Entscheidungsdatum
24.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W142 2243256-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Vietnam, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2021, Zl. 1277766403/210602485, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Vietnam, wollte am 05.05.2021 mit dem Zug von Ungarn kommend über das österreichische Bundesgebiet nach Deutschland reisen. Die deutsche Bundespolizei verweigerte dem BF jedoch die Einreise nach Deutschland und wurde der BF wieder nach Österreich zurückgewiesen. Die österreichische Polizei stimmte der Rückübernahme des BF zu und wurde er daraufhin festgenommen.
2. Am 06.05.2021 wurde der BF durch die Polizei einvernommen.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, er sei in XXXX geboren, verheiratet und habe eine Tochter. Als Beruf sei er Koch. Seine Heimatadresse laute: „ XXXX “. Seine Mutter sei bereits verstorben. In der Kategorie „mitgeführte Dokumente“ wurde vermerkt, dass der BF einen gültigen vietnamesischen Reisepass habe und sein ungarischer Aufenthaltstitel (gültig bis 02.11.2020) abgelaufen sei.
Zum Zweck des Aufenthaltes gab der BF an, er habe für eine Hochzeit in Deutschland durch Österreich reisen wollen.
Nach Vorhalt, dass er unrechtmäßig in Österreich sei, nicht hierbleiben könne und die Reise zu seinem Reiseziel nicht fortsetzen könne, gab der BF an, dass er damit nicht einverstanden sei. Er wolle in Österreich keinen Asylantrag stellen, sondern wolle er zurück in die Slowakei, da er dort seinen Hauptwohnsitz gemeldet habe.
Nach weiterer Befragung, gab der BF an, an keinen schwerwiegenden Krankheiten zu leiden. Familienangehörige in Österreich oder in einem Mitgliedstaat habe er nicht. Er könne in Österreich bei keiner legal aufhältigen Personen leben und könne sich auch von niemandem Geld ausleihen. Der BF verfüge über 162,01 EUR Bargeld. In der Slowakei habe er im Juli 2020 berechtigt einen Asylantrag gestellt. Er sei von keinem Mitgliedstaat in seinen Herkunftsstaat zurückverbracht worden und habe er seit Asylantragstellung das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens 3 Monate verlassen. Er sei nicht Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution geworden. Der BF verfüge über einen ungarischen Aufenthaltstitel, welcher ihm in Budapest am 05.11.2018 ausgestellt worden sei. Wenn er aus der Haft entlassen werde, dann würde er zurück nach Bratislava (Slowakei) gehen. Er wolle nicht in Schubhaft.
Beim BF wurden eine vietnamesische ID-Card, der vietnamesische Reisepass samt abgelaufenem ungarischen Visum, ein Zugticket und die deutsche Einreiseverweigerung sichergestellt.
3. In weiterer Folge wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) über den Aufenthalt des BF im Bundesgebiet informiert, wobei das BFA weitere Erhebungen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus des BF in der Slowakei und in Ungarn in Auftrag gab.
4. Laut dem im Akt einliegenden Kurzbrief der Landespolizeidirektion Burgenland vom 06.05.2021 habe das slowakische Kontaktbüro mitgeteilt, dass der BF am 05.05.2021 in der Slowakei um eine Aufenthaltserlaubnis angesucht habe. Das Verfahren laufe noch.
5. Laut einem weiteren, im Akt einliegenden Schreiben der Landespolizeidirektion Burgenland vom 06.05.2021, habe die ungarische Polizei mitgeteilt, dass der BF in Ungarn kein Aufenthaltsrecht habe. Er habe zum Zwecke der Arbeitsaufnahme eine Aufenthaltsbewilligung, ausgestellt am 01.08.2018, gehabt. Die Aufenthaltsbewilligung sei ihm am 18.06.2019 entzogen worden.
6. In weiterer Folge wurde dem BF am 06.05.2021 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (zur beabsichtigten Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung) übergeben und er darin aufgefordert binnen 4 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der BF brachte keine Stellungnahme ein.
7. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 06.05.2021, Zl. 1277766403-210602604, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Vietnam verhängt. Gegen diesen Mandatsbescheid brachte der BF fristgerecht eine Schubhaftbeschwerde ein.
8. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 10.05.2021 wurde dem BF gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Vietnam zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)
Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass der BF nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfülle und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des BF angesichts des unrechtmäßigen Aufenthalts und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegenstehe. Aus dem Fehlen einer Gefährdung im Herkunftsstaat ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Vietnam. Die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei erforderlich, da er eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber der hiesigen Rechtsordnung zeige, sich einen maßgeblichen Zeitraum illegal im Schengenraum aufgehalten habe und nicht über die für den Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Zur Verhängung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sei, da der BF laut seinen eigenen Angaben über keine Barmittel verfüge. Zudem halte sich der BF seit mehreren Monaten illegal im Schengenraum auf. Würde gegen den BF kein Einreiseverbot verhängt werden, dann sei zu befürchten, dass der BF neuerlich im Schengenraum Unterkunft nehmen werde, seinen Aufenthalt nach Ablauf des Visums unrechtmäßig fortsetze, sich der Schwarzarbeit schuldig mache und versuchen werde, ein Aufenthaltsrecht mit gefälschten Urkunden zu begründen. Es sei daher davon auszugehen, dass der BF durch sein Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Anordnung eines Einreiseverbotes in der Dauer von 3 Jahren sei notwendig und erforderlich.
9. Laut einem weiteren im Akt einliegenden Schreiben der Landespolizeidirektion Burgenland vom 01.06.2021 habe das slowakische Kontaktbüro betreffend den BF ergänzend mitgeteilt, dass dieser seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwar rechtmäßig eingebracht habe, der BF allerdings nach der erfolgten Ausreise aus der Slowakei in diese erst wieder mit einem gültigen Aufenthaltstitel oder Visum einreisen dürfe. Somit habe der BF sein vorläufiges Bleiberecht in der Slowakei durch die Ausreise nach Österreich verwirkt. Da der BF keinen gültigen Aufenthaltsteil besitze, sei ihm laut slowakischer Fremdenpolizei die Einreise nicht gestattet.
10. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 02.06.2021, GZ.: W282 2242883-1/18Z, wurde die Schubhaftbeschwerde gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 06.05.2021 - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
11. Gegen die Spruchpunkte II.-VI. des gegenständlichen Bescheides erhob der BF am 04.06.2021 fristgerecht Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, er sei gemeinsam mit einer anderen vietnamesischen Staatsangehörigen aus der Slowakei ins Bundesgebiet eingereist. Er habe am 05.05.2021 in der Slowakei einen Aufenthaltstitel beantragt, über welchen noch nicht entschieden worden sei. Zuvor habe er ca. 2 Jahre lang in Ungarn gelebt, wo ihm eine Aufenthaltsbewilligung, gültig ab 01.08.2018, ausgestellt worden sei. Diese sei ihm am 18.06.2019 entzogen worden. Der BF habe in Ungarn in einem kleinen Supermarkt gearbeitet. Im Juli 2020 sei er in die Slowakei gereist. Am 12.04.2021 sei dem BF in der Slowakei eine Arbeitsbewilligung als Selbstständiger (Unternehmer) erteilt worden. Am 05.05.2021 habe er den Aufenthaltstitel „Unternehmer“ in der Slowakei beantragt. Der BF habe die Slowakei am 06.05.2021 verlassen, um nach Deutschland zu reisen. Er habe seine in Deutschland lebende Schwester besuchen und über Wien mit dem Zug nach München reisen wollen. Der BF sei im Glauben gewesen, dass er mit der Bestätigung über die Antragstellung des slowakischen Aufenthaltstitels in einen anderen EU-Mitgliedstaat legal reisen dürfe. In der Beschwerde wurde gerügt, dass das Ermittlungsverfahren des BFA mangelhaft sei und der Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes nicht nachgekommen worden sei. Wäre die Behörde ihrer Verpflichtung nachgekommen und den BF näher zu seiner finanziellen Situation befragt, dann hätten korrekte Feststellungen getroffen werden können. Die Behörde hätte dann festgestellt, dass der BF nicht mittellos, sondern kooperationswillig sei. Die Erlassung des Einreiseverbotes für die Dauer von 3 Jahren nach dem Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG sei unrechtmäßig. Er habe vorgehabt, seine Schwester in Deutschland zu besuchen und dann wieder in die Slowakei zurückzureisen. Es wäre jedenfalls kein längerer Aufenthalt geplant gewesen, für welchen der BF über mehr Barmittel verfügen hätte müssen. Selbst wenn der Tatbestand der Mittellosigkeit formell erfüllt wäre, bedeute dies nicht, dass zwingend ein Einreiseverbot zu erlassen sei. Vielmehr komme es auf die Art und Schwere des zugrundeliegenden Fehlverhaltes und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, habe die Behörde nicht dargelegt. Die Kooperationsbereitschaft des BF und seine strafgerichtliche Unbescholtenheit seien unberücksichtigt geblieben. Die Behörde habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, wie lange die vermeintlich vom BF ausgehende Gefährdung zu prognostizieren sei und finde sich keine nachvollziehbare Begründung seitens der Behörde, warum die Erlassung des Einreiseverbotes genau in der angegebenen Dauer nötig wäre. Eine solche Prüfung sei nach der Rechtsprechung des VwGH vorzunehmen und die Prognose nachvollziehbar zu begründen. Eine ausreichende Einzelfallprüfung sei nicht vorgenommen worden, sodass nicht nachvollziehbar sei, aufgrund welcher Annahme das BFA zum Ergebnis komme, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von 3 Jahren angebracht sei. Im Ergebnis erweise sich die Erlassung des Einreiseverbotes aufgrund des Verhaltens des BF als nicht erforderlich, jedenfalls aber als unverhältnismäßig hoch. Zudem sei das Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum verhängt worden, ohne die Verhältnisse des BF in anderen Mitgliedstaaten bzw. das Privat- und Familienleben in einem anderen Mitgliedstaat ausreichend zu berücksichtigen. Dies werde vom VwGH jedoch gefordert. Da seine Schwester in Deutschland lebe, würde das Einreiseverbot sein Privat- und Familienleben unverhältnismäßig einschränken. Die Erlassung des Einreiseverbotes sei rechtswidrig und werde beantragt, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu dessen Dauer zu reduzieren, es auf eine angemessene Dauer herabzusetzen bzw. das Einreiseverbot nur für Österreich, nicht aber für alle Mitgliedstaaten, für welche die Rückführungsrichtlinie gelte, zu erlassen. Die Behörde habe der Beschwerde auch zu Unrecht die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung werde lediglich mit einem Verweis auf die angebliche Skrupellosigkeit und Gefährlichkeit des BF begründet, wobei eine solche auch an anderer Stelle des Bescheides nicht näher begründet werde. Sein Verhalten sei nicht derart, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebieten würde. Der EuGH bestätige in der Rechtssache Gnandi, dass im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie grundsätzlich eine freiwillige Ausreise eingeräumt werden solle und die Frist für die freiwillige Ausreise erst mit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zu laufen beginnen solle. Es wurde beantragt, die Spruchpunkte IV. und V. ersatzlos zu beheben und dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise einzuräumen. Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes – insbesondere zur Gefährlichkeitsprognose – unter Einvernahme des BF beantragt, zumal der VwGH klargestellt habe, dass betreffend die anzustellende Gefährlichkeitsprognose für die Verhängung eines Einreiseverbotes dem persönlichen Eindruck im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukomme.
Mit der Beschwerde wurden der Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung in der Slowakei, die Arbeitsbewilligung der Slowakei sowie die ungarische Aufenthaltsbewilligung des BF vorgelegt.
12. Mit Vorlage der Beschwerde teilte das BFA in einer Stellungahme mit, dass es die Beschwerde gänzlich unterlasse, dem bekämpften Bescheid – mit Ausnahme des Einreiseverbotes und der Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise – auf substantiierte Weise entgegenzutreten. Auf welche Gründe sich die Annahme der Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung stütze, sei nicht nachvollziehbar und werde der Eindruck einer Formalbeschwerde erweckt. Die Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes des BF im gesamten Schengenraum stehe zweifelsfrei fest, womit auch die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung kaum in Zweifel gezogen werden könne. Es werde daher um Abweisung der Beschwerde ersucht und darauf hingewiesen, dass der BF aktuell in Schubhaft angehalten werde und sein gültiger Reisepass aufliege, weswegen auch um Bestätigung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zwecks Verkürzung der Schubhaftdauer ersucht werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Die Identität des BF steht fest.
Er ist Staatsangehöriger von Vietnam und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF wollte am 05.05.2021 mit dem Zug über Österreich nach Deutschland reisen, er wurde jedoch an der deutschen Grenze von den deutschen Behörden nach Österreich zurückgewiesen. In der Folge wurde der BF im Bundesgebiet festgenommen.
Mit Mandatsbescheid vom 06.05.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Vietnam verhängt. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 02.06.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.
Er befindet sich in Schubhaft.
Der BF verfügt über einen (abgelaufenen) ungarischen Aufenthaltstitel zur Arbeitsaufnahme, mit Gültigkeitszeitraum von 05.11.2018 bis 02.11.2020. Dieser Aufenthaltstitel wurde dem BF von den ungarischen Behörden jedoch am 18.06.2019 entzogen, der BF gab die Aufenthaltsberechtigung aber nicht bei den ungarischen Behörden ab. Der BF hat sich in Ungarn aufgehalten und ist im Juli 2020 ohne in Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels eines Schengenstaates zu sein, in die Slowakei eingereist. Der BF hat sich fortan in der Slowakei aufgehalten, wo ihm am 12.04.2021 eine Arbeitsbewilligung als Selbstständiger (Unternehmer) erteilt worden ist. Der BF hat am 05.05.2021 einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel „Unternehmer“ in der Slowakei gestellt.
Der BF ist in der Slowakei jedoch nicht aufenthaltsberechtigt und ist nicht zur Wiedereinreise in die Slowakei berechtigt. Dem BF kommt auch in Ungarn kein Aufenthaltsrecht zu. Der BF verfügt auch über keinen Aufenthaltstitel in Österreich. Er befindet sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet.
