TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/4 W284 2209873-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2021
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Entscheidungsdatum

04.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W284 2209873-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2018, Zl. 1171000910-180147413, betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein 45-jähriger sunnitisch-arabischer Staatsangehöriger, gebürtig in Bagdad, beantragte am XXXX 10.2017 – zu Studienzwecken – ein Visum für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich (Visum D) und reiste legal aus dem Irak aus.

Zwei Tage vor Ablauf seines Visums stellte der Beschwerdeführer am 12.02.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz und erfolgte daraufhin am selben Tag eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 15.10.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA bzw. belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) niederschriftlich einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 16.10.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vollumfänglich als unbegründet abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Für den 12.08.2021 wurde in der Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung anberaumt, welche infolge monierter Übersetzungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher schließlich auf den 14.09.2021 vertagt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der 45-jährige, ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak. Er wurde in Bagdad geboren, wo er zwölf Jahre lang die Grundschule besuchte. Der Beschwerdeführer arbeitete nicht als regimekritischer Journalist. Er brach die Universität ab und belegte zwei Kurse auf dem Gebiet Grafikdesign.

Die Mutter des Beschwerdeführers lebte mit dem Beschwerdeführer und dessen jüngerer Schwester langjährig in Jordanien, kehrte dann nach Bagdad zurück, bevor sie den Irak wiederum nach Österreich verließ, wo sie seit 2014 als Asylberechtigte lebt. Auch der Schwester des Beschwerdeführers wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Beschwerdeführer lebt mit ihnen in Österreich an gemeinsamer Adresse.

Der Beschwerdeführer lebte die letzten sieben Jahre vor seiner Einreise nach Österreich in Jordanien. Er reiste in dieser Zeit jedoch zwischen dem Irak, wo sein Vater lebt und Jordanien, wo seine Mutter viele Jahre lebte, hin und her, wobei die genaue Anzahl der Grenzübertritte nicht festgestellt werden kann, jedenfalls drei Mal.

Im Herkunftsstaat lebt der Vater des Beschwerdeführers unbehelligt in Bagdad, mit dem der Beschwerdeführer auch in Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer verließ den Irak auf legalem Weg. Seine Ausreise erfolgte problemlos. Er verließ sein Herkunftsland nicht aus Furcht vor Verfolgung, sondern weil er in Österreich studieren und seine Mutter besuchen wollte. Er beantragte ein Studentenvisum, welches ihm mit Gültigkeit vom XXXX 10.2017 bis zum XXXX 02.2018 erteilt wurde. Der Beschwerdeführer stellte seinen Asylantrag ausschließlich zu dem Zweck um weiterhin in Österreich bleiben zu können.

Der Beschwerdeführer war nicht journalistisch tätig. Er ist von Beruf Grafik-Designer. Er hat daher auch keine Verfolgung infolge beruflich-bedingter, regimekritischer Äußerungen bzw. Tätigkeiten zu befürchten. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht im Zuge von Dreharbeiten für eine Dokumentation im Irak für mehrere Wochen inhaftiert.

Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig, sondern bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er lebte in Österreich von Beginn an bei seiner Mutter in Wien. Seine Wohnsitzmeldung an einem anderen Wohnsitz als dem seiner Mutter veranlasste der Beschwerdeführer lediglich zum Schein. Er spricht Deutsch auf B1-Niveau und ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage im Irak (wobei lediglich die für den Beschwerdefall relevanten Passagen dargestellt werden):

Journalisten und Medienschaffende, die kritische Berichterstattung über politische und andere sensible Themen betreiben:

UNHCR vertritt die Ansicht, dass tatsächliche oder vermeintliche Gegner von Regierungsbeamten (auch auf lokaler Ebene), Politikern oder anderen politisch einflussreichen Persönlichkeiten – abhängig von den spezifischen Umständen des jeweiligen Falls – aufgrund ihrer tatsächlichen oder unterstellten politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe möglicherweise internationalen Flüchtlingsschutz benötigen.

Im ganzen Irak sind Journalisten und andere Medienschaffende Berichten zufolge dem Risiko von Belästigung, Einschüchterung, körperlichen Angriffen, Beschlagnahme oder Zerstörung von Ausrüstung, willkürlicher Verhaftung, Verfolgung (z.B. wegen Verleumdungsklagen) und in manchen Fällen von Entführung und Tötung durch unterschiedliche Akteure wie zentrale, regionale oder lokale Behörden, die ISF und damit verbundene Kräfte, ISIS sowie durch Politiker, Stammesangehörige und Geschäftsleute und deren Sicherheitspersonal ausgesetzt. Besonders betroffen sind davon Berichten zufolge Journalisten und andere Medienschaffende, die über Demonstrationen berichten, kontroverse politische oder andere sensible Themen wie Korruption, Machtmissbrauch, schwache Regierungskapazität oder die mangelhafte Sicherheitslage untersuchen oder die als kritisch gegenüber Regierungsbeamten und mit der Regierung verbundenen Personen wahrgenommen werden. Da die meisten irakischen Nachrichten- und Fernsehsender (einschließlich in der Autonomen Region Kurdistan) politischen Parteien, parteinahen bewaffneten Gruppen oder den Behörden gehören, sind diese Medienkanäle und ihre Angestellten Berichten zufolge aufgrund einer politischen Einstellung oder konfessionellen Zugehörigkeit, die ihnen basierend auf den Standpunkten und Anschauungen ihrer Arbeitgeber unterstellt wird, ebenfalls gefährdet. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts wird ein neues „Gesetz über informationstechnologische Verbrechen“, auch als Gesetz zur Internetkriminalität bekannt, vom Parlament geprüft. Beobachter merkten an, dass das Gesetz eine weitere Bedrohung für die Meinungsfreiheit darstellt, da es lange Gefängnisstrafen, einschließlich lebenslanger Haftstrafen und Geldstrafen von bis zu 50 Millionen irakischen Dinars (42.000 USD) vorsehen würde – und zwar für Aussagen im Internet, die in den Bereich vage formulierter Bestimmungen wie „die Untergrabung der Unabhängigkeit des Landes bzw. seines Friedens oder seiner wirtschaftlichen, politischen, militärischen oder sicherheitsbezogenen Interessen“ fallen.

In der Autonomen Region Kurdistan sind Journalisten und andere Medienschaffende, die kritische Berichterstattung über politische und andere sensible Themen betreiben, Berichten zufolge Einschüchterung, körperlichen Angriffen, Beschlagnahme oder Zerstörung von Ausrüstung, willkürlichen Festnahmen und politisch motivierter strafrechtlicher Verfolgung (z.B. aufgrund von Verleumdungs- oder Terrorismusvorwürfen), und zwar vorwiegend durch die Behörden der Regionalregierung Kurdistan, ausgesetzt. In einigen Fällen wurden Journalisten laut Berichten auch Opfer von Entführungen und Tötungen. Allerdings wurden die meisten dieser Fälle bisher nicht gelöst, da sie Berichten zufolge nicht unverzüglich und transparent durch die Behörden untersucht wurden. Fälle von Einmischung in journalistische Aktivitäten und Angriffe auf Journalisten, Medienschaffende und Medienkanäle, die als kritisch gegenüber der Regionalregierung Kurdistan gelten, werden am häufigsten während politischer Ereignisse oder Sicherheitskrisen gemeldet.

Sicherheitslage Bagdad:

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).

Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl Joel Wing 5.3.2020)

Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha’bi:

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 11.3.2020; vgl. Clingendael 6.2018). In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist (Reuters 29.8.2019).

Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.1.2019). Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus (Reuters 29.8.2019).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.1.2019; vgl. FPRI 19.8.2019). Leiter der PMF-Dachorganisation, der al-Hashd ash-Sha‘bi-Kommission, ist Falah al-Fayyad, dessen Stellvertreter Abu Mahdi al-Mohandis eng mit dem Iran verbunden war (Al-Tamini 31.10.2017). Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen, von denen der mächtigste Hadi Al-Amiri ist, Kommandant der Badr Organisation (FPRI 19.8.2019). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen sie, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten des Assad-Regimes in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind (USDOS 13.3.2019).

Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019). Bei willkürlichen Verhaftungen meist junger sunnitischer Männer wird durch die Behörden auf das Anti-Terror-Gesetz verwiesen, welches das Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren vorenthält (USDOS 21.6.2019). Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).

Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, PMF und Peshmerga (USDOS 11.3.2020). Noch für das Jahr 2018 gibt es Hinweise auf außergerichtliche Hinrichtungen von sunnitischen Muslimen in und um Mossul (USCIRF 4.2019).

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.1.2019).

Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

Beweiswürdigung:

2.1. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357), weshalb das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung anberaumte.

Die erkennende Richterin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung am 14.09.2021 (bzw. zuvor am 12.08.2021) einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen. Die im Spruch genannte Identität wird, wie bereits von der Behörde angenommen, infolge gleichbleibender und daher glaubhafter Angaben festgestellt. Dagegen divergierten etwa seine Angaben im Laufe des Verfahrens dazu, wie lange er sich exakt in Jordanien und wie lange er sich im Irak aufgehalten hat. Eine genaue zeitliche Feststellung durfte unterbleiben, weil der Beschwerdeführer jedenfalls in beiden Staaten aufhältig war und zwischen beiden Staaten – ungehindert - hin- und herreisen konnte (AS 147; S. 7 VH-Protokoll). Zudem ergaben sich im Abgleich mit den Angaben seiner (asylberechtigten) Mutter und Schwester, in deren Verwaltungsakten das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls Einschau hielt, zeitliche und örtliche Widersprüche in Bezug darauf, welche Familienmitglieder wann und wo aufhältig waren (es kam neben dem Irak und Jordanien mehrmals auch ein Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei zur Sprache), weshalb eine exakte Feststellung hierzu ausbleiben musste. Gleichbleibend hat der Beschwerdeführer jedoch angegeben, dass sein Vater im Irak wohnt und war dieser Darstellung zu folgen, weil dies der Beschwerdeführer durchgehend im Verfahren aussagte und kein Grund ersichtlich ist, weshalb er familiäre Bezugspunkte in den Irak behaupten sollte, würden solche nicht vorliegen; im Gegenteil, es wäre naheliegender, familiäre Bezugspunkte zum Herkunftsstaat zu verschleiern um sich eine günstigere Ausgangsposition im Asylverfahren zu verschaffen, weshalb festgestellt wurde, dass der Vater des Beschwerdeführers im Irak, in Bagdad, lebt. Dass sein Vater zudem unbehelligt dort lebt (S. 5 VH-Protokoll) spricht bereits gegen die im Verfahren geltend gemachte pauschale Behauptung des Beschwerdeführers, dass seine gesamte Familie im Irak einer Bedrohung ausgesetzt wäre.

Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt wird oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt (vgl. hierzu weiter unten die Ausführungen zur vorgelegten Beilage ./D), im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet (vgl. hierzu seine Asylantragstellung zwei Tage vor Ablauf seines Studentenvisums) erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung (vgl. seine nicht ordnungsgemäße Wohnsitzmeldung) verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen (vgl. hierzu das unten näher beleuchtete Vorbringen betreffend seine angebliche Inhaftierung). Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen;

Unter Berücksichtigung all dieser Parameter, fällt die Glaubhaftigkeitsprüfung der Angaben des Beschwerdeführers klar zu seinen Ungunsten aus:

Der Beschwerdeführer machte in der mündlichen Verhandlung weitwendig Ausführungen dazu, weshalb er seinen Asylantrag nicht sogleich nach der Einreise in das österreichische Bundesgebiet gestellt hat (S. 13 des VH-Protokolls). Dabei versuchte er eine Bedrohungssituation dadurch zu kreieren, dass er über eine Attacke auf einen angeblich ehemaligen Kollegen berichtete, welche den Ausschlag dafür gegeben hätte, dass dem Beschwerdeführer bewusstgeworden wäre, dass die auch ihn betreffende Bedrohungssituation nach wie vor aktuell wäre. Dass der Beschwerdeführer, wie aus dem im Akt einliegenden Antrag auf Ausstellung seines Visums hervorgeht, legal den Irak verlassen hat und seinen Asylantrag just dann stellte, als seine Aufenthaltsberechtigung auszulaufen drohte, erwähnte er dagegen mit keinem einzigen Wort. Hierbei muss sich der Beschwerdeführer anlasten lassen, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass Menschen, die in Ihrem Herkunftsstaat tatsächlich verfolgt werden, bei erster Gelegenheit um Schutz ansuchen würden, zumal ihrem Verhalten eine Furcht immanent ist. Der Beschwerdeführer dagegen kümmerte sich erst um seinen weiteren Verbleib, als sein Visum die Gültigkeit verlor und stellte er erst danach den beschwerdegegenständlichen Asylantrag. Zudem genoss die Mutter des Beschwerdeführers bereits einen Schutzstatus und leuchtet es vor diesem Hintergrund noch weniger ein, weshalb es für den Beschwerdeführer einer weiteren, neuen Attacke auf einen angeblichen Kollegen bedurft hätte, um eine Verfolgungsgefahr als aktuell zu qualifizieren. Dagegen erweckte die einseitige Begründung auf Befragung durch seine Rechtsvertretung den Anschein, als ob der Beschwerdeführer gezielt darauf vorbereitet wurde, seine Antworten so zu geben, dass sich der Umstand des abgelaufenen Visums und die behauptete Bedrohungssituation als „aktuell“ darstellen lassen.

Es ist zudem nicht denklogisch, dass der Beschwerdeführer trotz behaupteter mehrwöchiger Inhaftierung seiner eigenen Person keine Veranlassung erblickt haben will, umgehend, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, einen Asylantrag zu stellen (AS 163: „Ehrlich gesagt, wollte ich am Anfang keinen Asylantrag stellen, sondern mit einem Studentenvisum mich hier aufhalten. Nachdem aber dieser Mordversuch an meinem Freund passiert ist, bin ich sehr erschrocken […].“), dagegen aber eine angebliche Attacke auf einen Kollegen, noch dazu fernab in einem anderen Land, eine Umkehr bewirkt haben soll. Ein solches Verhalten ist nicht nachvollziehbar, seine Version der „Flucht“ bereits dadurch schwer erschüttert und nicht glaubhaft. Dass auch der Umstand, wonach der Beschwerdeführer legal seinen Herkunftsstaat verlassen konnte, ebenfalls gegen die Annahme staatlicher Verfolgung spricht, sei an dieser Stelle ebenso betont.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht bloß einmal zum Zwecke seiner Ausreise die Grenze problemlos passierte, sondern mehrmals aus dem Irak aus- und wieder einreiste, wobei sich sowohl der Beschwerdeführer selbst als auch seine als Zeugin vernommene Mutter diesbezüglich an keine genauen Daten erinnern konnten oder vielmehr wollten (das Bestreben, hierzu nähere Angaben zu machen, ließen in der Verhandlung beide vermissen), weshalb – als kleinster gemeinsamer Nenner – bloß drei Grenzübertritte festgestellt wurden (S. 7 und S. 15 VH-Protokoll).

Trotz der bestehenden Aktenlage (insbesondere dem einliegenden Visum sowie dem Datum der Asylantragstellung kurz vor Ablauf desselben; AS 37) versuchte die zuständige Richterin dem Beschwerdeführer, im Rahmen einer ausführlichen, knapp sechsstündigen Verhandlung, Gelegenheit zu geben, seine Fluchtgründe darzulegen. Dabei wurde Wert daraufgelegt, sich ein umfassendes Bild über die gesamte Situation zu verschaffen, vor allem, weil die Mutter und Schwester des Beschwerdeführers in Österreich den Flüchtlingsstatus genießen.

Obwohl der Beschwerdeführer dazu neigte, weitschweifende Ausführungen zu machen, fiel auf, dass Details oder veranschaulichende Angaben seiner Fluchtgeschichte vollends ausblieben. Seine Schilderungen zu Begleitumständen und Nebensächlichkeiten, die von der Richterin unter dem Aspekt der Wahrheitsfindung nicht abgedreht wurden, überlagerten die Darstellung der fluchtrelevanten Ereignisse deutlich. Sobald es sich um den Kern seiner Fluchtgeschichte drehte, wischte der Beschwerdeführer mit oberflächlichen Formulierungen (z.B. S. 8 VH-Protokoll betreffend das zentrale Vorbringen zur angeblichen Erstellung eines Dokumentarfilms im Irak: R: Heißt das, Sie waren zu fünft unterwegs? BF: Durchschnittlich, ungefähr.“) und ohne Angabe detailgetreuer Aspekte über das Wesentliche hinweg und verlor sich wiederum in Verallgemeinerungen. Der Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt konkreter in seinen Angaben, seine Aussagen ließen raum-zeitliche Beziehungen vermissen (z.B. S. 7 VH-Protokoll „R: Welche Reise ist wann aus Sicherheitsgründen abgesagt worden? BF: Das weiß ich nicht ganz genau. Ich kann es nicht genau sagen,…“) und war seine Schilderung insgesamt farblos. Es entstand in der sechsstündigen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt der Eindruck, der Beschwerdeführer könnte tatsächlich Erlebtes abrufen, dominierend waren dagegen Erinnerungslücken in entscheidungswesentlichen Geschehnissen, unspezifische Aussagen, pauschale Verweise und das völlige Fehlen zeitlich nachvollziehbarer Angaben. Kam der Beschwerdeführer längere Zeit zu Wort, widersprach er sich sogar im Verlauf seiner eigenen Vernehmung eklatant und darf an dieser Stelle exemplarisch herausgegriffen werden, dass er einmal aussagte, ihm seien im Zuge seiner beauftragten Dokumentation im Jahr 2010 alle Kameras von einer bewaffneten Gruppierung zerstört worden (S. 7 VH-Protokoll), zuvor gab er an, er hätte sich seine Depositen (Kamera, etc.) im Anschluss an seine Unterbringung im Gefängnis von einer Polizeistation abholen müssen, wobei er sich nur seinen Reisepass abgeholt hätte, weil dieser ihm wichtiger gewesen sei als die anderen Sachen (S. 8 VH-Protokoll), dann wiederum sagte er, überhaupt nicht mehr nach seinem Equipment gefragt zu haben (S. 10 VH-Protokoll). Gerade an diesen Begleitumständen in Zusammenschau mit der vom Beschwerdeführer an den Tag gelegten Körpersprache ließ sich ablesen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen konstruierte und müsste es jemandem, der all das wahrhaftig erlebt hat, leicht möglich sein, einheitliche und stringente Aussagen zum Verbleib seines gesamten Equipments für eine Dokumentation zu machen.

Hervorzuheben gilt es zudem, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt keine genauen Angaben zu seiner behaupteten mehrwöchigen Inhaftierung machen konnte, die jedoch, wäre sie jemandem tatsächlich widerfahren, wohl das Kernstück traumatischer Erlebnisse darstellen müsste. Trotz intensiver Bemühungen, dem Beschwerdeführer Details zu entlocken, gestaltete sich die Vernehmung hierzu zäh und waren ihm bis zum Schluss keine dienlichen Hinweise abzuringen, welche Anlass geben würden, von einer erlebnisbezogenen Darstellung des Beschwerdeführers auszugehen. Obwohl die behauptete Inhaftierung des Beschwerdeführers der zentrale, tiefgreifende Teil seiner Verfolgungssituation sein müsste, konnte er nicht angeben, wie lange er inhaftiert war. Er machte auch keine Angaben, um die Dauer seiner Inhaftierung zu realen Geschehnissen in Beziehung zu setzten, sondern stellte dieses Ereignis bloß in den Raum. Dass sich in einem Schreiben von „Reporter ohne Grenzen“ vom August 2021 (Beilage ./A) bzw. von November 2018 (AS 361) genaue Zeitangaben des Beschwerdeführers zu einer Inhaftierung im Jahr 2016, nämlich v. 20.09.2016 bis zum 13.10.2016 wiederfinden, dem Beschwerdeführer selbst diese aber nicht einmal ansatzweise erinnerlich sind, er sich dann in der Verhandlung auf etwa vier Wochen (S. 10 VH-Protokoll) festlegte, erweckt nicht den Eindruck, als ob ihm dieses Unrecht tatsächlich wiederfahren wäre und kommt dem vorgelegten Schreiben mangels sinnvoller und nachvollziehbarerer Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Erlebnissen daher kein wesentlicher Bedeutungsgehalt zu. In der Verhandlung nannte der Beschwerdeführer die Geschehnisse dann überhaupt in einem völlig anderen zeitlichen Zusammenhang, nämlich betreffend das Jahr 2010 (S. 7 VH-Protokoll: BF: (…) Der wichtigste Grenzübertritt war 2010, als wir damals eine Dokumentation aufsetzten und dabei von einer bewaffneten Gruppierung aufgehalten wurden und die ganzen Kameras zerstört wurden), wodurch sich deutlich zeigt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgeschichte konstruiert.

Krass widersprüchlich waren seine Angaben zur behaupteten Dokumentationsreise, zu der sich der Beschwerdeführer im Jahr 2016 von Jordanien in den Irak begeben haben will auch noch in einem anderen Punkt. Vor der Behörde sagte er aus, diese mit einem Chauffeur unternommen zu haben, in der Verhandlung sagte er zuerst, er wisse überhaupt nicht, mit wie vielen Leuten er die Reise unternommen hätte, legte sich dann aber auf ein Team von etwa fünf Leute fest. Ein Chauffeur befand sich seinen Aussagen in der Verhandlung nach, in der er die Personen und ihre Aufgabe einzeln bezeichnete, jedoch nicht mehr im Team. Bereits bei der ersten Verhandlung am 12.08.2021, welche infolge monierter Übersetzungsschwierigkeiten vertagt wurde, versuchte die Richterin die Hintergründe dieser Reise zu erkunden und war es bereits damals nicht möglich, herauszufiltern, ob der Beschwerdeführer einen Dokumentarfilm erstellen oder für einen Bericht recherchieren sollte, obwohl es sich hierbei um völlig verschiedene Arbeitsaufträge handelt (S. 7 des VH-Protokolls v. 12.08.2021). Dass diese Schwierigkeit in der Wahrheitsfindung an der Hinzuziehung des ungeeigneten Dolmetschers gelegen haben soll, lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr halten, zumal der Beschwerdeführer auch diesmal, bei der zweiten Verhandlung unter Hinzuziehung eines anderen gerichtlich beeideten Dolmetschers, nur vage Angaben machte und auch der nunmehrige Übersetzer zu keinen gehaltvolleren Angaben verhelfen konnte. Nach dem in der nunmehrigen Verhandlung gewonnenen Eindruck stellt es sich vielmehr so dar, dass die in der ersten Verhandlung aufgetauchten Unstimmigkeiten nicht an der unzureichenden Übersetzung des Dolmetschers lagen, sondern der Beschwerdeführer bereits damals schlichtweg nicht konkret aussagte, ob er in den Irak zum Zweck der Erstellung eines Dokumentarfilmes oder aber zwecks Schreiben eines Artikels beordert worden wäre. Hierbei handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Aufträge und war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seine Tätigkeit konkret zu beschrieben, weil ein solcher Auftrag weder je bestanden hat noch ausgeführt wurde (vgl. seine unsubstanttierten Angaben, wonach er die Frage nach seinem konkreten Arbeitsauftrag seitens der Richterin damit beantwortete „hauptsächlich“ sei es um einen Dokumentarfilm gegangen. Im Anschluss würde dieser Dokumentarfilm von einer Gruppe von Leuten bearbeitet werden“; auch die seine oberflächlichen Angaben, wonach er die Pressereise alleine unternommen habe und Reporter und Kameramann zugleich gewesen sein will, sind völlig lebensfremd und daher nicht glaubhaft, s. S. 7 des VH-Protokolls v. 12.08.2021). Wenn weiter unten beleuchtet wir, dass dem Beschwerdeführer sein beruflicher Hintergrund nicht geglaubt wird, ist dabei auch dieser Umstand, nämlich, dass der Beschwerdeführer nicht einmal den wohl wichtigsten Arbeitsauftrag, welcher ihn zur Flucht veranlasst haben soll, konkret beschreiben kann, miteinzubeziehen und darf von einem gebildeten Menschen jedenfalls ein höheres Maß an Bedeutungsgehalt seiner Erklärungen vorausgesetzt werden, als den Angaben des Beschwerdeführers zu entlocken war.

Soweit im Schreiben von Reporter ohne Grenzen, wie auch mit Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 13.11.2018 dargelegt, die Journalisten treffenden Gefahren und Drohungen hervorgestrichen werden, verkennt das Bundesverwaltungsgericht das Risikoprofil journalistisch, gar regimekritisch tätiger Personen nicht; vielmehr ergibt sich dieses auch aus den weiter unten dargestellten und zugrunde gelegten Länderberichten. Im Falle des Beschwerdeführers bedarf es jedoch der Glaubhaftmachung, dass er auch tatsächlich in diesem Berufsfeld engagiert war, und ist dies dem Beschwerdeführer, worauf noch einzugehen sein wird, gerade nicht gelungen. Insofern durfte auch von der mit Stellungnahme (AS 375) beantragten Ladung einer namentlich genannten sachverständigen Zeugin „zum Beweis der Gefährdung als Journalist“ Abstand genommen werden, weil gegenständlich ein erhöhtes Risikoprofil von Journalisten ohnedies zugrunde gelegt wird, fallgegenständlich aber zu verifizieren ist, ob der Beschwerdeführer mit den von ihm verübten Tätigkeiten (festgestellt wurde seine Tätigkeit als Grafik-Designer und nicht als Journalist) darunter fällt, was zu verneinen ist. Beweisanträge dürfen dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/14/0465). Ein erhöhtes Risiko-Profil regimekritischer Journalisten wird vom Bundesverwaltungsgericht keineswegs in Abrede, sondern als wahr angenommen.

Dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung unverhofft die bislang verschollenen Presseausweise aus dem Jahr 2016 vorlegen konnte, von denen er bisher behauptete, sie seien ihm „vom Geheimdienst“ abgenommen und nicht mehr retourniert worden (AS 157), überrascht. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, die im „Original vorgelegten Dienstausweise auf ihre Echtheit zu überprüfen“ (S. 17 VH-Protokoll) war schon mangels näher definiertem Beweisthema nicht nachzukommen. Die Beachtlichkeit eines Beweisantrages setzt nämlich die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraus, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen (vgl. VwGH v. 24.10.2016, Ra 2016/02/0189,) und wird die auf S. 17 des Verhandlungsprotokolls verzeichnete Antragstellung diesem Erfordernis nicht gerecht.

Dass der Beschwerdeführer oftmals auf Fragen nicht direkt antwortete, sondern auswich, schürte ebenso die Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. Offengeblieben ist (wie eingangs angedeutet) etwa, ob der Vater des Beschwerdeführer Zeit seines Lebens im Irak gelebt hat oder etwa auch (gar mehrjährig) in der Türkei aufhältig war (vgl. hierzu die massiv widersprüchlichen Angaben auf S. 161 in Zusammenschau mit den Aussagen der bereits asylberechtigten Familienmitglieder). Dazu ergab die Einsichtnahme in die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes beigeschafften wesentlichen Aktenteile der Mutter und Tochter samt deren Einvernahmen, grob Widersprüchliches. Der Beschwerdeführer selbst führte in der Verhandlung aus, dass sein Vater in Bagdad lebt (S. 5 des VH-Protokolls) und er mit ihm auch in Kontakt steht, weshalb dies entsprechend festgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer wollte, wie bereits angesprochen, auch nicht dahingehend konkret werden, wie oft er zwischen Jordanien und dem Irak die Grenze passierte (S. 7 des VH-Protokolls). Auch seine Mutter, welche als Zeugin einvernommen wurde, wollte sich diesbezüglich nicht näher festlegen. Dem kleinsten gemeinsamen Nenner folgend, gaben sie dann zumindest in diesem Punkt übereinstimmend an, dass es jedenfalls drei Mal dazu gekommen wäre, dass der Beschwerdeführer die Landesgrenzen passierte. Selbst wenn man lediglich diese geringere Zahl der Grenzübertritte heranzieht, wobei angemerkt werden darf, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung auch vier Grenzübertritte für möglich hielt, spricht dieses Verhalten klar gegen Verfolgung jedweder Art, wobei er vor der Behörde überhaupt noch uneingeschränkt aussagte, zwischen Amman (Jordanien) und Bagdad (Irak) „hin- und herzureisen“ (AS 147) und ist davon auszugehen, dass die zeitlich am „Fluchtgeschehen“ näher gelegenen Angaben, da besser erinnerlich, eher als wahrheitsgemäß anzusehen sind und der Beschwerdeführer seine – mehrmaligen – ungehinderten Grenzübertritte in der Verhandlung abzuschwächen versuchte.

Dieser Aspekt ist auch betreffend die Beurteilung des Erfordernisses des subsidiären Schutzes von Bedeutung, spricht sein Verhalten, über die Grenzen des „Verfolgerstaates“ hinweg, unerschrocken, ein- und auszureisen, doch klar gegen jedwede Gefährdungslage, sei es nun aus Furcht vor Verfolgung oder aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage. An dieser Stelle ist auch zu betonen, dass einer der Gründe für die Grenzübertritte ein angefangenes, aber bis zum heutigen Tage nicht beendetes Studium des Beschwerdeführers gewesen sein soll (S. 8 VH-Protokoll). Daraus ergibt sich zugleich, dass der Beschwerdeführer somit freiwillig und nicht aus einer Notsituation heraus, nämlich zu Ausbildungszwecken, die Ländergrenzen passierte, weshalb eine Verfolgungssituation nicht wahrscheinlich ist.

Völlig lebensfremd sind auch die Darstellungen des Beschwerdeführers seine berufliche Tätigkeit betreffend (S. 9 VH-Prototkoll). Die Bitte, seinen Lebenslauf zu erläutern, jedoch beginnend mit den jüngsten Ereignissen, müsste für jemanden, der all die behaupteten Stellen innegehabt hat, ein Leichtes sein. Der Beschwerdeführer war sich jedoch zum wiederholten Mal „nicht mehr ganz sicher, wie das Zeitliche gewesen ist“ (S. 6 des VH-Protokolls) und nannte auch keinerlei spezielle Details, quasi „Insider“-Wissen, um zu verdeutlichen, er könnte tatsächlich bei den genannten Stellen gearbeitet haben. Sein Studium an der Universität hat er nicht beendet, er hat lediglich zwei Kurse zu Grafik-Design mittels Bestätigungen belegt. Vor dem Hintergrund seiner abgebrochenen Ausbildung bleibt lediglich die bloße Behauptung, dass der Beschwerdeführer als regimekritischer Journalist tätig gewesen sein will. Der gesamte von ihm gezeichnete Lebenslauf lässt aber nicht darauf schließen, dass der Beschwerdeführer allesamt von ihm behaupteten Tätigkeiten ausüben hätte können. Der Beschwerdeführer stellt seine beruflichen Fähigkeiten völlig übertrieben, wenig lebensnahe und daher nicht glaubhaft dar, und gibt an, er würde sowohl Fernsehkameras für große Produktionen (Dokumentarfilme) – allein – bedienen können, wäre zuständig für die Beleuchtung, verfasse satirische Texte und schreibe Witze für Fernseh-Shows. Es ist nicht lebensnah und daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer, sämtliche Aufgaben, noch dazu unterschiedlichster beruflicher Felder, in nur einer Person vereint haben will, zumal er in keine der angesprochenen Richtungen über eine entsprechende Ausbildung verfügt und es sich zudem um völlig unterschiedliche Tätigkeiten handelt. Noch dazu gelang es ihm bis zuletzt nicht zu erklären, inwiefern er im Zuge seiner Ausbildung zumindest mit einzelnen Feldern in Berührung gekommen wäre, weshalb seine Aussagen nicht als glaubhaft und nicht plausibel zu qualifizieren bzw. zu oberflächlich gehalten waren. Dass er angab, mit seiner Mutter nunmehr in Ö. bei einer TV-Produktion (OWS) zu arbeiten, seine Mutter als Zeugin auch noch überspitzt aussagte, dass die gesamte Produktion ohne ihren Sohn quasi zusammenbrechen würde und er unersetzlich wäre, entbehrt bereits vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer noch nicht einmal in einem Vertragsverhältnis zu dem genannten Unternehmen steht, jeglicher Grundlage. Die hierzu vorgelegten „Bestätigungen“ betreffend die Aufgaben des Beschwerdeführers sind vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in keinem Beschäftigungsverhältnis zu diesen steht, entbehrlich und vermögen den vagen, nicht plausiblen und unsubstanitiierten Aussagen des Beschwerdeführers und seiner als Zeugin vernommenen Mutter, welche überdies ein Interesse am Ausgang des Verfahrens ihres Sohnes hat, nicht mehr Leben einzuhauchen.

Die Richterin musste im Beschwerdefall die bereits für den 12.08.2021 angesetzte Verhandlung zudem vertagen, weil die beiden Vertreterinnen – entgegen des damaligen Eindrucks des Beschwerdeführers selbst – die Übersetzungstätigkeit des bei der ersten Verhandlung hinzugezogenen Dolmetschers als unzureichend monierten. Um dem Zweifel einer Voreingenommenheit oder eines Verfahrensfehlers zu entgehen, wurde die Verhandlung auf den 14.09.2021 vertagt und ein anderer gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen. Dass die Vertreterinnen bei der ersten Verhandlung angaben, der Beschwerdeführer verwende derart „fachspezifisches“ Vokabular, sodass es hierfür einer mit den Fachausdrücken geeigneten Person bedürfe, konnte nach der fortgesetzten Verhandlung jedoch keineswegs erkannt werden. Im Gegenteil, der Beschwerdeführer stellte seine Tätigkeiten weder nachvollziehbar noch konkret dar, plusterte diese willkürlich auf, indem er zwischenzeitlich darauf bestand, seine Tätigkeiten nur auf Englisch angeben zu wollen, damit er richtig verstanden werde (S. 12 VH-Protokoll) und verfestigte sich der Eindruck, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgeschichte mutwillig zu inszenieren versuchte.

Zu einem glaubhafteren Vorbringen konnten auch die zahlreichen vorgelegten Screenshots (s. AS 497 – 519 bzw. Beilage ./G und Beilage ./E) nicht verhelfen. Die Beilage ./G bildet einen Screenshot aus einem Interview des Protagonisten der Al-Basheer Show ab, doch bringt den Beschwerdeführer mit diesem Ausschnitt aus einem Interview nichts in Verbindung. Dass der „Macher“ dieser Show gefährdet und von Anschlägen bedroht sein mag, wird seitens des Gerichtes nicht angezweifelt, verhilft jedoch dem Beschwerdeführer zu keinen glaubhafteren Aussagen betreffend seine inszenierte Fluchtgeschichte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang weiters, dass die Vertreterinnen einen - immerhin extra ausgewählten - Screenshot von einer „Dokumentation“ vorlegten (Beilage ./D), an welcher der Beschwerdeführer maßgeblich beteiligt gewesen sein soll, sich bei bloß stichprobenartiger Nachfrage an den Dolmetscher jedoch der Satz auf Arabisch widerfand, dass das Material gar nicht zur Ausstrahlung bereit ist (S. 4 VH-Protokoll). Dass - wissentlich - unfertige und gerade nicht veröffentlichte Beiträge zum Beweis der Medienpräsenz und Öffentlichkeit der Person des Beschwerdeführers vorgelegt werden, muss geradezu als rechtsmissbräuchlich erkannt werden. Es legt aber zugleich dar, dass dem Beschwerdeführer gerade nicht die von ihm vorgetäuschte Expertise und Erfahrung auf sämtlichen Gebieten zukommt, zumal es in einem solchen Falle nicht Not täte, auf nicht zur Ausstrahlung gebrachtes Rohmaterial zurückzugreifen. Die zahlreichen weiteren vom Beschwerdeführer, einem Grafikdesigner, vorgelegten Screenshots, die jedermann anfertigen und entsprechend zusammenstellen kann, vermögen die Schilderung einer stringenten, plausiblen und detailgetreuen Fluchtgeschichte keineswegs zu ersetzen. An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgeschichte auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt und er wichtige Tatsachen bewusst falsch darstellt, wodurch seine Glaubwürdigkeit erheblich erschüttert wird.

