zurück, wodurch ihr Aufenthalt in Österreich nunmehr illegal ist.

Die BF versuchte somit durch ihre Eheschließung und die darauffolgende Beantragung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vollendete Tatsachen zu schaffen und die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zu umgehen. Soweit die BF daher auf ihr familiäres Interesse an einem gemeinsamen Aufenthalt mit ihrem Ehemann verwies, ist diese – unabhängig von der abschließenden Beurteilung der Beziehungsintensität zwischen der BF und ihrem Ehemann – auf das für den von ihr angestrebten Zweck vorgesehene Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu verweisen, dessen Bestimmungen im Falle einer Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Rahmen eines – wie vorliegend zweckwidrig initiierten – Verfahrens nach § 55 AsylG umgangen würden, wodurch in die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens jedenfalls erheblich eingegriffen würde.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen und ist abzulehnen (EGMR 8.4.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.6.2010, U 613/10). In solchen Konstellationen wiegt das öffentliche Interesse besonders schwer, zumal von den Beteiligten nicht von einem rechtmäßigen Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0683 mit Hinweis auf VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0235 mwN; 14.11.2017, Ra 2017/21/0207).

Die BF hat im Verfahren auch keine Gründe geltend gemacht, weshalb ihr dies nicht möglich sein sollte; der bloße Hinweis, dass eine (vorrübergehende) Trennung der Eheleute unzumutbar sei, stellt keine Rechtfertigung für die Umgehung der Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes dar. Die BF und ihr Ehemann haben die nunmehr bestehende Situation durch den Versuch, einen Aufenthalt der BF unter bewusster Umgehung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, zu erwirken, selbst zu verantworten.

Die BF ist somit darauf zu verweisen, den Wunsch nach Einwanderung und Familienzusammenführung im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

Der Ehemann der BF ist mongolischer Staatsbürger, eine Fortsetzung des Familienlebens ist daher auch in der Mongolei möglich. Der Kontakt des Ehemannes mit seinem zwölfjährigen Sohn könnte durch gegenseitige Besuche (da der Sohn ebenfalls mongolischer Staatsbürger ist) und durch moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Alternativ kann für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahren der Kontakt zwischen der BF und ihrem Ehegatten zwischenzeitlich telefonisch oder über das Internet sowie durch persönliche Besuche aufrechterhalten werden, nachdem der Ehemann der BF als mongolischer Staatsbürger jederzeit zu Einreise und Aufenthalt im gemeinsamen Herkunftsstaat berechtigt ist.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Im gegenständlichen Fall verfügte die BF zunächst über einen Aufenthaltstitel „Studierender“, welcher jedoch nicht verlängert wurde. Ein Zweckänderungsantrag wurde von der BF im März 2021 zurückgezogen. Ab diesem Zeitpunkt verfügte die BF nicht mehr über einen Aufenthaltstitel und hielt sich unrechtmäßig in Österreich auf. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts der BF beträgt etwa dreieinhalb Jahre. Die gesamte Aufenthaltsdauer der BF ist im Sinne der oben angeführten Judikatur als kurz zu bezeichnen. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ scheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

Die BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem ungefähren Niveau B1. Außergewöhnlich gute Deutschkenntnisse konnten im Verfahren nicht nachgewiesen werden. Sie war seit 2017 im Ausmaß von 20 Wochenstunden erwerbstätig, ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und geht auch keinen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach. Hinsichtlich des Privatlebens der BF wurde im Verfahren lediglich freundschaftliche Beziehungen vorgebracht, welche jedoch weder durch die Nennung von Vor- und Nachnamen dieser Freunde noch durch die Vorlage von Unterstützungsschreiben untermauert wurden.

Die BF reiste im Oktober 2017 zum Zweck des Studiums an der Universität XXXX nach Österreich ein. Die BF wurde jedoch nicht zum ordentlichen Studium zugelassen. Dem ursprünglichen Zweck des Aufenthaltstitels der BF, nämlich die Absolvierung eines Studiums in Österreich, wurde von der BF daher nie entsprochen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.07.2020, Ra 2020/21/0243, ebenfalls ausgesprochen, dass einem Aufenthalt, der durch eine Aneinanderreihung befristeter Aufenthaltstitel als Schüler bzw. Studierender zustande kam, ohne dass die diesem zugrundeliegenden Aufenthaltszwecke auch nur ansatzweise erreicht wurden, nur geringe Bedeutung zukommt.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der (rechtmäßige) Aufenthalt der BF nicht so lang gedauert hat, dass von einem Überwiegen der privaten Interessen an einer Fortsetzung des Aufenthalts auszugehen wäre, zumal dieser iSd Judikatur des VwGH als relativ kurz zu werten ist (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH). In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720 sowie vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied).

Das Bundesverwaltungsgericht kann auch sonst keine unzumutbaren Härten vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK in einer Rückkehr der BF in die Mongolei erkennen. Die privaten Beziehungen der BF zu Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt verhältnismäßig schwach ausgeprägt, während sie in ihrem Herkunftsstaat, in welchem sie den überwiegenden und prägenden Teil ihres Lebens verbrachte, noch über ihre Eltern und Geschwister verfügt, die Schule besucht und ein Studium absolviert hat. Aufgrund der relativ kurzen Ortsabwesenheit kann auch nicht gesagt werden, dass die BF ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre, sodass sich die BF in der Mongolei problemlos wieder eingliedern wird können.

Dass die BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der BF in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass der BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die BF hat weder behauptet über ein anderes Aufenthaltsrecht zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

3.2. Zu Spruchpunkt II.:

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wurde im Verfahren nicht behauptet und ist dem erkennenden Gericht auch sonst nicht bekannt geworden.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde ebenfalls nicht behauptet und kam im Verfahren nicht hervor.

Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Mongolei nicht.

Die Abschiebung der BF in die Mongolei ist daher zulässig. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich dieser Spruchpunkte als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit der BF zu erörtern. In der Beschwerde finden sich auch keine Hinweise, wonach eine weitere mündliche Verhandlung notwendig ist, zumal sich dort keine substantiierten Ausführungen finden, die dies erforderlich machen würden. In der Beschwerde werden lediglich das Familienleben und der Grad der Integration der BF geltend gemacht, wobei dieses Vorbringen der Entscheidung ohnehin zugrunde gelegt wurde, aber nicht geeignet war, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.

Das BFA hat sich sohin ausreichend und abschließend mit dem Vorbringen der BF auseinandergesetzt. Die Ermittlung des Sachverhaltes durch das BFA war demnach nicht zu beanstanden. Der maßgebliche Sachverhalt war demnach aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der BF mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte.


Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.


Schlagworte

individuelle Verhältnisse Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2243240.1.00

Im RIS seit

10.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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