TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/26 G313 2245663-1

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Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1

Spruch


G313 2245663-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Nigeria, vertreten durch LegalFocus, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.07.2021, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft ab 08.07.2021 zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft ab 08.07.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II.      Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III.    Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

IV.      Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idF BGBl. I Nr. 33/2013 iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-Aufwandersatzverordnung idF BGBl. II Nr. 517/2013 hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

V.       Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des BFA vom 08.07.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der derzeitigen Haft eintreten.

2. Es wurde gegen diesen Bescheid und gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft Beschwerde erhoben, und beantragt, nach einer mündlichen Verhandlung „1. die Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären sowie 2. der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen, 3. die aufschiebende Wirkung zu gewähren.“

3. Aktvorlage bzw. Vorlage der Schubhaftbeschwerde durch das BFA erfolgte mit Schreiben vom 23.08.2021.

4. Am 24.08.2021 wurde der BF im Beisein der Rechtsvertretung niederschriftlich nochmals einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria.

1.2. Er brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG ein. Dieser Antrag wurde seitens des BVwG mit 09.12.2015 rechtskräftig abgewiesen.

1.3. Der BF brachte am 08.03.2016 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein.

Mit Bescheid des BFA vom 20.05.2016 wurde dieser Antrag vom 08.03.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl- als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Nigeria festgestellt, und dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung gewährt.

Diese Entscheidung wurde seitens des BVwG bestätigt und ist am 29.11.2019 rechtskräftig geworden. Seit 29.11.2019 ist der BF zur Ausreise aus Österreich und dem Schengen Raum verpflichtet.

1.4. Im Rahmen eines Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ-Verfahren) wurde der BF für den 16.07.2020 und für den 17.07.2020 zur nigerianischen Botschaft zu einem Interview bzw. einer Vorsprache geladen.

Der BF nahm jedoch weder den Vorsprachtermin vom 16.07.2020 noch denjenigen vom 17.07.2020 wahr.

1.5. Am 08.07.2021 gab der BF im Zuge einer fremdenpolizeilichen Befragung befragt danach an, „ca. 20 Euro“ und kein sonstiges Vermögen zu besitzen, weder auf einem Konto noch in sonstiger Form. Geld würde er durch den Verkauf der Zeitschrift Megaphon erwirtschaften.

Darauf aufmerksam gemacht, dass er seit 29.11.2019 ausreisepflichtig sei und befragt danach, warum er noch nicht ausgereist sei und ob er überhaupt gewillt sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen, beharrte der BF darauf, nicht ausreisewillig zu sein und im Bundesgebiet bleiben zu wollen.

Der BF wurde daraufhin von der Polizei festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) verbracht.

Seit 08.07.2021 befindet er sich nunmehr in Schubhaft.

1.6. Der BF verfügt in Österreich über keine soziale und keine berufliche Verankerung, über keine familiären Beziehungen und nicht über ausreichende Existenzmittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes bzw. Bestreitung seines Aufenthaltes.

1.7. Der BF wurde am 22.07.2021 einer Delegation in der nigerianischen Botschaft in Wien vorgeführt. Im Zuge dessen wurde die Zusage zur Ausstellung eines HRZ erteilt.

1.8. Am 23.07.2021 stellte der BF aus dem Stand der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und wurde er umgehend einer Erstbefragung unterzogen.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.07.2021 wurde dem BF unter Annahme der belangten Behörde, dass die Asylantragstellung in ausschließlicher Missbrauchsabsicht gestellt worden sei, mitgeteilt, dass das BFA beabsichtigt den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Unter einem wurde dem BF das für das gegenständliche Verfahren relevante Berichtsmaterial übermittelt und sein Einvernahmetermin am 29.07.2021 bekannt gegeben.

Am 29.07.2021 wurde der BF im betreffenden Anhaltezentrum niederschriftlich einvernommen.

1.9. Am 24.08.2021 wurde anlässlich der in Betracht gezogenen Erlassung eines neuen mündlichen Bescheides nach § 12a Abs. 2 AsylG“ – nach Behebung des mündlichen Bescheides des BFA vom 06.08.2021 durch eine BVwG-Entscheidung vom 10.08.2021, mit der Begründung, dem Rechtsvertreter des BF sei nicht rechtzeitig die Ladung für die Einvernahme des BF zugegangen – eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA im Anhaltezentrum durchgeführt.

