TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/14 W200 2212058-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.2021
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Entscheidungsdatum

14.07.2021

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W200 2212058-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. 349863304-180685495, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.01.2021 zu Recht erkannt:

A)

1.) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III. – VI. wird als unbegründet abgewiesen.

2.) Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und VII. wird Folge gegeben und werden diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiite, reiste am 06.03.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Im Zuge der Einvernahme am 24.05.2006 gab er an, zwei Jahre in Afghanistan die Schule besucht zu haben. Afghanistan hätte er im Alter von sieben oder acht Jahren verlassen und er sei dann viereinhalb Jahre im Iran bei seinem Onkel mütterlicherseits gewesen. Er hätte im Iran als Steinmetz gearbeitet. Nach diesen viereinhalb Jahren sei er wieder zurück nach Afghanistan gegangen und hätte sich dort noch zwei Jahre aufgehalten. Er hätte bei verschiedenen Verwandten übernachtet und vom ersparten Geld aus dem Iran gelebt.

Als Grund für die Ausreise brachte er vor, dass sein Vater entweder LKW-Fahrer oder Nachtwächter gewesen sei, er wisse es nicht genau. Es hätte einen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten gegeben. Sein Vater sei einige Zeit lang nicht aufgetaucht und nach ca. 15 bis 20 Tagen sei seine Mutter zum Bruder des Vaters gegangen und hätte ihn um Hilfe gebeten. Dieser hätte jedoch nicht helfen wollen. Er wisse alles von seiner Mutter. Er sei damals drei oder vier Jahre alt gewesen. Er könne zwar nicht mit Sicherheit behaupten, dass sein Vater tot sei, aber wisse nicht, wo er sonst sein sollte. Nachdem sein Vater nicht mehr aufgetaucht sei, hätten seine Mutter und er das Haus seines Onkels verlassen müssen und hätten dann beim Onkel mütterlicherseits gelebt. Die Tante sei jedoch unzufrieden über die Situation gewesen und sie hätten zu wenig Geld gehabt. Sein Onkel und er seien zum Arbeiten in den Iran gegangen. Während der ersten beiden Jahre hätte er für den Onkel oder andere Landsleute gekocht und den Haushalt geführt, in den folgenden zwei Jahren hätte er dann schon selbst gearbeitet. Nach viereinhalb Jahren sei er zurück nach Afghanistan gegangen, um seinen Mutter zu besuchen. Diese hätte aber neuerlich geheiratet, eine Tochter gehabt und sei neuerlich schwanger gewesen. Er hätte dann versucht bei Verwandten zu leben, es hätte aber immer wieder Streit gegeben. Sein Onkel väterlicherseits hätte ihm vorgeworfen, dass seine Mutter die Familienehre verletzt hätte, weil sie wieder geheiratet hätte. Man hätte ihm die Schuld gegeben. Deswegen sei er nach zwei Jahren wieder in den Iran gegangen. Sein Onkel hätte ihn sogar vergiften wollen. Er hätte deshalb ein Glas nicht trinken wollen. Er sei dann zurück in den Iran und im Iran hätte ihm ein älterer Mann erzählt, dass seine Mutter mit ihrem jetzigen Mann schon vor der Ehe mit seinem Vater befreundet gewesen sei. Er hätte sich dann gedacht, dass das Verschwinden des Vaters mit diesem neuen Mann zu tun hätte. Beweise hätte er keine. Er sei dann sieben bis acht Monate im Iran gewesen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2006 wurde der Asylantrag des damals minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, jedoch festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nicht zulässig sei und wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.05.2007 erteilt.

Begründend stellte das Bundesasylamt nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle fest, dass seine Identität nicht festgestellt hätte werden können, er Farsi spreche, er illegal nach Österreich gelangt sei und am 06.03.2005 einen Asylantrag eingebracht hätte. Weiters wurde festgestellt, dass er zur Begründung des Asylantrages vorgebracht hätte, dass sein Vater verstorben und seine Mutter mit einem anderen Mann verheiratet sei und er daraufhin im Alter von sieben Jahren für vier bis fünf Jahre in den Iran gegangen sei, danach wieder zur Mutter zurückgekehrt sei und bei deren Familie nicht willkommen gewesen sei, weshalb er Afghanistan verlassen hätte.

Nachvollziehbar und glaubhaft seien seine Angaben gewesen, im Fall einer Rückkehr finanzielle und wirtschaftliche Probleme zu haben sowie der Ausreisegrund, dass er sich in der neuen Familie der Mutter nicht willkommen gefühlt hätte. Den anderen Ausführungen wurde keine Glaubwürdigkeit zugesprochen.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen keine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen wie in der GFK taxativ aufgezählt ebenso wenig vorbringen wie wohlbegründete Furcht iSd der Grundaussage dieser internationalen Norm vorzubringen vermocht hätte.

Zu Spruchpunkt II wurde rechtlich ausgeführt, dass sich Afghanistan in einer schwierigen Umwälzungsphase befinde, die Infrastruktur durch den 23-jährigen Bürgerkrieg in weiten Teilen zerstört worden sei und daher eine Prüfung unter Zugrundelegung des Zumutbarkeitskalküls geboten sei. Sowohl die Ausführungen des Beschwerdeführers als auch die Berücksichtigung individueller, ihn betreffender Faktoren (Alter, Bildungsgrad, Berufsausübung, familiäre Anknüpfungspunkte, vorhandene Ressourcen, etc.) und die derzeitige Lage in Afghanistan würden die Behörde zum Befinden kommen lassen, dass im gegenständlichen Fall die Kriterien für eine ausweglose Lage derzeit (noch) vorlägen, dem Beschwerdeführer somit objektiv gesehen die Lebensgrundlage in seinem Herkunfts- und Heimatstaat entzogen sei.

Auf Antrag verlängerte das Bundesasylamt mit Bescheid vom 24.05.2007 die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers bis 24.05.2008, mit Bescheid vom 30.05.2008 erfolgte eine Verlängerung bis zum 31.05.2009, mit Bescheid vom 08.05.2009 bis 07.05.2010, mit Bescheid vom 19.04.2010 bis zum 19.04.2011, mit Bescheid vom 04.04.2011 verlängerte das BAA die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.04.2012, mit Bescheid vom 28.03.2012 bis zum 27.03.2013, mit Bescheid vom 18.03.2013 bis zum 17.03.2014, mit Bescheid vom 10.06.2014 bis zum 10.06.2016. In der Begründung sämtlicher Verlängerungsbescheide wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan iVm seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet wurde.

Am 17.05.2016 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.06.2018 erteilt.

Von 10.11.2016 bis 02.12.2019 war der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht gemeldet.

Am 20.06.2018 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Einem Aktenvermerk vom 09.10.2018 ist zu entnehmen, dass aus den, dem BFA zugegangenen Informationen betreffend die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sich Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht bzw. nicht mehr vorliegen wegen geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat.