Der BF ist im Bundesgebiet nicht sozial verankert, er hat in Österreich keine Familie oder Freunde, er war hier nie berufstätig und hat sich niemals legal im Bundesgebiet aufgehalten. Er spricht kein Deutsch und ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur Lage in Vietnam sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:
Es liegen keine Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Der BF läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.
Hinsichtlich der Lage in Vietnam wird auf die im Bescheid des BFA getroffenen Länderfeststellungen verwiesen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine wesentlichen Änderungen der aktuellen Lage bekannt geworden.
1. Politische Lage
Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in Südostasien und erstreckt sich mit einer Fläche von 329.560 km² vom Delta des Roten Flusses im Norden zum Mekong Delta im Süden. Sie grenzt an China, Laos und Kambodscha. Die Einwohnerzahl wird mit Stand 2016 auf 95,3 Millionen geschätzt, Hauptstadt und Regierungssitz ist Hanoi (GIZ 10.2018). Das Staatsgebiet umfasst 59 Provinzen und fünf Städte (GIZ 12.2018a).
Vietnam befindet sich seit dem Beschluss des VI. Parteitags zur sogenannten „Doi-Moi„-Politik (Erneuerung) im Jahr 1986 in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess Richtung marktwirtschaftliches System (AA 10.2018). Das politische System ist nach wie vor durch den alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei (KPV) geprägt, deren Führungsrolle für Staat und Gesellschaft in der 2014 in Kraft getretenen Verfassung unverändert festgeschrieben wird (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a; USDOS 20.4.2018). Pluralismus und eine formale Opposition existieren in Vietnam nicht. Opposition kommt, wenn überhaupt, aufgrund der Herausbildung innerparteilicher Interessengruppen, aus den eigenen Reihen (GIZ 12.2018a). Die in der am 1.1.2014 in Kraft getretenen Verfassung festgeschriebenen Prinzipien zu Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Grundrechtsschutz finden häufig keinen Niederschlag in den gesetzlichen Regelungen, im Verwaltungshandeln oder in der Rechtsprechung (AA 14.12.2018; vgl. GIZ 12.2018a).
Die politische Führung Vietnams besteht aus dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei (KPV), dem Premierminister, dem Präsidenten und dem Vorsitzenden der Nationalversammlung (NV) (USDOS 20.4.2018; vgl. KAS 14.12.2018).
Der Generalsekretär der KPV hat verfassungsgemäß zwar keine formelle Rolle, dennoch werden die wichtigsten politischen Entscheidungen im ihm unterstellten Zentralkomitee und im Politbüro getroffen. Das 19-köpfige Politbüro bestimmt die Richtlinien der Politik. Das 180-köpfige Plenum des Zentralkomitees als zweitwichtigstes Parteiorgan tagt in der Regel zweimal im Jahr (AA 10.2018). Die Amtszeit des Generalsekretärs ist auf maximal zwei Legislaturperioden zu je fünf Jahren begrenzt (KAS 14.12.2018). Seit 2011 ist Nguyen Phu Trong Generalsekretär (AA 10.2018).
Die Regierung, geführt vom Premierminister, ist die höchste Institution der Exekutive. Sie wird von der Nationalversammlung gewählt und ist ihr gegenüber rechenschaftspflichtig. Die Amtszeit des Premierministers ist auf maximal zwei Legislaturperioden zu je fünf Jahren begrenzt (KAS 14.12.2018). Seit Juli 2016 steht Premierminister Nguyen Xuan Phuc an der Spitze der Regierung (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Seinem Kabinett gehören fünf stellvertretende Premierminister, 18 Fachminister und vier weitere Personen im Ministerrang an (AA 10.2018).
Der Präsident wird von der Nationalversammlung gewählt und vertritt den Staat auf nationaler und internationaler Ebene. Gemeinsam mit dem Premierminister bildet er eine doppelköpfige Exekutive. Gemäß der Verfassung ist der Präsident auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte und sitzt ausgewählten Ausschüssen des Zentralkomitees vor (KAS 14.12.2018). Der Präsident wird von der NV für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und ist für die Ernennung des Premierministers verantwortlich, welcher wiederum von der Legislative bestätigt wird (FH 1.2018). Nach dem krankheitsbedingten Tod von Präsident Tran Dai Quang am 21.09.2018 übernahm Vizepräsidentin Dang Thi Ngoc Thinh interimistisch das Präsidentenamt. Am 23.10.2018 wurde der Generalsekretär der KPV, Nguyen Phu Trong, unter Beibehaltung seines Amts als Parteichef, zum neuen Präsidenten gewählt (KAS 14.12.2018; vgl. AA 10.2018). Es handelt sich dabei um die erste Doppelbesetzung und derartige Machtkonzentration an der vietnameischen Führungsspitze seit dem Tod von Ho Chi Minh im Jahr 1969 (KAS 14.12.2018).
Die Nationalversammlung (NV) ist für die Gesetzgebung und die Kontrolle über alle staatlichen Aktivitäten zuständig. Sie tritt zweimal jährlich zusammen und wurde im Mai 2016 für die Legislaturperiode 2016 bis 2021 neu gewählt. Der aktuellen NV gehören 489 Abgeordnete an, deren Mitglieder, bis auf 21 Unabhängige, KPV-Mitglieder sind. Es durften nur wenige unabhängige Kandidaten antreten (AA 10.2018). Die NV wird alle fünf Jahre in geheimer Abstimmung gewählt (GIZ 12.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Vorsitzende der Nationalversammlung ist seit März 2016 Nguyen Thi Kim Nga, die erste Frau in diesem Amt (UKHO 9.2018).
In der Praxis werden Legislative, Exekutive und Judikative weiterhin von der KPV-Führung angeleitet und kontrolliert (AA 10.2018; vgl. BTI 2018). In den letzten Jahren kann man beobachten, dass sich die KPV aus dem politischen „Alltagsgeschäft“ zurückzieht und der Regierung damit eine größere Rolle zukommt (GIZ 12.2018a). Die Exekutive ist mit Volkskomitees in den Provinzen, den Distrikten und Dorfgemeinden vertreten. Daneben gibt es auf allen Verwaltungsebenen Parteikomitees (GIZ 12.2018a).
Die Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung auf demokratischem Wege zu ändern ist stark eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Wahlgesetze und -rahmen stellen sicher, dass die KPV jede Wahl dominiert und das politische System kontrolliert. Die Vietnamesische Vaterlandsfront (VVF), die als Arm der KPV fungiert, ist für die Überprüfung aller Kandidaten für die NV zuständig. Bei den Wahlen von 2016 konnten auch unabhängige Kandidaten kandidieren. 100 unabhängigen, reformorientierten Kandidaten wurde vom Gremium die Kandidatur jedoch untersagt (FH 1.2018). Die letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Mai 2016 waren trotz des begrenzten Wettbewerbs zwischen den von der KPV zugelassenen Kandidaten weder frei noch fair (USDOS 20.4.2018). Die Wahlbeiteilung lag laut Regierungsangaben bei 99 Prozent, wobei es Berichte über das Auffüllen von Wahlurnen gab (FH 1.2018).
Vietnam nimmt eine zentrale Position in der Region Südostasien ein und ist Mitglied der Staatengemeinschaft ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) (GIZ 12.2018a). Wichtigste außenpolitische Partner sind die ASEAN-Mitgliedstaaten, sowie China, Japan, Südkorea, Russland, die USA, in den vergangenen Jahren verstärkt auch Indien, Australien und die EU (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Die vietnamesische Außenpolitik verfolgt drei Kernziele: Die Sicherheit Vietnams - jüngst vor allem mit Blick auf territoriale Streitigkeiten im Südchinesischen Meer, die Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und eine verstärkte Einbindung in die Arbeit internationaler Organisationen (AA 10.2018). China ist der mit Abstand größte Handelspartner Vietnams, wobei sich die Beziehungen aufgrund der maritimen Gebietsstreitigkeiten weiterhin kompliziert gestalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018
- AA - Auswärtiges Amt (10.2018): Vietnam, Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/vietnam-node/-/217340, Zugriff 17.12.2018
- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442521.html, Zugriff 18.12.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (10.2018): Vietnam, Überblick, https://www.liportal.de/vietnam/ueberblick/, Zugriff 7.12.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422603.html, Zugriff 11.12.2018
- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (14.12.2018): Vietnam: kollektive Führung vs. konzentrierte Macht?, https://www.kas.de/web/vietnam/laenderberichte/detail/-/content/vietnam-kollektive-fuhrung-vs-konzentrierte-macht-, Zugriff 18.12.2018
- UKHO - UK Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note Vietnam: Opposition to the State, https://www.ecoi.net/en/file/local/1443687/1226_1537346679_vietnam-oppn-to-vcp-cpin-v3-0-september-2018.pdf, Zugriff 7.12.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018
2. Sicherheitslage
Nachdem es mehrfach zu gewaltsamen Übergriffen Roter Khmer auf vietnamesisches Territorium gekommen war, marschierte Vietnam 1978 in Kambodscha ein und bekämpfte bis 1989 die Roten Khmer im Kambodscha. Auch nach der Lösung dieses Konflikts durch das Pariser Friedensabkommens 1991 kommt es immer wieder zu Spannungen und Grenzstreitigkeiten (GIZ 12.2018a).
