TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/31 W236 1304507-4

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Veröffentlicht am 31.08.2021
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Entscheidungsdatum

31.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W236 1304507-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein LegalFocus, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2021, Zl. 741660805/201280705, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1.1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen, kam gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus Tschetschenien nach Österreich, wo für ihn am 18.08.2004 ein Asylantrag gestellt wurde. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Mutter des Beschwerdeführers an, den Herkunftsstaat wegen ihres Mannes verlassen zu haben, der damals gekämpft habe und getötet worden sei. Sie wolle nicht, dass ihre Kinder Widerstandskämpfer würden. Man habe bei ihnen im Wohnblock regelmäßig Säuberungen durchgeführt; die Russen hätten nach den Rebellen gesucht. Dem Beschwerdeführer wurde letztlich mit rechtskräftigem Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.12.2007, 304.507-C1/7E-XIX/61/06, gemäß § 7 iVm § 10 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997, durch Erstreckung über seine Mutter Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen der Mutter des Beschwerdeführers schlüssig sei und der Situation im Herkunftsstaat entspreche, wonach eine Verfolgung aus ethnischen Gründen in Verbindung mit der Suche oder Fahndung durch russische Kräfte nach nahen Angehörigen von Widerstandskämpfern im Zusammenhang mit dem Verdacht der Kontaktaufnahme zu tschetschenischen Rebellen plausibel sei.

1.2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 04.11.2015, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

1.3. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2016, Zl. 741660805-161204194, der ihm mit Entscheidung vom 21.12.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welcher mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018, W211 1304507-2/37E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2018, bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben und der entsprechende Spruchpunkt ersatzlos behoben wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 13.04.2018 aus der Strafhaft entlassen und kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Am 15.12.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines gegen ihn erlassenen Festnahmeauftrags festgenommen; in weiterer Folge wurde mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2020, ZI. 741660805/201260682, über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet und der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen. Die gegen diesen Mandatsbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.12.2020, W137 2237901-1/14E, als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

2. Verfahren über den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag):

2.1. Am 17.12.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Im Zusammenhang mit diesem Antrag wurde der Beschwerdeführer am 18.12.2020 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 05.01.2021 sowie am 15.01.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab dabei zusammengefasst an, dass in seinem Herkunftsstaat in Tschetschenien sein Leben bedroht sei. Er lege einen Bericht von XXXX vor, der die Situation in Tschetschenien darstelle. Wegen der Verurteilung nach § 278b StGB könne er nicht in die Russische Föderation zurückkehren, da er ins Gefängnis kommen würde und ihm Folter drohe, die er nicht überleben würde. Es stehe alles in dem vorgelegten Bericht von „Memorial“. Sein Cousin habe ihm gesagt, dass er ihn im Computer prüfen lassen und seinen Namen gefunden habe und dass er befragt werden solle, wenn er in die Russische Föderation zurückkehre. Auch seine alten Gründe seien noch aufrecht. Der wichtigste Grund sei seine Familie; alle – Frau, Kinder, Mutter, Geschwister – seien hier. Er sei in Österreich seit dem Jahr 2004 aufgewachsen und habe in Tschetschenien niemanden; überdies habe er auch schon zwei kleine Schlaganfälle gehabt. Er habe eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderfeststellungen und seine Vertrauensperson habe noch eine Stellungnahme des Exministers der Tschetschenischen Republik Itschkerien, XXXX , der jetzt Exilpolitiker in England sei, in welchem stehe, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr nach Russland Folter drohe und es auch zu Mord kommen könne.

2.3. Einer vom Beschwerdeführer am 11.01.2021 vorgelegten Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ist zusammengefasst zu entnehmen, dass das meiste, das in den Länderfeststellungen stehe, zutreffe; in Wirklichkeit sei alles aber noch viel schlimmer. Sogar in Europa sei man vor Kadyrows Killern nicht sicher. Es gebe zahlreiche, näher genannte Fälle, in denen Regimekritiker ermordet würden und Menschen direkt nach ihrer Abschiebung am Flughafen Moskau festgenommen würden. Mehrere am 03.12.2020 von Österreich nach Tschetschenien abgeschobene Personen seien spurlos verschwunden.

2.4. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2021, ZI. 741660805-210009946, wurde der dem Beschwerdeführer nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. In dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über diese Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes beschloss das Bundesverwaltungsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.02.2021, W196 1304507-3/4E, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig sei. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe vorgebracht bzw. ausgesagt habe, dass die Fluchtgründe aus seinem ersten Verfahren nach wie vor aufrecht seien. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung in der Russischen Föderation sowie die Lage im Herkunftsstaat seien eingehend im mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018 rechtskräftig entschiedenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erörtert und abgewogen worden und habe der Beschwerdeführer im Zuge seines weiteren Antrags auf internationalen Schutz keinen neuen Sachverhalt, der einen glaubhaften Kern aufgewiesen hätte, darlegen können. Auch die von Amts wegen berücksichtigte Ländersituation habe keinen entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt hervorgebracht. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestünde.

2.5. Am 27.02.2021 wurde der Beschwerdeführer nach zwölftägigem Hungerstreik und acht Kilogramm Gewichtsverlust wegen allgemeiner Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

2.6. Mit Schreiben vom 22.07.2021 nahm der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter zum übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Russischen Föderation, Version 3, Stellung und brachte zusammengefasst vor, dass es am 16.04.2021 einen Termin bei der Russischen Botschaft gegeben habe, welchem der Beschwerdeführer Folge geleistet habe. Der Beschwerdeführer habe mehrmals geklingelt und gewartet, bis ihm endlich jemand aufgemacht habe; weiters seien ihm die Anwesenden nicht vorgestellt bzw. deren Funktion nicht mitgeteilt worden. Bei diesem Termin habe eine Beamtin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Information übermittelt, dass der Beschwerdeführer eine Vorstrafe habe, was eine neue Gefährdung und einen Nachfluchtgrund darstelle. Trotz mehrmaliger Ersuchen sei weder dem Beschwerdeführer noch dessen Rechtsvertretung ein Protokoll der Amtshandlung ausgehändigt worden. Im Länderinformationsblatt werde nicht erwähnt, dass von Österreich abgeschobene Personen in Russland in Haft gekommen seien bzw. auch andere Probleme gehabt hätten; auch gebe es keine Feststellungen zu den Haftbedingungen jener aus Österreich abgeschobenen, in Russland inhaftierten Personen. Der Beschwerdeführer sei am 27.02.2021 aufgrund großer gesundheitlicher Probleme aus der Schubhaft entlassen worden. Es sei eine Neubewertung der Situation erforderlich, da sich die Situation in der Russischen Föderation verschlechtert habe und (abgeschobene) Tschetschenen auch außerhalb Tschetscheniens und des Nordkaukasus Probleme bekommen hätten und inhaftiert worden seien. Verwandte des Beschwerdeführers hätten berichtet, dass Sicherheitskräfte in Tschetschenien nach ihm gefragt hätten; diese Sicherheitskräfte seien zum ehemaligen Wohnort der Familie des Beschwerdeführers gekommen und hätten gesagt, dass sie über den Beschwerdeführer Bescheid wüssten und kontrollieren wollen würden, wo er früher gewohnt habe etc. Die außergerichtlichen Hinrichtungen würden im Länderinformationsblatt zugegeben; durch diese Situation sei der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr gefährdet.

2.7. Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 23.07.2021, Zl. 741660805/201280705, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.12.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurück.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Aberkennungsverfahrens nicht geändert habe und die vom Beschwerdeführer für den gegenständlichen Antrag vorgebrachten Gründe keinen glaubhaften Kern aufweisen würden. Es hätten sich weder schwere körperliche Krankheiten noch psychische Störungen ergeben, die bei einer Abschiebung in die Russische Föderation eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden.

2.8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 07.08.2021 Beschwerde in vollem Umfang.

Begründend wird zusammengefasst vorgebracht, dass kürzlich ein Tschetschene nach Moskau abgeschoben worden sei, von wo er nach Tschetschenien verschleppt worden sei und aktuell im Gefängnis angehalten und gefoltert werde. Dieser Fall sei ein weiterer Beweis, dass der Beschwerdeführer im gesamten Gebiet der Russischen Föderation in Gefahr wäre. Die Stellungnahme vom 22.07.2021 werde zum Beschwerdevorbringen erhoben. Die Diskrepanz zum Vorverfahren falle dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht auf. Auch den Schilderungen der Vorkommnisse bei der Botschaft habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außer bloße Behauptungen nichts entgegenzusetzen; bis zum heutigen Tag sei kein Protokoll des Termins bei der russischen Botschaft ausgehändigt worden, was den Verdacht weiter erhärte, dass die Behörde etwas verschweigen wolle. Die Behörde behaupte, dass die Delinquenz des Beschwerdeführers nicht weitergegeben worden sei, könne dies aber nicht belegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers (insbesondere auch zu seinen Vorverfahren), der Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, das Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.12.2007, 304.507-C1/7E-XIX/61/06, gemäß § 7 iVm § 10 AsylG durch Erstreckung über seine Mutter Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2016, Zl. 741660805-161204194, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Entscheidung vom 21.12.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welcher mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018, W211 1304507-2/37E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2018, bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben und der entsprechende Spruchpunkt ersatzlos behoben wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.

Am 17.12.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 23.07.2021, Zl. 741660805/201280705, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurück. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 07.08.2021 Beschwerde in vollem Umfang.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und führt die im Kopf dieser Entscheidung ersichtlichen Personalien. Seine präzise Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Er ist arbeitsfähig.

1.3. Zu den Fluchtgründen und der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über die Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten (im Folgenden: Aberkennungsverfahren) mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018, W211 1304507-2/37E, liegt ebensowenig vor wie eine maßgebliche Änderung der vom Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren vorgebrachten Fluchtgründe. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren kein neues Fluchtvorbringen, dem ein glaubhafter Kern innewohnen würde, dargetan.

Im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und wäre ihm die notdürftigste Lebensgrundlage nicht entzogen. Eine maßgebliche Änderung der individuellen Lage des Beschwerdeführers oder der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist diesbezüglich seit rechtskräftigem Abschluss des Aberkennungsverfahrens nicht eingetreten.

1.4. Zur maßgeblichen Lage in der Russischen Föderation:

Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zu Grundversorgung und Wirtschaft sowie zur Lage von Rückkehrern wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 18.05.2021

Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Region und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).

Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesundheitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferon-alpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofacitinib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die medizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a).

Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac ('Sputnik V'), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Bevölkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021).

Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr – mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).

Moskau:

In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorgeschriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltungen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).

St. Petersburg:

Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb 5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).

Tschetschenien:

An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chechnya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK 23.1.2021). Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, KMS 10.2.2021).

Dagestan:

An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltungen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru 12.3.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.2.2021): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 16.3.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (10.2.2021): ? ???????: «?? ??????? ? ????????? ?????????? ???????????? ??????? ????? ? ???????????? ??????» [R Kadyrow: „Wir heben die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in der Tschetschenischen Republik auf“], http://chechnya.gov.ru/novosti/r-kadyrov-my-snimaem-v-chechenskoj-respublike-obyazatelnoe-noshenie-masok-v-obshhestvennyh-mestah/, Zugriff 12.3.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (26.2.2021): ?????? ????????????? ????????? ?????? ? ????????? ?????????? ?? ?????????????? ????? ????? ?????????? [Aufhebung der Maskenpflicht in der Tschetschenischen Republik provozierte nicht steigende Krankheitszahlen], http://chechnya.gov.ru/novosti/otmena-obyazatelnogo-masochnogo-rezhima-v-chechenskoj-respublike-ne-sprovotsirovala-rosta-chisla-zabolevshih/, Zugriff 12.3.2021

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Politische Lage

Letzte Änderung: 26.05.2021

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018; vgl. FH 3.3.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 1.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 1.2021a; vgl. FH 3.3.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 3.3.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 1.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).

Der Föderationsrat ist als 'obere Parlamentskammer' das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 1.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 1.2021a).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016; vgl. Global Security 21.9.2016, FH 3.3.2021). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die nächste Duma-Wahl steht im Herbst 2021 an (Standard.at 1.1.2021).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 1.2021a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 1.2021a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten Parteien waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer 'smarten Abstimmung' aufgerufen. Die Bürgersollten Jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

Neben den bis Juli 2021 verlängerten wirtschaftlichen Sanktionen wegen des andauernden Ukraine-Konfliktes (Presse.com 10.12.2020) haben sich die EU-Außenminister wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny auf neue Russland-Sanktionen geeinigt. Die Strafmaßnahmen umfassen Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gegen Verantwortliche für die Inhaftierung Nawalnys (Cicero 22.2.2021).

Quellen:

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?        Presse.com (10.12.2020): EU verlängerte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, https://www.diepresse.com/5909916/eu-verlangerte-wirtschaftssanktionen-gegen-russland, Zugriff 24.2.2021

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Tschetschenien

Letzte Änderung: 26.05.2021

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramsan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben – die Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat ein Teil von ihnenTschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, beim anderen Teil handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 6.2020).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 6.2020; vgl. AA 2.2.2021, FH 3.3.2021). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Ramsan Kadyrow wurde bei den Wahlen vom 18. September 2016 laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 6.2020). In Tschetschenien regiert Kadyrow unangefochten autoritär. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 6.2020; vgl. AA 2.2.2021). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen von Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 3.3.2021; vgl. AA 2.2.2021). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 3.3.2021).

Während der mittlerweile über zehn Jahre andauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramsan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny als Staatsikone auszustellen und sich als „Fußsoldat Putins“ zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute 'föderale Machtvertikale' dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum 'inneren Ausland' Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.1.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junus-bek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.6.2019).

Quellen:

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?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 – Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022681.html, Zugriff 3.3.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (29.6.2019): Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435?reduced=true, Zugriff 11.3.2020

?        ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (6.2020): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046141/RUSS_%C3%96B_Bericht_2020_06.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 10.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 26.05.2021

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 7.4.2021a; vgl. GIZ 1.2021d, EDA 7.4.2021). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 7.4.2021a; vgl. EDA 7.4.2021). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 7.4.2021).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern (SWP 4.2017). Seitdem war der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken sollte (SWP 4.2017; vgl. Deutschlandfunk 29.9.2020). Der Einsatz in Syrien ist der größte und längste Auslandseinsatz des russischen Militärs seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zunächst sollten nur die Luftstreitkräfte die syrische Armee unterstützen. Bodentruppen wurden erst später und in geringerem Maße mobilisiert - in Form von Spezialeinheiten und schließlich am Ende des Feldzugs als Militärpolizei. Es gab auch Berichte über den Einsatz privater paramilitärischer Strukturen (DW 29.9.2020). Hier ist vor allem die 'Gruppe Wagner' zu nennen. Es handelt sich hierbei um einen privaten russischen Sicherheitsdienstleister, der nicht nur in Syrien, sondern auch in der Ukraine und in Afrika im Einsatz ist. Mithilfe solcher privaten Sicherheitsdienstleister lässt sich die Zahl von Verlusten des regulären russischen Militärs gering halten (BPB 8.2.2021), und der teure Einsatz sorgt dadurch in der russischen Bevölkerung kaum für Unmut (DW 29.9.2020).

In den letzten Jahren rückte eine weitere Tätergruppe in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpften, wurde auf einige Tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017). Erst im Oktober 2020 wurden bei Spezialoperationen zentralasiatische Dschihadisten in Südrussland getötet und weitere in Moskau und St. Petersburg festgenommen (SN 15.10.2020).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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