Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W233 1436012-5/4E
W233 2129899-3/4E
W233 2129903-4/4E
W233 2129900-4/4E
W233 2159317-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Georgien, 3.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, 4.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien und 5.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 30.07.2021, Zl.: 821549607-210858374 (ad 1.), Zl.: 1095397302-210865702 (ad 2.), Zl.: 1095396806-210865737 (ad 3.), Zl.: 1095396708-210865745 (ad 4.) und Zl.: 1150544606-210865729 (ad 5.) zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Georgien, 3.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, 4.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien und 5.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 30.07.2021, Zl.: 821549607-210858374 (ad 1.), Zl.: 1095397302-210865702 (ad 2.), Zl.: 1095396806-210865737 (ad 3.), Zl.: 1095396708-210865745 (ad 4.) und Zl.: 1150544606-210865729 (ad 5.)
A) Der Antrag, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Erst-, der Dritt-, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer wurden am 28.07.2019 in ihren Herkunftsstaat Georgien abgeschoben. Die Zweitbeschwerdeführerin hat bereits im März 2019 das österreichische Bundesgebiet verlassen.
Die Beschwerdeführer sind nach Österreich zurückgekehrt und haben am 27.06.2021 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt. Diese Folgeanträge hat das Bundesamt mit den angefochtenen Bescheiden vom 30.07.2021 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie neuerliche eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG 2005 nach Georgien für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde den Beschwerdeführern keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Mit Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Darüber hinaus wurde gegen den Erstbeschwerdeführer neuerlich und die gegen die Zweitbeschwerdeführerin erstmalig gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG 2005 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 06.09.2021 und vom 08.09.2021 fristgerecht Beschwerde.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2021 vorgelegt und der Gerichtsabteilung W233 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Beschwerdeführern:
Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Republik Georgien, tragen die im Spruch angeführten Identitäten.
Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer.
In dem diesem gegenständlichen Verfahren unmittelbar vorausgegangen Folgeantragsverfahrens (Antrag vom 13.05.2019) wurde dem Erst-, dem Dritt-, dem Viert- und dem Fünftbeschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz rechtmäßig aberkannt und die genannten Beschwerdeführer am 28.07.2019 nach Georgien abgeschoben. Ihre Folgeanträge auf internationalen Schutz wurden in der Folge vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheiden vom jeweils 09.08.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, ihnen gegenüber eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig ist, wobei ihnen keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde und darüber hinaus gegen alle Beschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 23.09.2019 als unbegründet abgewiesen, wobei allerdings das gegen die minderjährigen Beschwerdeführer erlassene Einreiseverbot behoben wurde. Begründet hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich die genannten Beschwerdeführer allein auf Umstände berufen haben, über die bereits rechtskräftig entschieden worden sei bzw. deren Folgen noch unverändert weiterwirken. Dies gelte auch in Bezug auf ihre privaten und familiären Anknüpfungspunkte (vgl. Erkenntnis vom 23.09.2019, GZ: L515 1436012-4/4E, S 20).
Der diesem Verfahren vorausgegangene erste Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 19.11.2015 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und verfügt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Die dagegen eingebrachte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.01.2019 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses auch die übrigen Familienmitglieder der Beschwerdeführerin betreffende Erkenntnis hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass sie ihren Herkunftsstaat verlassen haben, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Ihre Verfolgungsbehauptungen waren nicht glaubhaft. Es könne auch sonst nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären (vgl. Erkenntnis vom 04.01.2019, GZ: W192 1436012-2/15E, S 12f).
Die Zweitbeschwerdeführerin hat das österreichische Bundesgebiet im März 2019 verlassen und ist nach Georgien zurückgekehrt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 15.10.2014, Rechtskraft 23.06.2015, wurde der Erstbeschwerdeführer nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall StGB, § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 17 Monate bedingt für eine Probezeit von drei Jahren gerichtlich verurteilt.
Das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers, auf welches sich auch die übrigen Beschwerdeführer stützen, dass er Mitte September 2019 anlässlich des Besuchs des Grabes seines Vaters auf dem Friedhof von gewissen Personen mit einem Skoda in einen Wald gebracht worden wäre und man ihn gefragt hätte, warum er nicht die Wahrheit sage und er von hinten zwei Messerstiche ins Bein bekommen hätte, ist nicht glaubhaft.
Somit droht den Beschwerdeführern in ihrem Herkunftsstaat Georgien keine gegen sie gerichtete Bedrohung oder Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private.
Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat festgestellt werden. Die erwachsenen Beschwerdeführer haben weder für sich selbst noch für ihre drei minderjährigen Kinder individuelle gefahrenerhöhende Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung ihrer persönlichen Situation einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch bei einem niedrigeren Grad von willkürlicher Gewalt entgegenstünden.
Die Beschwerdeführer leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Auch die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet mit Blick auf das Alter und das Fehlen von Vorerkrankungen der Beschwerdeführer kein Rückkehrhindernis. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Georgien eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichen Verlauf bzw. mit Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würden. Ferner kann in Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung des COVID-19-Erregers unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportieren Entwicklungen (auch) im Herkunftsland der Beschwerdeführer bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 2 und Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Erstbeschwerdeführer Drogenersatzmedikamente einnimmt, denn nach den der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten sind in Georgien Suchterkrankungen behandelbar. Die medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care, UHC) sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (z. B. Diabetes, Hepatitis C, Tuberkulose) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Folglich ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Zugang zu adäquater medizinsicher Versorgung haben wird (vgl. Punkt II., 1.2.1., Unterpunkt „Medizinische Versorgung“ und „Behandlungsmöglichkeiten: Drogensucht“).
Es steht nicht fest, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr nach Georgien in eine existenzbedrohende Situation geraten werden. Der beiden erwachsenen Beschwerdeführer sind arbeitsfähig und verfügen über Schulbildung. Es ist sohin davon auszugehen, dass die beiden erwachsenen Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sind, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ihre Existenz und jene ihrer drei mit ihnen derzeit in Österreich aufhältigen minderjährigen Kinder als auch jene ihrer in ihrem Herkunftsstaat verbliebenen minderjährigen Tochter zu sichern. Ferner besteht für die Beschwerdeführer die Möglichkeit, in Georgien Sozialbeihilfe zu beziehen. So stehen den Beschwerdeführern gemäß den Länderinformationen als Rückkehrer Zuschüsse für Einkommens- und Beschäftigungszwecke, die Unterstützung der beruflichen Bildung, die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und die Bereitstellung von vorübergehenden Unterkünften offen (vgl. Punkt II., 1.2.1., Unterpunkt „Sozialbeihilfe). Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, dass den Länderinformationen zu Folge der Staat dafür verantwortlich ist, sozial bedürftige Familien mit bedarfsgerechter finanzieller Unterstützung zu versorgen. Außerdem müssen bei Bedarf Sozialarbeiter und Psychologen die Eltern bei der Erziehung unterstützen (vgl. Punkt II., 1.2.1., Unterpunkt „Kinder“).
Die Beschwerdeführer beherrschen die Sprache Georgisch.
Die Beschwerdeführer verfügen im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen oder Verwandten zu denen ein besonders Abhängigkeitsverhältnis besteht. Hingegen verfügen die Beschwerdeführer in Georgien über Familienangehörige in Form ihrer dort aufhältigen 13-jährigen Tochter bzw. Schwester und weiteren Verwandten.
Die beiden erwachsenen Beschwerdeführer sind während ihrer Aufenthalte in Österreich keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und verfügen auch nicht über sonstige ausreichende Existenzmittel zur eigenständigen Bestreitung ihres eigenen und den Lebensunterhalt ihrer mit ihnen in Österreich aufhältigen minderjährigen drei Kinder. Die Beschwerdeführer sind somit mittellos.
Hinweise auf eine seit ihrer neuerlichen Einreise in das österreichische Bundesgebiet eingetretene besonders ausgeprägte und verfestigte Integration in Bezug auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich sind nicht erkennbar.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.2.1. Auszüge aus dem bereits vom Bundesamt ins Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt Georgien vom 29.03.2021
1. COVID-19
Letzte Änderung: 29.03.2021
COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 25.2.2021).
Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg bei positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1.000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020). Im Dezember stieg die tägliche Zahl der Infektionen auf ca. 5.000. Mit strengen Maßnahmen konnte die zweite Welle bis Mitte Jänner 2021 weitgehend unter Kontrolle gebracht werden (civil 18.1.2021)
Die zentrale Homepage der Regierung mit Informationen über Covid-19 ist in Georgien unter www.stopcov.ge zu finden. Die Internetseite ist neben Georgisch auch auf Englisch, Abchasisch, Aserbaidschanisch, Armenisch und Russisch verfügbar. Somit wird gewährleistet, dass auch die Angehörigen von Minderheiten alle relevanten Informationen zur Pandemie im Allgemeinen, zur speziellen Hygiene und zu Maßnahmen der Regierung erhalten (BAMF 10.2020). Auf dieser Seite werden auch tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).
Der öffentliche Überlandverkehr wurde landesweit mit 25.2.2021 wieder aufgenommen (USEMB 25.2.2021). Mit Wirkung von 1.2.2021 durften Schulen, Hochschulen und Kindergärten wieder öffnen (Jam 23.1.2021). Weitere Lockerungen des wirtschaftlichen Lebens wurden im Zeitraum Februar-März 2021 ermöglicht (Gov.ge 24.2.2021). Stand Mitte März 2021 bestehen weiterhin nächtliche Ausgangssperren (USEMB 25.2.2021; vgl. Gov.ge 24.2.2021).
