TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/5 W163 2244672-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

Spruch


W163 2244672-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2021, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 2, 57 AsylG 2005 i.d.g.F., §§ 9, 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG i.d.g.F., §§ 46, 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9, 55 Abs. 4 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas, wurde am 17.06.2021 durch Organe der Finanzpolizei im Bundesgebiet auf der Baustelle eines Einfamilienhauses bei der Durchführung von Hilfsarbeiten für den Innenputz (Verbringen von Kübel mit Putzmaterial), im Auftrag der Firma XXXX , ohne im Besitz einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung oder einer Entsende- /Überlassungsbestätigung gewesen zu sein angetroffen bzw. betreten. Am selben Tag wurde der BF festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum St. Pölten überstellt.

2.       Am 18.06.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA).

Der BF sei am 04.06.2021 mit seinem eigenen Kfz über Slowenien nach Österreich eingereist, da er seine Mutter in Mistelbach besuchen habe wollen. Bis auf einen Bruder, der in der Tschechischen Republik lebe, würden alle Familienangehörigen, also seine Mutter, zwei weitere Brüder sowie zwei Schwestern in Österreich leben. Der BF selbst habe 1990 einen Aufenthaltstitel besessen, diesen jedoch verloren, da er zurück nach Bosnien und Herzegowina gegangen sei. Nun versuche er, wieder einen zu bekommen. Da der Arbeitsmarkt in seinem Herkunftsstaat schlecht sei, führe er dort Gelegenheitsarbeiten durch, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er habe zwar Maschinentechniker gelernt, in dieser Branche jedoch nie gearbeitet. Von seiner Mutter erhalte er ab und zu eine Unterstützung von etwa EUR 100,- bis 200,-.

Auf Vorhalt, er sei am 17.06.2021 bei der Schwarzarbeit betreten worden, meinte der BF, dass es ihm nicht bewusst gewesen sei, einer illegalen Beschäftigung nachzugehen, und er der betroffenen Firma nur ein/zwei Tage aushelfen habe wollen. Der Firmenchef „Emir“, dessen genauen Namen er nicht kenne, sei durch Bekannte des BF auf diesen aufmerksam geworden und habe ihn kontaktiert, um ihn zum Probearbeiten einzuladen. Er habe behauptet, dass er sich um die nötigen Papiere für den BF kümmern würde, wenn alles passe. Über einen allfälligen Lohn sei nie gesprochen worden.

Der BF habe am 16.06.2021 sowie am besagten Tag von 7:30 bis 16:00 Uhr Hilfsarbeiten für den Innenputz in einem Einfamilienhaus unter den Arbeitsanweisungen eines türkischen Staatsangehörigen namens „Nuri“ durchgeführt. Er habe zuvor noch nie in Österreich gearbeitet und sei weder beim zuständigen Sozialversicherungsträger gemeldet noch verfüge er über eine E-Card.

Nach Vorhalt der von seinem Verhalten ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes gab der BF an, er sei sich der Folgen dieser Arbeit nicht bewusst gewesen und von „Emir“ reingelegt worden. Er habe nur eine Möglichkeit gesehen, in Österreich legal zu arbeiten. Er bitte darum, kein Einreiseverbot zu erlassen, da er seine Familie sehen wolle. Sollte der BF in sein Heimatland zurückkehren müssen, würde er freiwillig gehen.

3.       Am 18.06.2021 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

4.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 23.06.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte die Identität und Staatsbürgerschaft des BF fest und erwog im Wesentlichen, er sei laut eigenen Angaben am 04.06.2021 ins Bundesgebiet eingereist, wobei er laut seiner Einreisestempel in seinem Reisepass seit 23.02.2020 im Schengen-Gebiet aufhältig sei, und sei am 17.06.2021 von Beamten der Finanzpolizei in XXXX einer Kontrolle unterzogen worden, da er bei der Durchführung von Hilfstätigkeiten für den Innenputz im Auftrag der Firma XXXX betreten worden sei. Dabei habe die Finanzpolizei erhoben, dass der BF über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung in Österreich verfüge und als Inhaber eines biometrischen Reisepasses grundsätzlich zum Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb einer Frist von 180 Tagen zu touristischen Zwecken berechtigt sei. Da er bei der Ausübung einer nicht genehmigten Erwerbstätigkeit betreten worden sei, sei sein Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig.

