TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 W185 2241523-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch


W185 2241523-1/7E

IN NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2021, Zl 1269733806/201132994, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger Serbiens, reiste eigenen Angaben zu Folge am 05.02.2020 per Bus nach Österreich ein.

Am 29.07.2020 wurde der Genannte in Wien auf Grund des Verdachtes des Diebstahles zur Anzeige gebracht; das Ermittlungsverfahren wurde am 04.09.2020 wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Am 14.11.2020 wurde gegen den BF seitens der LPD Wien gemäß § 120 Abs. 1a FPG iVm §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 FPG (unrechtmäßiger Aufenthalt) Anzeige erstattet. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, der BF halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der BF sei im Rahmen eines Einsatzes wegen Ladendiebstahls angetroffen worden und habe zunächst eine falsche Identität angegeben. Es sei gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die Festnahme ausgesprochen und der BF in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) verbracht worden. Der BF wurde auf Grund des Verdachtes des Diebstahles (§ 127 StGB) angezeigt.

Der BF wurde am 15.11.2020 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) betreffend die Prüfung des Sicherungsbedarfs und einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, serbischer Staatsangehöriger zu sein und am 05.02.2020 in das Bundesgebiet eingereist zu sein; die Reise hätten seinen Eltern finanziert, da er in Serbien keine Arbeit gefunden hätte. Er habe sich im Februar dieses Jahres (Anm.: 2020) das letzte Mal in Serbien aufgehalten. Als Grund der Einreise nach Österreich brachte der BF vor, er habe den politischen Druck in Serbien nicht mehr ausgehalten. Ein Onkel und eine Tante des BF seien in Österreich aufhältig und würden den BF unterstützen. In Österreich habe er Fußball gespielt und dafür Geld bekommen. Ansonsten habe er in Österreich nicht gearbeitet; er sei hier auch nicht unfall- bzw krankenversichert und nicht gemeldet. Seine Eltern, seine Stiefmutter und ein Halbbruder seien in Serbien wohnhaft. Er selbst sei ledig und habe keine Kinder. Es bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis zu in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder Verwandten. Die Lebensumstände in Serbien seien katastrophal gewesen. Er sei in die Politik „gerutscht“, habe seinen Job verloren und „blöde Sachen“ gemacht; es sei so wie „Geldwäscherei“ gewesen. Er habe Propaganda betrieben und Plakate aufgehängt. Er sei als Security registriert gewesen, habe aber nicht als solcher gearbeitet. Bei einer Rückkehr würde er erschossen werden. Eine Person namens XXXX sei sehr gefährlich. Der BF habe von zwei weiteren Personen Informationen kopiert und weiteregegeben, weshalb ihn diese Personen würden umbringen wollen. Die „staatliche Sicherheit“ habe das vom BF verlangt. Diese Männer hätten das mitbekommen und sei der BF dann geflüchtet. Gesundheitliche Probleme machte der BF nicht geltend; es gehe ihm „soweit gut“.

Während der Einvernahme stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.11.2020 gab der BF zusammengefasst an, orthodoxer Christ und ledig zu sein sowie in Serbien acht Jahre Grundschule und vier Jahre Berufsschule besucht zu haben. Er habe eine Berufsausbildung als Maschinentechniker absolviert und zuletzt als Fußballer „gearbeitet“. Der BF könne die Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme absolvieren. In Österreich seien keine Familienangehörigen von ihm aufhältig; seine Eltern und ein Bruder seien in Serbien wohnhaft. Er habe den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat Anfang Februar 2020 gefasst und nach Österreich kommen wollen, da hier einer seiner besten Freunde wohne und arbeite. Der BF habe Serbien am 05.02.2020 legal verlassen. Der Reisepass und Bargeld befänden sich in „seiner“ Wohnung in Wien; die genaue Adresse könne er nicht angeben. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, Mitglied der regierenden Partei in Serbien (der SNS) gewesen zu sein. Er habe Propagandaarbeit gemacht (Werbung, Flyer verteilen). Er sei auch Mitglied der Nordtribüne, eines Fanclubs des Fußballvereins Roter Stern Belgrad, gewesen und habe während der Fußballspiele „Banner“ mit politischen Parolen hochgehalten. Über seine Arbeit in der Partei habe er einen Computerzugang bekommen. Darauf seien Dateien gewesen, die die regierende Partei entlarvt hätten (Veruntreuung von Spendengeldern). Der BF und sein Freund XXXX , welcher bereits in die USA geflohen sei, hätten diese sensiblen Dateien im Umlauf gebracht. Nach einiger Zeit habe die Partei davon Kenntnis erlangt. Ein Fernsehsender habe die Dateien erhalten. Danach hätten der BF und sein Freund ihre Arbeit verloren. Sieben Tage danach habe die Polizei beim BF eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Der BF sei in der Folge - ohne Anklageerhebung – von einem Gericht wegen des Besitzes von vier Gramm Heroin verurteilt worden. Danach sei er in ein Programm namens „BILL“ hineingefallen und hätte es immer wieder Hausdurchsuchungen und weitere Schikanen gegen den BF gegeben. Er sei in der Folge auch öfters einvernommen worden. Eines Tages habe ein Mitarbeiter des Geheimdienstes dem BF gesagt, dass er verschwinden solle, da ihn ein gewisser XXXX , welcher in ganz Serbien bekannt sei, töten wolle. Bei einer Rückkehr nach Serbien befürchte der BF umgebracht zu werden.

Mit Schreiben vom 02.12.2020 teilte das Bundeskriminalamt dem BFA mit, dass der BF von Interpol Belgrad identifiziert worden sei (AS 55).

Am 07.01.2021 wurde gegen den BF seitens der LPD XXXX gemäß § 81 Abs. 1 SPG (Störung der öffentlichen Ordnung) Anzeige erstattet. Der BF habe sich am 04.01.2021 in einem Lebensmittelgeschäft in ein Regal „gehockt“, Chips gegessen und sich trotz Aufforderung der Angestellten nicht von der Örtlichkeit entfernt. Auch habe der BF im Dienstfahrzeug der LPD laut mit den Beamten geschrien, den Mittelfinger gezeigt, mit seinen Händen in Richtung eines Polizeibeamten gefuchtelt und diese mit Schimpfwörtern beleidigt. Der BF habe überdies entgegen § 5 Abs. 6 Z 4 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung im Lebensmittelgeschäft keinen Mund-Nasen-Schutz getragen. Weiters habe der BF gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz (§ 20 lit. c LPolizeiG, Ehrenkränkung) verstoßen, indem er einen Polizeibeamten vorsätzlich durch das Deuten des Mittelfingers verspottet und dadurch eine Ehrenkränkung begangen habe. Überdies habe der BF trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen habe, aggressiv verhalten (§ 82 Abs. 1 SPG). Auch habe der BF durch das laute Schreien beim Verlassen des Dienstfahrzeuges die öffentliche Ordnung gestört (§ 81 Abs. 1 SPG). Darüber hinaus habe der BF durch Beschimpfen von Polizeibeamten den öffentlichen Anstand gemäß § 11 Abs. 1 LPolizeiG Tirol verletzt.

Mit Mail vom 03.02.2021 übermittelte das BMI dem BFA die „RED diffusion“ von Interpol Belgrad betreffend den BF. Daraus geht hervor, dass der BF in Serbien am 24.09.2019 wegen schweren Diebstahls (Tatzeit November 2017) zu einer Freiheitstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten und am 15.01.2019 wegen „illegaler Produktion von Drogen“ (Tatzeit Mai 2018) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt wurde. Am 24.03.2020 und am 19.05.2020 wurde gegen den BF Haftbefehle zur Strafvollstreckung erlassen.

Am 05.02.2021 ordnete die Staatsanwaltschaft XXXX im Auslieferungsverfahren wegen §§ 127, 128 StGB und § 27 Abs. 1 SMG die Festnahme des BF aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr an. Begründend wurde auf die Interpolausschreibung, die Verurteilungen des BF in Serbien und die dortigen Haftbefehle zur Strafvollstreckung in Serbien verwiesen. Zudem laufe gegen den BF bei der Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren wegen §§ 15, 127 StGB. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 08.02.2021 bewilligt.

Mit Mail vom 09.02.2021 teilte die LPD Tirol mit, dass der BF am 09.02.2021 festgenommen und in eine Justizanstalt überstellt worden sei.

Am 09.02.2021 wurde der BF durch die LPD Tirol einer Beschuldigtenvernehmung unterzogen und gab dabei im Wesentlichen an, in Serbien (wegen schweren Diebstahls) drei Monate in Untersuchungshaft gewesen und danach entlassen worden zu sein. Vor Antritt der Reststrafe sei er nach Österreich geflüchtet, da er befürchte, im Gefängnis umgebracht zu werden. Auch habe er von der (Zusatz-)Verurteilung aufgrund „illegaler Produktion von Drogen“ gewusst. Dies sei auch ein zusätzlicher Grund gewesen, warum er aus Serbien geflüchtet sei. Nach seiner Lehre für Maschinenbau habe sich der BF bei einer politisch radikalen Partei eingeschrieben und als Gelegenheitsarbeiter am Bau gearbeitet und Fußball gespielt. Gelegentlich habe er auch im Restaurant seiner Mutter geholfen und auf den familieneigenen Grundstücken gearbeitet und Holz gesammelt. In Wien habe der BF von Februar bis Mai 2020 als Rezeptionist „schwarz gearbeitet“. Er sei ledig und kinderlos. Zu seinem Gesundheitszustand befragt erklärte der BF, an Schlafproblemen zu leiden. Er gehe in Österreich deswegen zu einem Psychologen, nehme aber keine Medikamente ein. Es stimme nicht, dass er Drogen verkauft und konsumiert habe. Er habe einen Einbruchsdiebstahl in Serbien begangen und sei deswegen drei Monate in Untersuchungshaft gewesen. Sonst habe er in der Heimat mit den Behörden keine Probleme gehabt. Er sei in Serbien Mitglied der Partei „SNS“ gewesen und aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt worden. Er habe für die SNS gearbeitete und sei bei Fußballspielen für die Transparente zuständig gewesen, auf denen die gegnerischen Mannschaften national und religiös beleidigt worden seien. Dies habe der Staat angeordnet. Der BF sei nur der Übermittler und Ausführer gewesen und habe hiefür auch Geld erhalten. Die vorangeführten Gründe seien der Grund dafür gewesen, weshalb er in Österreich um internationalen Schutz angesucht habe. Er habe sich der Haftstrafe entzogen, da er in Serbien in der Haft um sein Leben bangen müsse.

Ebenfalls am 09.02.2021 wurde der BF durch das BFA betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, keine physischen oder psychischen Probleme zu haben. Er sei „grundsätzlich“ gesund, habe jedoch Schlafprobleme. Er nehme keine Medikamente ein, sei aber in psychologischer Behandlung. Befunde oder Arztschreiben könne er nicht vorlegen. Bereits in Serbien habe er bezüglich seiner Probleme ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Er habe dort einen Motorradunfall gehabt und sei 27 Tage im Koma gelegen. Sein Freund habe den Unfall nicht überlebt. Dieses Ereignis belaste den BF sehr. Es würde ihn sehr belasten, wenn er nach einer Rückkehr in die Heimat die Eltern seines verstorbenen Freundes (wieder) sehen würde. Die Schwester des verstorbenen Freundes wohne „gleich nebenan“; diese habe einen Sohn, der dem verstorbenen Freund des BF sehr ähnlich sehen würde. Auch dies wäre bei einer Rückkehr ein Problem für den BF. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe habe der BF bisher wahre und vollständige Angaben erstattet; er habe dann aber nicht mehr „über die Politik weiterreden wollen“. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Im Herkunftsland des BF seien sein Vater, seine Stiefmutter und ein Halbbruder wohnhaft, bei welchen der BF bis zu seiner Ausreise im Februar 2020 gewohnt habe. In Österreich halte sich seit etwa 8 Jahren die Schwester des Ehemannes seiner Tante auf. Der BF sei noch nie verheiratet gewesen, sei kinderlos und habe auch keine Verlobte. In Österreich habe er seit 25.05.2020 eine Freundin, welche ungarische Staatsangehörige sei. Dieses wohne mit einem Mann zusammen, da ihr dieser Geld gezahlt habe, um Papiere zu bekommen; sie müssten daher zusammenleben. Die Familie des BF besitze in Serbien ein Haus, ein Landhaus und über drei Hektar große landwirtschaftliche Flächen und Grünflächen. Seine Mutter habe ein Restaurant, eine Bar, eine Eigentumswohnung im Stadtzentrum, zwei Häuser und viele landwirtschaftliche Flächen. Der BF habe via Internet Kontakt zu seinen Eltern und sehr vielen Freunden und Bekannten. Sein Vater wohne in einem großen Haus, welches sogar einen separaten Eingang habe; dort könne der BF wohnen, wenn er nicht „das Problem“ hätte. Der BF spreche die Landessprache und sei mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten seines Herkunftslandes vertraut. Der BF habe erstmals im Jahr 2017 über eine Ausreise aus Serbien nachgedacht, da er von der Polizei und von der Regierung „etwas bekommen habe“. Er sei immer wieder verhaftet und kontrolliert worden; auch seine Wohnung sei beinahe täglich durchsucht worden. Dies jedoch ohne etwas zu finden. Er sei dann von Ende November 2017 bis Mitte 2018 zu seiner Mutter aufs Land geflohen. Als er zurückgekommen sei, seien er und sein Vater auf einer Liste gestanden, welche es der Polizei ermögliche, sie mitzunehmen und für einige Stunden festzuhalten. Dies habe bis Februar 2019 gedauert. In der Folge seien dann Zivilpolizisten aus Belgrad zum BF nach Hause gekommen und hätte alles durchsucht. Er sei nach Belgrad mitgenommen und einvernommen worden. Nach seiner Rückkehr habe er Briefe an die Polizei und an die Gerichte geschrieben, in denen er mitgeteilt habe, dass er alles über den Bruder des Präsidenten und alles, was auf der Nordtribüne vom Fußballverein Roter Stern Belgrad passiere, wisse. Zum Fluchtgrund führte der BF aus, im März/April 2017 von der SNS-Partei einen USB-Stick bekommen zu haben, auf welchem Informationen über kriminelle Tätigkeiten der Regierung bzw. der SNS-Partei gespeichert gewesen seien. Es sei um (veruntreute) Hilfsgüter für Migranten in Serbien gegangen. Für diese Hilfsgüter wäre XXXX zuständig gewesen. Der BF habe diese Informationen Anfang 2017 veröffentlicht. 2019 habe der Vater eines Freundes des BF die Information erhalten, dass der BF umgebracht werden solle, da er die kriminellen Tätigkeiten veröffentlicht habe. Der BF sei im Juli 2019 (für rund eine Woche) nach Montenegro geflüchtet und habe sich nach seiner Rückkehr zu seinem Vater nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt. Von Mitte 2019 bis Anfang 2020 habe er immer wieder gehört, dass ihn die Polizei suche; diese sei auch öfter gekommen, um den BF zu suchen. Am 05.02.2020 sei der BF dann mit einem Bus nach Österreich gefahren. Er sei legal ausgereist; an der Grenze habe es keine Probleme gegeben. Überdies sei im Jahr 2018 die Zivilpolizei zum BF nach Hause gekommen und hätte dort fünf Gramm Heroin gefunden. Das Suchtgift habe nicht dem BF gehört. Für den Fund des Suchtgiftes habe es keine Zeugen gegeben, aber der BF sei ins Gefängnis gekommen. Dieser Vorfall habe sich rund sieben Tage nach der Veröffentlichung des USB-Sticks ereignet. Der BF sei in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und habe keine Strafrechtsdelikte begangen. Er werde aber - aus den vorerwähnten Gründen – in Serbien von der Polizei gesucht. Ihm werde vorgeworfen, Drogen verkauft und konsumiert zu haben. Auf Nachfrage, ob ihm weitere Delikte vorgeworfen werden würden, gab der BF an, dies nicht zu wissen. Er wisse nur von den Drogen. Er sei auch drei bis vier Mal für einige Stunden festgenommen worden. Er sei in Serbien auch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt worden. Er habe für die SNS-Partei gearbeitet und sei bei Fußballspielen für die Transparente zuständig gewesen. Er sei für die nationalen und religiösen Beleidigungen der gegnerischen Mannschaft zuständig gewesen und habe dafür auch Geld bekommen. Den erwähnten USB-Stick habe der BF im Büro (der SNS) bekommen. Über Nachfrage, von wem der BF den USB-Stick erhalten habe, gab dieser an: „Ich habe meinen eigenen Stick genommen und gemeinsam mit seinem Freund XXXX die Daten vom Computer des SNS-Büros heruntergeladen“. XXXX sei dann nach Amerika geflüchtet. Jetzt sei der Genannte wieder in Serbien – dieser stehe ja nicht unter Verdacht, zumal der BF „den Stick hatte“. Den USB-Stick habe der BF nach Veröffentlichung der darauf befindlichen Daten in einen Teich geworfen. Nicht verfolgt worden sei der BF aufgrund der Religion, der Rasse, der Nationalität, der Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. In Österreich lebe der BF von der Grundversorgung und bekomme wöchentlich EUR 300,- fürs Fußballspielen und auch Geld von Freunden. Er würde hier jede Arbeit annehmen. Er habe in Österreich keine Schule oder Kurse besucht. Sollte der BF nach Serbien zurückkehren müssen, werde er sich umbringen.

Am 10.02.2021 verhängte das Landesgericht XXXX über den BF die Auslieferungshaft.

Mit Schreiben vom 11.02.2021 bat das BFA die LPD`s Tirol und Wien um Mitteilung, ob der BF verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten sei.

Am selben Tag übermittelte die LPD Tirol die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des BF. Darin sind zwei Vormerkungen wegen § 81 Abs. 1 SPG mit Geldstrafen von je EUR 80,- und eine Vormerkung wegen § 82 Abs. 1 SPG mit einer Geldstrafe von EUR 150,- ersichtlich.

Auch die LPD Wien übermittelte dem BFA am 11.02.2021 die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des BF. Zusätzlich gäbe es derzeit noch ein offenes Verwaltungsstrafverfahren. Aus dem übermittelten Schreiben sind vier verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen des BF wegen § 8 Abs. 2 Z 1, § 1, § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 COVID-19-MG iVm § 2 Abs. 1a COVID-19-MV (Geldstrafe EUR 50,-), § 82 Abs. 1 SPG (Geldstrafe EUR 350,-), § 1 Abs. 1 Z 1 WLSG (Geldstrafe EUR 350,-) und § 1 Abs. 1 Z 2 WSLG (Geldstrafe EUR 350,-) ersichtlich.

Mit Mail vom 12.02.2021 bat das BFA die Staatsanwaltschaft um Übermittlung der Urteile aus Serbien, sofern diese zur Verfügung stehen würden. Am 12.02.2021 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass die Unterlagen aus Serbien sofort nach Eintreffen an das BFA weitergeleitet werden würden.

Mit Aktenvermerk vom 10.03.2021 hielt die LPD Tirol fest, dass der BF am 10.03.2021 mitgeteilt habe, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Da sich der BF noch im laufenden Asylverfahren befinde, könne zum jetzigen Zeitpunkt kein Asylfolgeantrag gestellt werden.

Mit Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt VII.) Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Die Identität des BF stehe fest. Dieser sei serbischer Staatsangehöriger und spreche Serbisch. Der BF leide nicht lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen. Er sei arbeitsfähig. Asylrelevante Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates hätten nicht festgestellt werden können. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände hätte nicht festgestellt werden können, dass für den BF bei Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Serbien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Ebenfalls nicht festgestellt habe werden können, dass dem BF im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass dieser bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden würde. Fest stehe, dass in Serbien ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten vorhanden seien und dem BF auch zugänglich seien. Es hätten keine Umstände festgestellt werden können, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen würden. Der BF verfüge über keine Barmittel und habe in Österreich mehrere Verwaltungsübertretungen begangen. Er sei in Serbien wegen schwerem Diebstahl und der Produktion von Drogen rechtskräftig verurteilt worden. Serbien gehöre zu den sicheren Herkunftsstaaten.

Begründend wurde weiter ausgeführt, dass der BF seine Fluchtgründe, wonach er aufgrund seiner politischen Tätigkeiten verfolgt worden sei, nicht habe glaubhaft machen können. Der BF habe den Asylantrag erst zu einem Zeitpunkt gestellt, als dieser mit fremdenrechtlichen Schritten aufgrund des illegalen Aufenthalts in Österreich konfrontiert worden sei. Bereits dies lasse an einem tatsächlichen Schutzbedarf zweifeln. Auch sei es nicht nachvollziehbar, warum die Parte SNS Beweismittel für kriminelle Machenschaften offen zugänglich auf einem offensichtlich ungesicherten Computer verwahren hätte sollen. Beweismittel in diesem Zusammenhang habe der BF nicht vorgelegt. Der vom BF erwähnte XXXX sei bereits mehrfach in den Fokus internationaler Medien geraten; er gelte als bekannter Krimineller. Eine direkte Beziehung zum BF oder dessen Vorbringen sei in diesem Kontext aber nicht ersichtlich. Die geltend gemachte Bedrohungssituation entspreche offensichtlich nicht den Tatsachen. Der BF habe sein Heimatland nur verlassen, um einer Haftstrafe zu entgehen; der Asylantrag sei nur gestellt worden, um eine Rückführung nach Serbien zu verhindern. Es drohe dem BF auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Auch würden die Haftbedingungen in Serbien, die den BF bei einer Rückkehr erwarte, nicht derart sein, dass eine Rückkehr aufgrund einer anstehenden Haftstrafe unzumutbar erscheinen würde. Es sei dem BF zumutbar, nach seiner Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es sei nicht ersichtlich, warum sich der BF in Serbien nicht ein neues Leben aufbauen könnte. Der BF verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde. Der Herkunftsstaat des BF, Serbien, sei ein sicherer Herkunftsstaat. Daher sei einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Das Einreiseverbot begründete das BFA damit, dass der BF einige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aufweise und den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen könne (Z1 und 6 des § 53 Abs 2 FPG).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF vollumfänglich Beschwerde. Es werde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; eine Rückkehr nach Serbien und der Erlass des Einreiseverbotes würden jedenfalls eine Verletzung von Art 2, Art 3 und Art 8 EMRK darstellen. Der BF habe im bisherigen Verfahren eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner politischen Tätigkeiten in Serbien vorgebracht. Auf den Verfahrensgang und die Angaben des BF vor dem BFA werde verwiesen. Das BFA habe unzutreffend festgestellt, dass der BF, abgesehen von einem Freund, über keine sonstigen sozialen oder wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge. Ein Onkel und eine Tante sowie die Freundin des BF seien nämlich in Österreich wohnhaft; auch spiele der BF bei einem Wiener Verein Fußball. Es lägen auch eine mangelhafte Beweiswürdigung und inhaltliche Rechtswidrigkeit betreffend den Spruchpunkt IV. (Rückkehrentscheidung) vor. Der BF verfüge über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich. Betreffend das Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass das BFA als Begründung für die Erlassung des Einreiseverbotes § 53 Abs. 2 Z 1 und 6 FPG heranziehe, da der BF verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aufweise sowie drei Verwaltungsstrafen begangen habe und er nicht über die notwendigen Mittel zur Lebensunterhaltsbestreitung verfügen würde. Im Spruch des Bescheides werde jedoch lediglich Z 6 angeführt und sei dieser somit unvollständig. Das Einreiseverbot sei rechtswidrig bzw. in seiner Höhe jedenfalls unverhältnismäßig. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des BF:

Der BF, dessen Identität durch die aktenkundige Kopie des serbischen biometrischen Reisepasses feststeht, ist Staatsangehöriger von Serbien und somit Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er bekennt sich zum christlich-orthodoxen Glauben.

Er reiste nach eigenen Angaben am 05.02.2020 nach Österreich ein und stellte am 15.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde in Serbien geboren und ist dort aufgewachsen. Er besuchte in Serbien insgesamt zwölf Jahre lang die Grund- und Berufsschule und schloss eine Lehre als Maschinenbauer ab. Seine Muttersprache ist Serbisch. Zudem spricht er Englisch, Spanisch und Griechisch. Der BF ist ledig und kinderlos.

Der Vater, die Mutter, die Stiefmutter, ein Halbbruder und zahlreiche Freunde und Bekannte des BF sind in Serbien wohnhaft. Der Vater, die Stiefmutter und der Halbbruder des BF wohnen in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF hat bis zu seiner Ausreise nach Österreich ebenfalls dort gewohnt. Die Mutter des BF betreibt ein Restaurant mit einer Bar und vermietet Partyzelte. Der BF hat Kontakt zu seinen Eltern und Freunden in Serbien.

Der BF arbeitete in Serbien als Gelegenheitsarbeiter am Bau, spielte Fußball, half im Betrieb seiner Mutter mit und bewirtschaftete die familieneigenen Grundstücke.

Der BF ist nicht lebensbedrohlich erkrankt. Er gab an, an Schlafproblemen zu leiden, deswegen bei einem Psychologen in Behandlung zu sein, jedoch keine Medikamente einzunehmen. Befunde wurden bis dato nicht vorgelegt.

Gegen den BF liegt eine Interpolfahndung vor. Er wurde in Serbien am 24.09.2019 wegen schweren Diebstahls (Tatzeit 19.11.2017-23.11.2017) zu einer Freiheitstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten und am 15.01.2019 wegen „illegaler Produktion von Drogen“ (Tatzeit 23.05.2018) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Am 24.03.2020 und am 19.05.2020 wurden gegen den BF Haftbefehle zur Strafvollstreckung erlassen. Er hat 3 Monate der Haftstrafe in Serbien verbüßt.

Der BF befindet sich seit 10.02.2021 in Auslieferungshaft.

Zu den Fluchtgründen des BF:

Die Fluchtgründe des BF waren nicht glaubhaft. Der BF hat mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses, seiner Rasse, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung Probleme. Er wird in Serbien nicht aus Gründen der GFK verfolgt oder bedroht.

Der BF hat seinen Herkunftsstaat verlassen, um einer Verhaftung bzw. dem Strafvollzug wegen schweren Diebstahls und wegen „illegaler Produktion von Drogen“ zu entgehen.

Serbien ist ein sicherer Herkunftsstaat.

Zum (Privat)Leben des BF in Österreich:

Der BF reiste nach seinen Angaben am 05.02.2020 in Österreich ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Er ist erst seit dem 21.12.2020 aufrecht gemeldet. Aufgrund des Antrag auf internationalen Schutz ist der BF seit dem 15.11.2020 in Österreich nach dem AsylG rechtmäßig aufhältig.

Der BF besuchte in Österreich keine Deutschkurse.

Er lebte vor seiner Inhaftierung von illegaler Beschäftigung, ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht bzw. ging im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Der BF verfügt in Österreich über keine relevanten schützenswerten familiären oder privaten Bindungen. Er ist weder ehrenamtlich tätig noch hat er gemeinnützige Tätigkeiten geleistet. Der BF ist Mitglied in einem Fußballverein.

Der BF führt in Österreich eine Beziehung zu einer ungarischen Staatsangehörigen, welche seit Februar 2018 mit einem anderen Mann verheiratet ist. Ein (nicht näher personalisierter) Freund sowie die Schwester des Ehemannes einer Tante des BF sind angeblich in Österreich wohnhaft. Der BF hat darüber hinaus keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich. Er ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und erbrachte keinen Nachweis über bereits vorhandene Deutschkenntnisse. Eine Integration im österreichischen Bundesgebiet wurde nicht behauptet.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er wurde am 29.07.2020 in Wien auf Grund des Verdachtes des Diebstahles angezeigt; das Ermittlungsverfahren wurde aber wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Am 14.11.2020 wurde der BF auf Grund des Verdachtes des Diebstahls angezeigt. Es ist im Bundesgebiet ein Ermittlungsverfahren wegen §§ 15, 127 StGB anhängig.

Der BF weist in Österreich folgende verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf:

LPD Tirol:

?        Störung der öffentlichen Ordnung (§ 81 Abs. 1 SPG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 80,-

?        Störung der öffentlichen Ordnung (§ 81 Abs. 1 SPG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 80,

?        Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht (§ 82 Abs. 1 SPG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 150,-

?        LPD Wien:

?        Verwaltungsstrafe nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz mit einer Geldstrafe iHv EUR 50,-

?        Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht (§ 82 Abs. 1 SPG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 350,-

?        Anstandsverletzung (§ 1 Abs. 1 Z 1 WLSG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 350,-

?        Lärmerregung (§ 1 Abs. 1 Z 2 WLSG) mit einer Geldstrafe iHv EUR 350,-

Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Der BF muss im Falle seiner Rückkehr mit keinem gänzlichen Entzug seiner Lebensgrundlage rechnen und würde nicht in eine existenzbedrohende oder medizinische Notlage geraten. Festgestellt wird, dass in Serbien ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind und diese dem BF auch zugänglich sind.

Der BF ist 33 Jahre alt, nicht schwer erkrankt und im arbeitsfähigen Alter. Er ist nach eigenen Angaben auch arbeitswillig und spielt semiprofessionell Fußball bei einem Club. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schul- und Berufsausbildung sowie auch über Berufserfahrung in Serbien. Es liegen somit keine Anhaltspunkte vor, dass der BF in seinem Heimatland nicht in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, notfalls auch über Gelegenheitsjobs oder wenig attraktive Hilfstätigkeiten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Bedrohungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Wie oben bereits festgestellt lebt die Kernfamilie des BF in Serbien. Der BF hat bis zu seiner Ausreise bei seinem Vater, seiner Stiefmutter und seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er hat nach wie vor Kontakt zur Kernfamilie und vielen seiner Freunde.

Der Vater des BF besitzt in Serbien ein großes Haus, ein Landhaus, drei Hektar große landwirtschaftliche Flächen und Grünflächen. Die Mutter des BF besitzt ein Restaurant mit einer Bar, eine Eigentumswohnung im Stadtzentrum, zwei Häuser und viele landwirtschaftliche Flächen in Serbien.

Der BF kann bei einer Rückkehr wieder Unterkunft im Haus seines Vaters nehmen.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Serbien für den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zur Lage im Herkunftsstaat

Zur Situation in Serbien werden auszugsweise die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.07.2020 zitiert:

Politische Lage

Letzte Änderung: 1.7.2020

Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).

Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 5.6.2020

Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter (USDOS 13.3.2020).

Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlichte im Mai 2018 einen Bericht, in dem der Ausschuss Bedenken hinsichtlich der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam äußerte und die Behörden aufforderte, die Misshandlung der Polizei zu bekämpfen (HRW 17.1.2019).

Korruption

Letzte Änderung: 17.10.2019

Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden, negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System, staatlichen Institutionen und die serbische Wirtschaft. Systemische Korruption findet sich heute vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei. Auf staatlicher Seite ist eine eigenständige Institution, die Anti-Korruptionsagentur mit dem Kampf gegen Korruption befasst; in der serbischen Zivilgesellschaft beschäftigt sich Transparency International mit dem Phänomen Korruption. Druck auf serbische Behörden zu effektiverer Bekämpfung der systemischen Korruption kommt v.a auch von der EU. Unterstützung bei der Bekämpfung der Korruption in Serbien leistet außerdem das UN Development Program (UNDP). Die Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen Reformbedingungen der EU in Serbiens Beitrittsverhandlungen bzw. in den Justizkapiteln 23 und 24 (LIPortal 6.2019).

Serbien rangiert im Transparency Corruption Perceptions Index (2018) am 87. Platz von 180 Ländern (TI 2018).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 5.6.2020

Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2019 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, "Verräter" des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen (USDOS 13.3.2020).

Ausländische und inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) agieren in der Regel frei, aber diejenigen, die offen kritische Positionen gegenüber der Regierung vertreten oder sensible oder kontroverse Themen ansprechen, sind in den letzten Jahren mit Bedrohungen und Belästigungen konfrontiert worden. Während des gesamten Jahres 2018 war die Direktorin der NGO Center for Euro-Atlantic Studies, Gegenstand einer anhaltenden Schmutzkampagne in den Medien als Reaktion auf ihre Unterstützung von Kriegsverbrecherverfolgungen und die Mitgliedschaft Serbiens in der NATO (FH 4.2.2019).

Ombudsmann

Letzte Änderung: 5.6.2020

Der Bürgerbeauftragte spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des Rechts der Bürger auf eine gute Verwaltungspraxis und die Behörden sind verpflichtet, über die Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Im vierten Jahr in Folge diskutierte das Parlament jedoch nicht in der Plenarsitzung den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, sodass keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Überprüfung der Regierung gezogen wurden (EK 29.5.2019).

Im Jahr 2018 haben insgesamt 9.120 Bürgerinnen und Bürger die Dienste des Bürgerbeauftragten in Anspruch genommen, von denen 2.432 durch persönliche und 3.350 durch Telefongespräche. Es gab insgesamt 3.338 eingereichte Beschwerden, davon 56 auf eigene Initiative des Bürgerbeauftragten. 2.346 Fälle wurden abgeschlossen. Gleichzeitig wurden rund 2.720 Fälle aus den Vorjahren bearbeitet und davon 1.443 Fälle abgeschlossen, sodass 2018 insgesamt 3.789 Fälle abgeschlossen wurden. Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2018 mit 64 unter 3.338 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,92 % aller Beschwerden aus (Protector of Citizens 15.3.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen (USDOS 13.3.2020).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Letzte Änderung: 17.10.2019

Die Wehrpflicht wurde im Dezember 2010 abgeschafft. Ein freiwilliger Militärdienst kann mit 18 Jahren abgeleistet werden. Eine Reserveverpflichtung besteht für Männer bis zum 60., für Frauen bis zum 50. Lebensjahr (CIA 24.9.2019).

Mit 1.1.2011 wurde die Wehrpflicht in Serbien abgeschafft. Seit diesem Zeitpunkt besteht der Wehrdienst nur mehr auf freiwilliger Basis in Übereinstimmung mit dem Gesetz „Law on Conscription, Compulsory Labour and Requisition“ (MoFA o.D.).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Letzte Änderung: 5.6.2020

Seit 1996 hat Serbien insgesamt vier Amnestiegesetze erlassen, die für die Zeit von 1982 bis zum 23.3.2010 Verzicht auf Strafverfolgung bei Wehrdienstentziehung und z.T. auch bei Desertion beinhalten (AA 3.11.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 17.10.2019

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).

Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 5.6.2020

Wie in den vergangenen Jahren funktionierten die Medien in Serbien auch 2019 vor allem auf Druck der Regierung und der regierenden SNS Partei. Während die (ohnehin begrenzte) Anzahl unabhängiger Medien weitgehend stabil blieb, sehen sich einzelne Medien und Journalisten politischem und finanziellem Druck sowie verbalen und manchmal auch physischen Angriffen ausgesetzt. Serbische Journalisten veranstalteten mehrere Proteste, in denen sie Schutz und ein Ende der Drohungen und des Drucks forderten, aber mit wenig Erfolg (FH 6.5.2020).

Die Regierung hat die Medienfreiheit aktiv unterminiert, indem sie unterstützende Medien mit Werbung und Finanzmitteln belohnt und kritische Medien durch Besteuerung oder Gerichtsverfahren schikaniert. Das Land fiel im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen 2019 um 14 Plätze zurück. Der Präsident und die Minister führen eine Verleumdungskampagne gegen unabhängige Journalisten durch. Drohungen sind an der Tagesordnung. Auf die Berichterstattung über die Geschäftsinteressen des Bruders des Präsidenten folgten im April 2019 Angriffe der sozialen Medien auf den Reporter des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN). Im Oktober 2019 protestierten Tausende von Journalisten gegen wiederholte Morddrohungen gegen Kollegen des unabhängigen Nachrichtensenders N1TV (AI 16.4.2020).

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, aber eine anhaltende Beteiligung der Regierung an Medien, sowie Drohungen gegen und Angriffe auf Journalisten untergraben diese Freiheiten. Der Trend zur Einschränkung der Medienfreiheit hält an und Reporter ohne Grenzen bewertete Anfang des Jahres das Medienumfeld des Landes als unsicher. Im Laufe des Jahres 2019 stufte Freedom House seine Bewertung der Medienlandschaft des Landes von "frei" auf "teilweise frei" zurück. Unausgewogene Medienberichterstattung und eine große Zahl gefälschter, irreführender oder nicht überprüfter Nachrichten bedrohen weiterhin die Fähigkeit der Bürger, sich sinnvoll am demokratischen Prozess zu beteiligen (USDOS 11.3.2020).

Seitdem Aleksandar Vu?i? seit 2014 zunächst als Ministerpräsident und dann als Präsident die Politik Serbiens bestimmt, können Journalisten dort weder auf Sicherheit noch auf Schutz durch den Staat zählen. Anschläge auf Medien und Todesdrohungen gegen Journalisten haben zugenommen, doch die Täter werden nicht verfolgt. Regierungstreue Medien verunglimpfen Investigativreporter. Selbst Regierungsvertreter hetzen gegen Journalisten. Wer dennoch zu heiklen Themen wie organisierter Kriminalität oder Korruption recherchiert, kann seine Berichte meist nur in Publikationen mit begrenzter Reichweite veröffentlichen. Der Medienmarkt ist sehr stark konzentriert und der Staat übt als größter Geldgeber und Werbekunde erheblichen Einfluss auf die Berichterstattung aus. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Serbien den 93. Platz von insgesamt 180 bewerteten Ländern (RSF 21.4.2020).

Die Übergriffe auf freie Journalisten werden fortlaufend von der serbischen Opposition in politischen Diskussionen bzw. auch politischen Statements erwähnt. Relative Kritik kam auch im internationalen Bereich auf, nachdem Staatspräsident VUCIC nach seiner Reaktion betreffend nicht so angenehmen Pressefragen bei den ursprünglich täglichen COVID-19 Konferenzen die Einstellung weiterer Pressekonferenzen verfügte. Seit 04.05 werden die täglichen COVID-19 Mitteilungen nur mehr auf der Webseite der Regierung verlautbart. Es wird weiterhin von verbalen als auch körperlichen Attacken auf Journalisten/innen, insbesondere auf freischaffende Aufdeckungsjournalisten, sowie von vermehrten Einfluss auf den Mediensektor im Land, berichtet. Dieser Einfluss erfolgt sowohl im Rahmen von Medienübernahmen durch Regierungsnahe Konsortien, als auch generell bei der Vergabe von Medienfördermitteln. Dass die Entwicklung in diese Richtung geht, wird aber von Vertretern der regierenden SNS bei öffentlichen Podiumsdiskussionen immer wieder in Abrede gestellt und zugleich die Medienfreiheit im Land betont. Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden in den Pressekonferenzen der Regierung umgehend zurückgewiesen. Die Opposition wiederum kritisierte, dass freie Journalisten/innen an ihrer Berufsausübung gerade zu Beginn der COVID-19 Pandemie beeinträchtigt wurden. Inwieweit angezeigte Übergriffe auf Journalisten noch gerichtlich aufgearbeitet werden, bleibt abzuwarten. Die serbischen Justizbehörden waren von der generellen Schließung nahezu aller Staatsstellen genauso umfasst. Die nächsten Monate werden hier einen näheren Einblick ermöglichen (VB 11.5.2020).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 5.6.2020

Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird seitens der Verfassung garantiert aber die Regierung hat diese Rechte in einigen Fällen eingeschränkt. Protestkundgebungen müssen vorher von der Polizei genehmigt werden. Zulassungen für Versammlungen, die ein hohes Sicherheitsrisiko darstellten, werden von höheren Stellen entschieden. NGOs registrierten zwischen März und Juli 2019 verschiedene Fälle von behaupteten Verletzung der Versammlungsfreiheit und achtzehn Fälle von Verletzung der Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020).

Die politische Opposition kann sich frei betätigen. Sie erhält jedoch im Vergleich zu den Regierungsparteien deutlich weniger Raum in den Medien, die Berichterstattung regierungsnaher Medien ist einseitig. Zudem wird sie in der Ausübung der Parlamentsarbeit durch eine Reihe von Geschäftsordnungstricks der Regierungsfraktionen eingeschränkt (AA 3.11.2019).

Im November 2018, kurz vor einem Treffen der Opposition in der Stadt Kruševac, wurde einer der Führer der Oppositionskoalition Allianz für Serbien (SzS) angegriffen und verletzt. Oppositionsführer warfen dem serbischen Präsidenten und SNS-Führer Aleksandar Vu?i? vor, ein Klima geschaffen zu haben, in dem sich die Gewalt gegen politische Gegner von der verbalen auf die physische Ebene verlagert habe. In der Folge kam es in der Hauptstadt Belgrad zu spontanen Demonstrationen gegen politische Gewalt. Die Proteste nahmen in den ersten Monaten des Jahres 2019 kontinuierlich weiter zu und breiteten sich auf Dutzende von Städten in ganz Serbien aus (FH 6.5.2020).

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Haftbedingungen sind aufgrund von Überbelegung, körperlichem Missbrauch, unhygienischen Bedingungen und unzureichender ärztlicher Versorgung schlecht. Nach Angaben des Justizministeriums lag die Gefängniskapazität 2019 10.300, während die Gefangenenzahl im Laufe des Jahres 2019 10.890 betrug. Obwohl die Gefängnisse nach wie vor überfüllt sind, konnte die Überbelegung durch den Bau neuer Gefängnisse und die breitere Anwendung alternativer Strafmaßnahmen (z.B. Zivildienst, Hausarrest und andere Maßnahmen) verringert werden. Die Behörden führen ordnungsgemäße Unter

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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