Mitte Jänner 2021 wurde der nationale Impfplan vorgestellt. Die Risikogruppen sollen bis Jahresmitte 2021 geimpft sein. Es ist nicht zu erwarten, dass Personen, die nicht den Risikogruppen angehören, vor dem Spätsommer/Frühherbst 2021 geimpft werden (civil 18.1.2021). Am 13.3.2021 erhielt Georgien, mit Unterstützung der Vereinten Nationen, erstmals 43.200 Impfdosen von Astra Zeneca (UNICEF 12.3.2021).
Mit 1.2.2021 wurden alle Einschränkungen für Linienflüge aufgehoben (1TV 1.2.2021; vgl. Jam 23.1.2021). Alle Personen, die einen vollständigen Impfschutz nachweisen können, müssen bei Einreise nicht in Quarantäne. Personen, die keinen Impfschutz und keinen negativen PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden), nachweisen können, werden bei Einreise für unbestimmte Zeit und auf eigene Kosten in Quarantäne verbracht (USDOS 25.2.2021; vgl. MoF o.D.), falls eine Selbstisolierung nicht möglich ist. Bei Vorlage eines negativen PCR-Tests (nicht älter als 72 Stunden) muss eine achttägige Selbstisolation samt einer weiteren PCR-Testung fünf Tage nach Einreise auf eigene Kosten durchgeführt werden (MoF o.D.).
Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).
[…]
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen (EDA 28.7.2020). Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und die hohe Arbeitslosigkeit haben zu einem Anstieg der allgemeinen Kriminalität beigetragen, die jedoch immer noch niedriger ist, als in vielen europäischen Ländern (MSZ o.D.; vgl. EDA 28.7.2020).
Im Dezember 2017 führte eine Reihe von Operationen georgischer Spezialkräfte in der Hauptstadt und im Pankisi-Tal [Munizipalität Achmeta, Region Kachetien] zur Verhaftung von Militanten, die beschuldigt wurden, an Terroranschlägen im Ausland beteiligt gewesen zu sein und Berichten zufolge beabsichtigten, Ziele auf georgischem Boden anzugreifen (MAECI 27.1.2021). Die politische Lage ist polarisiert (SZ 18.2.2021).
Die Situation an der De-facto-Grenze zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien ist seit dem georgisch-russischen Krieg im August 2008 weitgehend ruhig. Doch bleibt die Lage angesichts der Unvereinbarkeit der Positionen und der zahlreichen Behinderungen des kleinen Grenzverkehrs angespannt. Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion. Seit dem August-Krieg 2008 stellt Moskau finanzielle Unterstützung für die sozio-ökonomische Entwicklung und die Infrastruktur bereit und gewährt der abchasischen und südossetischen Bevölkerung Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft. Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Abchasien und Südossetien, darunter zwischen 3.000 und 4.000 Soldaten sowie Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB, welche die Demarkationslinien (administrative border lines – ABL) zum georgischen Kernland sichern. Zwischen Tiflis und den De-facto-Regierungen in Sochumi und Zchinwali bestehen keine offiziellen bilateralen Kontakte. Einziges Forum zum Austausch auf hochrangiger politischer Ebene sind die vierteljährlichen internationalen Gespräche im Rahmen des Genfer Prozesses. Trotzdem hat Georgien seit 2012 seine Politik der Isolation Abchasiens und Südossetiens aufgegeben und bemüht sich um Kooperation auf humanitärer Ebene. Dazu zählt etwa das Angebot, der abchasischen und südossetischen Bevölkerung den kostenfreien Zugang zum georgischen Bildungs- und Gesundheitssystems zu ermöglichen (bpb 26.8.2020; vgl. ACLED 2.2020).
Aus Sicht Abchasiens und Südossetiens ist der politische Status ihrer Gebiete endgültig geklärt. Sie lehnen Verhandlungen mit Georgien über eine gemeinsame Staatlichkeit ab und verfolgen den Aufbau bilateraler Beziehungen unter Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die Regierung in Tiflis pocht dagegen auf die Wahrung der territorialen Integrität Georgiens. Sie versucht, ihre guten Beziehungen zur EU und den USA zu nutzen, aber auch multilaterale Foren wie die UNO, um ihrer Position Nachdruck zu verschaffen (bpb 26.8.2020). Gemäß dem georgischen Gesetz über "besetzte Gebiete" vom 23. Oktober 2008 sind die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und der Region Zchinwali (Südossetien) als "besetzt" zu betrachten (MAECI 27.1.2021).
Wegen Zugangsbeschränkungen gibt es nur wenige Informationen über die humanitäre Lage und Menschenrechtslage in Abchasien und Südossetien (US DOS 11.3.2020). Der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) unterstützen aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung (EC 5.2.2021). Obwohl der EUMM der Zutritt zu Abchasien und Südossetien verwehrt bleibt, und es weiterhin zu Zwischenfällen kommt, konnte bisher ein Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen verhindert werden (bpb 26.8.2020).
[…]
3. Rechtsschutz/Justizwesen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Regelungen werden nicht immer respektiert. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden unvollständig umgesetzt, es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, die Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre und die Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei der Festnahme (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Wichtige Herausforderungen bleiben in Bezug auf die Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz bestehen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Hohen Rat der Justiz ist nach wie vor gering. Am 30.9.2020 verabschiedete das Parlament weitere Gesetzesänderungen in Bezug auf das Ernennungsverfahren von Richtern des Obersten Gerichtshofs, ohne die einschlägige Stellungnahme der Venedig-Kommission abzuwarten und ohne die fortbestehenden Unzulänglichkeiten in diesem Verfahren vollständig zu beheben. Das Hauptaugenmerk der Reformen der Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 lag weiterhin auf der Trennung der Funktionen zwischen Ermittlern und Staatsanwälten. Ein entsprechendes Gesetzespaket wurde vorbereitet (EC 5.2.2021).
Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 17.11.2020).
In den Jahren 2016-2020 hat die Regierungspartei Georgischer Traum zwei Wellen der Justizreform umgesetzt. Die Änderungen umfassten die Einführung der elektronischen Zuordnung von Fällen; die Einführung des Amtes des unabhängigen Inspektors des Hohen Justizrates in das Justizsystem; und Verbesserung der Normen zur Disziplinarhaftung von Richtern und zu Gerichtsverfahren. Es wurden wichtige Schritte unternommen, um die Transparenz und Offenheit der Aktivitäten des Hohen Justizrates zu erhöhen (TI 30.10.2020). Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 3.3.2021). Bei der Justizreform ist der Ansatz der Behörden fragmentiert und inkonsistent. In bestimmten Fällen diente die Reform nur dazu, die Interessen einer kleinen Gruppe zu stärken (TI 30.10.2020).
[…]
4. Sicherheitsbehörden:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (US DOS 11.3.2020).
Bis zum Regierungswechsel im Oktober 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, häufig von der Regierung als Machtinstrument oder von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung u. a. wirtschaftlicher Vorteile missbraucht worden. Seit dem Regierungswechsel hat der Machtmissbrauch in dem Ausmaß aufgehört. Die Regierung behält jedoch einen erheblichen informellen Einfluss auf Politik und Justiz bei. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf, sind jedoch in ihrer Tätigkeit auch im Inneren nicht transparent. NGOs fordern jedoch eine organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium (AA 17.11.2020).
Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021) und Straffreiheit bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 3.3.2021), insbesondere bei Fällen, die vor der Arbeitsaufnahme des Büros der staatlichen Inspektoren (State Inspector‘s Office) am 1.11.2019 geschahen (HRW 13.1.2021). Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS o.D.).
Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen verschiedener Polizeibeamter ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit sollen ausgeweitet; die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Cyberkriminalität und organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 5.2.2021).
Im Jahr 2020 erhielt das Büro des State Inspector's Office bis August über 1.300 Berichte über mutmaßliche Misshandlungen durch Strafverfolgungsbehörden und andere Beamte und leitete in 168 Fällen strafrechtliche Ermittlungen ein, meist wegen Amtsmissbrauchs, aber auch wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Im gleichen Zeitraum erhielt das Büro des Ombudsmannes 68 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei (HRW 13.1.2021).
[…]
5. Korruption:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Georgien, das früher für die Reformen gelobt wurde, hat seit 2012 kaum Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (TI 28.1.2021b; vgl. EC 5.2.2021). Während das Land bei der Bekämpfung der kleinen Korruption erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020; SWP 5.2020, NZZ 30.12.2020). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA 17.11.2020).
Das politische System zeichnet sich durch ein extrem hohes Maß an Machtkonzentration aus, da eine einzelne politische Gruppe eine unverhältnismäßige Kontrolle über alle wichtigen öffentlichen Institutionen ausübt. Dieselbe dominante Gruppe strebt häufig auch eine unangemessene Beeinflussung nicht staatlicher Akteure an, einschließlich der Medien und des Privatsektors (TI 28.1.2021b). In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt (FH 3.3.2021; vgl. SWP 5.2020). Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 3.3.2021).
Zur Korruptionsprävention und -bekämpfung hat das Sekretariat des Antikorruptionsrates 2020 ein Handbuch zur Methodik der Risikobewertung für Ministerien und juristische Personen des öffentlichen Rechts verfasst. Eine Entscheidung über die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde wurde bisher noch nicht getroffen (EC 5.2.2021).
Im Corruption Perceptions Index 2020 von Transparency International erreichte Georgien 56 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 45 von 180 untersuchten Ländern (2019: 56 Punkte, Rang 44 von 180 Ländern; 2018: 58 Punkte, Rang 41 von 180 Ländern) (TI 28.1.2021a).
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6. Allgemeine Menschenrechtslage:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte sind explizit in eigenen Verfassungsartikeln aufgeführt. Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat sich weiter den internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. In einigen Bereichen der Gesellschaft sind insbesondere Minderheitenrechte wenig akzeptiert, sodass Minderheiten mit Benachteiligung und Diskriminierung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 17.11.2020).
Beim Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es systemische Probleme. Seit Jahren wird die georgische Regierung immer noch für politische Verfolgung und politische Inhaftierung verantwortlich gemacht. Die Bedrohung durch Informationsmanipulation und Radikalisierung im polarisierten Medienumfeld nehmen zu. Der Schutz der Rechte verschiedener Minderheitengruppen und die Umsetzung von Gleichberechtigung gehören immer noch zu den größten Herausforderungen im Lande. Ungeachtet der positiven Gesetzesänderungen der letzten Jahre und der verstärkten Reaktion auf die begangenen Verbrechen, ist die Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt immer noch eine große Herausforderung in der georgischen Gesellschaft. Die Lage von Menschen mit Behinderungen ist immer noch ernst. Ethnische und religiöse Minderheiten sowie Angehörige sexueller Minderheiten sind immer noch Gegenstand von systemischer Diskriminierung und Stigmatisierung (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020). In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht dominante und bereits marginalisierten Gruppen aus dem Anti-Krisen-Aktionsplan ausgeschlossen. Die Krise wird vermutlich einen schweren und langfristigen Einfluss auf die Durchsetzung der Gleichstellungspolitik haben (HRC 2021). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Georgien ist weiterhin, trotz der COVID-19-bedingten Herausforderungen, der Umsetzung, den Verpflichtungen und Zusagen des EU-Assoziierungsabkommens verpflichtet. Die Angleichung an die europäischen Standards im Bereich der Menschenrechte wurde auch 2020 im Großen und Ganzen fortgesetzt. Verbesserungen 2019/2020 konzentrierten sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Menschenrechtsstrategie, die insbesondere auf die Rechte des Kindes, häusliche Gewalt und die Inklusion von Mitgliedern gefährdeter Gruppen/Minderheiten abzielt (EC 5.2.2021).
Es kommt weiterhin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen in den separatistischen Regionen Georgiens (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020), darunter rechtswidrige oder willkürliche Tötungen und Inhaftierungen (US DOS 11.3.2020).
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7. Frauen:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt und genießen auch im öffentlichen Leben die gleichen Rechte, die sie aber aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventionen, ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes, nicht immer ausüben können (AA 17.11.2020; vgl. FH 3.3.2021). Die Gleichstellung der Geschlechter stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Frauen zählen zu den vulnerabelsten Gruppen (PD 2.4.2020).
Gewalt gegen Frauen ist weiterhin ein ernstes Problem und zählt derzeit zu den wichtigsten Menschenrechtsthemen der Regierung. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und den Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu (AA 17.11.2020; vgl. HRC 2021, FH 3.3.2021). Der Kampf gegen häusliche Gewalt ist eine der Prioritäten der Regierung und der Staatsanwaltschaft. Jedoch trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre ist eine effiziente Strafverfolgung immer noch herausfordernd (HRC 2021). Die Unterstützung im Rahmen der bilateralen Zuweisung zwischen Georgien und der EU für 2019 konzentrierte sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Menschenrechtsstrategie, die insbesondere auf die Rechte des Kindes, häusliche Gewalt und die Einbeziehung von Mitgliedern gefährdeter Gruppen/Minderheiten abzielt (EC 5.2.2021).
2019 wurden 4.185 Fälle häuslicher Gewalt von den Behörden strafrechtlich verfolgt, verglichen mit 3.232 im Jahr 2018 und 1.986 im Jahr 2017. Im Jahr 2019 wurden 51% der Beschuldigten in Untersuchungshaft genommen. Laut NGOs zeigten sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch die Staatsanwälte in Tiflis eine verbesserte Professionalität bei der Bekämpfung von Verbrechen in Verbindung mit häuslicher Gewalt (US DOS 11.3.2020). Im Jahr 2019 wurden 19 Morde an Frauen gemeldet, von denen zehn Anzeichen von häuslicher Gewalt aufwiesen. Darüber hinaus wurden 22 versuchte Morde an Frauen gemeldet, davon 18 aufgrund häuslicher Gewalt (PD 2.4.2020).
Gesetze über häusliche Gewalt schreiben die Anordnung vorübergehender Schutzmaßnahmen vor, einschließlich einstweiliger Verfügungen, die es einem Täter verbieten, sich dem Opfer für sechs Monate zu nähern und Gemeinschaftseigentum, wie beispielsweise einen Wohnsitz oder ein Fahrzeug, zu nutzen. Das Büro der Ombudsperson erklärte, dass die Opfer oft berichteten, dass sie unangemessene Antworten von Strafverfolgungsbeamten auf Verstöße gegen einstweilige Verfügungen erhielten. Seit August 2018 gilt die Verletzung einer einstweiligen Verfügung als Straftat (US DOS 11.3.2020).
Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen für Mütter und Kinder geboten werden (AA 17.11.2020). Lokale NGOs und die Regierung betreiben gemeinsam eine 24-Stunden-Hotline und Unterkünfte für misshandelte Frauen und ihre minderjährigen Kinder. Plätze in Schutzeinrichtungen sind begrenzt und nur vier der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (US DOS 11.3.2020). Häusliche Gewalt wird oft nur mit bedingten Strafen geahndet und es gibt Fälle, in denen die Polizei versucht, zwischen Opfer und Täter zu vermitteln, anstatt eine Anzeige aufzunehmen; insbesondere wenn Täter und Polizist sich kennen (ifact 12.7.2018).
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum wurden 2019 gesetzlich definiert (US DOS 11.3.2020; vgl. PD 2.4.2020). Man findet kaum Frauen in Führungspositionen (NZZ 30.12.2020; vgl. FH 3.3.2021). Der Global-Gender-Gap-Index des World Economic Forums sah Georgien 2020 auf Rang 74 (2018: 99) von 153 Ländern in Hinblick auf die Gesamtlage der Frauen. Beim Subindex 'political empowerment' lag das Land 2020 auf Rang 94 (WEF 2020).
Im Frühjahr 2020 wurden während der COVID-19-Krise besondere Maßnahmen ergriffen, um von häuslicher Gewalt Betroffene zu unterstützen. Sie wurden von Bewegungseinschränkungen befreit und Informationen über staatliche Unterstützung wurden bereitgestellt (EC 5.2.2021; vgl. HRC 2021). Die Zahl der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt ist in dieser Zeit angestiegen (EC 5.2.2021).
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8. Kinder:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Staatliche repressive Handlungen gegen Kinder gibt es in Georgien nicht. Jedoch ist die staatliche Unterstützung von Kindern – ob bei Bildung oder Sozialhilfe – gering. Kinderarmut wie auch Fehl- oder Unterentwicklung aufgrund Mangelernährung stellen ein großes Problem dar. Mithilfe von Kindern zum Erwerb des Familieneinkommens ist insbesondere bei ethnischen Minderheiten verbreitet und akzeptiert mit der Folge, dass die Schulpflicht vernachlässigt wird (AA 17.11.2020). Gewalt gegen Kinder im familiären Kontext, in Heimen, Pflegefamilien und Bildungseinrichtungen ist nach wie vor ein erhebliches Problem, wobei 70% der Kinder mindestens eine Methode der gewaltsamen Disziplinierung erleben. Gleichzeitig steigt das Vertrauen der Öffentlichkeit, Fälle von Gewalt den zuständigen Behörden zu melden (EC 5.2.2021; vgl. AA 17.11.2020).
Die Zahl der Fälle von Selbstmord und Selbstmordversuchen unter Jugendlichen hat im Jahr 2019 im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen. Der Schutz vor sexuellem Missbrauch in Gemeinschaftsunterkünften ist von entscheidender Bedeutung. Die Schulabbrecherquote ist hoch; Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten, oder Kinder, die in jungen Jahren beschäftigt, verheiratet oder in die Arbeitswelt eingebunden sind, sind besonders gefährdete Gruppen. Die staatliche Fürsorge für Kinder in Internaten, die nach religiösen Bekenntnissen arbeiten, bleibt ein Problem. Die hohe Kinderarmutsrate zeigt weiterhin, dass die staatliche Politik nicht auf die Beseitigung der Armut ausgerichtet ist; staatliche Programme können die Bedürfnisse von Familien, die in Armut leben, nicht voll befriedigen (PD 2.4.2020).
Mit 1.9.2020 ist das Gesetz über die Kinderrechte in Kraft getreten. Es hat positive Auswirkungen auf die Situation der Kinder. Mit dem Gesetz wurde die Aufsichtsrolle des Pflichtverteidigers bei der Beurteilung des Rechtsstatus von Kindern gestärkt. Die Justiz gewährt kostenlose Rechtshilfe und spezialisierte Personen werden für die Arbeit mit Kindern ausgebildet. Bildungseinrichtungen wurde die Pflicht auferlegt, Kinder über ihre Rechte und Mechanismen zu ihrem Schutz zu informieren. Ein ständiger parlamentarischer Rat für den Schutz der Kinderrechte wurde in der Legislative eingerichtet, um die Arbeit zwischen den Behörden zu koordinieren. In Übereinstimmung mit dem Gesetz kann nur ein Richter die Frage der Trennung eines Kindes von seiner Familie, und nur im Falle einer extremen Notlage, entscheiden. Nach dem neuen Gesetz ist der Staat dafür verantwortlich, sozial bedürftige Familien mit bedarfsgerechter finanzieller Unterstützung zu versorgen. Außerdem müssen bei Bedarf Sozialarbeiter und Psychologen die Eltern bei der Erziehung unterstützen (HRC 2021; vgl. EC 5.2.2021, GE-Pr 20.9.2019).
Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt für beide Geschlechter 18 Jahre. Die Zwangsverheiratung von Minderjährigen unter 18 Jahren wird mit zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Im Jahr 2019 untersuchte mit Stand 12.12.19 das Büro der Ombudsperson 43 Fälle von Verheiratung Minderjähriger, verglichen mit 45 im Jahr davor. Im Jahr 2018 startete das Innenministerium eine Informationskampagne gegen Kinderehen. Berichten zufolge kommt es bei bestimmten ethnischen und religiösen Gruppen häufiger zu Kinderehen (US DOS 11.3.2020).
Die Kinderbetreuung ist nicht vollständig deinstitutionalisiert. Zwei große staatliche Einrichtungen sind weiterhin in Betrieb und beherbergen etwa 80 Kinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Die Regierung hat spezialisierte familienähnliche Dienste entwickelt und zwei solcher Einrichtungen eingeführt. Die Mechanismen für spezialisierte Pflegedienste für Kinder mit komplexen Behinderungen und Bedürfnissen wurden verstärkt. Über 900 Kinder leben in 38 unregulierten Einrichtungen, hauptsächlich Internaten, die von lokalen Gemeinden, der georgisch-orthodoxen Kirche und muslimischen Gemeinden finanziert und betrieben werden (EC 5.2.2021; vgl. US DOS 11.3.2020). Das effektive Funktionieren des Koordinationsmechanismus, der sich mit der Deinstitutionalisierung befasst, wurde durch die COVID-19-Pandemie behindert (EC 5.2.2021). Die Regierung gewährt Zuschüsse für die Hochschulbildung von Kindern in Heimen und Pflegefamilien, einschließlich einer vollständigen Deckung der Studiengebühren und eines Stipendiums, und leistet Soforthilfe für Pflegefamilien (US DOS 11.3.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde der Schulbetrieb zeitweise eingeschränkt. Aufgrund mangelnden Internetzugangs hatten zehntausende Kinder auch nur eingeschränkten Zugang zur Fernlehre (Jam 23.1.2021).
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9. Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 29.03.2021
Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen. Sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 3.3.2021).
Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, muss man mit Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (FCO 25.2.2021).
Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 17.11.2020). Seit 1.1.2021 müssen bei der Ausreise aus Georgien georgische Staatsbürger, die in die Schengener Staaten reisen, mittels zusätzlicher Nachweise glaubhaft machen, dass sie nicht planen, illegal in der EU zu bleiben. Dazu zählen ein biometrischer Reisepass, der noch mindestens drei Monate ab dem Datum der beabsichtigten Ausreise aus dem Schengen-Raum gültig sein muss, ein gültiges erstattungsfähiges Reiseticket oder ein gültiges Buchungsdokument für ein solches Reiseticket, ein gültiger Buchungsbeleg für ein Hotel oder eine andere Unterkunft, eine Reisekrankenversicherung sowie Nachweise der Finanzierung der Reise. Für Reisen zu Konferenzen, Seminaren, Geschäftstreffen o.Ä. ist zusätzlich zu den genannten Dokumenten ein Einladungsschreiben erforderlich. Können diese Dokumente nicht vorgelegt werden, kann die Ausreise aus Georgien verweigert werden (SVI 3.1.2021; vgl. Agenda 1.1.2021).
Die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021). Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 3.7.2019, FH 3.3.2021). Der Übertritt über offizielle Kontrollpunkte an den de-facto-Grenzen zu Abchasien und Südossetien wird seitens der separatistischen Behörden immer wieder gesperrt oder eingeschränkt (AA 17.11.2020).
In Georgien gibt es keine Meldepflicht und eine Änderung des Wohnsitzes wird nicht angezeigt (z.B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift – auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) (AA 17.11.2020).
Straßensperren aufgrund von Muren, Schnee oder Steinschlag, die bis zu mehreren Wochen dauern können, kommen immer wieder vor und betreffen auch internationale Hauptverbindungen (MSZ o.D.).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es im Frühling 2020 und im Zeitraum Dezember 2020-März 2021 zu massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit samt Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020). Die Einschränkungen wurden als angemessen in Bezug zur Bedrohung der öffentlichen Gesundheit betrachtet (FH 3.3.2021). Bei Verletzung der Ausgangssperre, Selbstisolierung und Quarantäne sowie anderer Bestimmungen wurden hohe Geldstrafen verhängt (HRW 13.1.2021; vgl. Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020).
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10. Grundversorgung
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (AA 17.11.2020). Die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 220 [ca. EUR 55] im Monat. Die Rentensätze für Personen unter 70 Jahre liegen bei 220 Georgischen Lari [GEL; ca. 55 Euro] im Monat. Rentner über 70 Jahre erhalten aktuell zwischen 250 und 300 GEL [ca. 62 bis 75 Euro]. Zum Erhalt müssen die Personen seitens der Behörden als bedürftig eingestuft werden. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 17.11.2020).
Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Etwa 20 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 8.2020).
Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten, im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2019). Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter den 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2019). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im dritten Quartal 2020 bei den Männern bei GEL 1.472,5 [rund EUR 370] und bei den Frauen bei GEL 978,1 [rund EUR 245] (GeoStat 2021b).
Die COVID-19-Pandemie hatte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft (HRW 13.1.2021; vgl. KP 11.2.2021, ADA 8.2020) Statt der ursprünglich prognostizierten Steigerung des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) um 4,3 % wurde am Jahresende schließlich ein Rückgang um 5,1 % des BIP vermeldet (KP 11.2.2021). Allein im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das BIP um über 16 % (HRW 13.1.2021) Der Tourismus, der in den letzten Jahren stark gewachsen war und für rund 20 % des georgischen BIP verantwortlich ist, kam völlig zum Erliegen (KfW 3.6.1010). Die Zahl der internationalen Besucher Georgiens sank im Jahr 2020 um 80 % im Vergleich zum Vorjahr (KP 11.2.2021).
Es kam 2020, im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut (HRW 13.1.2021; vgl. ADA 8.2020, GeoStat 2021a). Die Arbeitslosigkeit lag im 4. Quartal 2020 im urbanen Raum bei 22,2 % (verglichen mit 16,6 % im 4. Quartal 2019). Im ländlichen Raum lag die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal 2020 bei 17,7 % (verglichen mit 16,7 % im 4. Quartal 2019) (GeoStat 2021a). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären (IOM 2019). Um die Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern, verabschiedete die Regierung im April 2020 einen Anti-Krisen-Plan in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar, der ein Sozialhilfepaket für Einzelpersonen sowie Steuererleichterungen und -befreiungen für Unternehmen für mindestens sechs Monate beinhaltete. Drei Monate vor den Wahlen im Oktober 2020 kündigte die Regierung zusätzliche Anti-Krisen-Maßnahmen in Höhe von 132 Millionen US-Dollar an, darunter ein weiteres Sozialhilfepaket. Die Opposition und einige zivilgesellschaftliche Gruppen sahen die Schritte als "Manipulation, um Wähler anzulocken" (HRW 13.1.2021).
Negativ hat sich auch der Außenhandel Georgiens entwickelt, die Exporte sanken um 12 %, die Importe um knapp 16 %, allerdings von einem weitaus höheren Realniveau. Das Außenhandelsdefizit hat sich daher nur geringfügig verbessert. Die Entwicklung des Wechselkurses zum Euro ist weitaus dramatischer: Seit Jahresanfang 2021 hat sich der Lari auf einem Wert von etwa 4:1 zum Euro eingependelt, am Jahresanfang 2020 lag er noch bei 3,2:1. Überraschenderweise sind die Rücküberweisungen der Auslandsgeorgier im vergangenen Jahr um 8,8 % gestiegen, was sich durchaus mäßigend auf die Abwertung des Lari ausgewirkt hat (KP 11.2.2021).
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10.1. Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:
• Existenzhilfe
• Re-Integrationshilfe
• Pflegehilfe
• Familienhilfe
• Soziale Sachleistungen
• Sozialpakete (IOM 2019)
Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 [Georgische Lari; entspricht ca. 2,50 bis 15 Euro] pro Familienmitglied rechnen. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht (IOM 2019).
Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. 15 Euro] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 [ca. 15 Euro] und alle anderen GEL 48 [ca. 12 Euro] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).
Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre. Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2019). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen. Mit 1.1.2021 stieg die Alterspension auf 240 GEL[ca. 60 Euro] für Personen unter 70 Jahre und auf 275 GEL[ca. 69 Euro] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda 5.1.2021).
Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbstständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere 2% zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor (Agenda.ge 3.1.2019). Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbstständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).
Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 [ca. 250 Euro] (SSA o.D.b, vgl. USSSA 3.2019).
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11. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 29.03.2021
Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care, UHC) sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (z. B. Diabetes, Hepatitis C, Tuberkulose) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit privater Krankenversicherung kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden (AA 17.11.2020; vgl. SEM 21.3.2018, BDA 2019). Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Eingeschlossen ins UHC sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019).
Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen „Letter of Guarantee“ (dt. Garantiebrief) über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018; vgl. BDA 2019). Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche lebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 17.11.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde der laufende Ausbau elektronischer medizinischer Dienstleistungen weiter forciert. Ab Frühling 2021 soll die Möglichkeit für elektronische Arztgespräche flächendeckend verfügbar sein. Dies soll insbesondere die Primärversorgung in peripheren Gebieten verbessern (EU4Digital 7.12.2020).
Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen, wie folgt:
• Offen für alle Staatsbürger sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus.
• Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt.
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