Bemerkt werden darf auch noch, dass der Beschwerdeführer bei Vorlage der Screenshots behauptete, dass sein Name darauf zu lesen sei. Auch dies ist so nicht ganz richtig. Bei Nachfrage durch den Dolmetscher ergab sich lediglich, dass der Vorname des Beschwerdeführers sowie der Name seines Vaters darauf zu finden waren. Hierzu wurde der Dolmetscher näher befragt und ergab sich zwar, dass im Arabischen oftmals der Vorname des Vaters zur Identifizierung einer Person hinzugenommen wird. Es hat sich aber ebenso klar ergeben, dass dies lediglich als - zusätzliches - Identifikationsmerkmal herangezogen wird, hingegen keinesfalls die Nennung des Nachnamens ersetzen kann (vgl. S. 4 VH-Protokoll). Der mit XXXX angegebene Name auf diversen Screenshots lässt für sich allein betrachtet daher eben noch nicht auf den Beschwerdeführer, dessen Name XXXX lautet, schließen.

All dies berücksichtigend, reicht es nur kurz darauf zu verweisen, dass auch die Mutter und Zeugin kein glaubhaftes Bild vor Gericht zeichnen konnte. Die von ihr geschilderten Umstände, wonach sie nur wenige Tage nach der angeblichen Inhaftierung ihres Sohnes, zu der auch sie keine konkreten Angaben machte oder aufgrund ihres persönlichen Eindruckes auch nur ansatzweise emotional beteiligt wirkte, zu einer internationalen Veranstaltung, einer Menschenrechtskonferenz in Beirut, geflogen sein will, waren nicht glaubhaft. Dies erklärte sie, wenig überzeugend, damit, sich von den Organisatoren der Veranstaltung Hilfe erwartet zu haben, die sie jedoch nicht bekommen hätte. Weder konnte sie darlegen, ob oder wie sie ihrem Sohn zu helfen versucht hätte, noch legte sie Gefühlsregungen an den Tag, die zu erwarten wären, wenn der eigene Sohn unrechtmäßig inhaftiert worden wäre. Auch sie konnte ihre Aussagen zeitlich nicht untermauern und auch nicht angeben, wann etwa ihr Exmann zu ihrem Sohn gefahren sein will. Zudem fiel ihr dann noch unverhofft ein, dass ihr Exmann ja auch noch herausfinden hätte müssen, wo ihr Sohn denn überhaupt inhaftiert gewesen sei und hat sich klar ergeben, dass die Mutter eine fiktive Geschichte abzurufen versucht. Auch sie tätigte betreffend den Zeitraum der angeblichen Inhaftierung ihres Sohnes keine einzige gehaltvolle Aussage, führte aber weitwendig aus, dass ein Freund ihres Sohnes sie von der Inhaftierung verständigt habe und dass er ihre Telefonnummer habe, weil er ein Freund aus Kindheitstagen sei. Dass es sich bei dem besagten Freund (Beilage ./F), dem Freund aus Kindheitstagen, zudem um einen in der Türkei angesiedelten schwedischen Staatsbürger handeln soll, wirft hierbei mehr Fragen auf, als es zur Klärung selbiger beizutragen geeignet ist. Wie bereits zum Beschwerdeführer ausgeführt, zeigt auch hier die übertrieben ausführliche Gewichtung der völlig unerheblichen Begleitumstände (woher der Freund die Telefonnummer der Mutter hätte) klar auf, dass es sich nicht um wahre Erlebnisse handelt.

Anzumerken ist abschließend, dass zu keinem Zeitpunkt die angeblichen Verfolger spezifiziert wurden. Völlig diffus (vgl. hierzu auch die „threatening letters“, AS 359) war im Laufe des Verfahrens die Rede von Geheimdiensten, schiitischen Milizen, der irakischen Regierung und privaten Bedrohungen in sozialen Netzwerken.

Erwähnt sei noch, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich an einer falschen Adresse gemeldet hat, wie sich im Zuge einer Wohnsitzerhebung (AS 163) herausstellte.

Einsicht genommen wurde zudem in den GVS-Auszug und die Strafregisterauskunft. Angesichts der Asylantragstellung des Beschwerdeführers im Februar 2018 und seinem insgesamt erst dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich, waren die für den Beschwerdeführer vorgelegten Empfehlungsschreiben, seine ehrenamtliche Mitarbeit im Pflegeheim, die Lebensgefährtin sowie seine Deutschkenntnisse, welche durch die vorgelegten Unterlagen zwar mit B1-Level aufscheinen, der Beschwerdeführer in der Verhandlung jedoch nicht dem gesprochenen deutschen Wort zu folgen vermochte und durchgehend auf den Dolmetscher zurückgreifen musste, von bloß untergeordneter Bedeutung, wie in der rechtlichen Beurteilung erläutert wird. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet an einer Adresse lediglich zum Schein meldete und im Asylverfahren wissentlich verfälschtes Beweismaterial vorlegte, geben jedenfalls nicht Anlass, außergewöhnliche Integrationsbestrebungen (s. rechtliche Beurteilung) erkennen zu wollen.

2.2. Die Feststellungen zum Irak stützen sich auf die angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Die herangezogenen Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer mit Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht, die herangezogenen Quellen von diesem nicht beanstandet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Abweisung der Beschwerde:

1. Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Mangels Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgeschichte, hat sich keine asylrelevante Verfolgungssituation seiner Person ergeben.

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in der Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete U

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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