TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/17 LVwG-AV-395/001-2021

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Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

KFG 1967 §57a Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 15. Jänner 2021, Zl. ***, betreffend Abweisung des Antrages auf Erteilung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) am Standort ***, ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als der Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 15. Jänner 2021, Zl. ***, wie folgt abgeändert wird:

„I.

Herr A wird ermächtigt, in der Begutachtungsstelle

***, ***,

nachstehende Fahrzeugklassen gemäß § 3 Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967 wiederkehrend zu begutachten:

1 Kraftwagen (jeweils hzG)

leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge                   L6e                        FZ       SZ

1.1 Kraftwagen zur Personenbeförderung

Personenkraftwagen bis 2800 kg                   M1                         FZ       SZ

1.2 Kraftwagen zur Güterbeförderung

Lastkraftwagen bis 2800 kg                   N1                         FZ       SZ

3 Anhänger

Anhänger O1 ungebremst bis 750 kg          O1

Anmerkung:

FZ, SZ (Fremd-, Selbstzündung)

hzG (höchstes zulässiges Gesamtgewicht)

Die Begutachtungsstelle ist mit einer deutlich sichtbar angebrachten Tafel, enthaltend das Symbol der Plakette und darüber die Bezeichnung „Prüfstelle“ zu kennzeichnen.

Rechtsgrundlage:

§ 57 a Abs. 2 KFG 1967“

2.   Für Erteilung der Bewilligung ist nachfolgende Verwaltungsabgabe zu entrichten:

Verwaltungsabgabe ............................................................. € 65,--

(Erteilung der Ermächtigung)

Rechtsgrundlage:

Tarifpost 318, Z 1 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung

Die Verwaltungsabgabe ist innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses an das Amt der NÖ Landesregierung zu überweisen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)

§ 57a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967)

Hinweis:

Gemäß § 5 Abs. 3 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) hat die Landeshauptfrau von Niederösterreich dem zur wiederkehrenden Begutachtung nunmehr ermächtigten Beschwerdeführer eine Begutachtungsstellennummer zuzuweisen.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid vom 15. Jänner 2021, Zl. ***, wurde der Antrag des Rechtsmittelwerbers vom 19. Juni 2020 auf Erteilung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen am Standort ***, ***, abgewiesen.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

„Es liegen mehrere Anzeigen der Polizeiinspektion *** wegen Gefährlicher Drohung (§ 107 StGB), Körperverletzung (§ 83 StGB) und Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs.2, 224 StGB) vor.

Wenn auch die Verfahren wegen Gefährlicher Drohung und Körperverletzung letztendlich zu keinem Strafverfahren geführt haben, legen die genannten Anzeigen nahe, dass Ihrerseits ein überdurchschnittliches Aggressionspotential gegeben ist.

Das Verfahren wegen der Fälschung besonders geschützter Urkunden wurde letztendlich mit der Zahlung einer Geldbuße beendet; hier ist auf den sehr engen Zusammenhang mit Ihrer angestrebten Position als zur wiederkehrenden Begutachtung Ermächtigter hinzuweisen.“

In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde den Sachverhalt wie folgt:

„[…]

(2) Der Landeshauptmann hat für seinen örtlichen Wirkungsbereich auf Antrag Ziviltechniker oder technische Büros-Ingenieurbüros (§ 134 GewO) des einschlägigen Fachgebietes, Vereine oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigte Gewerbetreibende, die hinreichend über hiezu geeignetes Personal und die erforderlichen Einrichtungen verfügen, zur wiederkehrenden Begutachtung aller oder einzelner Arten von Fahrzeugen gemäß Abs. 1 zu ermächtigen. Die Ermächtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. Bei der Ermächtigung ist auch auszusprechen, in welcher Weise die Prüfstellen erkennbar gemacht sein müssen. Der Ermächtigte hat Veränderungen hinsichtlich seines Personals und seiner Einrichtungen, soweit diese Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung waren, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Die Ermächtigung ist ganz oder nur hinsichtlich einzelner Arten von Fahrzeugen zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist, nicht mehr über geeignetes Personal verfügt, seine Einrichtungen nicht den durch Verordnung festgesetzten Anforderungen entsprechen oder wenn eine der für die Erteilung der Ermächtigung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzusetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Person als zur Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten geeignet zu gelten hat und welche Einrichtungen nach dem jeweiligen Stand der Technik zur wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten erforderlich sind.

[…]“

Die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen ist gemäß
§ 57a Abs. 2 KFG 1967 nur bestimmten natürlichen oder juristischen Personen zu erteilen, die die dafür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen. Eine davon ist die Vertrauenswürdigkeit.

An die Vertrauenswürdigkeit im Sinn des § 57a Abs. 2 KFG 1967 ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil das beim Gewerbetreibenden eingeholte Gutachten die wesentliche Grundlage für die weitere Verwendung eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Verkehr ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 vor, wenn ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass der Gewerbetreibende die ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, 2001/11/0061).

In Ihrem Fall kann eine positive Prognose über Ihre Vertrauenswürdigkeit nicht erstellt werden.“

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid wurde vom Rechtsmittelwerber durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung vom 15. Jänner 2021, Zl. RU6-M-2346/002-2020, dahingehend abändern, als dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) stattgegeben werde, in eventu der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückverwiesen werde.

Begründet wurde dieser Antrag wie folgt:

„Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gewerbetreibender dann als vertrauenswürdig im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausrechend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde (Ra 2018/11/0172).

Die Grundlage für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ist dabei nicht auf Fehlverhalten in Zusammenhang mit einer Begutachtungstätigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 beschränkt (Ra 2014/11/0082).

Entscheidend bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit gem. § 57a Abs. 2 KFG 1967 ist, ob jemand die spezifische Vertrauenswürdigkeit besitzt, die von ihm erwartet werden darf, wenn er über eine Ermächtigung iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 verfügt oder sie erlangen will, soll doch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der über die genannte Ermächtigung verfügenden Person gewährleisten. Wesentlich ist also, ob das bisherige Verhalten des Betreffenden auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – obliegt (Ra 2014/11/0082).

Insbesondere zur Thematik von Vorstrafen hat der VwGH judiziert, dass etwa gerichtliche Straftaten des Antragstellers in der Vergangenheit auf Grund der seit den Vorfällen verstrichenen Zeit und insbesondere auch der Tatsache, dass der Antragsteller seitdem strafgesetzlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist, keine tragfähige Grundlage für die Verneinung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 bieten (2001/11/0061).

Auch im konkreten Fall sind die dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegten Strafverfahren für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit unbeachtlich:

a)   Anzeigen wegen Gefährlicher Drohung (§ 107 StGB) und Körperverletzung
(§ 83 StGB)

Die belangte Behörde hält dem Beschwerdeführer vor, es würden bei der Polizeiinspektion *** gegen ihn mehrere Anzeigen wegen Gefährlicher Drohung und Körperverletzung vorliegen. Selbst wenn diese Anzeigen schließlich zu keinem Verfahren geführt hätten, so würden diese jedoch auf ein überdurchschnittliches aggressionspotential des Beschwerdeführers hindeuten.

Wie die Behörde jedoch richtig ausführt, hat keine der Anzeigen zu einem Strafverfahren geführt und wurden daher sämtliche Ermittlungsverfahren eingestellt.

Im Strafverfahren gilt jedoch gemäß § 8 StPO der Grundsatz, dass jeder bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt. Die Behörde führt nicht aus, warum dies im konkreten Fall nicht auch für den Beschwerdeführer gelten soll.

Der OGH judiziert zur Unschuldsvermutung etwa, dass diese (§ 8 StPO; Art 6 Abs 2 MRK) verletzt ist, wenn das Gericht bei der Strafbemessung auf die Begehung einer Straftat als tatsächlichen Anknüpfungspunkt abstellt, die nicht Gegenstand des im angefochtenen Urteil gefällten oder eines sonstigen, rechtskräftigen Schuldspruchs ist (RS0132357).

Das Recht auf Achtung der Unschuldsvermutung wird auch verletzt, wenn der Widerruf einer bedingten Strafnachsicht damit begründet wird, dass das Gericht Gewissheit darüber erlangt hat, dass der Verurteilte eine neue strafbare Handlung während der Probezeit begangen hat, noch bevor dieser hierfür rechtskräftig verurteilt worden ist (RS0130530).

Dieser Grundsatz ist auch in Art. 6 Abs 2 EMRK verankert und daher auch im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen.

Der ausgeführten Judikaturlinie folgend stellt es eine Verletzung der grundlegenden Unschuldsvermutung dar, wenn dem Beschwerdeführer nunmehr Anschuldigungen zur Last gelegt werden, die nicht einmal in einem Strafverfahren geführt haben. Es lag daher nicht einmal genug Substrat für die Staatsanwaltschaft vor, um Anklage zu erheben. Mangels rechtskräftiger Verurteilung in diesen Angelegenheiten ist der Beschwerdeführer daher nach wie vor als unschuldig zu betrachten. Dennoch wird auf dieser Basis die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers abgesprochen.

Darüber hinaus wird auch bestritten, dass es sich um „mehrere Anzeigen“ handeln würde. Es handelt sich um exakt eine Anzeige, zu der es im Zuge einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung gekommen ist. Dies, da die Polizei hier den Streit aus eigener Wahrnehmung mitbekommen hat und folglich offenbar Anzeige wegen Körperverletzung Gefährlicher Drohung gegen den Beschwerdeführer und einen seiner Nachbarn erstattet hat. Tatsächlich hat weder eine körperliche Auseinandersetzung, noch eine Drohung stattgefunden, weshalb die Angelegenheit in Folge auch eingestellt wurde.

Der bekämpfte Bescheid leidet daher an inhaltlicher Rechtswidrigkeit und ist daher zu beheben und dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben.

Beweis: PV

                  Vorzulegende Urkunden

b)   Verfahren wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs. 2, 224 StGB)

Dem gegenständlichen Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 03.12.2015 wurden beim Beschwerdeführer zwei Kennzeichentafeln als Totalfälschungen sichergestellt. Es handelte sich dabei um Kennzeichen, die der Beschwerdeführer etwa im Jahr 2012 von einer damaligen Freundin erhalten hatte. Er hat diese nicht selbst angefertigt. Die Kennzeichen hatte der Beschwerdeführer bei sich zu Hause. Es hatte sich um ein „Spaß-Geschenk“ der Bekannten des Beschwerdeführers gehandelt, die den Beschwerdeführer an sein allererstes Autokennzeichen erinnern sollte, das er zurücklegen musste, als er übersiedelt ist. Am 02.12.2015 nahm der Beschwerdeführer die Kennzeichen mit in sein Unternehmen. Er musste an diesem Tag einen bei sich befindlichen, bereits abgemeldeten PKW mit Totalschaden (fehlendes Vorderrad, fahruntüchtig) aus Platzgründen auf der öffentlichen Straße abstellen. Er montierte daher die Kennzeichen auf den PKW, da er fürchtete, dass das Fahrzeug ansonsten abgeschleppt werden könnte. Als ihn die Polizei am nächsten Tag über die Fälschung aufklärte, war er sofort mit der Vernichtung der Kennzeichen einverstanden und machte sofort sämtliche Angaben, die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich waren.

Das Verfahren endete schließlich mit einer Geldstrafe von € 720,00, die der Beschwerdeführer noch im Zuge der Hauptverhandlung vollständig bezahlte.

Festzuhalten ist hier, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt selbst eine besonders geschützte Urkunde gefälscht hat, sondern diese lediglich übergeben erhalten hat. Richtigerweise hätte er die Kennzeichen nicht aufbewahren sollen und hat der Beschwerdeführer daher im Strafverfahren auch ein volles Geständnis abgelegt.

Der geschilderte Sachverhalt liegt bereits mehr als fünf Jahre zurück. Es handelt sich um die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers.

Auch diese kann jedoch, mangels aktivem Tuns des Beschwerdeführers, aufgrund der Tatsache, dass es sich um die einzige strafrechtliche Verurteilung handelt und des langen Zurückliegens, von der Behörde nicht herangezogen werden, um diesem die Vertrauenswürdigkeit abzusprechen.

Der bekämpfte Bescheid leidet daher an inhaltlicher Rechtswidrigkeit und ist daher zu beheben und dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben.

         Beweis: PV

                           Beschuldigteneinvernahme (./2)

                           Vorzulegende Urkunden

I.   Mangelhafte Sachverhaltsfeststellung

Darüber hinaus ist die Sachverhaltsfeststellung des bekämpften Bescheides mangelhaft und lässt sich die von der belangten Behörde getroffene Rechtsfolge, wonach dem Beschwerdeführer die Vertrauenswürdigkeit abzusprechen und folglich die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs 2 KFG versagt wird, nicht ableiten.

Die belangte Behörde stellt lediglich fest, dass „mehrere Anzeigen“ vorliegen würden (Seite 2 des angefochtenen Bescheides).

Die Behörde führt weder aus, wie viele Anzeigen konkret vorliegen und wann diese Anzeigen erstattet wurden, noch ob und wie viele Anzeigen überhaupt zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben. Diese Sachverhaltselemente sind jedoch erforderlich, um prüfen zu können, ob diese „mehreren Anzeigen“ überhaupt noch für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers heranzuziehen sind.

Diesbezüglich ist auf die bereits oben zitierte Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach gerichtliche Straftaten des Antragstellers in der Vergangenheit auf Grund der seit den Vorfällen verstrichenen Zeit und insbesondere auch der Tatsache, dass der Antragsteller seitdem strafgesetzlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist, keine tragfähige Grundlage für die Verneinung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des
§ 57a Abs. 2 KFG 1967 bieten (2001/11/0061).

Dies zusätzlich zu dem Umstand, dass es sich bei bloßen Anzeigen, die nicht einmal zu einem Strafverfahren geführt haben, nicht einmal um gerichtliche Straftaten im Sinne dieser Entscheidung handelt.

Bei vollständiger Feststellung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass die Anzeigen einerseits nicht einmal zu einem Strafverfahren (geschweige denn einer gerichtlichen Verurteilung) geführt haben und andererseits die einzige tatsächliche Verurteilung des Beschwerdeführers bereits Jahre zurückliegt und sich der Beschwerdeführer seitdem wohlverhalten hat.

Eine Grundlage für das Absprechen der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers liegt daher nicht vor und ist der bekämpfte Bescheid daher richtigerweise zu beheben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs 2 KFG vollinhaltlich stattzugeben.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Am 03. September 2021 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher durch die Verlesung des Aktes der belangten Behörde zur Zl. ***, sowie jenes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit der Zl. LVwG-AV-395-2021 Beweis erhoben wurde. Weiters erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers.

4.   Feststellungen:

Am 19. Juni 2020 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen am Standort ***, ***.

Beim Bezirkspolizeikommando *** wurden folgende Verwaltungsstrafanzeigen gegen A, geb. ***, protokolliert:

25.01.2020 § 23 Abs. 2a StVO Parken Wohnstraße   ***

05.10.2018 § 36 lit. b KFG Kennzeichen nicht führen Lenker  ***

23.06.2018 § 23 Abs. 2a StVO Parken Wohnstraße   ***

Weiters wurden folgende strafrechtliche Anzeigen protokolliert:

07.05.2020 § 107 StGB Verdacht Gefährliche Drohung  ***

19.06.2019 § 83 StGB Verdacht Körperverletzung   ***

08.03.2019 § 107 StGB Verdacht Gefährliche Drohung  ***

03.12.2015 § 224 StGB § 224 StGB Verdacht Fälschung

besonders geschützter Urkunden   ***

A verwendete vom 02. Dezember 2015, gegen 14:00 Uhr, bis 03. Dezember 2015, 16:00 Uhr, in ***, ***, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zwei gefälschte Kennzeichentafeln mit der Aufschrift *** auf einem Pkw, welcher bereits abgemeldet war.

Die Kennzeichentafeln hatte der Beschwerdeführer geschenkt bekommen, im Bewusstsein, dass es sich um Totalfälschungen handelt. Am 02. Dezember 2015 nahm der Rechtsmittelwerber diese Kennzeichentafeln in sein KFZ-Unternehmen mit. Er musste an diesem Tag einen bei sich befindlichen, bereits abgemeldeten Pkw mit Totalschaden aus Platzmangel am Firmenareal auf der öffentlichen Straße abstellen.

Mit der Verwendung der gefälschten Kennzeichen wollte der nunmehrige Rechtsmittelwerber vortäuschen, dass dieser Pkw eine aufrechte Zulassung besitzt und somit auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr abgestellt werden darf, da er fürchtete, dass ohne Kennzeichentafeln das Fahrzeug abgeschleppt werden könnte.

Als ihn am 03. Dezember 2015 Organe der öffentlichen Straßenaufsicht über die Fälschung aufklärten, war er mit der Vernichtung der Kennzeichentafeln einverstanden.

Mit Beschluss des Landesgerichtes *** vom 26. Februar 2016, Zl. ***, wurde das Strafverfahren gegen A wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB gemäß §§ 199, 200 StPO eingestellt.

Begründet wurde die Einstellung wie folgt:

„Die Staatsanwaltschaft *** brachte gegen A am 12.1.2016 Strafantrag wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB ein. Danach stehe er unter Verdacht, von 2.12.2015 bis 3.12.2015 selbst angefertigte KfZ-Kennzeichen an einem PKW angebracht und so im Rechtsverkehr gebraucht zu haben.

Im Zuge der am 24.2.2016 durchgeführten Hauptverhandlung konnte der Sachverhalt hinreichend geklärt werden. Der bislang unbescholtene Angeklagte verantwortete sich geständig und übernahm Verantwortung für seine Tat. Er erklärte sich mit der Zahlung einer Geldbuße einverstanden. Seine Schuld ist nicht als schwer anzusehen, weil er bloß aus Unbesonnenheit die Kennzeichentafeln an dem nicht fahrbereiten Fahrzeug angebracht hat, das im Tatzeitraum auch nicht bewegt wurde.

Eine Bestrafung des Angeklagten ist daher nicht geboten, um ihn von weiterer Delinquenz abzuhalten.

A leistete einen Betrag von EUR 750,-- (darin enthalten EUR 150,-- Pauschalkosten) zu Gunsten des Bundes.

Die Staatsanwaltschaft hat zum Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO eine zustimmende Äußerung abgegeben.

Gemäß §§ 200 Abs 5 StPO iVm 199 StPO hat das erkennende Gericht das Verfahren mit Beschluss einzustellen, wenn wie in diesem Fall die Voraussetzungen des § 198 Abs 1 Z 1 StPO vorliegen und der Angeklagte gemäß § 200 StPO den genannten Geldbetrag geleistet hat.

Das Strafverfahren kann trotzdem fortgesetzt werden, falls einer (möglichen) künftigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluss auf Einstellung des Verfahrens Folge gegeben würde.“

Hinsichtlich des zur Zl. *** protokollierten Verfahrens wurde von der Staatsanwaltschaft *** am 19. Mai 2020, Zl. ***, von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen, zumal für die Verfolgungsbehörde kein Anfangsverdacht bestand.
Begründet wurde diese Entscheidung wie folgt:

Beisatz: Das vom Anzeiger geschilderte Verhalten des Angezeigten, nämlich die legiglich mileubedingten Unmutsäußerungen wie „ich fick dich noch“, „mit dir bin ich noch nicht fertig“ und „geficktes geschissenes Hurenkind“, erfüllen jedenfalls nicht den Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB. Mangels ausreichendem Fangansverdachts keine Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.“

Das zur Zl. *** geführte Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft *** zur Zl. *** am 12. Juli 2019 gemäß § 191 Abs. 1 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. Dieser Einstellung liegt ein Vorfall vom 17. Juni 2019 in ***, ***, zu Grunde, bei welchem auf Grund einer Auseinandersetzung des Rechtsmittelwerbers mit Herrn C zweiterer behauptete, durch den Beschwerdeführer insofern verletzt worden zu sein, als dieser eine blutende Wunde mit einer Größe von 5 x 4 cm bzw. 1 x 1,5 cm auf der rechten Hand bzw. am rechten Handgelenk erlitt. Es liegt der Verdacht nahe, dass die Verletzung des Herrn C aus einem anderen Anlassfall resultiert.

Das zur Zl. *** geführte Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft *** zur Zl. *** gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt, welchen eine gefährliche Drohung vom 08. März 2019 in ***, ***, zu Grunde liegt, bei welchem der Rechtsmittelwerber als Werkstattbesitzer gesagt haben soll: „Hau amoi her dann grob i di ei“, woraufhin der Anrainer D mit ausgebreiteten Armen „Kum her i schlag di a nieder“ angeantwortet haben soll.

Der Beschwerdeführer verfügt für die von ihm beantragte Tätigkeit die erforderlichen Gerätschaften. Die am Firmenareal früher bestandenen Platzprobleme wurden vom Rechtsmittelwerber insofern beseitigt, als das an seinen Betrieb angrenzende Grundstück Nr. ***, KG ***, zum Abstellen von Kraftfahrzeugen angemietet wurde. Dadurch wurde die angespannte Parkplatzsituation, welche im Bereich des Firmenareals herrschte und zu Nachbarstreitigkeiten führte, entschärft.

5.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Akteninhalt der Verwaltungsbehörde, insbesondere den darin enthaltenen Anzeigen und strafgerichtlichen Dokumenten, sowie auf den glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

Den Grund des Abstellens des Unfallfahrzeuges mit den gefälschten Kennzeichen außerdem der Betriebsstätte konnte der Rechtsmittelwerber bei seiner Einvernahme widerspruchsfrei und reumütig darlegen. Die Feststellungen zur zwischenzeitlich vom Beschwerdeführer angemieteten Parkfläche konnten aufgrund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben des Rechtmittelwerbers vor dem Verwaltungsgericht getroffen werden, welche durch Einsichtnahme in das Geoinformationssystem des Landes Niederösterreich, IMAP, schlüssig erscheinen.

Dass der Beschwerdeführer die für die beantragte Begutachtungstätigkeit notwendigen Gerätschaften verfügt, ergibt sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten kraftfahrtechnischen Gutachten vom 14. Juli 2020.

Letztlich ist die Rechtsfrage strittig, ob aus den festgestellten Vorfällen eine Vertrauensunwürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 (noch) abgeleitet werden kann.

6.   Rechtslage:

§ 28 VwGVG regelt Folgendes:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 17 VwGVG sieht vor:

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die relevante Bestimmung des § 57a Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) lautet auszugsweise wie folgt:

(2) Der Landeshauptmann hat für seinen örtlichen Wirkungsbereich auf Antrag Ziviltechniker oder technische Büros-Ingenieurbüros (§ 134 GewO) des einschlägigen Fachgebietes, Vereine oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigte Gewerbetreibende, die hinreichend über hiezu geeignetes Personal und die erforderlichen Einrichtungen verfügen, zur wiederkehrenden Begutachtung aller oder einzelner Arten von Fahrzeugen gemäß Abs. 1 zu ermächtigen. Die Ermächtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. Bei der Ermächtigung ist auch auszusprechen, in welcher Weise die Prüfstellen erkennbar gemacht sein müssen. Der Ermächtigte hat Veränderungen hinsichtlich seines Personals und seiner Einrichtungen, soweit diese Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung waren, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Die Ermächtigung ist ganz oder nur hinsichtlich einzelner Arten von Fahrzeugen zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist, nicht mehr über geeignetes Personal verfügt, seine Einrichtungen nicht den durch Verordnung festgesetzten Anforderungen entsprechen oder wenn eine der für die Erteilung der Ermächtigung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzusetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Person als zur Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten geeignet zu gelten hat und welche Einrichtungen nach dem jeweiligen Stand der Technik zur wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten erforderlich sind.

(2a) Der Landeshauptmann hat regelmäßig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Ermächtigung noch gegeben sind und ob die Begutachtungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Insbesondere bei zur Reparatur von Fahrzeugen berechtigten Gewerbetreibenden hat er auf die Objektivität der Begutachtung zu achten. Er kann Anordnungen zur Behebung von Mängeln treffen. Den Anordnungen des Landeshauptmannes ist unverzüglich zu entsprechen.

[…]

Nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 darf die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden.

Die Vertrauenswürdigkeit einer Person stellt eine Charaktereigenschaft dar. Die Frage, ob die Vertrauenswürdigkeit gegeben ist oder nicht, ist im Wege der Lösung einer Rechtsfrage ohne Heranziehung von Sachverständigengutachten zu beurteilen (vgl. VwGH 24.09.2003, 2003/11/0172).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gewerbetreibender dann als vertrauenswürdig im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragene Verwaltungsaufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde (vgl. VwGH 22.11.1994, 94/11/0221; VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes beeinträchtigt insbesondere die unrichtige Ausstellung positiver Gutachten die Vertrauenswürdigkeit in hohem Maße, wobei unter besonderen Umständen bereits die Erstellung auch nur eines unrichtigen Gutachtens die Vertrauenswürdigkeit erschüttern kann (vgl. VwGH 02.07.1991, 91/11/0026; VwGH 22.11.1994, 94/11/0221).

Die Grundlage für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ist aber nicht auf Fehlverhalten in Zusammenhang mit einer Begutachtungstätigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 beschränkt, was sich schon daraus ergibt, dass es bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit keinen Unterschied macht, ob über die erstmalige Erteilung oder den Widerruf einer bereits erteilten Ermächtigung zu entscheiden ist. Aus der gesetzlichen Formulierung, die sowohl hinsichtlich der Erteilung der Ermächtigung als auch hinsichtlich deren Widerrufs den Begriff „vertrauenswürdig“ verwendet, folgt, dass in beiden Fällen von der Behörde derselbe Maßstab an die Vertrauenswürdigkeit anzulegen ist (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2014/11/0082; VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016). Der Verwaltungsgerichtshof hat betont, dass bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Betriebsinhabers jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 18.12.1985, 85/11/0077).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit entscheidend, ob jemand die spezifische Vertrauenswürdigkeit besitzt, die von ihm erwartet werden darf, wenn er über eine Ermächtigung iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 verfügt oder sie erlangen will, soll doch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der über die genannte Ermächtigung verfügenden Person gewährleisten. Wesentlich ist also, ob das bisherige Verhalten – wobei das Gesamtverhalten zu prüfen ist – des Betreffenden auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – obliegt (VwGH 27.03.2008, 2005/11/0193). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 beliehenes Unternehmen hoheitliche Aufgaben erfüllt, die in die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde münden (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2014/11/0082; VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).

Die belangte Behörde negierte die notwendige Vertrauenswürdigung wie folgt:

„Wenn auch die Verfahren wegen Gefährlicher Drohung und Körperverletzung letztendlich zu keinem Strafverfahren geführt haben, legen die genannten Anzeigen nahe, dass Ihrerseits ein überdurchschnittliches Aggressionspotential gegeben ist.

Das Verfahren wegen der Fälschung besonders geschützter Urkunden wurde letztendlich mit der Zahlung einer Geldbuße beendet; hier ist auf den sehr engen Zusammenhang mit Ihrer angestrebten Position als zur wiederkehrenden Begutachtung Ermächtigter hinzuweisen.“

Zwar hat der Beschwerdeführer eine besondere geschützte Urkunde iSd § 224 Strafgesetzbuch (StGB), nämlich eine Kennzeichentafel, nicht selbst hergestellt, unbestritten hat er diese jedoch vorsätzlich im Rechtsverkehr gebraucht. Wenn auch das Landesgericht *** mit Beschluss vom 26. Februar 2016, Zl. ***, das Strafverfahren gegen A wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB gemäß §§ 199, 200 StPO eingestellt hat, so hat diese Tat erhebliche Relevanz bei der Beurteilung der spezifischen Vertrauenswürdigung iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967: Eine missbräuchliche, strafrechtlich relevante Verwendung einer besonders geschützten Urkunde, nämlich einer Kennzeichentafel – noch dazu im Rahmen einer Kfz-Werkstätte, welche nunmehr als Standort zur Ausübung der beantragten behördlichen Tätigkeit dienen soll – erschüttert die nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 erforderliche Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers im höchsten Maße.

Zu den anderen festgestellten Vorfällen ist Folgendes auszuführen:

Nicht jedes „fragwürdige“ bzw. auffällige Verhalten rechtfertigen Bedenken gegen das Bestehen der spezifische Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967. Das Verhalten des Beschwerdeführers im Zuge der festgestellten Vorfälle – wie von ihm selbst in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zugestanden – mag (zum Teil) ungehalten gewesen sein. Es weist jedoch keinen ausreichenden Bezug zur angestrebten Tätigkeit auf, insbesondere indiziert es nicht einen Mangel dahingehend, dass sich die Kraftfahrbehörde nicht darauf verlassen könne, dass der Antragsteller die von ihm beantragte Verwaltungsaufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde.

Bei einer Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Ermächtigung nach
§ 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um das Ergebnis einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen, nämlich den Rückschluss auf das Vorliegen eines mit den seitens der Behörde und seitens des Ermächtigten als beliehenem Unternehmen selbst zu wahrenden Interessen im Einklang stehenden Persönlichkeitsbilds (vgl. VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).

Im zu entscheidenden Fall hat nicht nur der Tatzeitpunkt der Begehung des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB Relevanz, sondern auch, welche Anstrengung der Beschwerdeführer von sich aus unternommen hat, um die der Straftat zugrundeliegenden Platzprobleme am Firmenareal – welche auch zu Streitigkeiten mit den Nachbarn führten – hintanhalten zu können. Diese gipfelten letztlich darin, dass der Rechtsmittelwerber zusätzliche Nutzflächen angemietet hat.

Seit dem festgestellten gerichtlichen Strafverfahren ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich nicht mehr negativ in Erscheinung getreten. Auch die einzige im behördlichen Akt dokumentierte Verwaltungsstrafe (Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 31. Oktober 2018, Zl. *** wegen Übertretung des § 36 lit. b KFG 1967) ist nicht geeignet, die dargelegte, notwendige Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers per se zu erschüttern.

Faktum ist, dass seit der Begehung der relevanten Strafhandlung des Beschwerdeführers am 02. Dezember 2015 nahezu sechs Jahre verstrichen sind und der Rechtsmittelwerber strafgesetzlich seither nicht negativ in Erscheinung getreten ist. In Zusammenschau mit dem beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hinterlassenden Eindruck des Rechtsmittelwerbers bildet diese gerichtliche Straftat keine tragfähige Grundlage (mehr) für die Verneinung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

Es liegen deshalb keine Anhaltspunkte vor, welche Grund zur Annahme geben, dass der Antragsteller die ihm im Rahmen einer Ermächtigung zu übertragenden Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes - nämlich der Gewährleistung, dass nur betriebstaugliche und verkehrssichere sowie nicht übermäßige Schadstoffemissionen verursachende Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen - nicht ausüben werde, sodass spruchgemäß dem Rechtsmittelwerber die beantragte Ermächtigung zu erteilen war.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrzeug-Überprüfung; wiederkehrende Begutachtung; Ermächtigung; Vertrauenswürdigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.395.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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