Das BFA gehe davon aus, das der BF bereits seit 23.02.2020 im Bundesgebiet aufhältig und der alleinige Zweck seines Aufenthalts die Aufnahme nicht legaler Erwerbstätigkeiten sei. Obwohl der BF nicht schuldeinsichtig sei und die erhobenen Tatsachen bestreite, sei davon auszugehen, dass sich dieser bewusst gewesen sei, keine Arbeitsbewilligung für das Bundesgebiet zu haben. Demnach könne seine Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen.

Der BF verfüge derzeit über keine aufrechte behördliche Meldung im Bundesgebiet und sei bereits sieben Mal rechtskräftig verurteilt, wobei dadurch ein dreijähriges Einreiseverbot von Juli 2015 bis Juli 2018 verhängt worden sei. Er erfülle somit den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG, der die Verhängung eines fünfjährigen Einreiseverbots rechtfertige.

Der BF finanziere sich seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeit in seinem Herkunftsstaat und erhalte ab und zu etwa EUR 100,- bis 200,- von seiner Mutter, die in Österreich lebe. Auch zwei Brüder und zwei Schwestern des BF würden im Bundesgebiet leben, es bestehe jedoch kein gemeinsamer Haushalt und auch kein Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Familie, weshalb kein aktives Familienleben festgestellt habe werden können. Der BF sei ledig, habe keine Kinder und pendle zwischen Österreich und Bosnien, wo er im Familienhaus lebe.

Da der BF also familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe, und gegen ihn das erste Mal ein Einreiseverbot wegen illegaler Beschäftigung verhängt worden sei, sei der Zeitraum des Einreiseverbots auf die Dauer von zwei Jahren reduziert und festgelegt worden. Seine Ausreise sei zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sowie der österreichischen Bevölkerung, unverzüglich notwendig. Demnach sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

Der Bescheid wurde dem BF am 23.06.2021 persönlich ausgefolgt.

5.       Gegen den dargestellten Bescheid des BFA erhob der BF, vertreten durch XXXX , am 21.07.2021 fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Er führte in seiner Beschwerdeschrift im Wesentlichen aus, er sei zum Besuch und zur Pflege seiner gebrechlichen Mutter nach Österreich gereist und habe im Zuge seines Aufenthalts durch einen Mann namens „Emir“ das Angebot erhalten, bei der Durchführung von Innenputzarbeiten mitzuhelfen, und bei positiver Erledigung eine Arbeitsbewilligung zu bekommen. Die besagte Hilfstätigkeit sei ausschließlich zur Vorführung der Fähigkeiten des BF und demgemäß unentgeltlich sowie ohne den Beweggrund der Erzielung von Erwerbseinkommen erfolgt. Ganz im Gegenteil habe der BF den Auftraggeber auf seine fehlende Arbeitsbewilligung hingewiesen und die ihm zunächst angebotene längerfristige Beschäftigung abgelehnt. Zudem sei auf das typischerweise bestehende Machtgefälle zwischen Auftraggebern und potentiellen Arbeitswerbern, bei denen es sich um rechtliche Laien nichtdeutscher Muttersprache handle, hinzuweisen. Die Behörde habe sich bei der Beurteilung des Sachverhalts ausschließlich auf die Erhebungen der Finanzpolizei verlassen und es verabsäumt, selbst die zur Entscheidungsfindung relevanten Tatsachen zu eruieren.

Des Weiteren habe das BFA im Bescheid wesentliche Tatsachenfeststellung zur Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet nicht getroffen. Der BF habe zwar in seiner Einvernahme behauptet, er sei am 04.06.2021 über Slowenien nach Österreich eingereist, es sei ihm jedoch verwehrt worden, auch einen Nachweis zu erbringen. Überdies sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Überlegungen die belangte Behörde zur Feststellung gelangt, der BF stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Auch hinsichtlich der Zukunftsprognose habe die Behörde ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie die vom BF in der Einvernahme vorgebrachte Täuschung und die privaten und familiären Interessen nicht ausreichend berücksichtigt habe. Ebenso sei außer Acht gelassen worden, dass der BF in der Vergangenheit nicht aufgrund illegaler Erwerbstätigkeiten aufgefallen sei. Daher gehe mangels Wiederholungsgefahr keine besondere Gefahr vom BF aus.