Nach Durchführung der Einvernahme des BF vor dem BFA am 24.08.2021, nunmehr im Beisein des Rechtsvertreters des BF, folgte eine Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm „§ 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 2 AVG, und zwar in der Form, dass mit Bescheid des BFA der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde, waren doch alle dafür erforderlichen Voraussetzungen kumulativ erfüllt. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde damit begründet, dass eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestehe, der Asylantrag des BF voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde, und eine reale Gefahr einer dem BF drohenden Art. 2, 3 oder 8 EMRK-Verletzung nicht erkennbar gewesen sei.

1.10. Seitens des BFA wurde am 05.08.2021 nach Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Bezüglich der im angefochtenen Schubhaftbescheid festgestellten (rechtskräftigen) strafrechtlichen Verurteilungen wird festgehalten, dass sich die belangte Behörde diesbezüglich offenbar auf das Anfrageergebnis im Strafregister bezüglich einer Person mit ähnlichem, jedoch nicht gleichem Namen wie dem BF gestützt hat.

Für den BF selbst scheint im Strafregister der Republik Österreich keine strafrechtliche Verurteilung auf.

Die Feststellung zur fehlenden sozialen Verankerung des BF in Österreich beruht unter anderem darauf, dass der BF in seiner am 29.07.2021 im Zulassungsverfahren in einem Anhaltezentrum durchgeführten Einvernahme ihm in Österreich bekannte Personen nur mit Vornamen, nicht jedoch auch mit Nachnamen nennen, und wie aus dem übrigen Akteninhalt hervorgehend, auch ansonsten keine nähere Beziehung zu irgendjemandem vorbringen bzw. glaubhaft machen konnte. Familienangehörige bzw. sonstige Verwandte in Österreich oder im sonstigen EU-Raum hat er laut seinen eigenen Angaben in seiner Einvernahme am 29.07.2021 nicht.

Auch wenn der BF, wie von seinem Rechtsvertreter dem BFA in einem E-Mail vom 02.08.2021 mitgeteilt, nach einer Freilassung wie vor Verbringung in Schubhaft bei einem „Kollegen“ wohnen würde, geht aus dem Akteninhalt auch keine nähere Beziehung zu diesem „Kollegen“ hervor.

Die Feststellung der mangelnden beruflichen Verankerung des BF in Österreich beruht darauf, dass der BF, wie aus dem Akteninhalt hervorgehend, über keine Berechtigung zur Arbeitsaufnahme in Österreich verfügt. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.07.2021 gab der BF befragt danach, über welche Geldmittel er aktuell verfüge, an:

„Das kann ich nicht genau sagen. Ich habe 160 Euro hier im AHZ.“

Am 08.07.2021 gab der BF im Zuge einer fremdenpolizeilichen Befragung befragt danach an, „ca. 20 Euro“ und kein sonstiges Vermögen zu besitzen, weder auf einem Konto noch in sonstiger Form. Geld würde er durch den Verkauf der Zeitschrift Megaphon erwirtschaften.

Der BF hat in Österreich somit keine ausreichenden Existenzmittel und keine Möglichkeit um auf legale Weise zu Geld zu gelangen.

Der BF beharrte, wie aus dem Akteninhalt hervorgehend, stets auf seiner Nichtausreisewilligkeit und wirkte nicht am HRZ-Verfahren mit.

Dass der BF seine Vorführtermine bei der Botschaft in Wien deshalb nicht wahrgenommen hat, weil er, so wie er in seiner fremdenpolizeilichen Befragung vom 08.07.2021 angab, sein Anwalt ihm dazu geraten und eine Befolgung als nicht notwendig erachtet hätte, konnte nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet wie folgt:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet wie folgt:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

3.1.1. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

3.1.2. Der BF, nigerianischer Staatsangehöriger, besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG.

Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des BFA vom 08.07.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Nach § 76 Abs. 2. Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Der BF zeigte sich nicht bereit, von sich aus an seinem HRZ-Verfahren bzw. an der Erlangung eines HRZ für ihn mitzuwirken und nahm zwei Vorführtermine bei der nigerianischen Botschaft nicht wahr, welches Verhalten ein die behördlich geplante Abschiebung des BF maßgeblich behinderndes Verhalten iSv § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG darstellt.

Der BF hat gegenüber den ihn einvernommenen Polizeibeamten im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle zudem angegeben, nicht ausreisewillig zu sein.

Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise „Fluchtgefahr“ zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der aufgrund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021)

Da im gegenständlichen Fall mit Erlassung der am 26.11.2019 rechtskräftig gewordenen negativen Asylentscheidung samt Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und der BF sich gegenüber den Behörden als nicht zuverlässig erwies und seine Vorführtermine bei der nigerianischen Botschaft nicht wahrnahm, ist der Fluchtgefahr-Tatbestand iSv § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Der BF stellte in Österreich insgesamt dreimal einen Asylantrag, wobei über zwei von ihm gestellten Anträge auf internationalen Schutz bereits eine rechtskräftige negative Asylentscheidung samt aufenthaltsbeendender Maßnahme ergangen ist.

Aus dem Stand der Schubhaft stellte der BF nun zuletzt am 23.07.2021 einen weiteren Folgeantrag.

Da der nach rechtskräftig negativer Beendigung seines ersten Asylverfahrens gestellter zweiter Asylantrag des BF offenbar nur ein weiteres Bleiberecht in Österreich bezweckte, wird unter Berücksichtigung, dass der BF vor dem BFA bzw. der Polizei kundgetan hat, nicht ausreisewillig zu sein, davon ausgegangen, dass auch sein in Schubhaft gestellter dritter Antrag auf internationalen Schutz vom 23.07.2021 in Missbrauchs- bzw. Verzögerungsabsicht, nur um ein weiteres Bleiberecht zu erlangen, gestellt wurde.

Es war folglich, weil gegen den nicht freiwillig zur Ausreise bereiten BF zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz vom 23.07.2021 eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand und er sich zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft befand, auch von einer Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG auszugehen.

Der BF ist in Österreich zudem weder sozial noch beruflich verankert. Er gab im Zuge seiner Befragung durch die Polizei am 08.07.2021 unter anderem an, sich aus dem Verkauf der Megaphone-Zeitschrift Geld zu erwirtschaften. Dass der BF einen ca. 20 Euro übersteigenden Geldbetrag besitzt, war seitens der Polizei nicht feststellbar. Nachdem der BF am 23.07.2021 aus dem Stand der Schubhaft einen Asylantrag gestellt hatte, gab er im Zuge des ihm am 29.07.2021 im Anhaltezentrum gewährten Parteiengehörs an, derzeit über 160,- Euro zu verfügen (angefochtener Bescheid, S. 14). Da der BF in Österreich über keine Berechtigung zur Arbeitsaufnahme verfügt und auch nicht die Möglichkeit hat, um auf legale Weise zu Geld bzw. zu regelmäßigen Erwerbseinkünften zu gelangen, war auch nicht von ausreichenden Existenzmitteln zur Finanzierung seines Aufenthaltes bzw. Bestreitung seines Lebensunterhaltes auszugehen. Der Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist somit ebenso erfüllt.

In Gesamtbetrachtung war von einer erheblichen Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG bzw. einer beträchtlichen Gefahr des Untertauchens des BF im österreichischen Bundesgebiet auszugehen.

Der BF war ab 29.11.2019, zu welchem Zeitpunkt die gegen ihn ergangene negative Asylentscheidung samt Rückkehrentscheidung rechtskräftig geworden ist, zur Ausreise verpflichtet, verblieb aber weiterhin im österreichischen Bundesgebiet und beharrte auch im Zuge seiner polizeilichen Befragung am 08.07.2021 darauf, nicht ausreisewillig zu sein.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden (Z. 2) oder eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen (Z. 3).

Der Rechtsvertreter des BF brachte in einer an das BFA per E-Mail vom 02.08.2021 gerichteten Stellungnahme vor, dass der BF bei Freilassung wie bereits vor seiner Verbringung in Schubhaft bei einem Kollegen wohnen würde. Auch wenn der BF bei diesem wohnen würde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich freiwillig „in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion“ melden würde, hat er sich doch bereits insofern als unzuverlässig erwiesen, als er zwei Vorführtermine vor der nigerianischen Botschaft nicht wahrgenommen hat. Der BF wirkte nicht am HRZ-Verfahren mit.

Dafür, dass der BF diese Vorführtermine nur deshalb nicht wahrgenommen hat, weil laut Vorbringen seines Rechtsvertreters ihm von seinem anfänglichen „falschen“ Rechtsvertreter dazu geraten worden wäre, konnte kein Nachweis erbracht werden, und deshalb auch nicht davon ausgegangen werden.

Die Anwendung eines gelinderen Mittels gem. § 77 FPG kam für den praktisch mittellosen BF, der über keine Berechtigung zur Arbeitsaufnahme und keine Möglichkeit verfügt, um in Österreich auf legale Weise zu Geld zu gelangen, somit nicht in Betracht.

Verhältnismäßigkeit ist zudem auch unter Bedachtnahme auf die nach § 80 FPG höchstzulässige Schubhafthöchstdauer gegeben, ist doch von einer zeitnahen Abschiebung des seit 08.07.2021 in Schubhaft angehaltenen BF auszugehen, zumal die Ausstellung eines HRZ seitens der nigerianischen Botschaft bereits zugestimmt wurde und der BF jederzeit nach Nigeria abgeschoben werden könnte, bzw. der nächste diesbezügliche Charterflug für 21.09.2021 geplant ist.

Die Anordnung der Schubhaft über den BF und seine Verbringung und Anhaltung in Schubhaft erfolgte somit zu Recht.

Es war daher die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 08.07.2021 als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Es besteht aufrechter Sicherungsbedarf bzw. erhebliche Fluchtgefahr und zudem auch Verhältnismäßigkeit der Schubhaft.

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann, wenn ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, diese aufrechterhalten werden, wenn (iSv Art. 8 Abs. 3 lit. d. der Aufnahme-RL „berechtigte“) Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Im gegenständlichen Fall konnte auch angesichts der Asylantragstellung aus dem Stand der Schubhaft vom 23.07.2021 die Anhaltung in Schubhaft aufrechterhalten werden, bestanden doch berechtigte Gründe zur Annahme, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde, ist der BF doch nach zwei rechtskräftig negativ beendeten Asylverfahren trotz Ausreiseverpflichtung weiterhin im Bundesgebiet verblieben, und hat er auch aus dem Stand der Schubhaft am 23.07.2021 offenbar nur zur Erlangung eines weiteren Bleiberechts einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der nächste Chartertermin nach Nigeria ist für den 21.09.2021 geplant. Auch angesichts der zeitnah möglichen Abschiebung des BF besteht weiterhin Verhältnismäßigkeit der Schubhaft.

Es war folglich festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

3.2. Zur Zurückweisung des Antrages auf aufschiebende Wirkung

Die Behörde will den hier gegenständlichen „Schubhaftbescheid“ nicht vollziehen, sondern hat das bereits getan. Durch die getroffene Fortsetzungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (Spruchpunkt II.) erhält die Schubhaft zudem eine neue Rechtsgrundlage. Im Übrigen ist die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen von Beschwerden gemäß § 22a BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Der diesbezügliche Antrag war daher zurückzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG trotz diesbezüglicher Beantragung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde– eindeutig – geklärt erschien und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu einem anderen Entscheidungsergebnis führen können hätte.

3.4. Zu einem Kostenersatz

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist auf Antrag der Partei Aufwandersatz zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

3.4.2. Im gegenständlichen Verfahren ist belangte Behörde obsiegende Partei, weshalb ihr gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV Aufwandersatz im gesetzlichen bzw. beantragten Umfang für den Schrifstatz- und Vorlageaufwand zuzusprechen war. Dem BF als iSd § 35 Abs. 3 VwGVG unterlegene Partei gebührt hingegen kein Kostenersatz, weshalb sein Aufwandsersatzantrag abzuweisen war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2245663.1.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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