Entscheidungsdatum
01.07.2021Norm
KFG 1967 §48a Abs2 litdText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin
HR Mag. Parich-Gabler über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom 22.02.2021, Zl. ***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Verlängerung des Rechtes zur Führung eines Wunschkennzeichens nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) Folge gegeben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens „***-BH1“ stattgegeben.
2. Eine Revision gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Am 22.02.2021 beantragte der Beschwerdeführer vor Ablauf der 15-jährigen Zuweisungsfrist die Verlängerung seines Wunschkennzeichens „***-BH1“. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom 22.02.2021, Zl. ***,
wurde dieser Antrag um neuerliche Verlängerung des Rechtes zur Führung des Wunschkennzeichens „***-BH1“ wegen Anstößigkeit der Buchstabenkombination „BH“ gemäß § 48a Abs 2 lit.d KFG 1967 abgewiesen.
Begründend führte die Behörde aus, dass die Buchstabenkombination „BH“ in rechtsextremen Kreisen laut Liste des Mauthausen Komitees als Code für „Blood and Honour“ verwendet werde. Laut Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen, GZ: 179.439/0011-IV/ST4/2015, sei die Buchstabenkombination „BH“ als anstößig anzusehen. In diesem Erlass sei diese Buchstabenkombination explizit unter den Kombinationen angeführt die jedenfalls als anstößig anzusehen seien.
Gemäß § 3 Verbotsgesetz 1947 sei es jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisation, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen. Es werde daher im Sinne des oben angeführten Erlasses die gewählte Buchstabenkombination als anstößig im Sinne einer möglichen Verbindung zu einer verbotenen Organisation gesehen, die Verlängerung des Wunschkennzeichens könne daher nicht erfolgen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher ausführt, dass er in seinem gesamten Leben noch niemals mit einer rechtsextremen Gruppierung weder in Kontakt gekommen sei, noch sich in irgendeiner Form für eine solche interessiere oder mit diesem Gedankengut sympathisiere. Die Buchstabenkombination „BH“ auf seinem Wunschkennzeichen stehe einzig und alleine für die Initialen „A“. Von dem Ausdruck „Blood and Honour“ habe er zum ersten Mal in seinem Leben durch die Behörde erfahren. Auch seinen Freunden und Bekannten sei der Ausdruck nicht bekannt. Es sei für ihn unverständlich, dass er das Kennzeichen wegen einer angeblich anstößigen Buchstabenkombination nicht mehr zugesprochen bekommen solle. Es gebe auch mehrere Kennzeichen in Österreich mit den Buchstabenkombinationen „BH“, auch solche, bei denen es sich um keine Wunschkennzeichen handle.
Er ersuche daher höflichst, seinem Antrag um Verlängerung des Kennzeichens Folge zu geben.
3. Verwaltungsgerichtliches Verfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 25.05.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher Beweis aufgenommen wurde durch Verlesung des Verwaltungsaktes sowie Einvernahme des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer führte in der Verhandlung aus, dass er das Wunschkennzeichen “ BH“ beantragt habe, da es sich bei den gewünschten Buchstaben um die Initialen seines Vor- und Familiennamens handle, er habe dieses Wunschkennzeichen auch in den letzten 30 Jahren anstandslos erhalten und mit Behörden überhaupt keine negativen Kontakte gehabt. Er hege für nationalsozialistisches Gedankengut keinerlei Sympathien, habe noch nie mit derartigem Gedankengut etwas zu tun gehabt und habe erstmals durch den abweisenden Bescheid erfahren, dass die Buchstaben „BH“ auch für „Blood and Honour“ stehen können.
4. Feststellungen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erachtet es das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich als zweifelsfrei erwiesen, dass sich das vom Beschwerdeführer vor rund 30 Jahren beantragte und seither auch vergebene Wunschkennzeichen „***-BH1“ auf die Initialen des Beschwerdeführers A gründet.
5. Rechtsgrundlage und Erwägungen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) in der zum entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung lauten:
(1) Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen).
(2) Auf schriftlichen Antrag ist ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn
a) es der durch Verordnung bestimmten Form entspricht,
b) es noch nicht einem anderen Fahrzeug zugewiesen oder für eine andere Person reserviert ist,
c) es nicht ein Vormerkzeichen ist, das für Fahrzeuge einer besonderen Verwendungsbestimmung vorbehalten ist und das Fahrzeug nicht dieser Bestimmung entspricht und
d) es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.
(...)
§ 48a Abs. 2 lit.d KFG wurde im Zuge einer Novellierung des Kraftfahrgesetzes mit BGBl I Nr. 72/2015 im Hinblick auf die Frage der Beurteilung der Zulässigkeit eines Wunschkennzeichens umfassender geregelt.
Die belangte Behörde führt aus, dass gemäß dem Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie zu Folge die genannten Buchstaben- und Ziffernkombinationen, unabhängig von der Motivation des Antragstellers nicht vergeben werden dürfen, wenn eine lächerlich oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination vorliegt oder sich in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.
Die von dem nunmehrigen Beschwerdeführer beantragte Buchstabenkombination sei nach Ansicht der belangten Behörde als anstößig zu erachten, zumal der Buchstabenkombination „BH“ die Bedeutung „Blood and Honour“ unterstellt werden könne bzw. von der Mehrheit so gedeutet werde.
Mit BGBl. I Nr. 72/2015, kundgemacht am 09.Juli 2015, erhielt § 48a Abs 2 lit d KFG 1967 folgende Fassung:
„d) es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben-oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.“
Die Erläuterungen (Initiativantrag 1185/A 25. GP, 1) zu § 48 Abs 2 lit.d KFG 1967 führen zu dieser Regelung aus:
„Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw. die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffern-kombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen aus gewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben- und Ziffern umfassen.“
Im Ausschussbericht wurde zur ebenfalls mit BGBl. I Nr. 72/2015 erfolgten Anfügung des § 132 Abs. 30 KFG 1967 wie folgt ausgeführt:
„zu Z 2 (§ 132 Abs. 30):
Zur Klarstellung wird auch eine Übergangsbestimmung für die Wunschkennzeichen geschaffen, die nunmehr nach den neuen Vorgaben als anstößig oder lächerlich nicht mehr bewilligt werden können. Bereits vergebene Wunschkennzeichen sollen während ihres Gültigkeitszeitraums von 15 Jahren unberührt bleiben und weiterhin zugewiesen und an Fahrzeugen geführt werden dürfen, auch wenn sie nach der neuen Regelung nicht mehr bewilligt werden können.
Solche Wunschkennzeichen können aber nicht mehr „verlängert“, d.h. nach Erlöschen des Rechts nicht mehr neuerlich zugewiesen werden. In solchen Fällen darf die Zulassungsstelle die „Verlängerung“ nicht vornehmen und hat den Antrag der Behörde zur Entscheidung vorzulegen.“
In dem an alle Landeshauptmänner gerichteten Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT-179.493/0011-IV/ST4/2015, betreffend „anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen“ wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:
„3. Jedenfalls anstößige bzw. lächerliche Kombinationen:
Die in diesem Punkt genannten Kombinationen sind jedenfalls anstößig iSd § 48a Abs. 2 lit. d KFG. Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung. Für alle genannten Kombinationen gilt, dass sie auch dann anstößig sind, wenn sie sich erst unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung ergeben.
[…]
3.3. Weiters auch die folgenden Buchstaben- bzw. Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreise als Codes verwendet werden (Liste lt. Mauthausen Komitee): „BH“ (Blood and Honour), …..“
Vorweg ist festzuhalten, dass einem Erlass – als eine generelle Weisung an untergeordnete Behörden – Rechtsnormqualität nicht zukommt; ein derartiger Erlass gehört somit nicht zu den vom Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des ihm vorliegenden Falles anzuwendenden Rechtsnormen (vgl. VwGH vom 27. September 2018, Ro 2018/10/0031, oder vom 04. April 2019, Ra 2017/11/0302).
Der von der belangten Behörde bei der Beurteilung des vorliegenden Falles offenkundig berücksichtigte Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT-179.493/0011-IV/ST4/2015 ist daher für das Verwaltungsgericht nicht als Rechtsnorm anzuwenden.
§ 48a Abs 2 lit.d KFG rechtfertigt eine Abweisung des Antrages, wenn Buchstabenkombinationen bzw. Buchtstaben-Ziffern-Kombinationen, somit Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern (jeweils in Verbindung mit der Behördenbezeichnung) anstößig bzw. lächerlich ist.
Wie bereits oben ausgeführt, hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben, dass das bereits vor 30 Jahren beantragte und auch vergebene Wunschkennzeichen „***-BH1“ auf die Initialen des Beschwerdeführers gründet.
Das erkennende Gericht kann gegenständlich in keinster Weise feststellen, warum von einem Durchschnittsbetrachter, auf welchen abzustellen ist, auch noch 76 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges das beantragte Wunschkennzeichen von einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Personen, eben den Durchschnittsbetrachtern, als „Blood and Honour“ wahrgenommen werden könnte. Nicht nur, dass, wie vom Beschwerdeführer ausgeführt, zahlreiche amtliche Kennzeichen mit der Buchstabenkombination „BH“ ausgegeben wurden bzw. werden, liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer mit dem neuerlichen Antrag einen anstößigen oder lächerlichen Zweck verfolgen wollte. Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Wunschkennzeichen; Verlängerung; Anstößigkeit; Buchstabenkombination;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.396.001.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021