Mangels polizeilicher Meldung strebte das BFA beim Bezirksgericht die Bestellung eines Abwesenheitskurators an. Dies wurde mit Beschluss des BG XXXX vom 18.10.2018 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 19.11.2018 wurde unter Spruchpunkt I der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 27.06.2006 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amtswegen aberkannt, unter Spruchpunkt II die mit Bescheid vom 27.06.2006 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen, unter Spruchpunkt III dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG wurde gegen den Beschwerdeführer unter Spruchpunkt V eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen, festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI ihm eine Frist für seine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt. Unter Spruchpunkt VII erließ das BFA ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von drei Jahren.

Festgestellt wurde, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des Subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht mehr vorlägen:

„Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat von solchen Verhältnissen betroffen sind, die dazu führen, dass Sie wenn Sie sich dort aufhalten, einem realem Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen sind.

Ihre Niederlassung im, sowie Ihre Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat (somit auch in jedem Teil des Gesamtstaates) ist reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung.

Sie verfügen über enge familiäre Beziehungen im Herkunftsstaat.

Sie verfügen über soziale Kontakte im Herkunftsstaat.

Sie verfügen über eine Grundschulbildung.

Sie sind gesund und arbeitsfähig.

Sie verfügen in Ihrem Herkunftsstaat über eine Unterkunftsmöglichkeit.

Nicht festgestellt wird, dass Ihnen im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat die notwendige Lebensgrundlage entzogen wäre.

Nicht festgestellt wird, dass Sie an einer akuten ernsthaften oder lebensbedrohlichen Krankheit leiden, die im Herkunftsstaat nicht behandelbar wäre.“

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass die ursprünglichen Umstände nicht mehr gegeben seien. Die Situation in Afghanistan sei nachhaltig befriedet und es bestehe daher keine Gefahr mehr, dass er Opfer eines innerstaatlichen Konfliktes werden und daher stelle seine nunmehrige Rückführung keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.

Afghanische Staatsangehörige könnten diverse Rückkehrprogramme beanspruchen und Reintegrationsunterstützung für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, etwa auch in Kooperation mit IOM erhalten. Eine völlige Perspektivlosigkeit könnte somit schlichtweg nicht erkannt werden. Ziel der Schutzgewährung sei es nicht, Menschen vor unangenehmen Situationen, eine solche eine Rückkehr nach Afghanistan wohl auch sein werde, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Es erfolgten Ausführungen zu Kabul und erging die Schlussfolgerung, dass im Falle der Rückkehr und Aufenthaltnahme in Kabul keinesfalls von einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verletzung des Art 2, 3 bzw. 6 oder 11. Zusatzprotokoll EMRK vorliegen kann. Insofern kann auch aufgrund der Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan entsprochen werden. Es sei daher unmöglich, dass den Beschwerdeführer eine unzumutbare Härte bei der Neuansiedelung in Kabul treffe.

Aus den Ländererkenntnissen und den Feststellungen zu seinen persönlichen Umständen ergebe sich bei Berücksichtigung des verbleibenden Sachverhaltes zudem, dass im gesamten Herkunftsstaat keine solchen Verhältnisse herrschten, die dazu führten, dass er, wenn er sich dort aufhalten, einem realem Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein. Weder sei daher eine Gewalt, von der er betroffen zu sein behaupte, glaubhaft willkürlich oder schwer, noch stelle dies zwingend und wahrscheinlich eine ernsthafte und glaubhafte Bedrohung für ihn dar. Sei Niederlassung im, sowie eine Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat (somit auch in jedem Teil des Gesamtstaates) ist somit reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung.

Aus den Erkenntnisquellen muss zudem der Schluss gezogen werden, dass Ihnen durchaus ein alternativer Aufenthalt in Afghanistan zur Verfügung steht. Es steht ihm frei, sich an einem anderen Ort anzusiedeln, sollte er sich dafür entscheiden.

Am 20.11.2018 erfolgte eine Hinterlegung dieses Bescheides im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustG.

Mit Mail vom 20.11.2018 übermittelte das AMS ein E-Mail mit folgendem Inhalt an das BFA:

„Auffälliges/aggressives Verhalten bei Vorsprachen im AMS.

Gespräche finden nur mehr in Anwesenheit Beraterin/Abteilungsleiterin/Wachdienst statt, zB bei AMS Terminen:

07.08.2018:

Herr XXXX . beschimpft Beraterin und deren Abteilungsleiterin mit den Worten „Ich scheiß auf das AMS“, „ich pisse darauf“, „Allah ist groß“, AMS Vermittlungsvorschläge werde er in den Mistkübel schmeißen.

03.08.2018:

Herr XXXX . beschimpft Beraterin und deren Abteilungsleiterin mit den Worten: „Ich habe keinen Bock auf Ihren Scheiß, alles ist Scheiße, ich werde was machen, ich komme sowieso zu meinem Geld, arbeiten werde ich sowieso nie, Ihr seid’s alle Scheiße ….“

Vom AMS wurde eine Strafanzeige wegen Beschimpfung und Beleidigung erstattet und dem BMI eine Mitteilung wegen des Verdachtes des Islamismus übermittelt.

Eine Einsicht in das ZMR im November 2018 ergab, dass der Beschwerdeführer letztmalig am 09.11.2016 im Bundesgebiet gemeldet war. Der Beschwerdeführer verfügte auch nicht über eine Obdachlosenmeldung.

Mit E-Mail vom 30.11.2018 erging eine Anfrage eines Mitarbeiters der Caritas Salzburg, ob der Beschwerdeführer das Schriftstück in Salzburg abholen könne. Das E-Mail wurde dahingehend beantwortet, dass der Originalbescheid nicht an die Regionaldirektion Salzburg verschickt werden könne. Es sei jedoch möglich, über die Caritas Burgenland im Rahmen des Parteiengehörs in der Regionaldirektion Burgenland Akteneinsicht zu nehmen.

In weiterer Folge wurde am 18.12.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Sicherheitslage hätte sich in Afghanistan seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht wesentlich verbessert. Der Beschwerdeführer halte sich seit Jänner 2006 in Österreich auf und sei bis vor kurzem gut integriert gewesen. Aufgrund von Krankheit, Schulden, Drogen- und Alkoholproblemen sei er in den letzten Jahren leider arbeitslos und obdachlos geworden. Angeschlossen war ein Arztbrief vom 28.07.2016 über einen Aufenthalt des Beschwerdeführers am 27.07.2016, wobei als Aufnahmegrund „Äußerung von Selbstmordgedanken im Rahmen einer Belastungssituation“ angegeben wurde. Ebenfalls angeschlossen war eine Betreuungsvereinbarung des AMS Salzburg vom 04.12.2018, gültig bis 31.01.2019 (AS 841) sowie Kursbestätigungen aus dem Jahr 2005 und 2006.

Beim BVwG langten im anhängigen Beschwerdeverfahren diverse Abschlussberichte der LPD Salzburg ein, unter anderem auch wegen des Verdachtes auf sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen sowie des Verdachtes auf Nötigung.

Mit Urteil des LG Feldkirch vom 05.08.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen verurteilt.

Das BVwG führte am 05.01.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, die im Folgenden zum besseren Verständnis wörtlich wiedergegeben wird:

„Beginn der Befragung:

RI: Im Verfahren vor dem BAA haben Sie zu Ihrer Person zusammengefasst Folgendes ausgesagt:

Sie sind Afghane, Hazara, Schiite. Ihr Vater ist 1995 verstorben. Sie haben Afghanistan im Alter von 7 oder 8 Jahren verlassen, sich dann 4 ½ Jahre mit Ihrem jüngeren Bruder und Ihrem Onkel mütterlicherseits im Iran aufgehalten. Im Iran haben Sie als Steinmetz gearbeitet. Ihre Mutter hat in Afghanistan wieder geheiratet. Danach sind Sie nach Afghanistan zurückgekehrt und haben sich dort noch 2 Jahre bei Ihrem Onkel aufgehalten. Ihre letzte Wohnadresse in Afghanistan war in Ghazni, Gharabagh, XXXX .

Sie kehrten in den Iran nach Isfahan zurück und verließen nach 8 Monaten den Iran Richtung Europa.

Stimmt das?

BF: Ja, richtig.

RI: Sie haben laut Ihren Angaben beim BAA insgesamt die Schule in Afghanistan 2 Jahre lang besucht. Beim AMS haben Sie gesagt, dass Sie 4 Jahre die Schule besucht haben. Was stimmt?

BF: Ich habe keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich vergesse einfache Sachen. Ich weiß nicht, was ich gestern gegessen habe.

RI: Haben Sie in Österreich noch irgendeine Schule besucht bzw. eine Ausbildung gemacht?

BF: Ja. Die Kurse A1, A2 habe ich besucht. Ich glaube, dass ich bis zum Niveau C1 den Deutschkurs besucht habe, aber ich habe keine Zertifikate.

RI: Wo ist Ihr Bruder jetzt?

BF: Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber er ist auf jeden Fall unterwegs, auf der Flucht. Entweder zwischen dem Iran und der Türkei oder weiter nach Griechenland. Ich habe absolut keinen Kontakt zu niemandem, zu keinen Mitmenschen. Ich bin ganz allein.

RI: Im Bescheid des BAA, 05 03-014-BAI, vom 27.06.2006 wurde rechtskräftig festgestellt, dass Sie eine Verfolgung iSd GFK nicht glaubhaft vorzubringen vermocht haben. Deswegen wurde Ihr Asylantrag auch abgewiesen.

Ist Ihnen das klar?

BF: Ehrlich gesagt, ich habe damals nicht alles verstanden. Ich habe nur verstanden, dass ich irgendeine Arbeitserlaubnis bekommen habe und ich arbeiten durfte. Jetzt ist es mir klar.

RI: Das BFA hat Ihnen deshalb im Jahr 2006 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weil sich Afghanistan in einer schwierigen Umwälzungsphase befand, die Infrastruktur durch den 23-jährigen Bürgerkrieg zerstört war, die Kriterien für eine ausweglose Lage (noch) vorgelegen seien, weshalb Sie in Gefahr gewesen seien, dass Ihnen die Lebensgrundlage entzogen wäre.

BF: Ich habe das jetzt verstanden, damals aber nicht.

RI: Wenn man Ihren Namen in den kriminalpolizeilichen Aktenindex des BMI eingibt, dann scheinen einige Eintragungen auf:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

Die dazugehörigen Polizeiberichte liegen zT im Akt auch auf.

Konsumieren Sie immer noch Drogen?

BF (auf Deutsch): Ich habe damals gar nichts zu tun, ich bin komplett sauber. Ich wurde dreimal untersucht.

RI: Konsumieren Sie immer noch Drogen?

BF: Seit einiger Zeit nehme ich gar keine Drogen mehr, ich bin absolut clean. Damals war ich eigentlich auch clean. Ich hatte keine Probleme mit den Drogen, sondern ein Geschlechtsproblem.

BFV ersucht den BF auf sein Aussageverweigerungsrecht betreffend eine eventuelle Selbstbeschuldigung hinzuweisen.

RI: Ich habe ausschließlich danach gefragt, ob er derzeit noch Drogen konsumiert und keine Stellungnahme zu den Anzeigen des BF gefordert.

RI an D: Bitte weisen Sie den BF auf sein Aussageverweigerungsrecht hin.

RI: Sie haben die AMS Mitarbeiterin am 3.8. und 7.8.2018 beschimpft: „Ich habe keinen Bock auf Ihren Scheiß, alles ist scheiße, Ich werde was machen, ich komme sowieso zu meinem Geld, arbeiten werde ich sowieso nie, Ihr seid alle scheiße (3.8.)“ „Ich scheiße auf das AMS, Ich pisse darauf, Allah ist groß ,…(7.8.).“

Wieso haben Sie so ein schlechtes Benehmen? Weil Sie nicht arbeiten wollen?

BF: Sowas habe ich nicht gesagt. Ich bin seit über 15 Jahren in Österreich. Ich bin hier bestens integriert. Ich habe sehr viele österreichische Freunde in ganz Zell am See und auch Salzburg. Ich verbringe sehr viel Zeit mit meinen österreichischen Freunden und unterhalte mich mit ihnen. Was Sie über das AMS sagen ist nicht richtig und vollständig. Ich mache mich jeden Tag „nass“.

RI: Was heißt das?

BF: Das heißt, ich kann mich nicht kontrollieren, ich uriniere. Das ist jetzt seit 12 Jahren so.

RI an BehV: Wie kommen Sie auf den Verdacht des Islamismus des BF oder war das ein Verdacht des AMS?

BehV: Ich muss gestehen, ich höre das heute zum ersten Mal. Es wurden dafür keine Schritte eingeleitet.

RI: Sie wurden nunmehr jetzt am 5.8.2020 auch bereits einmal rechtskräftig gerichtlich wegen Nötigung gemäß § 105 StGB verurteilt. Wieso wurden Sie straffällig?

BF: Ich bin sehr schwach. Wie kann ich überhaupt jemanden nötigen? Das ist Depression, mir geht es auf einmal schlecht, ich schwitze.

RI: Sie haben bei einer Dame das T-Shirt nach unten gezogen, damit ihr BH freigelegt worden ist.

BF: Nein, das stimmt gar nicht.

RI: Die Dame war mit dem Hund spazieren und ohne Handy unterwegs, ist dann nachhause gegangen, hat das Handy geholt und hat sich mit dem Handy fotografiert. Sie haben sie daraufhin bedroht, sie soll aufhören, sonst schlagen Sie ihr das Telefon kaputt. Laut Polizei nahmen Sie ihr das Handy weg, um es wegzuwerfen.

BF: Ich habe Angst vor Hunden, das war alles ein Theater.

RI: Sie haben bei der Polizei gesagt: „Ich habe das T-Shirt auch nicht heruntergezogen, sondern nur zu mir hergezogen. Warum ich das gemacht habe, das weiß ich nicht, es war ein Fehler“.

BF: Ich war bei der Polizei, ich habe das gesagt, das stimmt. Zu dieser Zeit war ich voll betrunken aufgrund meines Gesundheitszustandes. Wenn ich nur ein Bier trinke, dann bin ich betrunken. Ich habe aber viel andere Sachen auch zu der Polizei gesagt. Sie lesen nur negative Sachen, es gab auch positive Sachen.

RI: Ich kann nur das lesen, was drinnen steht. Warum sind Sie nicht zur Gerichtsverhandlung gegangen?

BF: Wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe, wie kann ich zum AMS und zum Gericht gehen?

RI: Sie haben eine rechtskräftige Verurteilung.

BF: Ich habe niemanden geschlagen, ich kann überhaupt niemanden schlagen, wenn man mich sieht. Ich sehe so seit 12 Jahren aus, bin sehr, sehr schwach. Ich habe Angst und ständig Zweifel. Darf ich etwas hinzufügen?

RI: Ja.

BF: Ich bin ganz allein gekommen heute, weil niemand mich begleiten möchte. Alle sagen: „Du urinierst“, alle beleidigen mich, alle schimpfen. Deswegen muss ich immer das Bundesland wechseln. Weil ich vor Freunden und vor Bekannten flüchte. Ich habe viele Freunde und Bekannte hier, auch Österreicher und Österreicherinnen. Zu ihnen habe ich Kontakt, aber niemand zählt auf mich.

BFV: Keine Fragen.

BehV: Warum trinken dann lediglich immer Alkohol, wenn Sie wissen, dass Sie daraufhin sich dann nicht beherrschen können?

BF: Seit über 18 Jahren habe ich meine Heimat Afghanistan nicht gesehen. Ich habe dort niemanden. Ich habe auf der ganzen Welt nur einen jüngeren Bruder und weiß nicht einmal, wo er ist. Österreich ist meine zweite Heimat und wenn ich gesund wäre, dann könnte ich mich gut benehmen.

RI: Wieso glauben Sie, dass Sie nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren können?

BF (auf Deutsch): Sehr gute Frage, wissen Sie. Ich kann Ihnen auf jeden Fall eine gute Antwort liefern. Die Lage in Afghanistan 90% der in Gharabagh lebenden Personen sind Paschtunen. Wo die Paschtunen sind, sind Taliban. Die Paschtunen unterstützen die Taliban und lassen es zu, sie bringen die Taliban bei sich zuhause unter. Vorgestern haben sie 30 Hazara Menschen in Gharabagh entführt. Das ist jeden Tag so seit 30 oder 40 Jahren. Hazara sind immer unter Druck. Die Hazara sind auf der Flucht aus Gharabagh. Sie werden entführt, die Leute von den Taliban bedroht. Was die Taliban von Hazara, also von uns wollen, sie wollen jemanden entführen, damit sie für denjenigen Geld erpressen. Wenn sie 5000 oder 6000 Euro pro Person bekommen, dann lassen sie die Leute wieder frei. Am nächsten Tag passiert das gleich wieder. Ich kann Ihnen Videos zeigen, ich kann es beweisen.

RI: Das heißt, Sie meinen, dass Sie, weil Sie Hazara sind, gefährdet sind?

BF (auf Deutsch): Ganz genau, das weiß doch jeder.

BF spricht ausgezeichnet Deutsch.

RI: Haben Sie sonst noch einen Grund, warum Sie nicht zurückkehren können?

BF (auf Deutsch): Natürlich, vieles mehr noch. Der wichtigste Grund, warum ich Afghanistan verlassen habe und in Österreich gelandet bin: Ich habe gesagt, dass ich Schwierigkeiten hatte. Ich wurde im Alter von 7 Jahren als Kind missbraucht. Danach ist die Krankheit in mir aufgewachsen, ich bin traumatisiert. Das habe ich am Anfang auch gesagt. Ich habe mich vor 15 Jahren für Österreich entschieden. Ich bin hier. Auf Hochdeutsch gesagt: Geben und nehmen, Österreich hat mir viel gegeben und jetzt möchte ich immer wieder versuchen gesund zu werden, um das Österreich zurückzugeben. Ich habe bis jetzt keine Sozialhilfe geleistet bzw. bekommen. Ich habe dafür jahrelang gearbeitet. Danach bin ich einfach krank geworden, ich leide seit 11 bzw. 12 Jahre lang.

RI: Meinen Sie jetzt, dass Sie sexuell missbraucht wurden oder wurden Sie anderwärtig misshandelt?

BF (auf Deutsch): Entschuldigen Sie bitte, mit 7 Jahren merkt man das nicht.

RI: Waren es sexuelle Übergriffe?

BF (auf Deutsch): Ja, genau. Ich wurde missbraucht.

RI: Ich finde in Ihren Einvernahmen beim BAA keine Aussage zu sexuellen Übergriffen, sondern dass Ihre Mutter ein zweites Mal geheiratet hat und dass Ihr Onkel Sie vergiften wollte. Von sexuellen Übergriffen steht hier nichts.

BF (auf Deutsch): Ich bin 2005 in Vorarlberg gelandet, da wurde ich 16 Jahre alt. Wir werden dort betreut, wir sind Menschen, wie alle andere. Sie haben uns natürlich geholfen und haben und unterstützt. Dann habe ich mich bei einer Psychologin gemeldet. Ich musste dreimal pro Woche hingehen. Das hat mir fast gar nichts geholfen. Sie hat sich einfach neben mir hingesetzt, stellte mir ein paar Fragen etc. und sagte, mehr kann sie für mich zurzeit nicht tun.

RI: Sie haben gesagt, dass Sie das schon beim BAA damals gesagt habe, dass es sexuelle Übergriffe gegeben hat. Aber ich finde diese Aussagen nicht.

BF (auf Deutsch): Ich habe es nicht gesagt, ich wollte es damals nicht sagen, ich habe mich geschämt. Es geht auch ums Schämen, oder?

RI: Haben Sie noch einen Grund, warum Sie nicht zurückkehren könnten?

BF (auf Deutsch): Natürlich, in meinem körperlichen Zustand kann ich nirgendwo hin. Z.B. ich bin weiß.

RI: Was meinen Sie damit?

BF: In diesen Jahren war ich hier drogenabhängig. Ich habe auch Geschlechtsprobleme. Wenn ich jetzt nach Afghanistan zurückkehre, werde ich vom Mullah getötet. Sie betrachten mich als einen Ungläubigen.

RI: Was meinen Sie mit Geschlechtsproblemen?

BF: Ich bin Porno-abhängig. Ich habe mir die ganze Zeit Pornofilme angeschaut.

BF (auf Deutsch): Leider, ich sage die Wahrheit.

RI: Meinen Sie, dass Sie Sexvideos süchtig sind?

BF (auf Deutsch): Genau. Ja, das stimmt. Ich kann damit nicht aufhören. U.a. aus diesem Grund habe ich meine Spermien nicht unter Kontrolle. Wenn ich sage, dass ich jeden Morgen nass bin, ist es nicht nur Urin. Dann gehört die Depression und Aggression dazu und das Schwitzen auch. Sehen Sie, ich zittere gerade, ich habe gar nichts getan (BF demonstriert seine Hände). Ich habe niemandem wehgetan, außer mir selber. Niemandem.

RI: Gibt es sonst noch einen Grund?

BF (auf Deutsch): Natürlich gibt es Gründe. Afghanistan ist und bleibt mein Heimatland. Aber erst wenn die Lage in Afghanistan sich bessert, z.B. in Kabul, dann können wir gemeinsam hinfahren. Wir können eine schöne Zeit dort verbringen und wieder retour.

RI: Sie meinen damit, es ist allgemein zu gefährlich?

BF (auf Deutsch): Ja. Den Medien können Sie das auch entnehmen. Z.B. folge ich immer OE24.

Ich wollte jetzt etwas sagen, aber habe es wieder vergessen. Ich werde überall als Tiroler bezeichnet. Ich habe so viele Freunde hier, mehr als viele. Sie sind für mich immer noch da.

RI: Wieso können Sie nicht nach Mazar-e Sharif gehen?

BF (auf Deutsch): Sie stellen eine schöne Frage. Wir können leider Afghanistan mit Österreich nicht vergleichen. In Österreich ist es so, ich kann jederzeit das Bundesland wechseln und immer hin und her gehen, aber ich muss auf meinen eigenen Beinen stehen, ich muss ein Gehalt haben. Aber in Afghanistan – das weiß doch jeder – habe ich keine Chance. Darum gibt es auch keinen Frieden in Afghanistan, die Lage in Afghanistan verschlechtert sich von Tag zu Tag.

BFV: Keine Fragen. Ich habe eine Stellungnahme, die ich nachschicken werde, weil bei uns heute der Drucker ausgefallen ist, sonst hätte ich sie heute vorgelegt.

BehV: Stehen Sie aktuell in psychiatrischer bzw. psychologischer Behandlung?

BF (auf Deutsch): Ja natürlich. Ich habe mich bei der Psychologin gemeldet, habe ihr eine E-Mail geschrieben. Ich kann erst ab 15.01. bei ihr einen Termin haben.

RI: Sind Sie jetzt aktuell bzw. im Dezember in einer Behandlung gewesen?

BF (auf Deutsch): Nein, ich habe leichte Medikamente genommen, Beruhigungsmittel. Ich weiß nicht mehr genau, wie sie heißen.

RI: Wer hat Ihnen diese verschrieben?

BF (auf Deutsch): Meine ehemalige Hausärztin in XXXX , sie war wie eine Mutter für mich.

RI: Wie kam das Rezept nach Vorarlberg?

BF (auf Deutsch): Wir sind immer noch im Kontakt.

RI wiederholt die Frage.

BF (auf Deutsch): Wir haben miteinander telefoniert, ich nahm die Medikamente auch damals. Nach ein paar Tagen habe ich mich immer innerlich schlecht gefühlt und auch mein Magen.

RI: Sie haben ein Rezept von der Ärztin in XXXX in Vorarlberg eingelöst?

BF (auf Deutsch): Ja.

RI: Sie haben so oft den Wohnsitz gewechselt, sind von Stadt zu Stadt gezogen. Wie sind Sie da immer zurechtgekommen? Wie konnten Sie da immer eine Wohnung und eine Arbeit finden?

BF (auf Deutsch): Gute Frage, diese wollte ich von selber antworten. Wie gesagt, es geht auch um meine Situation, also meine Krankheit. Das Schwitzen usw. ich bin klein, ich esse so viel wie eine ganz normale Person, aber es nutzt nichts. Z.B. wenn mich jemand sieht, dann beleidigt mich derjenige.

RI: Wieso? Weil Sie klein und schlank sind?

BF (auf Deutsch): Natürlich, ich esse sehr viel.

RI: Sie werden beleidigt, weil Sie klein und schlank sind?

BF (auf Deutsch): Natürlich, wer so viel isst, der nimmt zu. Ich esse so viel wie eine normale Person, das bringt sich aber nichts.

BehV wiederholt die Frage: Sie waren in XXXX , XXXX , haben auch verschiedene Meldungen. Wie ist Ihnen gelungen, dass Sie immer eine Unterkunft bzw. Wohnung finden?

BF (auf Deutsch): Schon wieder eine gute Frage, warum. Überall gibt es Notschlafstellen wo man bleiben kann. Ich bin aber nicht dort hingegangen. Ich habe Bekannte gehabt, aber ich wollte mich nicht mit ihnen treffen, weil ich mich schämte. Ich wollte nur alleine sein.

RI: Wie haben Sie immer eine Unterkunft gefunden bzw. wer waren die Leute, bei denen Sie gewohnt haben?

BF (auf Deutsch): Ich habe mich am Anfang in der Notschlafstelle gemeldet und nach zwei Wochen habe ich dort übernachtet. Dann habe ich auf der Straße andere Personen und die haben mir weitergeholfen. Die haben mich mitgenommen nachhause.

RI: Wer ist XXXX ?

BF (auf Deutsch): Das ist ein Afghane.

RI: Und der XXXX ?

BF (auf Deutsch): Er ist auch ein Afghane. Als ich in Österreich gekommen bin, war ich doppelt so groß. Jetzt bin ich ganz dünn.

BehV: Sie wirken nicht so, wie wenn Sie arbeitsunfähig wären, sondern Sie könnten beispielsweise als Koch arbeiten.

BF (auf Deutsch): Ich bin fleißig, ich war fleißig. Am Jobsuchen bin ich natürlich fleißig. Ich habe mich immer von selbst beworben und selbst was gefunden, überall.

BehV: Könnten Sie auch Schwerarbeit annehmen, beispielsweise am Bau?

BF (auf Deutsch): Natürlich, damit kann ich meine Muskeln wieder aufbauen.

BehV: Keine weiteren Fragen.

RI: Wieso haben Sie bei der XXXX GmbH nur 2 Wochen gearbeitet (August, September)?

BF (auf Deutsch): Das muss ich übersetzen lassen, weil ich mich schäme. Weil ich damals fast den ganzen Tag mit meinen Händen meinen eigenen Körper berührt habe. Das war so intensiv, dass ich damals schwache und verletzte Hände hatte. Mit diesen Händen konnte ich nicht arbeiten.

RI: Meinen Sie, dass Sie onaniert haben?

BF (auf Deutsch): Ja.

RI: Warum waren Sie bei XXXX nur 10 Tage?

BF (auf Deutsch): Da war ich geringfügig eingestellt. Sein Laden ist nicht so gut gelaufen. Er hätte jemanden für die Küche gebraucht. Ich konnte 10 Stunden in der Woche arbeiten, mehr hat er mir nicht bieten können, deshalb habe ich zu Karre gewechselt. Ich kann Burger backen, Spicy Burger.

RI: Was war beim Herrn XXXX in Mutters? Da haben sie 4-5 Monate gearbeitet. Warum haben Sie aufgehört?

BF: Das war ein Campingplatz.

RI: War da die Saison zu Ende?

BF (auf Deutsch): Ich habe mich an Finger verletzt, er blutete zu viel, der Chef hat mich ausgelacht. Er war komisch. Ich wollte, dass er mir hilft, aber er hat mich ausgelacht und dann bin ich auf 180 gegangen. Ich habe zu ihm gesagt: „Ich bin fertig, ich werde mich verpissen.“

RI: Dann waren Sie auch im XXXX GmbH eine Woche lang in Tirol. Was war da?

BF (auf Deutsch): Das weiß ich nicht mehr.

BFV: Keine Fragen.

BehV: Keine Fragen.

Die Verhandlung wird um 12:00 Uhr unterbrochen und um 12:07 Uhr fortgesetzt.

RI: Was machen Sie jetzt aktuell hier in Österreich?

BF (auf Deutsch): Ich verbringe Zeit, ich gehe spazieren gehen in der Natur. Ich mag Tiere, ich liebe Tiere. Wenn wir über Tiere reden, es gibt verschiedene Tiere. Es gibt Hunde und viele ewitere. Aber ich mag Mäuse und Hasen. Ich habe in Österreich einen schwarz-weißen Hasen gehabt, einer ist gestorben und einen habe ich weitergegeben. Mein Lieblingsessen ist Weißwurst mit scharfem Senf. Käsespätzle schmecken mir besonders mit Röstzwiebel und Schnittlauch.

RI: Was machen Sie, abgesehen von Spaziergängen?

BF (auf Deutsch): Ich bin ein Frühaufsteher. Ich wache jeden Tag um 6 Uhr, spätestens um halb 7 auf. Ich trinke gerne Kaffee und ich frühstücke gar nicht. Ich trinke Kaffee und rauche eine. Dann mache ich einen Plan, wie ich den Tag verbringe. Alles läuft geplant. Die Gastronomie hat zu und ich habe Erfahrungen in der Küche. Deswegen hoffe ich, dass kein 4. Lock down mehr kommt.

RI: D.h. Sie würden gerne in einer Küche arbeiten?

BF (auf Deutsch): Natürlich. Ich habe vieles gelernt. Meistens österreichische Gerichte.

RI: Wie war Ihr letzter Samstag?

BF (auf Deutsch): Er war super, angenehm. Angenehm heißt z.B. man braucht ab und zu auch Ruhe. Man kann sich auch nicht jeden Tag und jederzeit mit Freunden treffen und miteinander quatschen. Weil sie fangen an mich zu beleidigen, dann mag ich das nicht, dann ist mir lieber alleine zu sein, dann kann ich besser nachdenken.

BFV: Keine Fragen.

RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern? Woher kennen Sie die?

BF (auf Deutsch): Natürlich. Wo soll ich anfangen? Ich habe überall Freunde. Ich habe vorhin schon gesagt. Ich habe viele Freunde hier kennengelernt, die meisten sind in Salzburg. In der Notschlafstelle habe ich diese kennengelernt. Wir waren täglich unterwegs. Wir waren sogar zelten. (BF zählt diverse Namen auf)

RI: Das Aberkennungsverfahren wurde zwar nicht wegen Ihrer Straffälligkeit, sondern wegen der geänderten Verhältnisse im Heimatland eingeleitet. Nunmehr wurden Sie bereits rechtskräftig von einem LG wegen Nötigung verurteilt. Somit wird nunmehr auch § 9 Abs. 3 AsylG 2005 schlagend.

Das BVwG hat in seinen Erkenntnissen W144 1435390-3/10E und W192 2004018-4/2E unter Zugrundelegung der RV 952 XXII.GP und RV 330 XXIX.GP entschieden, dass im Falle eines Aberkennungsverfahrens von subsidiärem Schutz bei Straffälligkeit gemäß § 9 Abs. 1 AsylG eine „neue individuelle Bewertung“ des Schutzstatus durchgeführt werden muss.

BFV: Ich nehme das zur Kenntnis.

RI: Warum würde dem BF bei einer Abschiebung mach Afghanistan ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen?

BFV: Wie in der Stellungnahme genau ausgeführt, ist die Lage für Hazara in Afghanistan; sein langjähriger Aufenthalt hier in Österreich, wodurch er als ein verwestlicht angesehener Rückkehrer angesehen wird und zur Rückkehrentscheidung ebenfalls der langjährige, über 10-jährige Aufenthalt, seine psychische Erkrankung, es besteht ein Arztbrief (AS 879), dass er unter einer PTPS leidet, wobei er in Afghanistan keine entsprechende Behandlung erhalten würde.

RI: Wieso können Sie nicht in Mazar-e Sharif leben? Sie sind jung, gesund genug, arbeitsfähig und haben in den letzten Jahren auch in Österreich ein bisschen Berufserfahrung gesammelt.

BF (auf Deutsch): Afghanistan spielt für mich zurzeit gar keine Rolle und eine Rückkehr auf keinen Fall. Ich kann z.B. von Wien nach XXXX natürlich umziehen. Aber wie in Afghanistan die Leute sind und wie Afghanistan überhaupt funktioniert, wissen Sie nicht. Sie müssen noch einiges erfahren über Afghanistan: In Afghanistan hassen Menschen Menschen, in Afghanistan hassen die Nachbarn, Nachbarn. Die Afghanen haben Schwierigkeiten mit sich selbst. Es gibt immer Streit zwischen zwei Nachbarn für nichts. Wie soll ich dann von Gharabagh nach Mazar-e Sharif als Fremder umziehen? Die stellen verschiedene Fragen: Wo kommst du her, wo bist du geboren, wer hat dich auf die Welt gebracht, wo ist dein Vater und deine Mutter? Ich habe keine Antwort dafür. Ich werde für Österreich alles tun. Sogar bestraft werden, nehme ich an. Knast sowieso, ich mache alles für Österreich, Hand drauf. Das Land ist mir ans Herz gewachsen. Diese Schönheit, Umgebung, die Menschen geben mir hier immer besondere Energie.

RI: Sind Sie gesund?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Was haben Sie?

BF (auf Deutsch): Ich leide seit 12 Jahren, wie gesagt, unter Geschlechtsproblemen. Ich wollte, dass das geheim bleibt. Ich wollte niemandem davon erzählen, weil ich mich dafür geschämt habe. Bei uns ist es so, ich kann mich mit Österreichern über dieses Thema unterhalten, aber mit Afghanen, sie verstehen gleich alles falsch, wenn ich über das Thema rede.

RI: Haben Sie sonst noch gesundheitliche Probleme?

BF (auf Deutsch): Ich glaube nicht, ich bin verdammt gesund, außer den Geschlechtsproblemen.

BFV: Der BF leidet an einer Depression.

RI: Gehören Sie einer Risikogruppe betreffend COVID-19 an?

BF (auf Deutsch): Natürlich, ich habe auch Atemprobleme. Ich kann nicht ganz normal atmen, ab und zu schlägt mein Herz schneller.

RI: Haben Sie Diabetes oder Bluthochdruck?

BF (auf Deutsch): Nein.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?

BF (auf Deutsch): Ich habe gar keinen Kontakt, ich bin ganz ehrlich und offen. Wirklich, ich bin hier, um die Wahrheit zu sagen, deswegen bin ich da. Ich habe weltweit Kontakt, ich kann Ihnen gerne mein Facebook und Messenger zeigen. Ergänzung im Rahmen der Rückübersetzung: Ich hätte gerne wieder Kontakt, wenn es mir besser geht.

RI: Gibt es sonst Familienangehörige in Afghanistan?

BF (auf Deutsch): Das letzte Mal glaube ich vor 9 oder 11 Jahren habe ich Kontakt gehabt, danach null. Ich weiß es nicht und habe auch keinen Kontakt. Das weiß jeder, auch die Beamten und mein Anwalt. Sie sind auch natürlich immer für mich da.

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF (auf Deutsch): Ich habe hier in Österreich niemanden.

RI: Mit wem wohnen Sie?

BF (auf Deutsch): In einer WG. Ich habe dort mein Zimmer, für dieses Zimmer bezahle ich 300 Euro monatlich. Wir sind 3 Afghanen. Die anderen beiden sind Brüder.

BFV: Keine Fragen.

BehV: Keine Fragen.

RI: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

BF (auf Deutsch): Ja, natürlich.

RI an BehV: Der Spruchpunkt II.: Die befristete Aufenthaltsberechtigung ist erloschen, warum wurde sie entzogen?

BehV: Es handelt sich um einen Irrtum. Da geht es um die letzte Verlängerung.

RI: Diese ist auch abgelaufen.

BehV: Der Spruchpunkt ist nach Ansicht des BFA ersatzlos zu beheben.

BFV: Ich habe eine Frage zur Zustellung. Der Bescheid wurde am 20.11.2018 durch Hinterlegung im Akt zugestellt. Hat das BFA versucht eine Abgabestelle des BF zu ermitteln?

BehV: Das BFA hat versucht die Abgabestelle zu ermitteln. Es wurde auch die Bestellung eines Abwesenheitskurators beantragt, was vom Bezirksgericht abgelehnt wurde. Das BFA hat keine Möglichkeit einen Rekurs dagegen zu erheben. Deshalb wurde im Akt hinterlegt. Ungeachtet dessen kam es ohne dies zu einer Heilung im Sinne des § 7 ZustellG.

Nach Einsicht in das Protokoll gibt der BehV an, dass am 18.12.2018 eine Mitteilung der RD Salzburg eingegangen ist, wonach der Bescheid ausgefolgt worden ist.

BehV übermittelt das Protokoll per E-Mail, da es im Akt nicht aufliegt. Das Protokoll wird ausgedruckt und an die BFV übergeben sowie der Verhandlungsschrift angeschlossen.

BF wird das Verhandlungsprotokoll rückübersetzt.

Während der Rückübersetzung der S 6 betreffend seine Angaben beim AMS (Allah, usw) gibt der BF Folgendes an:

Ich will mit dieser verdammten Religion nichts mehr zu tun haben. Ich erkläre hiermit, dass ich überhaupt kein Moslem mehr bin. Ich bin mit einer deutschen Kirche per Videokonferenz in Kontakt.

RI an BFV: War Ihnen die Konversion bekannt?

BFV: Nein.

RI an BF: Wieso haben Sie bis jetzt nichts darüber gesagt?

BF: Sie haben mich nicht danach gefragt.

RI: Ich habe Sie 4 Mal gefragt, ob Sie einen Grund haben, warum Sie nach Afghanistan nicht zurückkehren können.

Die Rückübersetzung wird unterbrochen und die Befragung fortgesetzt:

RI: Kommen wir jetzt zu Ihrem gerade erst behaupteten Glaubenswechsel. Was war für Sie der ausschlaggebende Grund für den Wechsel der Religion?

BF: Ich habe viele Probleme in meinem Leben gehabt und diese ganze islamischen Begriffe haben mir nicht geholfen. „Gott ist groß, Allahu Akbar“ hat mir bis jetzt nicht geholfen. Ich war seit 15 Jahren nicht in der Moschee, seitdem ich in Österreich bin. Ich bin unzufrieden mit Allah.

RI: Warum haben Sie sich genau dieser deutschen Kirche, von der Sie soeben gesprochen haben, zugewendet? Wie kamen Sie zu dieser?

BF: 2017 hatte ich Mittagspause. Da habe ich zwei Damen gesehen, sie haben sich neben mir gesessen und angefangen mir Fragen zu stellen. Dann haben sie mir ihre Telefonnummer gegeben und sagten, dass ich mit ihnen Kontakt aufnehmen kann, wenn ich will.

RI: Wie heißt die Kirche?

BF: Ich weiß nur, dass sie in Deutschland ist.

RI: Sie haben gerade von einem Reza gesprochen, wer ist das?

BF: Das ist ein Perser. Ich habe seine Nummer, er ruft mich immer am Sonntag an, ungefähr eine halbe Stunde davor. Sie machen eine Videokonferenz zum Gottesdienst.

RI: Was wird bei der Videokonferenz besprochen?

BF: Wir reden über Jesus, über seine Geschichte.

RI: Schildern Sie mir den Unterscheid zwischen dem Islam und dem Christentum.

BF: Ich will einfach als Mensch weiterleben ohne Radikalität. Deswegen bin ich hier gelandet.

RI: Meinen Sie mit „hier“ diese deutsche Kirche oder meinen Sie Österreich?

BF: Ich meine mein Heimatland, wo ich herkomme.

RI: Sie haben gesagt: „Ich will einfach als Mensch weiterleben ohne Radikalität. Deswegen bin ich hier gelandet“, was meinen Sie mit „hier“? Die deutsche Kirche oder meinen Sie Österreich?

BF: Wir leiden alle darunter.

RI: Ich will jetzt von Ihnen eine Antwort auf meine Frage. Was meinen Sie mit „hier“?

BF: Damit meine ich Österreich.

RI: Sie wollen einfach als Mensch weiterleben ohne Radikalität, das ist der Unterschied für Sie zwischen dem Islam und dem Christentum?

BF: Weil für mich die größte Rolle…. Der Islam ist grundsätzlich falsch und die Moslems sind grundsätzlich auf dem falschen Weg. Sie versuchen die ganze Welt kaputt zu machen.

RI: Wieso gehen Sie dann zum Christentum? Sie müssen sich nach dem islamischen Ritus einfach nicht mehr betätigen.

BF: Ich werde jede Religion akzeptieren. Auf der Erde gibt es verschiedene Religionen, auch Buddhismus.

RI: D.h. Sie sind nicht nur an dieser deutschen christlichen Kirche interessiert, sondern sind an diversen Religionen interessiert?

BF: Ich meinte ein Mensch zu sein, damit meine ich, dass die Menschen im Frieden leben, ohne Krieg und ohne Streit.

RI: Sie können in Österreich auch als ein Mensch neben, ohne einer christlichen Kirche anzugehören. Wieso gerade die christliche Kirche?

BF: Das war nicht unbedingt meine Entscheidung. Zufällig habe ich diese zwei Damen gesehen. Wir haben miteinander gesprochen und so hat es sich ergeben.

RI: War das für Sie auch ausschlaggebend, dass Sie wöchentlich am Sonntag an Videokonferenz an den Gesprächen über Jesus teilnehmen?

BF: Die zwei Damen gaben mir eine Visitenkarte und eine Telefonnummer. Sie haben auch meine Telefonnummer mitgenommen. In den nächsten paar Tagen riefen sie mich an. Dann haben sie sich ausgemacht, dass sie mit mir persönlich sprechen möchten, aber wir haben uns bis jetzt nicht persönlich getroffen, sondern nur per Zoom.

RI: Was wissen Sie bisher über das Christentum?

BF: Ich habe einiges gelernt, weil Reza schickt mir regelmäßig Videos. Beide Sprachen, ich möchte einfach Informationen haben.

RI: Was wissen Sie bisher über das Christentum?

BF: Das ist relativ neu. Ich beschäftige mich nicht lange mit dem Christentum. Der Beginn war vor dem 1. Lock down.

RI: Sie haben gesagt, Sie haben die beiden Damen 2017 kennengelernt, oder habe ich das falsch gehört?

BF: 2019 habe ich gesagt vor dem 1. Lock down.

RI: Waren Sie vorher in Afghanistan oder im Iran gläubig?

BF: Nein. Ich habe das nie gelernt, z.B. beten habe ich nie gelernt.

RI: Wie kommt es, dass Sie als jemand, der grundsätzlich am Glauben kein Interesse hatte, plötzlich gläubig werden? Warum genau jetzt?

BF: Ich habe überhaupt noch keine Entscheidung getroffen. Ich wollte nur weitere Informationen sammeln. Wir haben uns nicht einmal persönlich getroffen. Bis jetzt waren nur mehrere Telefongespräche.

RI: Fühlen Sie schon eine Nähe zum Christentum?

BF: Ich denke ja.

RI: Wo und wann haben Sie dann zum ersten Mal gespürt, dass Sie eine Nähe zum Christentum haben?

BF: Als ich in Salzburg war. Wir waren jeden Tag oben am Kapuziner Berg zwischen 2017 und 2019. Ich hatte damals kein Geld vom AMS erhalten.

RI: D.h. Sie waren Ihren Angaben zufolge bereits 2017 am Christentum interessiert?

BF: Ich bin oft ganz alleine hingegangen, wir waren oft auch zu zweit. Ab und zu haben wir Essen bekommen, Brötchen mit Toast und Schinken. Wir haben keine anderen Möglichkeiten gehabt.

D:(Wohnhaft in Salzburg): Am Kapuzinerberg befindet sich eine große Kirche.

BF: Wir waren auch im Mutterhaus oft essen.

RI: Sind Sie dort von den Mönchen bzw. von Orden verpflegt worden?

BF: Von den barmherzigen Schwestern. Das war in der Nähe vom Kapuziner Berg. Weil ich seit 6 Wochen vom AMS kein Geld bekommen habe und weil ich Hunger hatte und etwas essen wollte, ging ich mit einem Freund zu dieser Kirche am Kapuziner Berg. Dann sind wir jeden Tag dort hingegangen, so gegen 15 Uhr und haben dort etwas zum Essen bekommen.

RI: Wer hat das dort betrieben?

BF: Der Pfarrer.

RI: Wo sind die barmherzigen Schwestern?

BF: Das ist woanders in Salzburg. Das ist ein Treffpunkt für viele Obdachlose. Sie bekommen dort immer etwas zum Essen.

RI: Schildern Sie mir jetzt Ihre Nähe zum Christentum. Warum, weshalb, wie fühlen Sie die? Haben Sie überhaupt eine?

BF: Die österreichischen Leute sind sehr nett, sehr hilfsbereit. Sie sind Muster der Menschheit. Das ist bei uns Afghanen nicht immer so. das liebe ich in Österreich und das liebe ich auch am Christentum. Diese Menschlichkeit hat mich angezogen. Als ich auf der Straße war, hat mir keiner geholfen, nur Österreicher und Österreicherinnen.

RI: Sie setzen konsequent Österreicher mit Christen gleich. Das stimmt nicht.

BF: Ich saß dort in diesem Park. Diese zwei Damen sind zu mir gekommen und nicht umgekehrt. Sie luden mich ein, ich sagte, okay, ich überlege und akzeptiere.

RI: Was halten Sie von Mohammed?

BF: Ich kenne nur den Namen. Ich habe keine Information, außer, dass er ein Prophet ist.

RI: Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie nichts von Mohammed wissen, wenn Sie jahrelang in Afghanistan und im Iran gelebt haben.

BF: Ich habe doch gesagt, er ist ein Prophet. Mehr weiß ich nicht. Woher soll ich das wissen.

RI: Was halten Sie von ihm?

BF: Ich habe nichts zu sagen. Ich habe keine Informationen über ihn.

RI: D.h. Sie gehen nicht über die Schwelle drüber etwas Schlechtes über ihn zu sagen?

BF: Ich habe nur 2 oder 2 ½ Jahre eine Grundschule besucht.

RI: Den Inhalt, den er verbreitet hat, was halten Sie von dem oder wissen Sie den auch nicht?

BF: Die Anhänger von Mohammed sind gegen Schiiten und bringen Schiiten um. Sie glauben sogar, wenn die Schiiten umgebracht werden, wird man im Paradies landen. Sie sagen immer so, wenn wir z.B. 7 Personen Hazara ermorden, dann kommen wir direkt ins Paradies.

RI: Wie praktizieren Sie Ihren christlichen Glauben bzw. Ihr christliches Interesse?

BF: Wenn ich Zeit habe, gehe ich zur Kirche. Wenn ich keine Zeit habe, sage ich, dass ich keine Zeit habe.

RI: Welche Kirche besuchen Sie?

BF: Ich habe bereits gesagt. Es kam zu einem Lock down, es gab keine Kirche.

RI: Die Kirchen sind offen, Sie können reingehen. Es gibt keine Veranstaltungen und Messen, aber zum Beten sind sie offen.

BF: Ab und zu war mir fad, ab und zu habe ich mich allein gefühlt.

RI: Welche Kirche besuchen Sie? Sie geben mir Antworten auf Fragen, die ich nicht gestellt habe. Ich möchte jetzt wissen, welche Kirche Sie besucht haben? Oder ist Ihr einziger christlicher Ansatz das Telefonat am Sonntag?

BF: Ich habe gesagt, sie haben mir angeboten, dass ich das versuchen kann. Jetzt ist der 2. Lock down und es ist zu.

RI: Wissen Sie, ob es sich bei der christlichen deutschen Kirche um eine katholische, protestantische, evangelikale, Freikirche, AB oder HB oder eine baptistische Kirche handelt?

BF: Das weiß ich nicht genau. Ich weiß nur, dass es eine deutsche Kirche ist, dass Reza dort eine führende Person ist und dass dort auf Deutsch-Farsi gepredigt wird.

RI: Was haben Sie bis jetzt dort gelernt?

BF: Ich bin noch nicht so weit. Ich glaube, wir haben uns missverstanden. Ich habe klar und deutlich gesagt: die zwei Damen gaben mir eine Telefonnummer und ich habe Kontakt aufgenommen, das ist alles.

RI: Sind Sie also nicht konvertiert?

BF: Nein, dann kam der 2. Lock down.

RI: Wieso haben Sie dann Angst, dass Sie deshalb in Afghanistan Probleme bekommen könnte, wenn Sie noch nicht konvertiert sind?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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