TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/23 LVwG-M-34/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.07.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §22 Abs3
StPO 1975 §119 Abs2 Z2
VersammlungsG 1953 §9a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit einer Amtshandlung durch Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich (Aufforderung zum Öffnen seiner Tasche) am 30. März 2021, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Aufforderung zum Öffnen seiner Tasche in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2.   Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 887,20 (Vorlage-, Verhandlungs- und Schriftsatzaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Entscheidungsgründe:

1.   Zum Beschwerdevorbringen:

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2021 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung eine auf Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde gegen die Durchsuchung seiner Tasche durch ein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 30. März 2021.

Er brachte vor, dass er im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit an einer Protestaktion gegen die Abschiebung mehrerer Personen nach Afghanistan teilgenommen habe, bei der sich zwei Personen von der *** in *** abgeseilt haben, um die Autobahn zum Flughafen *** zu blockieren. Der Beschwerdeführer habe hierbei Lichtbilder und Videoaufnahmen angefertigt und seinen Presseausweis gut sichtbar um seinen Hals hängend getragen.

Gegen 09:30 Uhr sei der Beschwerdeführer durch einen Einsatzbeamten aufgefordert worden, die Brücke zu verlassen. In weiterer Folge sei er durch denselben Beamten in Beisein zweier weiterer Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich zur Ausweisleistung aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung zunächst nicht nachgekommen und habe erwiderte, dass eine Identitätsfeststellung mangels entsprechender rechtlicher Grundlage unzulässig sei.

Einer der anwesenden Beamten, welcher nicht voll uniformiert gewesen sei, habe den Beschwerdeführer aufgefordert, eine seiner Taschen, die er am Gürtel trug, zu öffnen. Auf Nachfrage habe der Beamte angegeben, es bestünde der Verdacht, dass der Beschwerdeführer eine Waffe bei sich trage. Seine Frage, ob die Durchsuchung der Tasche im Falle einer Weigerung mit Zwang durchgesetzt würde, sei bejaht worden, woraufhin der Beschwerdeführer seine Tasche öffnete, in welcher sich lediglich ein Buch befunden habe. Derselbe Beamte habe ihn daraufhin erneut aufgefordert, seinen Ausweis zu zeigen. Nachdem der Beschwerdeführer gefragt habe, ob auch in diesem Zusammenhang eine zwangsweise Durchsetzung dieser Aufforderung erfolgen würde, hätten die Beamte von einer Identitätsfeststellung Abstand genommen, weil dessen Identität ohnehin aufgrund seines offen getragenen Presseausweises festgestellt werden konnte.

Die Durchsuchung der Tasche sei mangels konkreter Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer rechtswidrig erfolgt. Er habe sich ruhig verhalten und offensichtlich fotografiert bzw. gefilmt. Zur Zeitpunkt der Durchsuchung sei er klar als Journalist zu erkennen gewesen und somit auch kein Teilnehmer der Versammlung. Allein aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer eine Tasche bei sich getragen habe, könne nicht nachvollziehbar abgeleitet werden, dass er bewaffnet sei und habe sich dieser Verdacht letztlich auch als unzutreffend herausgestellt.

2.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 wurde die belangte Behörde eingeladen, binnen drei Wochen ab Zustellung hierzu eine Gegenschrift zu erstatten und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die bezughabenden Akten vorzulegen.

In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der Akten aus, dass der Beschwerdeführer von den einschreitenden Beamten beobachtet worden sei als er gegen 09:20 Uhr mit seinem Handy offenbar ein „Selfie“ von der Sicherungsperson, die eine an einem Seil über der Autobahn baumelnde Person sicherte, machte.

Die Situation mit den über der Fahrbahn der *** an einem dünnen Seil baumelnden Menschen sei von den einschreitenden Beamten als gefährlicher Angriff bzw sich als daraus ergebenden Anfangsverdacht zu einer Straftat gemäß § 176 StGB (Vorsätzliche Gemeingefährdung) sowie als nicht angemeldete Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes bewertet worden. Die im Sinne des bestehenden Anfangsverdachtes bestehenden Beschuldigten seien gemäß den Bestimmungen der Strafprozessordnung am Tatort vorläufig festgenommen worden.

Die belangte Behörde führte zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der Identitätsfestetellung aus:

Zum Vorliegen einer strafbaren Handlung:

Die Annahme des Anfangsverdachtes des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung gemäß § 176 StGB (Wer anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.) ergibt sich aus dem Sachverhalt und der damit verbundenen Gefährdungen. Zum einen bestand nach den dokumentierten Eindrücken der erhebenden Beamten aufgrund der unprofessionellen Fixierung der per Seil über der Fahrbahn der Autobahn *** hängenden Personen die Gefahr des Absturzes und damit verbunden eine erhebliche Gefahr schwerster Verkehrsunfälle auf der Autobahn. Zum anderen begründet aber auch schon das bewusste Baumeln von Personen an einem dünnen Seil über der Fahrbahn der Autobahn diesen Verdacht, da diese Situation bei Verkehrsteilnehmern zu unkontrollierten Vollbremsungen oder zu abruptem Auslenken führen könnte, mit ebensolchen schwerwiegenden Folgen. Die Annahme, dass diese ihren Handlungen verbundenen Gefahren den beteiligten Personen bewusst sein musste, und sie sich dennoch damit abfanden, erscheint zum Zeitpunkt der Amtshandlung als nachvollziehbar und vertretbar, weshalb durch die einschreitenden Beamten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. So wurden etwa auch das Werfen von Steinen auf eine stark frequentierte Autobahn (vgl OGH 27.04.1988, 14OS2O/88) oder eine Geisterfahrt (vgl OGH 14.09.1999, 14OS87/99) als vorsätzliche Gemeingefährdungen bewertet.

Der Beschwerdeführer hielt sich somit am Tatort eines aktuell ablaufenden gefährlichen Angriffs bzw einer aktuellen Handlung, die den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung begründete, auf. Er verhielt sich dort in einer Art und Weise (Anfertigen von Selfies, verweigern der Auskunft und seiner Legitimation) die nahelegte, dass er an der Tat beteiligt sein, oder über die Umstände der Begehung Auskunft erteilen oder Spuren hinterlassen haben könnte. Damit waren die einschreitenden Beamten im Sinne des § 118 StPO ermächtigt die Identität des Beschwerdeführers festzustellen und diese auch nötigenfalls mit Befehls- und Zwangsgewalt (vgl § 93 StPO) durchzusetzen und dazu den Beschwerdeführer sowie Gegenstände die er bei sich hat (die mitgeführte Tasche) zu durchsuchen. Ebenso ergibt sich eine sicherheitspolizeiliche Ermächtigung zur Identitätsfeststellung aus dem Sachverhalt, die mit Befehls- und Zwangsgewalt durchsetzbar war. Die berechtigte Annahme, der Beschwerdeführer könnte als Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung in deren Zuge sich gefährliche Angriffe bzw Straftaten ereignen, in seiner Tasche eine Waffe mitführen, und er damit eine gerichtlich strafbare Handlung nach dem Versammlungsgesetz begehe, wäre für sich schon geeignet, ebenfalls Ermächtigungen zur Identitätsfeststellung und deren Durchsetzung auszulösen.

Hinsichtlich der vorgebrachten Durchsuchung der Tasche führte die belangte Behörde aus, dass es maximal bei einer Aufforderung geblieben sei und kein Zwang zur Durchsetzung von Befugnissen ausgeübt worden sei, als sich die Identität des Beschwerdeführers aus einem umgehängten Presseausweise ergab. Die Befugnisausübung sei zurückhaltend und verhältnismäßig erfolgt.

In einer Stellungnahme des Stadtpolizeikommandos *** wurde hinsichtlich der Durchsuchung der Tasche vorgebracht, dass die handelnden Exekutivorgane zunächst auf Grund des angeführten Selfies des Beschwerdeführers mir einer Sicherungsperson davon ausgegangen seien, dass dieser eine Verbindung zur Sicherungsperson habe, es sich bei ihm um den Organisator der nicht angemeldeten Versammlung handeln könnte, bzw. er zumindest Zeuge einer Straftat geworden sei. Der Beschwerdeführer sei zunächst gemäß § 118 StPO ersucht worden sich auszuweisen, weil angenommen worden sei, dass er allenfalls über Umstände der Begehung der in Rede stehenden Straftat (Verdacht der vorsätzlichen Gemeingefährdung) Auskunft geben könnte.

Der Beschwerdeführer habe vorerst Angaben zu seiner Identität verweigert und habe angegeben, weder Versammlungsteilnehmer schon gar nicht Organisator der Versammlung zu sein. Er habe jedoch zu dieser Zeit keinesfalls erwähnt, als Journalist vor Ort tätig zu sein. Am Gürtel des Beschwerdeführers sei in Höhe der rechten Hüfte eine atypisch große (ca. DIN A4) nicht einsehbare schwarze Tasche im Militarylook befestigt gewesen, die nach den Umrissen augenscheinlich etwas enthalten habe.

Da Bewaffneten die Teilnahme an Versammlungen nicht gestattet sei und eine allfällige Übertretung von einem ordentlichen Gericht zu ahndete wäre, sei dieser Anfangsverdacht dem (noch unbekannten) Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden und sei dieser ersucht worden, das Behältnis zu öffnen, um diesen Verdacht auszuräumen.

Der Beschwerdeführer sei diesem Ersuchen nach kurzer Diskussion nachgekommen und habe den Reißverschluss geöffnet und ein Buch entnommen. Seitens der Exekutivbeamten sei keine aktive Durchsuchungshandlung gesetzt worden. Der Beschwerdeführer sei dem Ersuchen freiwillig nachgekommen.

Daraufhin sei der Beschwerdeführer neuerlich ersucht worden, sich zu legitimieren, weil er allenfalls als Zeuge über Umstände der in Rede stehenden Straftat Auskunft geben könnte. Er habe Visitenkarten der einschreitenden Exekutivbeamten verlangt, woraufhin ihm C seinen Dienstausweis vorgezeigt habe. Der Beschwerdeführer habe den Dienstausweis fotografiert, wobei ihm eine zuvor offensichtlich unter der linken Hand bewusst oder unbewusst eingeklemmte, an einem stoffenen Halsband getragene, scheckkartengroße gelbe I-Karte hervorgerutscht sei. C habe daraufhin diese augenscheinliche Legitimationskarte seinerseits abfotografiert. Mit der Zoom Funktion am Handy habe festgestellt werden können, dass es sich augenscheinlich um eine Dauerakkreditierung „P"-Presseausweis lautend auf einen A handle. Hierdurch sei die die Identität des Beschwerdeführers hinreichend geklärt gewesen und sei auch klar gewesen, dass dieser in der Funktion eines Journalisten vor Ort tätig war. Weitere Maßnahmen seien nicht gesetzt worden, zumal sich der Beschwerdeführer tatsächlich während der gesamten Amtshandlung ruhig verhalten habe.

Am 6. Juli 2021 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer sowie das handelnde Exekutivorgan einvernommen worden sind.

3.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

Am 30. März 2021 hat um ca. 08:30 Uhr eine Protestaktion gegen eine Flug-Abschiebung von illegal im Bundesgebiet aufhältigen Personen stattgefunden. Hierbei haben sich zwei Personen von einer Brücke über die Autobahn *** im Bereich des Streckenkilometers *** abgeseilt. Diese Personen schwebten daraufhin ca. 8 Meter über der Fahrbahn auf provisorischen Holzkonsolen. Daraufhin wurde von Organen des Stadtpolizeikommandos *** die Sperre der *** in beiden Fahrtrichtungen veranlasst, um eine Gefährdung von Fahrzeuglenkern hintanzuhalten. Die zwei abgeseilten Personen sowie zwei weitere Personen, welche das Seil im Bereich des Brückengeländers gegenüber Eingriffe durch Dritte gesichert haben, wurden um 09:00 Uhr von Organen des Stadtpolizeikommandos *** aus eigenem Antrieb wegen des Verdachtes der vorsätzlichen Gemeingefährdung festgenommen. Im unmittelbarer Nähe wurden ein Holzgestell und weitere Gegenstände auf die Fahrbahn der *** *** getragen und damit der Fahrzeugverkehr blockiert. Auch Transparente mit Aufschriften wie „Gegen jede Abschiebung“ wurden quer über die Fahrbahn der *** gespannt bzw. über der Fahrbahn aufgehängt. Es haben sich ca. 50 Demonstrationsteilnehmer versammelt. Die Protestaktion wurde zuvor nicht bei der zuständigen Behörde gemäß § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 angezeigt.

Dies ergibt sich aus dem Anlassbericht des Stadtpolizeikommandos *** vom 30.03.2021, *** sowie dem Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 30.03.2021, GZ: *** sowie den darin enthaltenen Lichtbilddokumentationen.

Der Beschwerdeführer war im Rahmen dieser Protestaktion in seiner Funktion als Journalist anwesend um darüber zu berichten. Er war zu diesem Zweck bereits vor Beginn der Protestaktion anwesend und filmte und fotografierte mit seinem Handy.

Dies ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Nach dem Eintreffen der Polizei wurde der Beschwerdeführer zwischen 9:00 Uhr und 9:25 Uhr mehrfach durch Exekutivorgane aufgefordert, das Filmen zu unterlassen bzw. die Brücke zu verlassen. Der Beschwerdeführer hat diesen Aufforderungen zunächst nicht Folge geleistet und darauf hingewiesen, dass er zur Anfertigung von Aufnahmen befugt sei und ihm auch bewusst sei, dass er medienrechtlichen Vorgaben bei der Veröffentlichung zu beachten habe. Schließlich begab er sich jedoch zu jener Straße, die zur Brücke hinführt.

Dies ergibt sich aus dem im Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 30.03.2021, GZ: ***, dargestellten Einsatzablauf sowie der im wesentlichen übereinstimmenden Aussage des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

An dieser Amtshandlung waren D und E beteiligt. Letzterer hat zu diesem Zeitpunkt den gesamten Einsatz vor Ort koordiniert, mit den abgeseilten Aktivisten Kontakt aufgenommen, Straßensperren veranlasst, die Feuerwehr zwecks Bergung der Aktivisten angefordert und wurde von zwei Personen angesprochen, die sich als Vermittler zwischen den Manifestanten und der Polizei ausgegeben haben.

Dies ergibt sich aus dem im Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 30.03.2021, GZ: ***, dargestellten Einsatzablauf.

Um ca. 9:10 Uhr sind F und C am Tatort eingetroffen. C hat die Amtshandlung hinsichtlich der gerichtlich strafbaren Handlungen übernommen, wobei von einer vorsätzlichen Gemeingefährdung durch die abgeseilten Aktivisten ausgegangen worden ist. Er wurde zunächst von E über den Sachverhalt aufgeklärt und hat sich den Tatort angesehen. Nach der Anforderung weiterer Einsatzkräfte hat er seinen Vorgesetzten informiert. Als er erstmals den Beschwerdeführer wahrgenommen hat, ist dieser neben einem Aktivisten gestanden, welcher eines der an der Brücke angebrachten Seile überwachte. Der Beschwerdeführer hat hierbei seine Handykamera auf sich selbst gerichtet und anschließend in Richtung der Sperre der *** verschwenkt hat. C ging davon aus, dass der Beschwerdeführer ein „Selfie“ gemacht hat. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt eine Live-Videoübertragung über Twitter und Facebook durchgeführt. Weil der Beschwerdeführer bereits vor C am Tatort war, was ihm auch von E bestätigt worden ist, vermutete er, dass der Beschwerdeführer eventuell als Organisator vor Ort ist oder auch als Zeuge hinsichtlich der Beteiligung der Aktivisten auf der Brücke Auskunft geben könnte.

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Anlassbericht des Stadtpolizeikommandos *** vom 30.03.2021, ***, sowie der Aussage von C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Live-Videoübertragung über Twitter und Facebook durchgeführt hat, ergibt sich aus dessen Angaben im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Anschließend hat C wahrgenommen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich von E weggewiesen worden war. C begab sich daher zum Beginn der Brücke und beabsichtigte, den Beschwerdeführer zu dessen Beteiligung sowie der Beteiligung jener Aktivisten zu befragen, die die Seile an der Brücke sicherten. Weil C in Zivil vor Ort war, bat er E ebenfalls an der Amtshandlung teilzunehmen, weil dieser uniformiert war. F war bei der folgenden Amtshandldung ebenfalls anwesend.

Dies ergibt sich aus der Aussage von C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Es kam zu einer ersten Aufforderung zur Identitätsfeststellung, woraufhin der Beschwerdeführer erwiderte, dass er keine Rechtsgrundlage für diese Identitätsfeststellung sehe.

Dies ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

C hat die Tasche wahrgenommen, die der Beschwerdeführer an der rechten Hüfte auf einem Funktionsgurt getragen hat und welche augenscheinlich befüllt war. Diese Art der Tasche im „Military Look“ und deren Größe (ca. A4 Format) erschien ihm ungewöhnlich und war ihm insofern bekannt, weil eine ebenfalls in *** stationierte Sondereinheit der Polizei eine solche „Einsatztasche“ trägt und für Verbandszeug verwendet. Auf Grund der Form und des Aussehens der Tasche entstand bei C der Verdacht, dass sich hierin eine Waffe befinden könnte. Sonst hat niemand eine solche Tasche getragen.

Dies ergibt sich aus der Aussage von C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

C teilte dem Beschwerdeführer diesen Verdacht mit und forderte Ihn auf, die Tasche zu öffnen, zumal Bewaffnete an Versammlungen nicht teilnehmen dürfen. Der Beschwerdeführer fragte daraufhin nach der rechtlichen Grundlage für das Vorgehen und erwiderte, dass er die Tasche nur öffne, falls dies widrigenfalls mit Zwangsgewalt durchgesetzt werde. Dies wurde von C insofern zumindest indirekt bejaht, als dieser darauf hingewiesen hat, dass die rechtliche Möglichkeit dazu bestehe. Der Beschwerdeführer hat daraufhin ein Buch aus der Tasche gezogen. Seitens des Beschwerdeführers wurde ihm Rahmen der Amtshandlung angegeben, dass er weder Teilnehmer noch Organisator der Versammlung sei.

Dies ergibt sich aus den im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdeführer hat einen Presseausweis an einem Band um den Hals getragen, sodass dieser etwa auf mittlerer Bauchhöhe gehangen ist.

Die Position des Presseausweises ergibt sich aus der von der belangten Behörde übermittelten Lichtbilddokumentation.

C hat den Presseausweis erst wahrgenommen, nachdem der Beschwerdeführer bereits das Buch aus seiner Tasche gezogen hat.

Dies ergibt sich aus der Aussage von C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung und ist auch nachvollziehbar, dass der Presseausweis je nach Blickwinkel durch den Arm des Beschwerdeführers (wenn auch unbeabsichtigt) zunächst verdeckt war, zumal dies etwa auch auf dem Foto auf Seite 47 der Gegenschrift der belangten Behörde ersichtlich ist. Zudem gab es auf Grund der Verweigerung der Ausweisleistung durch den Beschwerdeführer keinen logischen Grund für die Annahme, dass der Beschwerdeführer offen einen Presseausweis an sich tragen würde.

Der Beschwerdeführer hat seinen Presseausweis im Rahmen der Amtshandlungen nicht aktiv vorgezeigt.

Dies ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers sowie von C.

Informationen, wonach mit Stangen bewaffnete Teilnehmer an der Versammlung beteiligt waren, sind C zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Die Amtshandlung gegenüber dem Beschwerdeführer ist sehr ruhig verlaufen.

Dies ergibt sich aus der Aussage von C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Abschließend ist festzuhalten, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen haben und bemüht erschienen, den Ablauf der Geschehnisse korrekt wiederzugeben. In diesem Sinne stimmten ihre Aussagen zu den wesentlichen Feststellungen auch überwiegend überein. Unklar blieb lediglich, zu welchem Zeitpunkt bzw. mit welcher Direktheit der Beschwerdeführer gegenüber C auf seine journalistische Tätigkeit hingewiesen hat. C sagte diesbezüglich aus, dass der Beschwerdeführer lediglich darauf hingewiesen habe, weder Teilnehmer noch Organisator der Versammlung zu sein, ohne jedoch konkret darzulegen, dass er als Journalist anwesend ist. Dies erscheint insofern nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer während den Amtshandlungen an diesem Tag insbesondere versuchte, rechtliche Argumente hinsichtlich verschiedener Befugnisse darzulegen und gleichzeitig seine Identität nicht bekannt geben wollte. Schließlich sagte der Beschwerdeführer hinsichtlich der Amtshandlung gegenüber C lediglich aus, dass er auf seine journalistische Tätigkeit hingewiesen habe, während er hinsichtlich der ersten Amtshandlung gegenüber D und E genau dargelegt hat, mit welchen Worten er auf seine journalistische Tätigkeit hingewiesen hat. Auf Grund dieser Umstände wurde diesbezüglich die Aussage von C der Feststellung zugrunde gelegt.

4.   Rechtslage:

§ 22 Abs. 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 105/2019 lautet:

„(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 53 Abs. 1, 53a Abs. 2 bis 4 und 6, 57, 58 und 58a bis d, sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“

Die einschlägigen Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 148/2020 lauten auszugsweise:

„(…)

Gesetz- und Verhältnismäßigkeit
§ 5.

(1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.

(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.

(3) Es ist unzulässig, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958) widerstreitenden Weise zu verleiten, oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken.

(…)

Zwangsgewalt und Beugemittel
§ 93.

(1) Die Kriminalpolizei ist nach Maßgabe des § 5 ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihr gesetzlich eingeräumten Befugnisse durchzusetzen; dies gilt auch für die Durchsetzung einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Dabei ist die Kriminalpolizei unter den jeweils vorgesehenen Bedingungen und Förmlichkeiten ermächtigt, auch physische Gewalt gegen Personen und Sachen anzuwenden, soweit dies für die Durchführung von Ermittlungen oder die Aufnahme von Beweisen unerlässlich ist. Eine Anordnung zur Festnahme (§ 171 Abs. 1) berechtigt auch dazu, die Wohnung oder andere durch das Hausrecht geschützte Orte nach der festzunehmenden Person zu durchsuchen, soweit die Festnahme nach dem Inhalt der Anordnung in diesen Räumen vollzogen werden soll.

(2) Verweigert eine Person eine Handlung, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist, so kann dieses Verhalten unmittelbar durch Zwang nach Abs. 1 oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Ist dies nicht möglich, so kann die Person, falls sie nicht selbst der Straftat verdächtig oder von der Pflicht zur Aussage gesetzlich befreit ist, durch Beugemittel angehalten werden, ihrer Verpflichtung nachzukommen.

(3) Soweit und solange dies für die Durchführung einer Zwangsmaßnahme oder Beweisaufnahme erforderlich ist, ist die Kriminalpolizei von sich aus oder auf Grund einer Anordnung ermächtigt, Behältnisse oder Räumlichkeiten durch Anbringen eines Siegels zu verschließen oder Tatorte abzusperren, um nicht berechtigte Personen am Zutritt zu hindern.

(4) Als Beugemittel kommt eine Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und in wichtigen Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen in Betracht. Über Anwendung und Ausmaß von Beugemitteln hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden (§ 105).

(5) Die Ausübung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen und anzukündigen, wenn die davon betroffene Person anwesend ist. Hievon darf nur abgesehen werden, wenn der Erfolg der Ermittlung oder der Beweisaufnahme dadurch gefährdet wäre. Für den Waffengebrauch gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.

(…)

Definitionen
§ 117.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.

„Identitätsfeststellung“ die Ermittlung und Feststellung von Daten (§ 36 Abs. 2 Z 1 DSG), die eine bestimmte Person unverwechselbar kennzeichnen,

2.

„Durchsuchung von Orten und Gegenständen“ das Durchsuchen

a.

eines nicht allgemein zugänglichen Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,

b.

einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,

3.

„Durchsuchung einer Person“

a.

die Durchsuchung der Bekleidung einer Person und der Gegenstände, die sie bei sich hat,

b.

die Besichtigung des unbekleideten Körpers einer Person,

4.

„körperliche Untersuchung“ die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die körperliche Integrität von Personen,

5.

„molekulargenetische Untersuchung“ die Ermittlung jener Bereiche in der DNA einer Person, die der Wiedererkennung dienen.

(…)

§ 119.

(1) Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.

(2) Durchsuchung einer Person (§ 117 Z 3) ist zulässig, wenn diese

1.

festgenommen oder auf frischer Tat betreten wurde,

2.

einer Straftat verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,

3.

durch eine Straftat Verletzungen erlitten oder andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.

(…)“

Die einschlägigen Bestimmungen des Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953 idF BGBl. I Nr. 63/2017 lauten auszugsweise:

„(…)

§ 9a.

An den im § 2 erwähnten Versammlungen dürfen Bewaffnete nicht teilnehmen; ebenso dürfen Personen nicht teilnehmen, die Gegenstände bei sich haben, die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben.

(…)

§ 19a.

Wer an einer Versammlung entgegen dem Verbot des § 9 Abs. 1 teilnimmt und bewaffnet ist oder andere Gegenstände gemäß § 9a bei sich hat, wird vom ordentlichen Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, im Wiederholungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft.

(…)“

5.   Erwägungen:

5.1. Zum Vorliegen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der dargelegten Beweisergebnisse davon auszugehen, dass das handelnde Exekutivorgan den Beschwerdeführer (alleine) deshalb zum Öffnen seiner Tasche aufgefordert hat, weil der Anfangsverdacht der Begehung einer gerichtlichen Straftat (bewaffnete Teilnahme an einer Versammlung gemäß § 9a iVm 19a Versammlungsgesetz 1953) angenommen worden ist und dieser Verdacht aufgeklärt werden sollte. Daher handelt es sich um ein Handeln der Kriminalpolizei im Dienste der Strafjustiz.

Beim (selbstständigen) Einschreiten im Dienste der Strafjustiz gelten gemäß § 22 Abs. 3 SPG, sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, ausschließlich die Bestimmungen der StPO. Soweit es um Ermittlungen wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung geht, liegt ein Handeln im Dienste der Strafjustiz vor, welches nicht zur Sicherheitspolizei zu zählen ist und dem im Grunde des § 22 Abs. 3 zweiter Satz SPG eine sicherheitspolizeiliche Komponente nicht (mehr) innewohnt (VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Mangels sicherheitspolizeilicher Komponente kommt der in der Beschwerde angeführte § 88 Abs. 1 SPG als Rechtsgrundlage für eine an das Landesverwaltungsgericht zu richtende Maßnahmenbeschwerde gegen eine Landespolizeidirektion nicht in Betracht. Das Handeln der Kriminalpolizei im Dienste der Strafjustiz ist jedoch, soweit es um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geht, nach der Aufhebung der Worte „oder Kriminalpolizei“ in § 106 Abs. 1 StPO mit Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht bekämpfbar. In diesem Fall hat die Überprüfung der bekämpften Maßnahme alleine nach den Bestimmungen der StPO zu erfolgen (VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als „Zwangsgewalt“, zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Im vorliegenden Fall ist die Aufforderung zur Öffnung der Tasche des Beschwerdeführers auf Grund der dargelegten Beweisergebnisse als Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich danach gefragt, ob die Aufforderung zum Öffnen der Tasche widrigenfalls mit Zwangsgewalt durchgesetzt würde. Selbst wenn man den „Hinweis“ des Exekutivorgans, wonach die rechtliche Möglichkeit zur Durchsetzung der Aufforderung mit Zwangsgewalt bestehe, nicht als Androhung einer unverzüglich einsetzenden physischen Sanktion qualifiziert, musste beim Beschwerdeführer daraufhin der Eindruck entstehen, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist.

5.2. Prüfungsmaßstab

Im Rahmen eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens ist Gegenstand der Prüfung durch das Verwaltungsgericht alleine, ob der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163). Ausgehend von diesem Prozessgegenstand ist jene Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Setzung des Verwaltungsaktes bestand (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063). Zu berücksichtigen sind nur solche Sachverhaltselemente, die dem einschreitenden Organ bei Anwendung der im Hinblick auf den Zeitfaktor zumutbaren Sorgfalt bekannt sein mussten (ex ante-Betrachtung aus dem Blickwinkel des einschreitenden Organs; VwGH 05.12.2017, Ra 2017/01/0373; 25.01.1990, 89/16/0163; 06.08.1998, 96/07/0053). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob die einschreitenden Organe in zumindest vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für ihr Einschreiten annehmen durften (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163; 24.11.2015, Ra 2015/05/0063; VwSlg 14.142 A/1994; für den Bereich der StPO siehe VwGH 15.03.2012, 2012/01/0004).

5.3. Zu den Voraussetzungen einer Durchsuchung

Gemäß § 119 Abs. 2 Z 2 StPO ist die Durchsuchung einer Person zulässig, wenn diese einer Straftat verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe.

Gemäß § 93 Abs. 1 StPO ist die Kriminalpolizei nach Maßgabe des § 5 ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihr gesetzlich eingeräumten Befugnisse durchzusetzen.

 

Für ein Vorgehen gemäß § 119 Abs. 2 Z 2 StPO bedarf es einen hinreichend konkreten Verdacht. Begründet ist der Verdacht, wenn seine Begründung rational nachvollziehbar ist. Es müssen sowohl Tatsachen benennbar sein, aus denen vertretbar geschlossen werden kann, dass die zu durchsuchende Person verdächtig ist, als auch, dass ein konkreter gesuchter Gegenstand bei ihr ist oder dass Spuren an ihr haften. Einfacher Verdacht genügt, nicht aber allein die Verdachtsäußerung durch jemand anderen, und sei es auch ein Beamter (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung (2021) § 119 Rz 32).

Die gegenständliche Protestaktion gegen eine konkrete Abschiebung, aber auch gegen Abschiebungen generell, konnte auf Grund der oben getroffenen Feststellungen zunächst jedenfalls als „Versammlung“ im Sinne des Versammlungsgesetz 1953 gewertet werden, dh. eine Zusammenkunft mehrerer Menschen, die in der Absicht veranstaltet wurde, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Im Falle einer nicht angezeigten Zusammenkunft ist für das Vorliegen einer Versammlung jenes Bild maßgeblich, dass sich den einschreitenden Organen an Ort und Stelle bietet (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0359).

Gemäß § 9a Versammlungsgesetz 1954 dürfen an Versammlungen Bewaffnete nicht teilnehmen; ebenso dürfen Personen nicht teilnehmen, die Gegenstände bei sich haben, die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Amtshandlung ist daher gemäß dem dargestellten Prüfungsmaßstab ausschlaggebend, ob das handelnde Organ zum Zeitpunkt der Amtshandlung in vertretbarer Weise aus bestimmten Tatsachen den (einfachen) Verdacht schließen konnte, dass der Beschwerdeführer als Teilnehmer der Versammlung eine Waffe mit sich getragen hat.

5.4. Teilnahme an der Versammlung

Zunächst ist festzuhalten, dass die journalistische Berichterstattung im Rahmen einer Versammlung nicht als Teilnahme an der Versammlung zu qualifizieren ist (VfSlg 11.329/1987; zur Abgrenzung des Begriffs „Anwesender“ siehe VwGH 18.05.2009, 2009/17/0047).

Zu beurteilen ist jedoch, ob das handelnde Exekutivorgan im Rahmen des dargestellten Prüfungsmaßstabes davon ausgehen durfte, dass der Beschwerdeführer an der Verhandlung teilgenommen hat.

Insbesondere in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer neben Hauptakteuren der Protestaktion stand (vgl. VfSlg 11.329/1987) und bereits vor der Polizei am Ort der nicht angezeigten Versammlung war, welche an einem (für Fußgänger) abgelegenen Ort stattgefunden hat, konnte C zunächst vertretbar davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer an der Versammlung teilgenommen hat.

Auf der anderen Seite hat der Beschwerdeführer gegenüber anderen Exekutivorganen auf seine journalistische Tätigkeit verwiesen. Eines dieser Exekutivorgane (E) war später auch im Rahmen der gegenständlich zu prüfenden Amtshandlung anwesend. Zudem hat der Beschwerdeführer einen Presseausweis getragen, auch wenn dieser für C zunächst nicht sichtbar war (vgl. VfSlg 11.329/1987).

C hat im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubwürdig angegeben, dass ihm zu Beginn der Amtshandlung nicht bekannt war, dass der Beschwerdeführer als Journalist vor Ort war. Es kann jedoch argumentiert werden, dass ihm dieser Umstand trotz des geringen Zeitfaktors und umfangreicher Koordinierungsaufgaben zumutbaren bekannt hätte sein müssen, zumal E an der Amtshandlung ebenfalls (zumindest passiv) beteiligt war und der Beschwerdeführer auch darauf hingewiesen hat, weder Organisator noch Teilnehmer der Veranstaltung zu sein.

Schließlich ist jedoch auch der Umstand zu beachten, dass der Beschwerdeführer zunächst von C zur Identitätsfeststellung bzw. Ausweisleistung aufgefordert worden ist, zumal davon ausgegangen worden ist, dass der Beschwerdeführer über die bisherigen Geschehnisse Auskunft geben kann. Hier wäre es für den Beschwerdeführer unter Hinweis auf seinen Presseausweis ein leichtes gewesen, sich eindeutig als Journalist erkennen zu geben. Der Beschwerdeführer hat jedoch eine Ausweisleistung trotz des am Hals hängenden Presseausweises verweigert und somit dazu beigetragen, dass die Art seiner Teilnahme an der Versammlung nicht zugleich aufgeklärt werden konnte (vgl. diesbezüglich auch den Bescheid des UVS Wien vom 19.09.2011, zitiert in VfGH 20.09.2012, B1359/11, wonach ein Journalist beim offiziellen Einschreiten als Medienvertreter gegenüber Behördenorganen verpflichtet sei, sich als Medienvertreter zu legitimieren und eindeutig zu deklarieren, sei es mit Hilfe eines Presseausweises, sei es mit Hilfe sonstiger Nachweise).

In einer Gesamtabwägung all dieser Umstände ist daher die Annahme, dass der Beschwerdeführer Teilnehmer der Versammlung war, gerade noch als vertretbar anzusehen.

5.5. Zum Verdacht des Vorhandenseins einer Waffe

Schließlich ist zu prüfen, ob C in vertretbarer Weise aus bestimmten Tatsachen den (einfachen) Verdacht schließen konnte, dass der Beschwerdeführer eine Waffe mit sich getragen hat.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat C dargelegt, dass er die Tasche an der rechten Hüfte des Beschwerdeführers wahrgenommen hat, welche dieser auf einem Funktionsgurt getragen hat und augenscheinlich befüllt war. Als bestimmte Tatsachen, aus denen sich der Verdacht ergeben hat, dass der Beschwerdeführer eine Waffe mit sich trage, gab er das spezifische Aussehen der Tasche im „Military Look“ und deren ungewöhnlichen Größe (ca. A4 Format) an. Dies erschien ihm ungewöhnlich und war ihm insofern bekannt, weil eine ebenfalls in *** stationierte Sondereinheit der Polizei eine solche „Einsatztasche“ trägt und für Verbandszeug verwendet. Auf Grund der Form und des Aussehens der Tasche entstand bei C der Verdacht, dass sich hierin eine Waffe befinden könnte. Weiters gab er an, dass sonst niemand eine solche Tasche getragen hat.

Im Ergebnis wurden dadurch bestimmten Tatsachen genannt, aus denen zumindest in vertretbarer Weise der (einfache) Verdacht geschlossen werden konnte, dass der Beschwerdeführer eine Waffe mit sich getragen hat. Die Überlegungen des Exekutivorgans erscheinen insofern nachvollziehbar, als insbesondere die Trageweise der Tasche an einen Hüftholster erinnert und ihr Erscheinungsbild dem eines taktischen Equipments entspricht, das oftmals im Zusammenhang mit Waffen verwendet wird.

Das einschreitende Exekutivorgan konnte daher in vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für das Einschreiten gemäß § 119 Abs. 2 Z 2 StPO iVm §§ 9a und 19a Versammlungsgesetz 1953 annehmen.

6.   Kosten

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde abgewiesen wird, ist gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Die Höhe des Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwands ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung festgelegt.

Die gegenständliche Beschwerde hat sich gegen einen einzelnen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt gerichtet und war abzuweisen, sodass die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen ist. Seitens der belangten Behörde wurden die bezughabenden Akten vorgelegt sowie eine Gegenschrift eingebracht, in der auf die konkreten Beschwerdegründe eingegangen worden ist. Zudem hat ein Vertreter der belangten Behörde an der öffentlichen mündlichen Verhandlung teilgenommen. Es war daher antragsgemäß jeweils der einfache Vorlage- (57,40 Euro), Schriftsatz- (368,80 Euro) und Verhandlungsaufwand (461,00 Euro) zuzusprechen.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr waren die gegenständlichen Rechtsfragen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu lösen.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Amtshandlung; Versammlung; Durchsuchung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.34.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten