Entscheidungsdatum
21.09.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W235 2244837-1/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2021, Zl. 1275613808-210346217, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Afghanistan, reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten, XXXX , unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie – ebenso wie ihr Ehemann – am 11.03.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Die durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin am XXXX .01.2020 in Griechenland, am XXXX .01.2021 in Kroatien und am XXXX .03.2021 in Slowenien jeweils Asylanträge stellte (vgl. AS 23).
1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sich in Österreich – neben ihrem mitgereisten Ehegatten – ihre Eltern, drei Brüder, vier Schwestern, eine Schwägerin und ein Onkel aufhalten würden, wobei eine ihrer Schwestern und ihr Onkel anerkannte Flüchtlinge seien. Die Beschwerdeführerin leide an keinen Krankheiten und sei nicht schwanger. Bereits im Jahr 2015 sei sie aus Afghanistan ausgereist und habe nach Österreich gewollt, da ihre Schwester hier lebe. In der Folge habe sich die Beschwerdeführerin ca. drei Jahre im Iran aufgehalten und sei dann über die Türkei nach Griechenland gelangt, wo sie ca. ein Jahr und ein Monat aufhältig gewesen sei. Neun Monate habe sie in einem Camp in XXXX gelebt. Von Griechenland aus sei sie über Albanien, Montenegro, Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. Die Beschwerdeführerin habe in keinem der durchgereisten Länder um Asyl angesucht. Nunmehr wolle sie in Österreich bei ihrer Schwester bleiben .
Der Beschwerdeführerin wurde weiters am 12.03.2021 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Griechenland, Kroatien und Slowenien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt.
1.3. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.03.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien sowie ein Informationsersuchen nach Art. 34 Dublin III-VO an Griechenland.
Mit Schreiben vom 26.03.2021 gab die kroatische Dublinbehörde bekannt, dass das Wiederaufnahmegesuch abgelehnt wird, da die Beschwerdeführerin am XXXX .03.2020 subsidiären Schutz in Griechenland erhalten hat (vgl. AS 99).
Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Beschwerdeführerin nachweislich am 08.04.2021 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da davon auszugehen ist, dass ihr Griechenland internationalen Schutz zuerkannt hat.
1.4. Am 13.04.2021 fand nach erfolgter Rechtsberatung eine Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher sie zunächst angab, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie sei ganz gesund bzw. leide an keinen Erkrankungen. In Griechenland hätten sie drei Zettel bekommen, die von einer Behörde abgestempelt worden seien. Wenn man diese Zettel erhalte, müsse man alles alleine machen. Man bekomme keine Hilfe mehr. Flüchtlinge hätten gesagt, dass diese Papiere wie die weiße Karte in Österreich sei. Wenn man diese erhalten habe, dürfe man in Griechenland bleiben. Die Beschwerdeführerin habe diese Papier weggeworfen, da ihr der Schlepper gesagt habe, wenn man „irgendetwas“ habe, werde es problematisch. In Österreich seien ihre Eltern, drei Brüder, drei Schwestern und die Schwester ihres Ehemannes mit Gatten sowie vier Kindern aufhältig. Dann habe sie noch einen Onkel und eine Schwester in Wien. Diese seien seit 2015 im Bundesgebiet und seien anerkannte Flüchtlinge. Zu ihren Verwandten habe die Beschwerdeführerin Kontakt; es bestehe allerdings kein Abhängigkeitsverhältnis.