Nicht explodierte Minen und Munition stellen eine anhaltende Gefahr auf ehemaligen Schlachtfeldern dar, insbesondere in Zentralvietnam und entlang der Laosgrenze, die früher vom Ho Chi Minh Pfad durchquert wurde (FCO 19.12.2018). Einige Proteste in den letzten Jahren sind gewalttätig geworden oder wurden von den Behörden gewaltsam unterdrückt (FCO 19.12.2018). Insbesondere bewaffneter Widerstand gegen Landraub bedrohte das Gewaltmonopol des Staates (BTI 2018).
Quellen:
- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018
- FCO - Foreign and Commonwealth Office (19.12.2018): Foreign travel advice Vietnam, Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/vietnam/safety-and-security, Zugriff 14.1.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018
3. Rückkehr
Die ungenehmigte Ausreise aus Vietnam und der unerlaubte Verbleib im Ausland stehen grundsätzlich unter Strafe (Art. 274 StGB, Art. 35 Änderungsgesetz zum StGB). Dem deutschen Auswärtigen Amt, anderen befragten westlichen Botschaften in Vietnam und dem UNHCR sind keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern wegen ungenehmigter Ausreise bekannt. Auch eine Drangsalierung von Rückkehrern ist dem Auswärtigen Amt in den letzten Jahren nicht bekannt geworden (AA 14.12.2018). Das Ministerium für öffentliche Sicherheit befragte Personen die in andere Länder ausgewandert waren oder es versucht hatten, einschließlich Asylbewerber, nach ihrer Rückkehr nach Vietnam (USDOS 20.4.2018).
Rückkehrern kann allerdings im Einzelfall eine Bestrafung wegen Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung nach dem Strafgesetzbuch drohen. Dies hängt vom Charakter der jeweiligen politischen Betätigung ab. Sollten vor der Ausreise aus Vietnam sonstige Straftaten begangen worden sein, muss mit einer Strafverfolgung nach der Rückkehr gerechnet werden. Der Grundsatz „ne bis in idem“ (gegen Doppelbestrafung) ist in Art. 28 Abs. 3 StGB enthalten (AA 14.12.2018).
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Rahmen des Programmes AVRR Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr an (IOM 2018). Die Hilfeleistungen beinhalten, abhängig von den jeweiligen Projekten und finanziellen Ressourcen, die Aufnahme nach der Ankunft, weiterführende Reise zum Zielort, temporäre Unterkunft, kurz- oder mittellange Reintegrationshilfe, inklusive Geschäftseröffnung, Berufsschule, Bildung, medizinische Hilfe und weitere maßgeschneiderte Hilfe. Spezielle Wohnungsangebote für Rückkehrer gibt es nicht. Außer durch IOM gibt es keine spezielle, offizielle Unterstützung für Rückkehrende (IOM 2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018
- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Identität und die Staatsangehörigkeit des BF stehen aufgrund des in Vorlage gebrachten vietnamesischen Reisepasses zweifelsfrei fest.
Der Umstand, dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme am 06.05.2021, wo er das Vorliegen von schwerwiegenden Krankheiten explizit verneinte (AS 5) sowie daraus, dass der BF haftfähig ist und sich in Schubhaft befindet. Auch in der Beschwerde wurden keine Krankheiten/gesundheitliche Beschwerden des BF geltend gemacht. Es ist daher auch davon auszugehen, dass der BF arbeitsfähig ist.
Die Feststellungen zur Einreise des BF ins Bundesgebiet, der Zurückweisung durch die deutschen Behörden sowie der Festnahme durch die österreichische Polizei ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem im Akt einliegenden Aufgriffsbericht der deutschen Bundespolizei (AS 15-18), der ebenso im Akt einliegenden Einreiseverweigerung der Bundesrepublik Deutschland (AS 23) sowie dem sichergestellten Zugticket (AS 31).
Der Umstand, dass gegenüber dem BF die Schubhaft mit Mandatsbescheid des BFA verhängt wurde und die vom BF dagegen eingebrachte Schubhaftbeschwerde vom BVwG als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich ebenso aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellung, dass sich der BF in Schubhaft befindet, ist insbesondere aus einem aktuell eingeholten ZMR-Auszug und AHD-Auszug ersichtlich.
Die Feststellung, dass dem BF sein Aufenthaltstitel in Ungarn bereits Mitte 2019 aberkannt wurde, ergibt sich insbesondere aus dem im Akt einliegenden Schreiben der Landespolizeidirektion Burgenland (AS 55). Auch in der Beschwerde wurde ausgeführt, dass dem BF die ungarische Aufenthaltsbewilligung am 18.06.2019 entzogen wurde. Die Tatsache, dass der BF das dazugehörende Dokument den ungarischen Behörden aber nicht ablieferte, ergibt sich schon daraus, dass er es bei seinem Aufgriff im Mai 2021 noch immer bei sich trug und von den Behörden sichergestellt werden konnte (AS 33 und 34). Der Umstand, dass der BF im Juli 2020 in die Slowakei eingereist ist, ist den diesbezüglichen Angaben in der Beschwerde zu entnehmen. Da die ungarische Aufenthaltsbewilligung des BF zum Zeitpunkt seiner Einreise in die Slowakei damit abgelaufen war, war seine Einreise in die Slowakei - mangels des Besitzes eines gültigen Aufenthaltstitels eines Schengenstaates – nicht rechtmäßig. Der Umstand, dass dem BF in der Slowakei am 12.04.2021 eine Arbeitsbewilligung als Selbstständiger (Unternehmer) erteilt wurde und er am 05.05.2021 einen Antrag auf den Aufenthaltstitel „Unternehmer“ gestellt hat, ergibt sich einerseits aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz bzw. aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen und wurde dies andererseits auch schon vom erkennenden Richter des BVwG im Erkenntnis zu GZ: W282 2242883-1/18Z als erwiesen festgestellt.
Dass der BF in der Slowakei weder aufenthaltsberechtigt, noch zur Wiedereinreise berechtigt ist, ergibt sich letztlich zweifelsfrei aus der im Akt einliegenden Mitteilung der Landespolizeidirektion Burgenland vom 01.06.2021 (AS 133). Daraus geht eindeutig hervor, dass die slowakischen Behörden mitgeteilt haben, dass der BF zwar den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig eingebracht hat, er nach einer erfolgten Ausreise aus der Slowakei, in diese aber erst wieder mit einem gültigen Aufenthaltstitel oder Visum einreisen darf. Der BF hat damit sein vorläufiges Bleiberecht in der Slowakei durch die Ausreise nach Österreich verwirkt und ist ihm die Einreise in die Slowakei damit nicht gestattet. Da dem BF die ungarische Aufenthaltsbewilligung – wie bereits oben festgestellt – entzogen wurde, kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht in Ungarn zu. Der BF reiste sohin auch unrechtmäßig ins österreichische Bundesgebiet ein, er verfügt über keinen österreichischen Aufenthaltstitel und stellte er auch keinen Asylantrag, weshalb sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtmäßig bzw. legal ist.
Die Feststellungen, dass der BF im Bundesgebiet nicht sozial verankert ist, er in Österreich keine Familie oder Freunde hat, hier nicht berufstätig war und kein Deutsch spricht, folgt aus dem Unterbleiben gegenteiliger Behauptungen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Vietnam sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:
Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, denen zu entnehmen wäre, dass der BF im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat konkret Gefahr liefe, dort der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.
Wie die belangte Behörde richtigerweise schon im Bescheid ausführte, ist dem Vorbringen des BF keine Gefährdung zu entnehmen. Dem BF wurde von der Behörde die Gelegenheit gegeben, betreffend die Außerlandesbringung bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine Stellungnahme einzubringen. Der BF nahm diese Gelegenheit allerdings nicht wahr und brachte keine Stellungnahme ein.
Auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des BF im Herkunftsstaat ergibt sich nicht, dass eine Abschiebung des BF unzulässig wäre. Der BF ist der Landessprache von Vietnam ausreichend mächtig, zumal auch seine polizeiliche Einvernahme in Vietnamesisch stattfand (AS 4). Er ist gesund und arbeitsfähig. Dem BF ist im Fall einer Rückkehr nach Vietnam aufgrund der dortigen Lage die Teilnahme am dortigen Erwerbsleben möglich und zumutbar und ist davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige BF, der laut seinen eigenen Angaben in der polizeilichen Befragung von Beruf Koch ist (AS 3), seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat erwirtschaften können wird. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Dazu ist der vollständigkeitshalber noch zu erwähnen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.06.2021 auch angab, dass seine Frau im Vietnam sei, was indiziert, dass der BF bei einer Rückkehr in den Vietnam nicht auf sich alleine gestellt sein wird.
Der vollständigkeitshalber wird letztlich noch erwähnt, dass sich auch unter Berücksichtigung der derzeit vorherrschenden Corona-Pandemie kein anderes Bild ergibt. Der BF ist jung (33 Jahre) und hat nicht vorgebracht an irgendwelchen Krankheiten oder einer Immunschwäche zu leiden oder Medikamente einzunehmen, sodass keine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der BF bei einer Rückkehr nach Vietnam eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegenden oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte.
Die Feststellungen zur Situation in Vietnam ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Vietnam ergeben. Den Länderberichten wurde weder vom BF noch seinem rechtsfreundlichen Vertreter entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
Spruchpunkt I. des Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG) wurde explizit nicht angefochten, weswegen dieser Spruchpunkt in Rechtskraft erwuchs und Ausführungen dazu im gegenständlichen Erkenntnis unterbleiben konnten.
3.1. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist gegen einen Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt und dem kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wird, eine Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu erlassen.
Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Wie bereits festgestellt wurde, kommt dem BF kein Aufenthaltsrecht in Österreich zu. Der BF hat im Bundesgebiet keinen Asylantrag gestellt, ihm wurde kein Aufenthaltstitel erteilt und verfügt er auch nicht über eine Aufenthaltsberechtigung in Ungarn oder der Slowakei.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird –insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua, mwH).
Der BF hält sich seit 05.05.2021 im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt in Österreich ist daher als sehr kurz zu bezeichnen. Er ist hier nicht sozial verankert, hat in Österreich keine Familie oder Freunde, war hier nie berufstätig und hat sich niemals legal im Bundesgebiet aufgehalten. Er spricht kein Deutsch und ist hier nicht straffällig geworden. Hinweise auf eine Integration in Österreich liegen damit nicht vor.
Nach Maßgabe einer Interessenabwägung iSd. § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Im vorliegenden Fall sind – wie schon in der Beweiswürdigung umfassend dargelegt wurde - keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 50 FPG zu erkennen:
Aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat allein ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Vietnam derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16.04.2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.
Zudem ist unter Berücksichtigung der hier relevanten persönlichen Umstände des BF nicht von einer völligen Perspektivenlosigkeit des BF auszugehen. Folglich ist es dem BF als einem arbeitsfähigen und gesunden Mann, der die Sprache des Herkunftsstaats spricht, zumutbar, sich in seinem Herkunftsstaat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Er gab bei der Befragung auch selbst an, von Beruf „Koch“ zu sein, sodass auch vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden kann, der BF geriete im Falle einer Rückkehr nach Vietnam in eine lebensbedrohliche Notlage, sondern wird er eine Arbeit finden, um sich seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht.
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Vietnam nicht.
Die Abschiebung des BF nach Vietnam ist daher zulässig.
3.2. Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn 1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, 2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder 3. Fluchtgefahr besteht.
Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und hat durch sein Verhalten (insbesondere durch die illegale Einreise auch in andere Schengenstaaten) seine völlige Gleichgültigkeit gegenüber der österreichischen bzw. europäischen Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht. Die Ansicht des BFA, wonach die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, ist daher nicht zu beanstanden.
Da das BFA die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG zu Recht aberkannt hat, war gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen und ist auch Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden.
3.3. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten auszugsweise:
„Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. - 5. …
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. - 9. …
(3) …“
Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF laut seinen eigenen Angaben über keine Barmittel verfüge, und er sich zudem seit mehreren Monaten illegal im Schengenraum aufhalte. Würde gegen den BF kein Einreiseverbot verhängt werden, dann sei zu befürchten, dass der BF neuerlich im Schengenraum Unterkunft nehmen werde, seinen Aufenthalt nach Ablauf des Visums unrechtmäßig fortsetze, sich der Schwarzarbeit schuldig mache und versuchen werde, ein Aufenthaltsrecht mit gefälschten Urkunden zu begründen.
Die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist iSd. § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 indiziert, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, weil aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert. Dabei obliegt es dem Fremden initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt, auf den ein Rechtsanspruch bestehen muss, für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0284 unter Hinweis auf VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349).
Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 25.09.2020, Ra 2020/19/0132; aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12).
Nach dieser Rechtsprechung des VwGH muss somit der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes des Fremden gesichert erscheinen. Der BF hatte allerdings gar nie die Absicht, sich in Österreich aufzuhalten oder zu verbleiben, sondern wollte er – wie dem Akteninhalt zweifelsfrei zu entnehmen ist – nach Deutschland einreisen, wurde aber von der deutschen Polizeibehörde nach Österreich zurückgewiesen und im österreichischen Bundesgebiet festgenommen. Schon mangels der Absicht, sich in Österreich aufzuhalten, erweist sich die Erlassung eines Einreiseverbotes wegen fehlenden Nachweises des Besitzes der Mittel zum Unterhalt als nicht zulässig. Auch die weiteren Ausführungen der Behörde im Bescheid, wonach im Falle der Nichtverhängung eines Einreiseverbotes zu befürchten sei, dass der BF neuerlich im Schengenraum Unterkunft nehmen werde, seinen Aufenthalt nach Ablauf des Visums unrechtmäßig fortsetze, sich der Schwarzarbeit schuldig mache und versuchen werde, ein Aufenthaltsrecht mit gefälschten Urkunden zu begründen, sind rein spekulativ und vermochten die Verhängung eines Einreiseverbotes nicht zu begründen.
Der Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dieser Spruchpunkt gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.
3.4. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Im vorliegenden Fall konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßg