Entscheidungsdatum
04.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W191 2243767-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Serbien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2021, Zahl 1277711906-210600495, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 46, 52 Abs. 1 Z 1, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein serbischer Staatsangehöriger, reiste unbekannten Datums in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 05.05.2021 im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle mangels eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines Identitätsnachweises festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel verbracht. Im Zuge der Befragung gab der BF unter Beiziehung eines sprachkundigen Polizeibeamten an, dass er seit zwei Monaten im Bundesgebiet aufhältig sei. In weiterer Folge erklärte er, dass er sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhalte und im Auto einen serbischen Führerschein habe. Er wohne bei einer Bekannten an einer näher bezeichneten Adresse in Wien, er verfüge über einen Schlüssel der Wohnung.
1.2. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 06.05.2021 (betreffend Rückkehrentscheidung, Einreiseverbot und Schubhaft), im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Serbisch, gab der BF auf Befragung im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei vor zwei Monaten in das Bundesgebiet eingereist und renoviere die Wohnung seiner Frau. Seine Frau sei ebenfalls serbische Staatsangehörige und verfüge über keinen österreichischen Aufenthaltstitel. In Österreich kaufe er Autos und überstelle sie nach Serbien. Dort würden die Autos von einem Kollegen des BF verkauft werden, dieser gebe ihm dann einen prozentuellen Anteil des Verkaufserlöses.
1.3. Mit Bescheid vom 06.05.2021 wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) in Verbindung mit § 57 AVG zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung verhängt. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.
1.4. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid ebenfalls vom 06.05.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) nicht erteilt (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde gegen den BF gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG erlassen und in Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.).
In Spruchpunkt IV. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von „1 Jahr/Jahren“ [einem Jahr] befristetes Einreiseverbot erlassen.
In der Begründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Serbien. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde damit begründet, dass beim BF gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG „die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich“ sei, da er mittellos sei und sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.
Die Erlassung des Einreiseverbotes begründete das BFA mit § 53 Abs. 2 Z 6 FPG („den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag“). Der BF gehe zudem illegaler Schwarzarbeit im Bereich des Import/Export-Geschäftes von Fahrzeugen nach.
1.5. Gegen die Spruchpunkte II. bis V. dieses Bescheides erhob der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 28.05.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG).
Begründend wurde ausgeführt, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln. Bei der vom BF vorgenommenen Renovierungsarbeit habe es sich keinesfalls um eine Tätigkeit gehandelt, mit der sich der BF habe Geld verdienen wollen. Es habe sich dabei um einen freundschaftlichen Dienst gehandelt. Die belangte Behörde habe die erlassene Rückkehrentscheidung zudem mit einer Rechtswidrigkeit belastet, da der BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG über keinen „Daueraufenthalt-EU“ verfüge.
Auch die Erlassung des Einreiseverbotes sei rechtswidrig und unverhältnismäßig, da der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht gefährde.
1.6. Das BVwG gab der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 02.06.2021 statt und erklärte den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 06.05.2021 für rechtswidrig.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 06.05.2021, den angefochtenen Bescheid sowie die Beschwerde vom 28.05.2021.
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
3.1. Der BF ist serbischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Seine Muttersprache ist Serbisch.
Der BF wurde in Belgrad, Serbien geboren und ist in der Gemeinde XXXX aufgewachsen. Der BF ist verheiratet.
3.2. Der BF verfügt laut Einschau in das Zentrale Melderegister einen von 29.05.2017 bis 29.05.2021 gültigen serbischen Reisepass. Diesen konnte der BF nicht vorweisen.
3.3. Der BF wies laut Ergebnis der Einschau in das Zentrale Melderegister zu folgenden Zeitpunkten eine Meldeadresse im Bundesgebiet auf:
? 12.05.2020 – 24.06.2020 in der Brauhausstraße 75-77/2/9 in 2320 Schwechat
? 05.05.2021 – 02.06.2021 im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel
Zum Zeitpunkt seiner Festnahme wohnte der BF ohne behördliche Meldung nach seinen Angaben in XXXX .
Der BF hält sich seit mehr als drei Monaten durchgehend im Bundesgebiet auf.
3.4. Der BF verfügt über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.
Der BF hat seinen Lebensmittelpunkt in Serbien.
3.5. Der BF war zuletzt ohne legale Beschäftigung, regelmäßiges Einkommen oder nennenswerte Vermögenswerte. Der BF verfügte zum Zeitpunkt seiner Festnahme über 200 Euro.
4. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.
Die Feststellungen zur Identität der BF ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem BFA und in der Beschwerde. Die Identität des BF steht nicht fest.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF in Serbien und Österreich stützen sich auf die Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde sowie aus den eingeholten Registerabfragen des BVwG (Strafregister, Zentrales Melderegister).
Dass sich der BF seit mehr als drei Monaten durchgehend im Bundesgebiet aufhält, ergibt sich aus Folgendem:
Der BF gab vor einem sprachkundigen Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seiner Aufenthaltsdauer befragt zunächst an, dass er seit zwei Monaten im Bundesgebiet aufhältig sei. In weiterer Folge gab er jedoch an, dass er sich seit zwei Jahren in Österreich aufhalte. Vor dem BFA gab der BF ebenfalls an, sich erst seit zwei Monaten im Bundesgebiet zu befinden.
Den Widerspruch vorgehalten erklärte der BF: „Ich kann kaum Deutsch, ich weiß nicht, ob wir uns verstanden haben. […] Ich habe das nicht verstanden.“ Vorgehalten, dass einer der Beamten der serbischen Sprache mächtig gewesen sei und sie sich nicht auf Deutsch unterhalten hätten, erklärte der BF lediglich: „Ja, er war Bosnier und wir haben uns gut verstanden. Scheinbar kam es zu Problemen und sie wollten ein Ticket. Das konnte ich nicht vorlegen.“
Aufgrund der widersprüchlichen und unplausiblen Angaben des BF ist davon auszugehen, dass sich der BF seit mehr als drei Monaten durchgehend im Bundesgebiet aufhält.
5. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheides.
5.1. Anzuwendendes Recht:
Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das FPG und das AsylG verweisen, anzuwenden.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
5.2. Rechtlich folgt daraus:
Zu Spruchteil A):
5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 28.05.2021 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 25.06.2021 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
5.2.2. Zur Beschwerde:
Das Vorbringen in der Beschwerde war nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.
5.2.3. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:
5.2.3.1. Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung):
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 5 FPG gestützt sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat festgestellt.
Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Da der BF über keinen „Daueraufenthalt-EU“ verfügt, war die zu erlassende Rückkehrentscheidung nicht auf § 52 Abs. 5 FPG zu stützen.
Die gegenständliche Rückkehrentscheidung ist daher auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu stützen. Demnach hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Gemäß Art. 20 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise, und soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e SDÜ in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex gelten für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, für einen Drittstaatsangehörigen die dort genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt. Ist das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen, so können gemäß Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Schengener Grenzkodex kann diese Annahme vom Drittstaatsangehörigen durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.
Da sich der BF seit mehr als drei Monaten durchgehend und somit illegal im Bundesgebiet aufhält und nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes war, war die gegenständliche Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu stützen.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG verfügen, unzulässig wäre (§ 9 Abs. 3 BFA-VG).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).
Zu den in der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt.
Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines „effektiven Familienlebens“, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. v. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gegen Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der VwGH hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwN).
5.2.3.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist als Inhaber eines gültigen biometrischen Reisepasses nach Maßgabe des Anhanges II zu Art. 1 Abs. 2 Visumpflicht-Verordnung für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.
Der BF war somit höchstens 90 Tage ab dem Tag der Einreise ohne weitere Voraussetzungen zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Da sich der BF seit mehr als drei Monaten durchgehend im Bundesgebiet aufhält und er sich nicht mittels eines geeigneten Identitätsnachweises ausweisen konnte, erweist sich der Aufenthalt des BF in Österreich als unrechtmäßig.
Die Rückkehrentscheidung war daher auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu stützen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
5.2.3.1.2. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine maßgeblichen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Er hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Der BF hat seinen Lebensmittelpunkt in Serbien. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familien- oder Privatlebens.
Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).
Der BF verfügt über keine Kenntnisse der deutschen Sprache und ist nicht legal erwerbsfähig. Er hat sein überwiegendes Leben im Herkunftsstaat verbracht und wurde dort sozialisiert, weshalb davon auszugehen ist, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort weiterhin sein Lebensmittelpunkt ist und der BF auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht.
Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine relevante Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Daher war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 46 und 52 FPG als unbegründet abzuweisen.
5.2.3.2. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Das BFA erkannte mit Bescheid vom 06.05.2021 einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Da sich die Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte II. bis V. richtet und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Beschwerde gezogen wurde, ist auch die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu beanstanden.
Auch hat das erkennende Gericht nach einer Grobprüfung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG mit Aktenvermerk vom 25.06.2021 festgehalten, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.
5.2.3.3. Zum Einreiseverbot:
Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von einem Jahr befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF derzeit nicht die Mittel besitze, um sich seinen Lebensunterhalt in Österreich finanzieren zu können.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist nach Z 6 insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung der Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl. auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (VwGH 16.05.0219, Ra 2019/21/0104). Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).
Für die Erlassung eines Einreiseverbots wegen Mittellosigkeit ist erforderlich, dass diese Mittellosigkeit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist sohin das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (VwGH 24.03.2015, Ra 2014/21/0049; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert scheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156; 22.01.2013, 2012/18/0191).
Der BF hat einen solchen Nachweis nicht erbracht und keine Bescheinigungsmittel für finanzielle Mittel vorgelegt. Rechtsansprüche auf Geld- oder Unterhaltsleistungen wurden weder behauptet noch belegt. Der BF ist in Österreich keiner legalen beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Er verfügte bei seiner Festnahme lediglich über 200 Euro.
All diese Umstände rechtfertigen sohin nach Ansicht des BVwG – wie schon das BFA im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat – jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des BF im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, weshalb auch eine Gefährdungsprognose nicht zu Gunsten des BF ausschlagen kann. Dazu kommt, dass der BF selbst angab, in Österreich Autos zu kaufen, um diese anschließend in Serbien zu verkaufen. Der BF verfügt jedoch über kein angemeldetes Gewerbe und geht keiner legalen Erwerbstätigkeit in Österreich nach, weshalb davon auszugehen ist, dass der BF über keine legalen Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes verfügt.
Bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbots ist auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen. Es ist im Hinblick darauf, dass die Maßnahme grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein soll, auch das Privat- und Familienleben des Fremden in den Blick zu nehmen (VwGH 15.12.2011; VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037). Da der BF im Bundesgebiet bzw. in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte verfügt, greift das erlassene Einreiseverbot nicht in das Privat- oder Familienleben des BF ein.
In Anbetracht der Mittellosigkeit des BF und der mangelnden legalen Erwerbstätigkeit war das mit einem Jahr im unteren Bereich festgesetzte Einreiseverbot (bei einer möglichen Maximaldauer von fünf Jahren) angemessen und verhältnismäßig. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
5.2.3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.
Dem BVwG liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich erörtert hätte werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Dies vor allem deshalb, da der Aufenthalt des BF lediglich für die visumfreie Zeit von 90 Tagen rechtmäßig und anschließend mehrere Monate unrechtmäßig war. Auch die vom BF in der Beschwerde vorgebrachte Verlobung bzw. Geschlechtsanpassung, die der BF zudem in keiner Wiese belegte, hätte – folgend der Rechtsprechung des VwGH bezüglich der diesbezüglichen Voraussetzungen – zu keiner Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung geführt, weshalb eine mündliche Verhandlung in der Abwesenheit des BF (nachdem er am 22.01.2021 freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist war) und die zeugenschaftliche Einvernahme des angegebenen Lebensgefährten unterbleiben konnte.
Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen dem Parteienantrag eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH bezüglich Rückkehrentscheidungen und zu den Voraussetzungen für die Erlassung und Bemessung eines Einreiseverbotes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen sowie Interessenabwägungen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung waren.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
individuelle Verhältnisse Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W191.2243767.1.00Im RIS seit
09.11.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021