In Griechenland verfüge die Beschwerdeführerin über ein Aufenthaltsrecht. Es sei korrekt, dass ihr am XXXX 03.2020 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Griechenland erteilt worden sei. Seit Jänner 2020 seien sie auf der Insel XXXX im Camp XXXX gewesen. Ein oder zwei Monate später hätten sie die ID mit dem Stempel bekommen und seien aufgefordert worden, das Camp zu verlassen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da sie Schutz in Griechenland gefunden habe, gab die Beschwerdeführerin an, sie wolle und könne nicht nach Griechenland zurückkehren. Ihr Leben in Griechenland sei katastrophal gewesen. Sie habe über ein Jahr in einem Zelt gelebt. Sie wolle normal leben und nicht in einem Zelt, wo man Feuer selbst machen müsse, um sich etwas zu Essen zu machen. Als sie den Aufenthaltstitel bekommen hätten, seien sie aufgefordert worden das Camp zu verlassen. Danach seien sie auf der Straße gewesen. Sie hätten kein Geld gehabt, um ein Quartier zu finanzieren. Es habe auch keine Sicherheit gegeben. Die Flüchtlinge seien aus verschiedenen Nationen gewesen und hätten untereinander gekämpft. Die Polizei habe nur zugesehen und gemeint, es gehe sie nichts an. Aus Angst habe sich die Beschwerdeführerin teilweise mehrere Stunden im Zelt verstecken müssen und habe manchmal auch stundenlang nicht zur Toilette gehen können. In Österreich fühle sie sich wohl und sicher. Das sei in Griechenland nicht der Fall gewesen. Sie habe in Griechenland mit eigenen Augen gesehen, wie eine schwangere Frau mit einem Messer angegriffen und verletzt worden sei. Man könne sich dort nicht sicher fühlen. In Griechenland würden Flüchtlinge von niemandem unterstützt werden. Auch von keiner Organisation. Die Polizei wisse das und habe nichts unternommen. Die vorab ausgefolgten Länderfeststellungen zur Lage in Griechenland habe die Beschwerdeführerin nicht gelesen.
1.5. Nach Übermittlung aktueller Länderfeststellungen zu Griechenland vom 28.05.2021 wurde die Beschwerdeführerin am 30.06.2021 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass sie und ihr Ehegatte gesund seien. Sie sei nicht schwanger, wolle jedoch zum Arzt gehen, weil „es“ nicht funktioniere. Zu ihren Familienangehörigen könne sie sagen, dass sie in Österreich nur noch eine Schwester in Wien habe. Alle anderen seien „weg“. Ihre Mutter habe einen negativen Bescheid erhalten. Zu den nunmehr aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Griechenland gab die Beschwerdeführerin an, dass sie diese nicht gelesen habe. Das, was sie zu sagen habe, habe sie schon in der ersten Einvernahme gesagt. Sie wolle auf gar keinen Fall nach Griechenland. Ihr Ziel sei immer Österreich gewesen, weil ihre Schwester hier lebe. Die Beschwerdeführerin betreffende Vorfälle habe es in Griechenland nicht gegeben und hätte die Polizei auch nichts gemacht. Es habe auch keine Rechtsschutzeinrichtungen oder Hilfsorganisationen gegeben.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführerin nach Griechenland zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Letztlich wurde unter Spruchpunkt III. die Anordnung der Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an keinen schweren, lebensbedrohenden oder überstellungshinderlichen Krankheiten leide. Der Abgleich der Fingerabdrücke habe ergeben, dass sie in Griechenland, Kroatien und Slowenien erkennungsdienstlich bzw. fremdenpolizeilich behandelt worden sei. Am 26.03.2021 hätten die kroatischen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch abgelehnt und mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland bereits seit XXXX 03.2020 subsidiär schutzberechtigt sei. Sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihren Eltern und ihren Geschwistern nach Österreich gereist. Ein Onkel und eine Schwester würden sich seit 2015 in Österreich aufhalten. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Griechenland eine Verletzung des Art. 8 EMRK bedeuten würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 12 bis 22 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Feststellungen zur Lage von anerkennten Flüchtlingen bzw. subsidiär Schutzberechtigten in Griechenland sowie zur Situation aufgrund der COVID-19 Pandemie.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht behauptet habe, an schweren, lebensbedrohenden oder überstellungshinderlichen Krankheiten zu leiden, sondern angegeben habe, dass sie gesund sei. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt ergeben. Aufgrund des Schreibens der kroatischen Behörde vom 26.03.2021 stehe fest, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland den Status der subsidiär Schutzberechtigten erhalten habe. Somit stehe fest, dass für sie in Griechenland Verfolgungssicherheit sowie Drittstaatssicherheit vorliege. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben würden auf dem glaubhaften und widerspruchsfreien Vorbringen der Beschwerdeführerin gründen. Betreffend die Lage im Mitgliedstaat wurde ausgeführt, dass diese Feststellungen auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren würden und jene zur Pandemie auf dem Amtswissen und auf den Angaben der Johns Hopkins University. Weiters wurde darauf verwiesen, dass der Umstand, dass die wirtschaftlichen und allgemeinen Umstände (Hygiene, Sauberkeit, Infrastruktur usw.) in Griechenland schlechter seien als in Österreich nicht als Argument herangezogen werden könne, um in Österreich als Asylwerber zu verbleiben, nachdem ihr in Griechenland der Status der subsidiär Schutzberechtigten gewährt worden sei. Anhaltspunkte, dass sie im Fall ihrer Überstellung nach Griechenland in eine existenzielle Notlage geraten müsste, lägen nicht vor. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie tatsächlich konkret Gefahr liefe, dass ihr in Griechenland eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könne.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland subsidiär schutzberechtigt sei. Es bestehe kein Grund daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der Genfer Konvention und aus der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen erfülle. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen sei, da aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin Zeugin oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel oder Opfer von Gewalt geworden sei. Letztlich wurde zu Spruchpunkt III. darauf verwiesen, dass eine Entscheidung nach § 4a AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG von Amts wegen nicht zu erteilen sei. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Onkel und ihrer Schwester Anknüpfungspunkte in Österreich. Ein Abhängigkeitsverhältnis habe sie verneint. Auch sei von keinem schützenswerten Privatleben auszugehen. Die Beschwerdeführerin sei unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist, was einen nicht bloß geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle. Es handle sich trotz bestehender Anknüpfungspunkte um eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen ließe. Auch lägen keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration der Person der Beschwerdeführerin in Österreich vor. Im Fall der Beschwerdeführerin sei auch das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer COVID-19 Erkrankung äußerst gering. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe ihr im Mitgliedsstaat aufgrund der COVID-19 Pandemie daher nicht. Es hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, welcher gemäß Art. 8 Abs.1 iVm Abs. 2 EMRK der Zulässigkeit der Anordnung der Außerlandesbringung entgegenstünde. Da der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt worden sei und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG keine Verletzung von Art. 8 EMRK ersichtlich sei, sei diese Entscheidung mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
Im Fall des mitgereisten Ehegatten der Beschwerdeführerin wurde ein inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin (gemeinsam mit ihrem Ehegatten, der seinerseits Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid erhob) im Wege ihrer nunmehr bevollmächtigten Vertretung am 27.07.2021 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und regte an, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde nach Wiederholung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig seien und keine Feststellungen hinsichtlich Zugang zu Unterkunft, Arbeit und medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte getroffen worden seien. Aus einem aktuellen Bericht von Pro Asyl vom April 2021 gehe hervor, dass Schutzberechtigte ohne gültige Aufenthaltserlaubnis keinen Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt erhalten würden und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bis zu einem Jahr dauern könne. Dies bedeute in der Konsequenz, dass die Beschwerdeführerin bis zur Erteilung der neuen Aufenthaltsberechtigung weder Arbeit finden noch Sozialleistungen oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen könne. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe es auch unterlassen eine Einzelfallzusicherung hinsichtlich der Überstellung und Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin (und ihres Ehegatten) von Griechenland einzuholen. Die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen würden zwar die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten katastrophalen Lebensverhältnisse für Schutzberechtigte in Griechenland aufzeigen, seien jedoch von der Behörde nur einseitig berücksichtigt worden. Aus den von der Behörde verwendeten Länderberichten gehe hervor, dass eine Wohnung einen Arbeitsplatz voraussetze und umgekehrt, dass für einen Arbeitsplatz eine Unterkunft nötig sei, sodass der Beschwerdeführerin (und ihrem Ehegatten) Obdachlosigkeit sowie Arbeitslosigkeit in Griechenland drohe und somit die reale Gefahr in eine existenzielle Notlage zu geraten. Daher drohe eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Bei Beachtung der humanitären Notlage für Schutzberechtigte in Griechenland hätte die Behörde bei richtiger Beurteilung feststellen müssen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin (und ihres Ehegatten) nach Griechenland eine Verletzung der EMRK bedeuten würde und damit unzulässig sei. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde. Diesbezüglich werde auf Entscheidungen deutscher Gerichte verwiesen, wonach Personen mit Schutzstatus nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürften.
4. Mit Beschwerdeergänzung vom 11.08.2021 verwies die Beschwerdeführerin (gemeinsam mit ihrem Ehegattin) im Wege ihrer bevollmächtigten Vertretung auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25.06.2021, E 599/2021-12, in welchem der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass eine Zurückweisung nach § 4a AsylG aufgrund der momentanen Situation in Griechenland nur zulässig sei, wenn im Einzelfall sichergestellt sei, dass die betroffene Person Möglichkeiten habe, ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu decken. Da in diesem Verfahren nicht vorgebracht worden sei, dass es sich bei der [dortigen] Beschwerdeführerin um eine besonders vulnerable Person gehandelt habe, sei das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in allen Fällen von Zurückweisungen nach § 4a AsylG betreffend Griechenland beachtlich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe es im gegenständlichen Fall verabsäumt, eine derartige Einzelfallzusicherung einzuholen und sohin Willkür geübt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
1.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
1.2. Gemäß § 4a AsylG ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Das Bundesamt hat gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraus-setzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt ei-ne Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechts-kräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.
Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).
2.1. Im gegenständlichen Verfahren (ebenso wie im Verfahren des Ehegatten der Beschwerdeführerin) ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland subsidiär schutzberechtigt ist und sohin im Mitgliedstaat Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Allerdings ist der gegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf der Basis eines mangelhaften Verfahrens ergangen, weshalb eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hat.
2.2. Zusammengefasst brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Leben in Griechenland katastrophal gewesen sei. Sie habe nach Zuerkennung des Schutzstatus das Camp verlassen müssen und in der Folge über ein Jahr in einem Zelt gelebt. Dort habe sie das Feuer selbst machen müssen, um sich etwas zu Essen machen zu können. Als sie den Aufenthaltstitel bekommen habe, sei sie aufgefordert worden das Camp zu verlassen. Danach sei sie auf der Straße gewesen. Die Beschwerdeführerin (und ihr Ehemann) hätten kein Geld gehabt, um ein Quartier zu finanzieren. Es habe auch keine Sicherheit gegeben. Die Flüchtlinge seien aus verschiedenen Nationen gewesen und hätten untereinander gekämpft. Die Polizei habe nur zugesehen und gemeint, es gehe sie nichts an. Aus Angst habe sich die Beschwerdeführerin teilweise mehrere Stunden im Zelt verstecken müssen und habe manchmal auch stundenlang nicht zur Toilette gehen können. Man könne sich in Griechenland nicht sicher fühlen. In Griechenland würden Flüchtlinge von niemandem unterstützt. Auch von keiner Organisation. Die Polizei wisse das und habe nichts unternommen. Es habe auch keine Rechtsschutzeinrichtungen oder Hilfsorganisationen gegeben.
2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25.06.2021, E 599/2021-12, betreffend eine in Griechenland schutzberechtigte, junge, gesunde, afghanische Staatsangehörige ohne Sorgepflichten, die über eine zwölfjährige Schulbildung, eine vierjährige universitäre Ausbildung und eine Berufsausbildung zur Dolmetscherin verfügt und ca. neun Monate lang in Griechenland aufhältig war, zunächst unter Anführung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu Art. 33 Abs. 2 lit. a Verfahrensrichtlinie (= Richtlinie 2013/32/EU) darauf verwiesen, dass eine Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz, weil bereits von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden ist, dann zu unterbleiben hat, wenn die Lebensverhältnisse, die die antragstellende Partei in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würde, sie der ernsthaften Gefahr aussetzen würde, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu erfahren (vgl. EuGH vom 13.11.2019, C-540/17, Hamed u.a. sowie EuGH vom 19.03.2019, C-297/17, Ibrahim u.a.). Hieraus hat der Verfassungsgerichtshof geschlossen, dass das mit der Rechtssache befasste Gericht – wie zuvor auch die befasste Behörde – die Verpflichtung trifft „auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen“, die einer Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz entgegenstehen. Diese Schwachstellen – so der Verfassungsgerichtshof weiter – sind nur dann im Hinblick auf Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK relevant, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, indem etwa „die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“ (vgl. EuGH vom 19.03.2019, C-163/17, Jawo sowie C-297/17, Ibrahim u.a.).
Nach Zitierung der in dem diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrundliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes herangezogenen Länderberichte vom 04.10.2019 mit letzter Kurzinformation vom 19.03.2020 führte der Verfassungsgerichtshof aus wie folgt:
„Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage (wobei aktuellere Berichte eine wohl noch stärkere Gefährdungslage beschreiben, siehe nur die der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beigelegte Stellungnahme der Stiftung ProAsyl/RSA, Information zur Situation international Schutzberechtigter in Griechenland, vom 9. Dezember 2020) ergibt sich ohne nähere Auseinandersetzung mit der konkreten Situation der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Feststellungen in den Länderberichten nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung drohen werde. Zwar trifft es zu, dass anerkannten Schutzberechtigten nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 L 337, 9, grundsätzlich „nur“ ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung zusteht. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich jedoch etwa nicht damit auseinander, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden (vgl. dazu das deutsche BVerfG 31.7.2018, 2 BvR 714/18, Rz 23). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe angewiesen sein wird, hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob und wieweit für die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.“
2.2.2. Im vorliegenden Fall wurden dem angefochtenen Bescheid unter Anführung von Quellen inhaltlich ähnliche bzw. nahezu gleiche Länderfeststellungen zugrunde gelegt, die in ihrer aktualisierten Form vom 28.05.2021 stammen und ebenso deutlich auf Schwierigkeiten für Schutzberechtigte beim Zugang zu Unterkunft, Arbeit, Sozialleistungen, medizinischer Versorgung und zu Integrationsprogrammen hinweisen (vgl. Seite 12 bis 22 des angefochtenen Bescheides).
Diesen Länderfeststellungen ist unter anderem Folgendes zu entnehmen:
„Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten – oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).
Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen.
Bei HELIOS handelt es sich um ein Projekt von IOM zur Integration von Schutzberechtigten, die in einer offiziellen Unterbringungseinrichtung leben (AIDA 6.2020; vgl. IOM o.D.).
Helios ist das einzige aktuell in Griechenland existierende offizielle Integrationsprogramm für internationale Schutzberechtigte. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF); Umgesetzt wird das Programm von IOM in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Programm wurde im Juni 2019 gestartet und hat eine Laufzeit bis Juni 2021. Neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration beinhaltet es Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum (ProAsyl 4.2021).
Keinen Zugang zu Fördermaßnahmen aus dem HELIOS-Programm haben demzufolge international Schutzberechtigte, die entweder vor dem 1. Januar 2018 internationalen Schutz erhalten haben oder die zwar nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, jedoch zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung nicht in einer offiziellen Unterkunft in Griechenland gelebt haben, oder die sich nicht innerhalb eines Jahres nach Anerkennung für HELIOS registriert haben. Somit besteht in aller Regel für Schutzberechtigte, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, keine Möglichkeit, von Helios zu profitieren (ProAsyl 4.2021).
Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).
In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte – ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).
Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen – Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).
Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu medizinischer Versorgung wie griechische Staatsangehörige, in der Praxis schmälert aber der Ressourcenmangel im griechischen Gesundheitssystem diesen Zugang, was aber in gleichem Maße auch für griechische Staatsbürger gilt. Bei Flüchtlingen kommen jedoch auch Verständigungsschwierigkeiten und Probleme beim Erlangen der Sozialversicherungsnummer (AMKA) hinzu (AIDA 6.2020).
Die AMKA kann bei der Gesundheitsbehörde (EKKA) elektronisch beantragt werden, man braucht dazu aber eine RPC und ein Jobangebot einer Firma. Ohne Jobangebot können Flüchtlinge eine PAAYPA (vorläufige AMKA für Fremde) beantragen. Mit AMKA ist voller Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, usw. möglich, mit PAAYPA nicht. Jene Personen wären dann auf Privatärzte oder NGOs angewiesen (VB 1.3.2021). Zudem gibt es in Athen einige „Sozial-Apotheken“ wo billige oder sogar kostenlose Medikamente und medizinische Artikel erhältlich sind – diese unterstützen auch einkommenslose Griechen (VB 12.4.2021).
Um die Spitäler als erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme zu entlasten, wurde mit dem Gesetz 4486/2017 24 die Grundlage für die Einführung eines medizinischen Erstversorgungsnetzwerkes (TOMY) geschaffen. Dieses Netzwerk orientiert sich an den Prinzipien der WHO, die seit 2018 in Griechenland ein Country Office unterhält (WHO 2019, WHO 20.6.2021). Das Team der Erstversorgung besteht aus Allgemeinmedizinern, Kinderärzten, Pflegefachpersonen und Sozialarbeitern und ist nun erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen der Menschen in den Regionen abseits der großen Ballungszentren. Sie übernehmen Behandlung und Pflege sowie die Überwachung von Krankheiten und arbeiten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung. Bei Bedarf werden Patienten dann an andere Gesundheitszentren und städtische Tageskliniken überwiesen, wo spezialisierte und diagnostischer Abklärungen, ein 24-Stunden-Betrieb und ambulante Behandlungen angeboten werden. Zudem übernehmen diese Zentren die Koordination der TOMYs ihres Sektors, die ambulante Pflege der Patienten, die Überweisungen an übergeordnete Spitäler und die Verantwortung für die psychologische und psychiatrische Gesundheitsversorgung in den Gemeinden. Im Sommer 2019 waren 120 solcher TOMY-Zentren in Betrieb (WHO 2019; vgl. OECD o.D.).
Durch die massiven Einsparungen am Gesundheitspersonal in den Jahren der Wirtschaftskrise kann der Zugang zum Gesundheitssystem mit langen Wartezeiten verbunden sein (AI 3.3.2021).
Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.).
Voraussetzung ist u.a. der Nachweis der Unterkunft: Wenn der Schutzberechtigte in einer offenen Unterkunft, einer Wohnung oder einer Aufnahmeeinrichtung einer NGO oder eines anderen Akteurs wie z.B. einer Gemeinde wohnt, kann er von der die Unterkunft verwaltenden Stelle eine Bescheinigung zum Nachweis der Adresse anfordern. Bei Miete ist der Mietvertrag oder eine entsprechende Stromabrechnung vorzulegen. Bei Beherbergung durch eine griechische Person oder einen anderen Migranten oder anerkannten Flüchtling muss der Schutzberechtigte von eben dieser Person eine offizielle, schriftliche Beherbergungsbestätigung vorlegen, die zudem die Steuernummer und die in einem Bürgerzentrum beglaubigte Unterschrift des Unterkunftsgebers enthält (UNHCR o.D., vgl. ProAsyl 4.2021).
Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (AMKA). Diese ist auch erforderlich, um versichert zu sein und von den Sozialversicherungsbestimmungen für Arbeitsunfall, Mutterschaft, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Familienpflichten zu profitieren. Die AMKA sichert die Rechte des Schutzberechtigten in Bezug auf Arbeit und Rente und erleichtert auch den Zugang zu Krankenhaus- und pharmazeutischer Versorgung. Den Antrag auf eine AMKA kann in einem AMKA-Büro der Sozialversicherungsanstalt oder in einem Bürgerservicezentrum (KEP) gestellt werden. An manchen Orten wird die AMKA schnell an Asylbewerber vergeben, an anderen Orten verlangen die Behörden zusätzliche Unterlagen (UNHCR o.D.).
Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben; bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020).
Sechs Monate nach Einbringung eines Asylantrags ist legale Arbeit erlaubt, in Ausnahmefällen (Hochsaison Landwirtschaft oder Tourismus) kann bei Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes und Garantiestellung durch den Arbeitgeber schon ab acht bis zehn Wochen legal einer Beschäftigung nachgegangen werden. Allerdings wollen Arbeitgeber ohne vorhandene AMKA (permanente Sozialversicherungsnummer) keine Arbeitnehmer einstellen. Es ist keine Residence Permit Card (RPC) für die legale Ausübung einer selbstständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich (VB 12.4.2021).“
2.2.3. Wie aus den oben auszugsweise wiedergegebenen Länderinformationen ersichtlich, sind Schutzberechtigte in Griechenland zwar rechtlich griechischen Staatsbürgern grundsätzlich gleichgestellt, können jedoch faktisch auf besondere Schwierigkeiten stoßen, die auf ihre herausfordernde Situation als Fremde ohne oder mit bestenfalls geringen Kenntnissen der griechischen Sprache und der administrativen Vorgänge in einem Staat, dessen wirtschaftliche Lage angespannt ist, zurückzuführen sind.
Laut den vorliegenden Länderinformationen werden Schutzberechtigten in Griechenland im Rahmen des HELIOS-Programm Unterstützungsleistungen gewährt. Beim HELIOS-Programm handelt es sich um das einzige in Griechenland existierende Integrationsprogramm für Schutzberechtigte, welches neben Integrationskursen und einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsintegration auch Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum bietet. Mangels näherer Ermittlungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bleibt im vorliegenden Fall unklar, ob die Beschwerdeführerin (gegebenenfalls gemeinsam mit ihrem Ehegatten) an diesem Integrationsprogramm bereits teilgenommen hat bzw. im Fall einer Rückkehr tatsächlich Zugang dazu hätte. Insbesondere geht aus dem angefochtenen Bescheid hervor, dass das Programm eine Laufzeit bis Juni 2021 hat (vgl. Seite 15 im angefochtenen Bescheid). Auf einer öffentlich zugänglichen Website von UNHCR Griechenland wird demgegenüber eine Laufzeit bis Ende August 2021 erwähnt. Hieraus ist ersichtlich, dass die Länderinformationen nicht hinreichend aktuell und auch mangelhaft sind, da offen bleibt, ob dieses Integrationsprogramm fortgesetzt wird oder durch andere Programme ersetzt wurde, die ebenso Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte anbieten. Ferner wird nunmehr auch die aktuelle ACCORD Anfragebeantwortung „Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalen Schutzstatus) vom 26.08.2021 zu berücksichtigten sein.
Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderinformationen und aufgrund des Umstandes, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25.06.2021, E 599/2021-12, bereits vorlag, wäre das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin (und wohl auch ihres Ehegatten) insbesondere angesichts der von ihr vorgebrachten Obdachlosigkeit, gehalten gewesen, die Rückkehrsituation nach Griechenland näher zu prüfen. Ferner hätte sich das Bundesamt nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Überstellung nach Griechenland in eine existenzielle Notlage geraten müsse.
Sohin ist festzuhalten, dass sich das Bundesamt mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auseinander gesetzt hat. Ferner geht aus dem angefochtenen Bescheid auch nicht hervor, ob die Behörde die Angaben der Beschwerdeführerin (und wohl auch jene ihres Ehegatten) als glaubhaft erachtet. Relevant für die Beurteilung der Situation der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr sind im gegenständlichen Fall vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderberichte jedenfalls die Lebensumstände der Beschwerdeführerin (und ihres Ehemannes) nach Zuerkennung des Schutzstatus und nach Verlassen der für Asylwerber bestehenden Unterkünfte.
Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid bzw. dem vom Bundesamt ermittelten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, wie die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten trotz der vorgebrachten Mängel nach Gewährung des subsidiären Schutzstatus mehrere Monate in Griechenland bleiben konnte. Die Lebensumstände der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten während der Zeit nach Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wurden keine näheren Prüfung unterzogen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderinformationen und der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.06.2021, E 599/2021-12, kommt dieser Frage aber Relevanz im Hinblick darauf zu, ob die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten – sollten ihnen in der ersten Zeit nach ihrer Rückkehr nicht von Seiten des griechischen Staates Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen ermöglicht werden - selbst oder mit Unterstützung durch NGOs oder mithilfe bereits während des vormaligen Aufenthaltes in Griechenland aufgebauten sozialen Netzwerken in der Läge wäre, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Beurteilung der Rückkehrsituation können neben den bisherigen Lebensumständen in Griechenland unter Berücksichtigung der Dauer des vormaligen Aufenthalts als Schutzberechtigte auch eine etwaige auf dem griechischen Arbeitsmarkt verwertbare Ausbildung und/oder Arbeitserfahrung sowie Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin von Bedeutung sein. In diese Bewertung können auch vorhandene eigene finanzielle Mittel und/oder familiäre bzw. soziale Unterstützung miteinbezogen werden. Letztlich darf bei der Beurteilung der Rückkehrsituation nicht übersehen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht alleine nach Griechenland überstellt werden würde, sondern gemeinsam mit ihrem Ehegatten und sind daher auch mögliche, gegenseitige „eheinterne“ Unterstützungshandlungen zu berücksichtigen.
2.3. Aufgrund der mangelhaft ermittelten Sachverhaltsgrundlage unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann im gegenständlichen Fall sohin nicht abschließend beurteilt werden, ob im Fall einer Überstellung der Beschwerdeführerin (und ihres Ehegatten) nach Griechenland die reale Gefahr einer Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bestünde.
Daher sind im fortgesetzten Verfahren entsprechende Ermittlungen durchzuführen, um Feststellungen treffen zu können, anhand derer die Frage geklärt werden kann, ob im konkreten Fall der Beschwerdeführerin durch ihre Überstellung nach Griechenland in ihre Rechte gemäß Art. 3 EMRK eingegriffen wird. Der Umstand, dass Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in dem Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass diese Personen dort tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wären, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich diese Personen aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer menschlicher Not befänden (vgl. EuGH vom 19.03.2019, C-297/17, Ibrahim u.a.).
Die Ermittlungsergebnisse des Bundesamtes sind der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen und ihr hierzu Parteiengehör zu gewähren bzw. ist erforderlichenfalls eine Einvernahme durchzuführen.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass im Verfahren des mitgereisten Ehegatten ein inhaltlich gleichlautender Beschluss ergangen ist (vgl. hg. Verfahren zu W144 2244839-1).
3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. z.B. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).
5. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In den vorliegenden Fällen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und die Einräumung eines Parteiengehörs entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2244837.1.00Im RIS seit
10.11.2021Zuletzt aktualisiert am
10.11.2021