Dem Bescheid der belangten Behörde sei auch nicht zu entnehmen, warum diese die Anordnung eines Abschiebeauftrags für vorschriftmäßig erachte und aus welchen Gründen die aufschiebende Wirkung der Beschwerde abzuerkennen gewesen sei, zumal der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen würden.

Der BF beantragte in seiner Beschwerde weiters, den Akt der belangten Behörde zu XXXX beizuschaffen, sowie die Einvernahme des BF selbst und seiner Mutter Frau XXXX .

6.       Das BFA legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 26.07.2021 samt der bezughabenden Verwaltungsakte vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Der BF ist Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht aufgrund der Vorlage eines biometrischen Reisepasses fest.

1.2.    Es war anzunehmen, dass der BF zuletzt am 23.02.2020 nach Österreich einreiste und sich seitdem im Bundesgebiet befindet. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids hielt er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er besitzt keinen österreichischen Aufenthaltstitel. Zwischen den neunziger Jahren und 2015 hielt sich der BF ca. 23 Jahre in Österreich auf.

1.3.    Der BF wurde am 17.06.2021 um 11:14 Uhr durch Organe der Finanzpolizei auf der Baustelle eines Einfamilienhauses in Böheimkirchen bei Hilfsarbeiten für den Innenputz, beim Verbringen von Kübeln mit Putzmaterial, im Auftrag der Firma XXXX angetroffen, ohne eine arbeitsmarkrechtliche Bewilligung oder eine Entsendebewilligung vorweisen zu können.

1.4.    Der BF verfügt in Österreich über ein Konto bei der XXXX und ein auf ihn zugelassenes Kfz der Marke XXXX mit österreichischem Kennzeichen. Auch in Bosnien und Herzegowina hat er ein Konto. Er ist nicht im Besitz nennenswerter Barmittel und hat im Bundesgebiet keine legalen Möglichkeiten zur Erlangung finanzieller Mittel. Der BF war im Vorfeld des Aufgriffs nicht im Bundesgebiet behördlich gemeldet. Er war zuletzt von 27.12.2018 bis 06.11.2020 und dann wieder von 21.06.2021 bis 02.07.2021 in Mistelbach gemeldet. Ein weiterer bzw. neuerlicher Aufenthalt des BF würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen. Insbesondere besteht die Gefahr, der BF werde neuerlich in das Gebiet der Schengen-Staaten einreisen, um im Zuge der Besuche seiner Familienangehörigen Einkünfte aus illegaler Beschäftigung zu erzielen.

1.5.    Der BF ist ledig, hat keine Kinder und lebt in seinem Herkunftsstaat im Familienhaus. Außer ihm leben dort keine seiner Familienangehörigen. Sowohl seine Mutter als auch seine beiden Brüder und Schwestern leben in Österreich. Ein weiterer Bruder lebt in der Tschechischen Republik. Seine Mutter ist pflegebedürftig und wird unter anderem vom BF, wenn dieser im Heimatland ist, von seinen Geschwistern betreut. Der BF spricht Bosnisch, Serbisch und gut Deutsch. In Bosnien und Herzegowina lernte er den Beruf des Maschinentechnikers, arbeitete jedoch nie in dieser Branche. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch Gelegenheitsarbeiten in seinem Heimatland, sowie aus gelegentlichen Zuwendungen seiner Mutter in Höhe von jeweils etwa EUR 100,- bis 200,-. In Österreich geht er keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Außer dem Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Verwandten sind keine sonstigen engen sozialen Bindungen des BF im Bundesgebiet hervorgekommen. Eine über seine Sprachkenntnisse hinausgehende Integration in Österreich in wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht wurde nicht behauptet.

Der BF nimmt zwar Medikamente gegen Schlafstörungen, ist jedoch gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist in Österreich bereits siebenfach vorbestraft, wobei er zuletzt 2012 verurteilt wurde, und mit Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2015 wurde gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Bereits 1996 wurde gegen den BF rechtskräftig ein Einreiseverbot erlassen. Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen befand sich der BF im Bundesgebiet zwischen 1996 und 2015 mehrmals in Haft. Er bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung.

1.6.    Der BF hat nicht vorgebracht, dass ihm in Bosnien und Herzegowina eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes ist er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts in Bosnien und Herzegowina in der Lage.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF gründen sich auf den im Veraltungsakt in Kopie beiliegenden Reisepass sowie dessen glaubwürdige Aussagen.

2.2.    Während der BF vor dem BFA behauptete, am 04.06.2021 wieder ins Bundesgebiet eingereist zu sein, weist sein Reisepass den letzten Einreisestempel im Februar 2020 auf, weswegen anzunehmen war, dass dieser am 23.02.2020 zuletzt nach Österreich einreiste und sich seitdem im Bundesgebiet befindet. Seine diesbezüglichen Aussagen, er werde aufgrund seines österreichischen Kennzeichens nicht immer von Grenzbeamten kontrolliert, ist gerade im Hinblick auf die offenkundig seit Jänner 2020 in Europa bestehende COVID-19-Pandemie, in der sogar innerhalb der EU verschärft Grenzkontrollen durchgeführt werden, nicht glaubwürdig. Es ist unbeachtlich, dass der BF der belangten Behörde in seiner Beschwerdeschrift vorwarf, sie habe ihm nicht die Möglichkeit gegeben, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass er erst am 04.06.2021 wieder ins Bundesgebiet eingereist sei, da er im gesamten Verfahren Beweismittel dafür hätte erbringen können, dies jedoch nicht tat.

Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf und die Feststellung, dass der BF über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt, ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten. Dass er sich zwischen den neunziger Jahren und 2015 etwa 23 Jahre im Bundesgebiet aufhielt, wurde im Erkenntnis des BVwG zu 1264523-2/4E bereits rechtskräftig festgestellt.

2.3.    Die Feststellung, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids illegal im Bundesgebiet aufhielt, ergibt sich aus dem Umstand, dass dieser laut Bericht der Finanzpolizei vom 17.06.2021 ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels bzw. einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung gewesen zu sein, durch Organe der Finanzpolizei bei der Ausübung einer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligungspflichtigen Tätigkeit im Bundesgebiet betreten wurde und damit den Zweck eines zulässigen visumsfreien Aufenthalts überschritt. Weiters befindet er sich seit 23.02.2020, und somit länger als 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet, weswegen er auch die höchstzulässige Dauer seines visumsfreien Aufenthalts nicht einhielt.

Die Feststellung zur Tätigkeit des BF stützt sich auf den Bericht der Finanzpolizei vom 17.06.2021. In diesem Bericht wird ausgeführt, dass der BF bei Hilfsarbeiten für den Innenputz, genauer beim Verbringen von Kübeln mit Putzmaterial, auf der Baustelle eines Einfamilienhauses betreten wurde. Der BF war im Auftrag der Firma XXXX tätig und stellte dies auch nicht in Abrede. Er bestritt jedoch in der Einvernahme vor dem BFA, die Tätigkeit illegal verrichtet zu haben und behauptete, es habe sich nur um eine Probearbeit von ein/zwei Tagen gehandelt, wobei über Entgelt nicht gesprochen worden sei. Der BF habe zwar gewusst, dass er, um in Österreich zu arbeiten, eine Arbeitsbewilligung brauche, jedoch habe er sich darauf verlassen, dass der Chef der Firma ihm wie versprochen eine beschaffen würde, wenn dieser gut arbeite. Dies konnte er jedoch aus folgenden Gründen nicht glaubhaft machen:

