TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 W169 2195885-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W169 2195885-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2021, Zl. 1071424209-210548715, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser gemäß § 28 VwGVG iVm § 68 AVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste am 30.05.2015 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.06.2015 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus Jilib stamme, ledig sei und im Heimatland acht Jahre die Grundschule besucht habe. Er gehöre der Volksgruppe der Madibaan an. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Volksgruppe der Madibaan in Somalia diskriminiert werde. Besitz werde einem weggenommen und aus diesem Grund habe er seine Heimat verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 12.04.2016, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach § 127 StGB und § 15 StGB als junger Erwachsener iSd § 1 Z 5 JGG zu einer Geldstrafe von 30 Tagsätzen zu je EUR 4,- verurteilt.

3. Am 13.02.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu Protokoll, dass er gesund sei und im Rahmen der Erstbefragung die Wahrheit angeführt habe. Er sei in Jilib geboren und aufgewachsen und habe dort acht Jahre die Grundschule besucht. Er habe mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einer Mietwohnung gelebt. In Somalia lebe nurmehr eine Tante von ihm; zu dieser habe er aber keinen Kontakt. Seine Familie lebe in Kenia in einem Lager. Zu dieser habe er Kontakt. Sein Vater sei im Lager in Kenia eines natürlichen Todes gestorben. Der Beschwerdeführer gehöre zum Clan der Madibaan, Subclan Gahayle. Er habe sein Heimatland im Februar 2015 von Mogadischu aus verlassen. Für die Flucht habe er 4.500,-- Dollar bezahlt. Dieses Geld habe ihm seine Tante gegeben, welche in Mogadischu wohne. Zu den Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er Somalia verlassen habe, zumal er dort aufgrund seiner Clanzugehörigkeit Probleme mit der Familie seiner Freundin gehabt habe.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017, Zl. 1071424209-150585575, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.02.2018 erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers – aufgrund der Steigerung des Fluchtvorbringens – nicht glaubhaft sei. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia verwiesen.

Dieser Bescheid erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft.

5. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 28.11.2017, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a und 3 SMG unter Setzung einer dreijährigen Probezeit zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sechs Monate bedingt, verurteilt.

6. Auf Antrag vom 17.01.2018 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2018 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 24.02.2020 verlängert.

7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.06.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach § 15 StGB und § 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 28.11.2017 gewährte bedingte Strafnachsicht von sechs Monaten widerrufen.

Der Beschwerdeführer hat gemäß Schuldspruch im Jänner 2019 ein 17-jähriges, somit minderjähriges Mädchen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Tat nur aufgrund der Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb.

Bei der Strafbemessung mildernd gewertet wurde, dass die Tat beim Versuch geblieben war. Erschwerend gewertet wurde die Begehung während der Probezeit. Um den Beschwerdeführer von der Begehung neuerlicher Straftaten abzuhalten, sei die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe notwendig gewesen; dies auch vor dem Hintergrund, dass er bereits einmal das Übel der Haft verspürte habe, was ihn nicht davon abgehalten habe, weitere strafbare Handlungen zu begehen. Darüber hinaus sei auch aus generalpräventiven Gründen mit einer unbedingten Freiheitsstrafe vorzugehen, da es für ein junges Mädchen bzw. eine Frau wohl nichts Schlimmeres geben könne, als vor dem eigenen Haus abgefangen und Opfer eines Sexualverbrechens zu werden.

8. Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 25.09.2019, Zl. XXXX , wurde der gegen das obgenannte Urteil erhobenen Berufung nicht Folge gegeben, sodass dieses in Rechtskraft erwuchs.

9. Mit Schreiben vom 07.01.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels als subsidiär Schutzberechtigter.

10. Am 20.01.2020 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen („Gegenstand der Amtshandlung: Einvernahme zum Aberkennungsverfahren“).

Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er gesund sei und in Österreich lediglich Freunde habe. Er habe nur einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und im Übrigen seine Deutschkenntnisse durch Gespräche mit Freunden erweitert. Er habe letztes Jahr elf Monate als Küchenhilfe gearbeitet, das Arbeitsverhältnis aber aus eigener Entscheidung beendet. Er sei danach beim AMS gewesen.

Zu seinen Straftaten gab der Beschwerdeführer an, dass er zwar „große Fehler“ gemacht habe, die er bereue, sich aber „nicht vorstellen“ könne, dass er die versuchte Vergewaltigung begangen habe, obgleich er dafür verurteilt worden sei. Er sei betrunken gewesen und habe Drogen konsumiert gehabt. Er sei zuvor von XXXX nach Vorarlberg gezogen, um mit den Drogen aufzuhören und eine Lehre zu beginnen. Hinsichtlich der versuchten Vergewaltigung sei er sich aber „keiner Schuld bewusst“.

In Somaliland lebe eine Tante, mit der er keinen Kontakt mehr habe. Seine Familie lebe in einem Flüchtlingslager in Kenia. Er könne nicht nach Somalia zurückkehren, da er dort keine Familie habe und die Sicherheitslage schlecht sei. Zudem bezog sich der Beschwerdeführer auf seinen Fluchtgrund, wonach er Angst habe, dass ihm die Familie seiner damaligen Freundin etwas antun werde. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung des Länderinformationsblattes zu Somalia vom 17.09.2019 sowie auf die Abgabe einer Stellungnahme.

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der ihm mit Bescheid vom 24.02.2017, Zl. 1071424209-150585575, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde gemäß § 9 Abs. 2 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt II.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt III.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.), gemäß § 9 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia unzulässig sei (Spruchpunkt VI.), ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VII.) und schlussendlich gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens verurteilt worden sei und eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen und folglich die damit verbundene befristete Aufenthaltsberechtigung zu entziehen sei. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens nicht entgegen, da eine maßgeblich ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration in Österreich nicht vorliege. Allerdings sei weiterhin eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Somalia gegeben, da sich seit Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weder die Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia noch die individuellen Umstände des Beschwerdeführers maßgeblich geändert hätten, weshalb die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia unzulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, sei zudem die Verhängung eines Einreiseverbotes geboten gewesen.

12. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welcher zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer reuig und sich des Unrechts seiner Taten bewusst sei, sowie Besserung gelobe. Der Beschwerdeführer könne sich auf Deutsch verständigen, habe viele österreichische Freunde, führe ein selbstbestimmtes Leben und plane eine Ausbildung.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.07.2020, Zl. W169 2195885-2/5E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt II. zu lauten hat: „Der Ihnen mit Bescheid vom 24.02.2017, Zl. 1071424209-150585575, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG 2005 idgF von Amts wegen aberkannt.“ Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und zusätzlich die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom 28.11.2017 widerrufen worden sei, sodass der Beschwerdeführer nun gesamt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verbüße. In Zusammenschau aller Umstände unter Miteinbeziehung der besonderen Umstände des Einzelfalls bestehe daher kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer wegen eines schweren Verbrechens im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 rechtskräftig verurteilt worden sei. Darüber hinaus erweise sich die vom Beschwerdeführer begangene (versuchte) Vergewaltigung nicht nur als schweres, sondern auch als besonders schweres Verbrechen. Der Beschwerdeführer habe sein minderjähriges Opfer – laut dem im Akt aufliegenden Urteil – bis vor die Haustüre verfolgt, um es sodann unter Anwendung von Gewalt zur Vornahme des Beischlafs zu nötigen. Das Landesgericht Feldkirch habe zur Tat des Beschwerdeführers treffend ausgeführt, dass es für ein junges Mädchen bzw. eine Frau wohl nichts Schlimmeres geben könne, als vor dem eigenen Haus abgefangen und Opfer eines Sexualverbrechens zu werden. Der als mildernd gewertete Umstand, dass es beim Versuch geblieben sei, könne gegenständlich kaum zu Gunsten des Beschwerdeführers beurteilt werden, sei dies doch bloß der letztlich erfolgreichen Gegenwehr des Opfers geschuldet gewesen. Die vom Beschwerdeführer gesetzten Handlungen seien konkret als besonders schwerwiegend zu beurteilen, zumal er die Straftat innerhalb der Probezeit seiner Verurteilung wegen § 27 Abs. 2 a und Abs. 3 SMG – somit wegen Drogenkriminalität, die schon vom EGMR als „Geisel der Menschheit“ bezeichnet worden sei – vorgenommen habe. Bemerkt werde dabei auch, dass dem Urteil des Landesgerichts Feldkirch zu entnehmen sei, dass der Beschwerdeführer bereits zuvor öfters Frauen „nach Hause begleitete“, was auch auf eine gewisse schädliche Neigung schließen ließe. Weder habe ihn das bereits vor Begehung dieser Tat verspürte Haftübel vor der Begehung einer weiteren, noch schwereren Straftat zurückschrecken lassen, noch zeige der Beschwerdeführer auch aktuell ein Schuldbewusstsein. Da der Beschwerdeführer sich weiterhin in Strafhaft befinde, könne ihm kein etwaiges Wohlbehalten seit Haftentlassung zugutegehalten werden. Dem Bundesamt könne somit nicht entgegengetreten werden, wenn es im Sinne der obgenannten Rechtsprechung davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sodass der Beschwerdeführer neben dem Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG auch jenen des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG erfülle. Da die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 4 AsylG mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden sei, sei entsprechend vom Bundesamt ebenso der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung abzuweisen gewesen. Im Hinblick auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers würden seine lediglich schwach ausgeprägten privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet zweifellos hinter die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Verhütung von Straftaten, zurücktreten, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK darstellen würde, sodass die Beschwerde auch hinsichtlich dieses Spruchpunktes abzuweisen gewesen sei. Gemäß § 9 Abs. 2 2. Unterabsatz AsylG sei im Fall einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus den Gründen des § 9 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG diese mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei. Da weder aus dem Beschwerdeschriftsatz ersichtlich noch sonst erkennbar sein, inwiefern der Beschwerdeführer aus der vom Bundesamt demnach festgestellten Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Somalia beschwert sei, sei die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen. Zu dem vom Beschwerdeführer verhängten Einreiseverbot durch das Bundesamt wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits zum dritten Mal während seines relativ kurzen Aufenthalts in Österreich verurteilt worden sei, die von ihm begangenen Straftaten einen zunehmenden Schweregrad aufweisen würden, die letzte Tatbegehung während offener Probezeit erfolgt sei und der Beschwerdeführer sich trotz rechtskräftiger, in zweiter Instanz bestätigter Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung keiner Schuld bewusst sei. Der Beschwerdeführer zeige damit, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Neben der Verurteilung des Beschwerdeführers im Bereich der Drogenkriminalität handle es sich bei der (versuchten) Vergewaltigung um ein besonders schweres Verbrechen, das heißt, um eine Straftat, die objektiv ein besonders wichtiges Rechtsgut verletze. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle daher eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal die letzte Straftat noch nicht lange zurückliege und somit der seither verstrichene Zeitraum – der Beschwerdeführer befinde sich in Strafhaft – als zu kurz anzusehen sei, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen. Folglich könne daher unter Berücksichtigung aller genannten Umstände sowie in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten, als gegeben angenommen werden, weshalb es der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden könne, wenn sie im vorliegenden Fall von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegangen sei, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich mache. Somit erweise sich das von der belangten Behörde angeordnete Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG dem Grunde nach als gerechtfertigt. Auch der von der belangten Behörde festgesetzten Dauer des Einreiseverbotes von fünf Jahren könne in Anbetracht des massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers nicht entgegentreten werden, weshalb die Beschwerde auch diesbezüglich abzuweisen gewesen sei.

14. Am 26.04.2021 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten – den gegenständlichen –Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer aus, dass er sich vom 03.03.2021 bis 26.04.2021 in der Schweiz aufgehalten habe. Auf Vorhalt, dass sein Asylverfahren bereits seit Juli 2020 rechtskräftig negativ entschieden worden sei und auf die Frage, warum er jetzt einen neuen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass seine vorherigen Erstbefragungen alle falsch gewesen seien, weil seine Eltern ihm gesagt hätten, dass er lügen solle, um einen positiven Bescheid zu bekommen. Er habe gemacht, was seine Eltern ihm gesagt hätten. Er wolle in einem Land leben, wo er frei sei und machen könne, was er wolle. Er wolle nicht mehr den Anweisungen seiner Eltern folgen. Dies seien alle seine Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

15. Am 08.07.2021 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er psychische Probleme habe. Er sei freiwillig ins Krankenhaus gegangen, wo er ein bis zwei Stunden gewesen sei. Danach sei er wieder entlassen worden. Zum Beweis dafür wolle er einen Ambulanzbefund vom Landesklinikum XXXX vom 25.05.2021 sowie einen vorläufigen Arztbrief des LKH XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 14.06.2021 vorlegen. Auf die Frage, ob sich bezüglich der Ausreisegründe, die er im ersten Asylverfahren angegeben habe, etwas geändert habe, gab der Beschwerdeführer an, dass alles, was er damals angegeben habe, eine Lüge gewesen sei. Er habe sich das ausgedacht, um Asyl zu bekommen. Seine Eltern hätten ihm gesagt, dass er das vorbringen solle, um Asyl zu bekommen. Auf die Frage, warum er Somalia tatsächlich verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an: „Ich habe Somalia verlassen, weil ich dort eigentlich keine Freiheiten hatte. Ich wollte Freiheit.“ Auf die weitere Frage, ob noch Angehörige von ihm in Somalia leben würden, führte der Beschwerdeführer an, dass sein Vater in Somalia lebe. Er sei mit vier Frauen verheiratet und habe 16 Kinder. Das letzte Kind sei letzte Woche geboren worden. Das sei es gewesen, was ihn bedrückt habe. Das habe er gemeint, dass er keine Freiheiten gehabt habe. Er sei das älteste Kind gewesen. „Die gesamte Situation hat mich wirklich sehr bedrückt.“ Nach Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, gab der Beschwerdeführer an, dass jeder Mensch einen Fehler mache. Auch er habe einen Fehler gemacht und sei deswegen ins Gefängnis gekommen. Nach seiner Entlassung habe er einen Bewährungshelfer bekommen, der ihn unterstütze und begleite. Er hätte auch gerne vom Staat Unterstützung, damit er ein neues Leben beginnen wolle.

Die Frage, ob er zu den ihm am 18.06.2021 ausgefolgten aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Somalia eine Stellungnahme abgeben möchte, verneinte der Beschwerdeführer.

16. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen glaubhaften, entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Zur allgemein maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nichts geändert habe. Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch in jenem, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließen, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Da die im Vorverfahren dem Beschwerdeführer gegenüber erlassene Rückkehrentscheidung, die mit einem fünfjährigen Einreiseverbot verbunden gewesen sei, noch aufrecht sei, sei eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen gewesen.

17. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wiederholte seine bisher im Verfahren getätigten Angaben. Hinsichtlich der psychischen Probleme des Beschwerdeführers wurde auf die schlechte medizinische Versorgung im ganzen Land hingewiesen. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Spruchteil A)

2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Der Beschwerdeführer hat sowohl bei der Erstbefragung als auch im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur gegenständlichen Antragstellung ausgeführt, dass alles, was er im ersten Asylverfahren angegeben habe, eine Lüge gewesen sei. Er habe sich das ausgedacht, um Asyl zu bekommen (siehe AS 165). Er habe Somalia tatsächlich verlassen „weil ich dort eigentlich keine Freiheiten hatte. Ich wollte Freiheit.“ (siehe AS 168). Sein Vater sei in Somalia aufhältig; er sei mit vier Frauen verheiratet und habe 16 Kinder. Das letzte Kind sei letzte Woche geboren worden. Das habe er gemeint, dass er keine Freiheiten gehabt habe. Mit diesem Vorbringen stützt der Beschwerdeführer seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz auf einen Sachverhalt, der sich bereits vor Beendigung seines Erstverfahrens zugetragen hat, weswegen diesem die Rechtskraft des Vorbescheides entgegensteht. Nur der Vollständigkeit halber sei aber angemerkt, dass dieses Vorbringen im Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben im ersten Asylverfahren steht, wo er im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.02.2017 ausdrücklich angeführt hat, dass seine Familie nicht mehr in Somalia lebe, sondern in einem Lager in Kenia und sein Vater in diesem Lager eines natürlichen Todes gestorben sei, während er im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum gegenständlichen Folgeantrag am 08.07.2021 ausführte, dass sein Vater in Somalia lebe, dort mit vier Frauen verheiratet sei und 16 Kinder habe. Da der Beschwerdeführer sohin keinen glaubhaften, entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht hat, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden ist, war die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen ist.

Wie vorhin bereits ausgeführt, ist das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines Folgeantrages in einem Asylverfahren nach dem Asylgesetz überdies verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sondern auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Diesbezüglich führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid aus, dass die Vergleichsentscheidung in Hinblick auf Spruchpunkt II. das Erkenntnis des BVwG vom 16.07.2020 (gemein wohl: 14.07.2020), Zl. W169 2195885-2/5E, sei. Diesem Erkenntnis liege zwar keine rechtskräftige Entscheidung über die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, sondern eine solche über die Aberkennung eines solchen Status zugrunde. Dies stehe aber der Entscheidung im gegenständlichen Verfahren betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache hinsichtlich Spruchpunkt II nicht entgegen, zumal Gegenstand jenes Verfahrens gleichermaßen die „Zulässigkeit der Abschiebung des Antragstellers in den Herkunftsstaat“ gewesen sei. Dazu ist auszuführen, dass gerade das gegenständlich nicht der Fall ist, da mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2020 ausdrücklich entschieden wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland unzulässig sei und weiterhin eine refoulmentschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Somalia gegeben sei, da sich seit Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weder die Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia noch die individuellen Umstände des Beschwerdeführers maßgeblich geändert hätten, weshalb die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia unzulässig sei. Mit Erkenntnis des BVwG vom 14.07.2020 wurde folglich auch die Beschwerde hinsichtlich dieses Spruchpunktes als unzulässig zurückgewiesen, zumal weder aus dem Beschwerdeschriftsatz ersichtlich noch sonst erkennbar gewesen sei, inwiefern der Beschwerdeführer aus der vom Bundesamt demnach festgestellten Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia beschwert sei. Da folglich im vorliegenden Fall, anders als in den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2017 bzw. vom 22.02.2019, keine rechtskräftig negative § 8-Entscheidung vorliegt, welche jedoch die Grundlage für eine Zurückweisung gemäß § 68 AVG ist, sondern im Gegenteil, die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia für unzulässig erklärt wurde, war der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dieser zu beheben. In der Folge ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher gehalten, eine Entscheidung in der Sache zu treffen.

2.4. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sind hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt.

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Spruchpunktes II. konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

entschiedene Sache Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W169.2195885.3.00

Im RIS seit

10.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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