TE Vfgh Beschluss 1995/2/27 V106/94

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

50 Gewerberecht
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Umlagenbeschluß des Präsidiums der Bundeskammer vom 31.12.93 Punkt I. 1.
HandelskammerG §57

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines gemäß dem HandelskammerG gefaßten Umlagenbeschlusses des Präsidiums der Bundeskammer betreffend die im Wege der Selbstbemessung zu entrichtende Kammerumlage I infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft, welche nach ihrem eigenen Vorbringen unter anderem das Handelsgewerbe ausübt und Mitglied der Wirtschaftskammer Wien und der Wirtschaftskammer Österreich ist, beantragt unter Berufung auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG, den Punkt I. 1. des aufgrund eines auf §53a HKG gestützten Delegierungsbeschlusses des Kammertages vom 21. Dezember 1993 gemäß §22 Abs3 iVm §9 Abs1 HKG gefaßten Beschlusses des Präsidiums der Bundeskammer vom 31. Dezember 1993 (im folgenden Umlagenbeschluß) als gesetzwidrig aufzuheben; der Beschluß verstoße gegen §57 Abs1 HKG, weil die Festsetzung der Umlage mit den im Gesetz vorgesehenen Höchstwerten nicht dem "Bedarfsdeckungsprinzip" entspreche und gegen §57 Abs2 Z5 HKG, weil der Verordnungsgeber das ihm durch diese Bestimmung eingeräumte Ermessen nicht gesetzmäßig ausgeübt habe. Des weiteren regt die antragstellende Gesellschaft an, der Verfassungsgerichtshof möge anläßlich des vorliegenden Antrages ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend §57 HKG idF BGBl. 958/1993 wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 und Art7 B-VG einleiten.

2. Mit der 10. Handelskammergesetznovelle (BGBl. 958/1993) wurde als Ersatz für die Kammerzuschläge zur (ab 1994 nicht mehr erhobenen) Gewerbesteuer eine neue Kammerumlage eingeführt, die in Form einer Selbstbemessungsabgabe von den Umsätzen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Mitglied der Wirtschaftskammerorganisation im Rahmen seines Unternehmens im Inland entgeltlich ausführt, erhoben wird.

Punkt I. des Umlagenbeschlusses lautet:

"I.

Gemäß §57 Abs1 Handelskammergesetz 1946, BGBl. Nr. 182/1946, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 958/1993 (HKG), wird beschlossen:

1. Die Umlage gemäß §57 Abs1 HKG wird in Tausendsätzen des Umsatzes wie folgt festgesetzt:

für Umsätze bis 10 Millionen Schilling mit 0,45 von Tausend;

für die weiteren Umsätze bis 300 Millionen Schilling mit 0,35 von Tausend;

für die weiteren Umsätze bis 3 Milliarden Schilling mit 0,25 von Tausend und

für alle weiteren Umsätze mit 0,20 von Tausend.

2. Umlagen bis einschließlich 900 Schilling werden nicht erhoben."

3. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft im wesentlichen vor, durch die angefochtene Bestimmung werde unmittelbar die Rechtspflicht zur Entrichtung der Umlage gemäß §57 Abs1 HKG begründet, ohne daß erst ein Bescheid über die Umlagepflicht zu erlassen sei. Da es sich um eine Selbstbemessungsabgabe handle, werde ein Bescheid nur dann erlassen, wenn die Entrichtung entweder unterbleiben oder sich die Selbstberechnung der Abgabe als unrichtig erweisen sollte (Hinweis auf 1388 BlgNR 18.GP). Somit müsse, um zu einem Bescheid über die Abgabenpflicht zu gelangen, entweder absichtlich die Entrichtung unterlassen oder die Selbstberechnung unrichtig vorgenommen werden. Ein derartiges rechtswidriges Verhalten sei der antragstellenden Gesellschaft jedoch nicht zumutbar.

4. Die Wirtschaftskammer Österreich hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich mit der Frage der Zulässigkeit des Antrages beschäftigt, die Verfassungsmäßigkeit der Regelung verteidigt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag zurück-, in eventu abweisen.

Die Wirtschaftskammer sieht insbesondere in der Möglichkeit, (auch) bei verordnungs- und gesetzmäßig durchgeführter Selbstbemessung einen Rückerstattungsantrag zu stellen, einen zumutbaren Weg, um einen beim Verfassungsgerichthof bekämpfbaren Bescheid zu erwirken.

5. Dem hält die antragstellende Gesellschaft in einer Replik entgegen, daß die Einbringung eines Rückerstattungsantrages von vornherein aussichtslos sei und die Beschreitung dieses Weges zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde, was im Interesse der Rechtssicherheit nicht tunlich erscheine.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Dazu hat der Gerichtshof seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschätzten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtschutz gegen rechtswidrige Verordnungen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2. Entgegen der Ansicht der antragstellenden Gesellschaft ist ein solcher Weg hier gegeben.

Die sogenannte Kammerumlage I ist im Wege der Selbstbemessung zu entrichten. Wie sich aus der Begründung der Selbstbemessungsabgaben betreffenden Beschlüsse VfSlg. 9868/1983, 13103/1992 sowie VfGH 23.6.1993, V19/93, und 20.6.1994, V59/94, ergibt, hätte - worauf die Wirtschaftskammer Österreich zu Recht hinweist - die antragstellende Gesellschaft die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihr im Wege der Selbstbemessung entrichteten Kammerumlage I mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung erweise sich im Hinblick auf die Gesetzwidrigkeit der Verordnung als unrichtig.

Bei Beschreitung dieses Weges befände sich die antragstellende Gesellschaft, was ihre Verpflichtung zur Entrichtung inzwischen fällig gewordener Umlagen betrifft, in keiner anderen Situation als jene Abgabe(Umlage)pflichtigen, die die Rechtswidrigkeit von Steuer(Umlagen)bescheiden rügen wollen. Dieser Weg zur Erwirkung eines Bescheides ist der antragstellenden Gesellschaft somit zumutbar und ermöglicht ihr, ihre Bedenken hinsichtlich der Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der sie treffenden Umlagepflicht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Hinzu kommt noch, daß gegenüber der Antragstellerin mittlerweile ein - von ihr beim Verfassungsgerichtshof zu B2685/1994 auch bekämpfter - Bescheid erlassen worden ist, mit dem die Kammerumlage I für den Monat Mai 1994 festgesetzt wurde, sodaß es ihr auch aus diesem Grund an der Antragslegitimation mangelt (vgl. zur Unzulässigkeit eines Individualantrages bei bereits abhängigem (Straf-)Verfahren etwa VfSlg. 11481/1987, 11684/1988).

3. Der Antrag ist sohin mangels Legitimation in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Selbstbemessung (Finanzverfahren), Handelskammern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V106.1994

Dokumentnummer

JFT_10049773_94V00106_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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