Der BF tätigte widersprüchliche Aussagen in Bezug darauf, wie er zu dieser Arbeit gekommen sei. Als er von der Finanzpolizei dazu befragt wurde, gab er an, ein Freund habe ihm ein paar Tage vor Arbeitsbeginn die Nummer des Firmenchefs namens „Emir“ gegeben, woraufhin der BF diesen angerufen habe, weil er auf Arbeitssuche gewesen sei. Der Chef habe ihm gesagt, er könne auf Probe für die Firma arbeiten, und wenn er gut sei, bei der Firma fix angestellt werden. Vor dem BFA hingegen gab er an, der Chef habe ihn angerufen, und gemeint, der BF könne auf Probe bei ihm arbeiten. Sollte alles passen, würde er sich um die notwendigen Papiere kümmern. Während er also vor der Finanzpolizei behauptete, er habe sich selbst an den Firmenchef gewendet, da er Arbeit gesucht habe, stellte er die Situation vor dem BFA und in der Beschwerdeschrift so dar, dass der Chef ihn kontaktiert und in der Folge reingelegt habe, indem er ihn davon überzeugt habe, ihm die notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, wenn er bei der Probearbeit seine Fähigkeiten gut präsentiere.

Der BF widersprach sich auch in Hinblick darauf, mit welcher Intention er für die Firma gearbeitet habe. Vor der Finanzpolizei gab er an, er sei auf der Suche nach Arbeit gewesen und habe deswegen den Chef der XXXX kontaktiert. Vor dem BFA gab er einerseits an, er habe bei der Firma nur ein/zwei Tage aushelfen wollen, andererseits meinte er, er habe dort Probe gearbeitet, damit er, vorausgesetzt er führe die Tätigkeiten gut aus, fix in der Firma arbeiten könne.

Nicht glaubwürdig ist, dass es dem BF nicht bewusst gewesen sei, dadurch eine illegale Beschäftigung auszuüben. Aufgrund der Tatsache, dass der BF bereits längere Zeit in Österreich aufhältig war und er im Verfahren auch zugab, zu wissen, dass er eine Bewilligung brauche, um in Österreich zu arbeiten, war davon auszugehen, dass er die Hilfstätigkeit auf der Baustelle in dem Bewusstsein ausführte, dass es sich dabei um eine illegale Beschäftigung handle. Sofern er vor der Finanzpolizei und dem BFA gegenteiliges behauptete, ist dies schlichtweg nicht glaubwürdig. In seiner Beschwerdeschrift behauptete der BF einerseits, er habe den Auftraggeber darauf aufmerksam gemacht, keine Arbeitsbewilligung zu haben und demnach eine längerfristige Beschäftigung zunächst abgelehnt, andererseits sprach er von einem typischerweise vorhandenen Machtgefälle zwischen Auftraggeber und potentiellen Arbeitswerbern, das im vorliegenden Fall dadurch verstärkt werde, dass es sich beim BF um einen rechtlichen Laien nichtdeutscher Muttersprache handle. Diese Angaben sind nicht stimmig, da er sich zuerst als eine Person, die aufgrund des Wissens um ihre fehlende Arbeitsbewilligung bewusst unentgeltlich und nur um ihre Fertigkeiten zu demonstrieren, gearbeitet habe und danach als Laien darstellt, der mit den österreichischen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei und daher ohne Bewusstsein, dass es sich um eine illegale Beschäftigung gehandelt habe, vom Auftraggeber ausgenutzt worden sei. Auch seine Veranschaulichung, er sei ein Laie nichtdeutscher Muttersprache, ist nicht stichhaltig, da der BF seine guten Deutschkenntnisse bei der Einvernahme vor dem BFA, die gänzlich ohne Dolmetscher durchgeführt werden konnte, demonstrierte und somit nicht glaubhaft machen konnte, dass er aufgrund einer allfälligen Sprachbarriere Nachteilen unterlegen sei.

Dass zwischen dem BF und der Baufirma kein Entgelt vereinbart, bzw. gar nicht darüber gesprochen worden sei, ist lebensfremd und demnach nicht glaubhaft. Abgesehen davon, dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, mit einer Arbeit zu beginnen, auch wenn es sich vorerst um ein Probearbeiten handeln sollte, ohne vorher zumindest über das Entgelt zu sprechen, erscheint es gerade in der Situation des BF, der in Bosnien Gelegenheitsarbeiten durchführt und hie und da finanzielle Unterstützung seiner Mutter benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht nachvollziehbar, sich nicht nach dem Gehalt zu erkundigen.

Zum Antrag des BF in seiner Beschwerdeschrift, ihn selbst als Partei sowie seine Mutter als Zeugin einzuvernehmen ist festzuhalten, dass der BF im Verfahren sowohl bei seiner Befragung durch die Finanzpolizei als auch in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der Beschwerdeschrift bereits umfassend die Möglichkeit hatte, seinen Standpunkt darzustellen. Da die Einvernahme seiner Mutter nicht den Beweis zum Thema hätte, der BF sei keiner illegalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, ist diese nicht geeignet, zur Aufklärung des Sachverhalts etwas beizutragen, weshalb den beiden Anträgen nicht zu entsprechen war. Die Mutter des BF als Zeugin einzuvernehmen ist auch deswegen nicht notwendig, weil das Vorbringen des BF dazu, die Mutter müsse vom BF und seinen Geschwistern gepflegt werden, ohnehin den Feststellungen zugrunde gelegt wurde.

2.4.    Schlussendlich ist festzuhalten, dass der BF in Österreich unstrittig nicht zur Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit berechtigt ist, da er nicht über den dafür notwendigen Aufenthaltstitel verfügt, und er zwar laut glaubwürdigen Angaben ein Bankkonto in Österreich sowie in seinem Herkunftsstaat hat, jedoch im Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass er über nennenswerte Barmittel oder sonstige Ersparnisse verfügt. Dies wurde vom BF gar nicht behauptet. Da der BF vor dem BFA selbst angab, sich wieder um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu bemühen und somit davon auszugehen ist, dass sich dieser längere Zeit in Österreich aufhalten will, ist es nur logisch, dass er hier auch ein Einkommen erzielen will. Aufgrund der Tatsache, dass seine Mutter sowie vier seiner Geschwister im Bundesgebiet leben, und der BF diese offenkundig regelmäßig besuchen will, war festzustellen, dass auch zukünftig von ihm eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen kann, indem er wieder in das Bundesgebiet einreist, und mangels der Möglichkeit, legal Einkünfte zu erzielen, einer illegalen Beschäftigung nachgeht. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der BF vor dem BFA glaubwürdig angab, seine gebrechliche Mutter pflegen zu wollen, ist davon auszugehen, dass der BF künftig wieder Zeit in Österreich verbringen und hier auch Geld verdienen möchte, da er sonst seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne.

Die Feststellung, der BF sei von 27.12.2018 bis 06.11.2020, zum Zeitpunkt des Aufgriffs nicht und dann wieder im Juni/Juli 2021 kurzzeitig in Mistelbach behördlich gemeldet gewesen ist, war dem Zentralen Melderegister zu entnehmen.

2.5.    Die Feststellungen über die privaten und familiären Verhältnisse des BF in Österreich sowie in Bosnien und Herzegowina gründen sich auf seine diesbezüglich glaubwürdigen Aussagen. Es war festzustellen, dass die Mutter des BF pflegebedürftig ist und vom BF sowie seinen Geschwistern gepflegt wird, da er dies sowohl vor dem BFA als auch in der Beschwerdeschrift glaubwürdig vorbrachte. Da die Mutter, wie vom BF selbst behauptet, auch von den Geschwistern gepflegt werden kann, wenn sich der BF nicht in Österreich befindet, stellte die Behörde korrekterweise fest, dass zwischen dem BF und seiner Mutter kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Dass er gut Deutsch spricht, war deswegen festzustellen, weil die Einvernahme vor dem BFA gänzlich auf Deutsch geführt werden konnte. Die Feststellungen zu seiner Ausbildung, seinen Erwerbstätigkeiten in seinem Herkunftsstaat und dass er finanzielle Unterstützung von seiner Mutter erhält, beruhen auf seinen glaubhaften Angaben. Abgesehen davon, dass Verwandte des BF im Bundesgebiet leben und der BF deswegen des Öfteren hin- und herpendelt und der BF gut Deutsch spricht, sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, zumal er dies gar nicht behauptete.

Mangels Vorbringen dazu bzw. der Vorlage medizinischer Unterlagen war festzustellen, dass der BF an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, welche ihn in seiner Möglichkeit zur Teilnahme am Erwerbsleben maßgeblich einschränken würden.

Dass der BF in Österreich bereits sieben Mal aufgrund einer Straftat verurteilt wurde, ist einer Einsichtnahme ins Strafregister zu entnehmen. Es ist aktenkundig, dass gegen den BF mit Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2015 ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen hat, weshalb dies festzustellen war. Dem Erkenntnis des BVwG zu 1264523-2 bzw. dem dazu beigeschafften Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass auch schon 1996 ein Einreiseverbot gegen den BF erlassen wurde.

Dass der BF aktuelle keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ist einer amtswegigen Einsichtnahme in das Betreuungsinformationssystem des Bundes zu entnehmen.

2.6.    Der BF hat im Verfahren keine Rückkehrbefürchtungen bezogen auf Bosnien und Herzegowina, einen sicheren Herkunftsstaat im gemäß § 1 Z 2 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), geäußert. Da es sich beim BF um einen volljährigen Mann handelt, welcher an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und dessen Lebensmittelpunkt während der letzten Jahre in Bosnien gelegen hat, der dort eine Wohnmöglichkeit sowie die Möglichkeit hat, legal zu arbeiten und muttersprachlich bosnisch spricht, können keine exzeptionellen Umstände erkannt werden, vor deren Hintergrund anzunehmen wäre, dass er zur neuerlichen Erwirtschaftung seines Lebensunterhaltes in Bosnien nicht in der Lage sein und konkret gefährdet sein würde, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. In Bosnien und Herzegowina herrschen zudem keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Demnach konnte auch von Amts wegen kein Hinweis auf eine im Fall einer Abschiebung drohende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des BF erkannt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellen sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen wie folgt dar:

3.2.1.1. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.

[…]

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) – (4) […]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) – (13) […]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

„Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) – (6) [...]

[...]

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) – (7) [...]

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) […]

[...]

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) – (3) […]

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) […]“

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) [...]“

3.2.1.2. Der BF ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Er ist als Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas mit einem biometrischen Reisepass von der Visumpflicht für einen Aufenthalt im Schengengebiet, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, gemäß Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II Teil 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 (EU-Visum-Verordnung) befreit.

Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 lit. a bis e leg.cit. vorliegen.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 SDÜ muss der Drittausländer über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sowohl für die Dauer des Aufenthaltes als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (lit c leg.cit.) und darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen (lit e leg.cit.).

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Nach Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex können die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber eines Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt, wenn das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen ist. Gemäß Abs. 2 leg cit kann diese Annahme durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.

3.2.1.3. Obwohl der BF angab, sich seit 04.06.2021 wieder in Österreich zu befinden, wies sein Reisepass einen Einreisestempel vom 23.02.2020 auf. Da der BF keinen glaubhaften Nachweis erbrachte, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat, war anzunehmen, dass er die in Österreich zulässige Aufenthaltsdauer überschritt und sich demnach unrechtmäßig im Bundesgebiet befand. Auf Grund des Umstandes, dass der BF am 17.06.2021 bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung ("Schwarzarbeit") betreten wurde und daher die Voraussetzungen im Sinne der zuvor genannten Bestimmungen nicht erfüllt waren, erwies sich der Aufenthalt jedenfalls spätestens ab diesem Tag als unrechtmäßig. Sein Aufenthalt wurde demnach aufgrund der von ihm ausgeübten Beschäftigung ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung in Anbetracht des § 31 Abs. 1a FPG rechtswidrig, weil er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet die Bedingungen des visumfreien Aufenthalts, der nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, nicht einhielt.

3.2.1.4. Mit dem gegenständlichen Bescheid, welcher durch persönliche Ausfolgung an den BF am 23.06.2021 erlassen wurde, wurde gegen ihn demnach zulässigerweise eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG ausgesprochen. Der BF ist bisher nicht in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt und hält sich demnach unrechtmäßig in Österreich auf.

Wie sogleich aufzuzeigen sein wird, haben im Falle des BF zu keinem Zeitpunkt – weder bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, noch zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt – Umstände vorgelegen, die im Sinne des § 9 Abs. 3 BFA-VG zu einer Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung führen würden.

3.2.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.2.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lagen zu keinem Zeitpunkt vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig war noch der BF ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Die Behörde hat daher zu Recht ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Zeitpunkt der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht vorgelegen haben.

3.2.4. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.2.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

3.2.4.2. Vom Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.03.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; vgl. auch VwGH 08.06.2006, 2003/01/0600 sowie VwGH 26.01.2006, 2002/20/0235, wonach das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der BF hat Familienangehörige, die im Bundesgebiet leben, nämlich sein Mutter, seine zwei Brüder sowie seine zwei Schwestern. Da der BF erwachsen ist, muss eine gewisse Beziehungsintensität oder etwa ein (finanzielles) Abhängigkeitsverhältnis vorliegen, damit eine Verletzung des Familienlebens gegeben ist. In Bezug auf seine Geschwister wurde ein solches Naheverhältnis gar nicht behauptet. Hinsichtlich der Beziehung zu seiner Mutter ist festzuhalten, dass der BF, da er über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt und eigenen Angaben zufolge in den letzten Jahren zwischen dem Bundesgebiet und seinem Herkunftsstaat pendelt, mit dieser nicht dauerhaft in einem Haushalt lebt. Zusätzlich war er an der von ihm vor dem BFA angegebenen Adresse der Mutter zu keinem Zeitpunkt behördlich gemeldet. Er pflegt sie zwar, wenn er gerade im Bundesgebiet aufhältig ist, es kümmern sich jedoch auch die Geschwister um die Pflege der Mutter, sodass zwischen dieser und dem BF kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ein solches lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der BF ab und zu finanziell von seiner Mutter unterstützt wird, da es sich dabei wie festgestellt jeweils nur um geringe Beträge handelt und der BF seinen Lebensunterhalt grundsätzlich selbst bestreitet. Die tatsächlich gelebte Beziehung zu seiner Mutter und seinen Geschwistern wird auch durch die zahlreichen Haftaufenthalte und das gegen ihn 2015 erlassene, auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbot, relativiert. Demnach bedeutet ein Eingriff in diese Beziehungen keine Verletzung des Rechtes auf Familienleben iSd. Art. 8 EMRK.

Da der BF auch über keine sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist eine Verletzung seines Rechts auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des BF eingreifen.

3.2.4.3.1 Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.1.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

3.2.4.3.2. Der BF hielt sich von den neunziger Jahren bis 2015 etwa 23 Jahre im Bundesgebiet auf. Nachdem 2015 ein dreijähriges Einreiseverbot verhängt wurde, pendelte er in den Jahren 2018 bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung immer wieder zwischen Österreich und Bosnien und Herzegowina hin und her. Sein Aufenthalt ist daher insgesamt als lang, jedoch nicht als durchgängig zu werten und auch dadurch zu relativieren, dass dieser durch zahlreiche Haftaufenthalte geprägt und wie im Verfahren zu 1264523-2 rechtskräftig festgestellt unsicher, also nicht legalisiert, war. Der BF war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig, er verfügt hier über keine engen sozialen Bindungen, und hat außer der Tatsache, dass er gut Deutsch spricht, weder irgendwelche Ausbildungen absolviert noch maßgebliche Integrationsschritte gesetzt. Es wurden im gesamten Verfahren keine Aspekte einer Integration des BF in gesellschaftlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht ersichtlich.

Der BF hat zwar im Herkunftsstaat keine Familienangehörigen mehr, lebt dort jedoch nach wie vor im Familienhaus und verbrachte dort, obwohl er sich zwischendurch längere Zeit in Österreich aufhielt, den prägendsten Teil seines Lebens. Er verfügt über Kenntnisse der Amtssprachen sowie Berufserfahrung und es wird ihm daher als volljährigem gesundem Mann ohne besonderen Schutzbedarf auch problemlos möglich sein, wieder im Herkunftsstaat Fuß zu fassen, zumal er die letzten Jahre überwiegend dort verbrachte.

3.2.4.4. Allfälligen privaten Interessen des BF an einem Aufenthalt in Österreich stehen im Übrigen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Verhinderung von Schwarzarbeit gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Frem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten