TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W144 2244881-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W144 2244881-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX geb., StA von Russland, gegen den Bescheid des BFA vom 14.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Russland, reiste unter Verwendung eines polnischen Visums von Heimatland (Abreise 21.05.2021) über Weißrussland zunächst nach Polen ein und begab sich sodann am 30.05.2021 weiter nach Österreich, wo er in der Folge er am 01.06.2021 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Aus einem Schreiben der polnischen Dublin-behörde vom 21.06.2021 ergibt sich, dass dem BF ein polnisches Visum, gültig für XXXX Tage vom XXXX .03.2021 bis XXXX .07.2021, Nr. XXXX , erteilt wurde.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Steiermark vom 01.06.2021 gab der BF im Wesentlichen an, dass er am 21.05.2021 mit dem Zug von XXXX nach XXXX und von dort weiter nach XXXX gefahren sei. In weiterer Folge habe er sich ebenfalls mit der Bahn nach XXXX begeben, von wo aus er am 30.05.2021 nach Wien weitergereist sei. Er sei am selben Tag über Wien nach XXXX weiter gelangt. Über Polen könne er keine Angaben erstatten, da er dort nichts gesehen habe, sondern sich nur auf der Durchreise befunden habe. Er habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Er wolle hier in Österreich bleiben, weil seine Tochter und seine Enkelkinder auch hier leben. Er habe im Heimatland niemanden, der ihn pflegen könne. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses habe er sein Haus an seinen Bruder verloren und habe er nun keine Unterkunft mehr. Sein Leben sei in seinem Heimatland nicht in Gefahr, jedoch sei er schon alt und könne kein neues Haus bauen.

Mit E-Mail vom 02.06.2021 teilte die Tochter ( XXXX , XXXX geb.) des BF mit, dass sie in XXXX lebe, und dass sie ersuche, ihren Vater in ihre Nähe zu verlegen. Bei jedem Anruf klage dieser über seinen Gesundheitszustand, Druckabfall, Herzkribbeln, usw. Ihr Vater leide an Herzversagen und sei zweimal operiert worden, einmal am Herzen und einmal an der Niere.

Das BFA richtete am 10.06.2021 unter Hinweis auf das polnische Visum ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Polen. Polen hat seine Zuständigkeit und die Rückübernahme des BF mit Schreiben vom 21.06.2021 unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich akzeptiert.

Im Zuge seiner Einvernahme durch das BFA vom 29.06.2021 gab der BF im Wesentlichen an, dass er sich vor etwa 20 Jahren habe scheiden lassen und seither alleine wohne. Gesundheitlich gehe es ihm „nicht so gut, sehr schlecht“. Er leide an Bluthochdruck und habe Herzbeschwerden. Außerdem sei er aufgrund einer Krebserkrankung an seiner rechten Niere operiert worden. Im März 2020 sei er zum ersten Mal mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus gekommen. Am Herzen sei er dreimal operiert worden, er habe drei Stents bekommen und nehme Medikamente seit dem ersten Tag seiner Herzoperation ein. Im August 2020 sei er an der Niere operiert worden. In Österreich sei er noch nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. Der Arzt im Flüchtlingsquartier, an den er sich wegen seines Bluthochdrucks gewandt habe, habe gemeint, dass sein Blutdruck mit den Werten XXXX in Ordnung sei, für ihn sei dieser Wert allerdings nicht in Ordnung. Er sei in Österreich niemals stationär in einem Krankenhaus aufhältig gewesen. Medizinische Unterlagen habe er aus der russischen Föderation. In Polen sei er nicht medizinisch behandelt worden, er sei direkt hierhergekommen. Nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, gab der BF an, dass er in Polen niemanden kenne, in Österreich hingegen seit 18 Jahren seine Tochter lebe. Er brauche wegen seines Gesundheitszustandes jemanden, der ständig in seiner Nähe sei. In der Vergangenheit sei es vorgekommen, dass er einfach ohnmächtig geworden sei. Er sei oft schwindlig und könne sein Blutdruck bis zum Wert XXXX steigen. Auch seine Enkelkinder seien hier. Nachgefragt, wie der BF die Reise alleine nach Österreich habe bewerkstelligen könne, erklärte er, dass ihn seine Landsleute unterwegs begleitet hätten. Seine in Österreich lebende Tochter sei die einzige Verwandte im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Diese lebe in XXXX , welchen Aufenthaltstitel sie besitze, wisse er nicht. Finanziell bestehe zu seiner Tochter kein Abhängigkeitsverhältnis, es wäre doch schön, wenn diese in seiner Nähe wäre. Seine Tochter habe ihn im Flüchtlingsquartier nur einmal besucht, konkret letztes Wochenende. Andere Personen, zu denen ein Naheverhältnis bestehe, habe er im Bundesgebiet nicht. In Polen sei er 4 bis 5 Tage lang aufhältig gewesen. Er wolle keine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu Polen abgeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

„Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 06.11.2020

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

(AIDA 4.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

In Polen hat das Asylamt, nach COVID-bedingten Einschränkungen während denen keinerlei Entscheidungen in Verwaltungsverfahren getroffen werden durften, mit 25. Mai den Parteienverkehr in Asylverfahren zumindest in Warschau wieder aufgenommen. Mit 23. Mai liefen auch die Fristen in Asylverfahren wieder weiter (ECRE 28.5.2020).

Polen hat während der Pandemie die Verlängerung der Gültigkeit von Dokumenten um bis zu 30 Tage nach Ende der COVID-Situation erklärt und Online-Anträge auf Integrations- und Sozialhilfe für Schutzberechtigte eingeführt, erlaubt Asylwerbern Arbeit ohne Verlängerung von entsprechenden Genehmigungen und hat den Zugang von Asylwerbern zu kostenfreier sozialer und medizinischer Hilfe erweitert (UNHCR 9.5.2020).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (28.5.2020): INFORMATION SHEET 28 MAY 2020: COVID-19 MEASURES RELATED TO ASYLUM AND MIGRATION ACROSS EUROPE, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/05/COVID-INFO-28-May.pdf, Zugriff 4.9.2020

?        UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (9.5.2020): Regional Bureau for Europe: COVID-19 Emergency Response, Update #5 (2 – 7 May 2020), https://reliefweb.int/report/world/regional-bureau-europe-covid-19-emergency-response-update-5-2-7-may-2020, Zugriff 4.9.2020

Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung: 06.11.2020

(Wie in den länderspezifischen Anmerkungen beschrieben, geht das Länderinformationsblatt nicht auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Dublin-Vollzug in Polen ein. Diesbezüglich darf auf die informativen COVID-Kurzinformationen der Staatendokumentation zu Europa/Balkan und Ukraine verwiesen werden. Anm. der Staatendokumentation)

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, können bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2019 haben 294 Personen innerhalb der Neun-Monatsfrist einen Antrag auf Wiedereröffnung ihres Verfahrens gestellt. Viele Rückkehrer ziehen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor (AIDA 4.2020).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse des motorischen Behinderten angepassten Zentrums untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

Quellen:

AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Letzte Änderung: 06.11.2020

Die Identifizierung von vulnerablen Gruppen geschieht durch die Grenzwache bei der Registrierung des Asylantrags bzw. durch die Asylbehörde. Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet bei Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung oder aber zu jedem Zeitpunkt im Verfahren zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Dazu kann die Behörde eine medizinische oder psychologische Untersuchung des Antragstellers veranlassen. Wer die Untersuchung verweigert wird auch nicht als vulnerabel eingestuft. Typischerweise wird ein Gespräch mit einem Psychologen arrangiert, wenn der Antragsteller die relevanten Felder im Asylantragsformular ankreuzt. Der Psychologe empfiehlt dann, ob der Antragsteller als vulnerabel zu behandeln ist. Seit Juni 2019 wird jeder Asylwerber, der den sogenannten epidemiologischen Filter (medizinische Eingangsuntersuchung) durchläuft, auch einem Vulnerabilitätsscreening unterzogen. NGOs behaupten regelmäßig, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniert. Besonders moniert wird die Nichtheranziehung von Experten bei der Identifizierung von Folteropfern. Die Behörde ist der Meinung, dass dies nicht nötig sei. Die Gerichte scheinen der Ansicht der Behörde zu folgen. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an um diese als Opfer von Menschenhandel oder von Folter zu erkennen, was von NGOs und dem Menschenrechtskommissär kritisiert wird. Im 4. Quartal 2019 waren in Polen 274 Asylwerber mit speziellen Bedürfnissen registriert (AIDA 4.2020).

Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Bedürfnisse bestehen, wenn ein Antragsteller behindertengerecht, in einer medizinischen Einrichtung, in einer auf Betreuung spezialisierten Einrichtung, oder in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern untergebracht werden muss bzw. angepasster Ernährung bedarf. Behinderte, Alte, Schwangere und Alleinerziehende können nach Antragstellung oder Dublin-Rückkehr von der Grenzwache in ein Unterbringungszentrum transportiert werden. Andere vulnerable Gruppen müssen selbst dorthin reisen. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Einige Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können bei Bedarf in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern (AIDA 4.2020).

Die Gesetze sehen Identifizierungsmechanismen für unbegleitete Minderjährige vor. Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen, die unter Wahrung der Würde und unter Anwendung der am wenigsten invasiven Methode vorzunehmen ist. Im Zweifelsfall wird in der Regel die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt (AIDA 4.2020).

Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige unmittelbar auf Antrag der Asylbehörde oder der Grenzwache, vom lokal zuständigen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (Kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage, zu ihrer Einhaltung in der Praxis gibt es aber keine Berichte. Der Vormund ist zuständig für das Asylverfahren, soziale Betreuung und gegebenenfalls freiwillige Rückkehr, nicht jedoch für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an geeigneten Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist werden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe. UMA werden nicht in Unterbringungszentren für Erwachsene, sondern in Jugendbetreuungseinrichtungen in ganz Polen untergebracht. Bis das Gericht über die Bestellung des Vormunds entscheidet, ist Unterbringung bei einer Pflegefamilie oder in einem Krisenzentrum vorgesehen. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, darf der UM in der Unterbringung oder Familie bleiben, in der er sich befindet. 2019 gab es 105 UMA in Polen. Die meisten UMA in Polen entziehen sich dem Verfahren durch Verlassen der Unterbringung, bei manchen Nationalitäten zu 100% (z.B. Vietnamesen) (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.e).

Alle Kinder in Polen unterliegen bis zum Alter von 18 Jahren der Schulpflicht. Im September 2019 besuchten ca. 850 asylwerbende Kinder 110 öffentliche Schulen in Polen. Das polnische Bildungssystem nimmt nicht genug Rücksicht auf die speziellen Bedürfnisse dieser Schüler, aber auch Fluktuation durch Weiterreise der Familien nach Westeuropa ist ein Problem. In den Zentren gibt es Polnisch-Kurse für Erwachsene und Kinder. Es gibt die Möglichkeit eigene Vorbereitungsklassen einzurichten, was in der Praxis auch genutzt wird (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.e): Unaccompanied minors, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/maloletni-bez-opieki/, Zugriff 4.9.2020

Non-Refoulement

Letzte Änderung: 06.11.2020

2019 haben die Verwaltungsgerichte begonnen, die Vollstreckung negativer Entscheidungen während eines Beschwerdeverfahrens auszusetzen, wodurch die Antragsteller während dieser Zeit vor potentiellem Refoulement geschützt sind. Das Oberste Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung mehrmals bestätigt (AIDA 4.2020).

Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist („first country of asylum“). 2019 wurde die „first country of asylum“-Bestimmung in vier Fällen angewendet (AIDA 4.2020).

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte „Push-Backs“ am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland (AIDA 4.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 16.4.2020).

Der EMRK erließ einige einstweilige Anordnungen gegen die polnischen Behörden, wodurch Abschiebungen untersagt wurden. Die Abschiebungen nach Belarus fanden aber dennoch statt. Die polnischen Behörden vertreten den Standpunkt, dass die betreffenden Personen nie nach Polen eingereist seien und somit auch nicht abgeschoben worden seien und außerdem auch keine Asylanträge gestellt hätten. Auch polnische Gerichte hoben in mehreren Fällen Entscheidungen zur Verweigerung der Einreise auf, doch nach einem solchen Urteil wird für die betreffenden Personen an der Grenze ein neues Verfahren bezüglich Einreise eingeleitet, auf welches das Urteil des Gerichts nicht anwendbar ist, da es sich um ein neues Verfahren handelt. Der Betreffende erwirbt mit dem Urteil also nicht automatisch das Recht auf Einreise (AIDA 4.2020).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 – Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2028210.html, Zugriff 4.9.2020

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022775.html, Zugriff 3.9.2020

Versorgung

Letzte Änderung: 06.11.2020

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt (2019 war das 51 Mal der Fall). Der Transport muss in der Regel auf eigene Faust und Kosten erfolgen. Nur bestimmte vulnerable Gruppen werden behördlich dorthin transportiert. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.f).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Nicht zu materieller Versorgung während des Verfahrens berechtigt sind: subsidiär Schutzberechtigte, die nochmals um Asyl ansuchen, Geduldete oder Personen mit humanitärem Aufenthalt, Personen mit Aufenthaltsberechtigung usw. Diese haben Versorgungsrechte auf anderer Rechtsgrundlage (AIDA 4.2020).

Wurde ohne Schuld des Antragstellers nach sechs Monaten noch keine Entscheidung in seinem Asylverfahren getroffen, hat er unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aber eingeschränkt, weil die Unterbringungszentren weit von Arbeitsmöglichkeiten entfernt oder in strukturschwachen Gegenden liegen, weil Arbeitgeber sich scheuen Asylwerber einzustellen oder wegen der Sprachbarriere (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.a).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Rights and obligations – applicant, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 3.9.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.f): Who can obtain assistance and when, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 4.9.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020

Unterbringung

Letzte Änderung: 06.11.2020

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2019 erhielten durchschnittlich 1.276 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.595 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten 'sozialen Minimum' und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer bis unmöglich abzudecken. Asylwerber außerhalb der Zentren wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen und unsicheren Verhältnissen (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.c).

Die Unterstützung für ein Leben außerhalb eines Zentrums wird durch die Post ausgezahlt, das geschieht aber mitunter unregelmäßig, was zu Problemen bei Deckung von Mieten oder Lebenshaltungskosten führen kann (AIDA 4.2020).

In Polen gibt es zehn Unterbringungszentren mit insgesamt 1.962 Plätzen. Zwei der Zentren (D?bak und Biala Podlaska) dienen der Erstaufnahme, das Zentrum in Warschau dient speziell der Unterbringung von alleinstehenden Müttern. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sechs der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden von den Untergebrachten generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 4.2020).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) mit zusammen 527 Plätzen, von denen Ende 2019 insgesamt 91 belegt waren (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 3.9.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 06.11.2020

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen der Arzt pro 120 Asylwerber sechs Ordinationsstunden und die Pflegekraft 20 Ordinationsstunden leisten. Für je 50 weitere Asylwerber sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Pflegekraft vorgesehen. Zusätzlich sind für je 50 Kinder im Zentrum vier Ordinationsstunden/Woche für einen Kinderarzt mit zusätzlichen zwei Stunden für je 20 weitere Kinder vorgesehen (AIDA 4.2020).

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Für Personen mit psychischen Problemen arbeiten in allen Zentren Psychologen im Ausmaß von zumindest vier Wochenstunden pro 120 Asylwerber mit zusätzlich einer Stunde für je 50 weitere AW. Diese Psychologen bieten jedoch nur grundlegende Konsultationen. Weiterführend können die Patienten an einen Psychiater oder ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten und vieler NGOs ist eine spezialisierte Behandlung von Folteropfern bzw. traumatisierten Asylwerbern in der Praxis nicht verfügbar. NGOs beklagen unzureichende Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit PTBS, da die verfügbare psychologische Unterstützung als Intervention und nicht als reguläre Therapie betrachtet wird. Es mangelt an Psychologen, die darauf vorbereitet sind, mit schutzbedürftigen und traumatisierten Asylwerbern zu arbeiten. Es gibt nur drei spezialisierte NGOs, die psychologischen Konsultationen und Behandlungen für AW anbieten. Im Jahr 2019 haben NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Unterstützung bereitgestellt (AIDA 4.2020).

Seit Juli 2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Insbesondere wird Asylbewerbern gelegentlich der Zugang zu teureren Behandlungen verweigert und erst nach Interventionen von NGOs und monatelangem Streit gewährt. Besonders schwierig ist der Zugang zu einer Behandlung für HIV-positive Asylwerber. Eine der größten Hürden beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind mangelnde interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Für AW, die außerhalb der Zentren leben, wird die medizinische Versorgung in den Woiwodschaftshauptstädten gewährleistet. Dazu müssen sie sich mit der Hotline von Petra Medica bezüglich Termine und Rezepten in Verbindung setzen. 2019 hat die polnische Asylbehörde 13 Beschwerden von Asylwerbern registriert, die alle die medizinische Versorgung betrafen (AIDA 4.2020).

Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Medical Center des nächstgelegenen Ausländerzentrums oder vereinbart einen Termin in einer kooperierenden Einrichtung unter der Helpline-Nummer (22) 112 02 06. Dort werden gegebenenfalls Überweisungen an Fachärzte ausgestellt bzw. autorisiert. Im Falle einer plötzlichen Gefahr für Gesundheit und Leben ist jedes nächstgelegene Krankenhaus etc. ansprechbar. Spezialisierte Dienstleistungen werden in Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Einrichtungen erbracht, die vertraglich gebunden sind oder den geltenden Regeln für die Erbringung medizinischer Dienstleistungen unterliegen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Patienten profitieren von der Zahnpflege in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica Verträge hat. Die Zentren für Ausländer haben ein entwickeltes System der psychologischen Versorgung. Psychologische Hilfe wird vor Ort angeboten. In besonderen Fällen werden Ausländer an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken überwiesen. Stationäre Behandlung in Einrichtungen, die einen Vertrag mit der Krankenkasse oder Petra Medica haben, ist auf der Grundlage einer Überweisung möglich. Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Meinung eines Facharztes genehmigt und finanziert (PM o.D.).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

?        PM – Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, https://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 3.9.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

Schutzberechtigte

Letzte Änderung: 06.11.2020

Internationaler Schutz wird unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer erhalten, ist für drei Jahre gültig (verlängerbar). Subsidiärer Schutz sowie humanitärer Schutz werden ebenfalls unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer in beiden Fällen erhalten, ist für zwei Jahre gültig (verlängerbar). Nach frühestens fünf Jahren legalen Aufenthalts in Polen können Fremde unter bestimmten Voraussetzungen eine Langzeitaufenthaltsberechtigung beantragen. Familienzusammenführung kann sowohl von Asyl- wie auch von subsidiär Schutzberechtigten beantragt werden. Wenn dies innerhalb von sechs Monaten ab Statuszuerkennung geschieht, müssen sie kein Einkommen oder Unterkunft in Polen nachweisen (AIDA 4.2020).

Schutzberechtigte dürfen nach Erhalt der Entscheidung noch für max. zwei Monate in der Unterbringung für Asylwerber bleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen. Der Staat bietet keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzberechtigte und es herrscht generell ein Mangel an Sozialwohnungen, sowohl für polnische Staatsbürger als auch für Inhaber eines Schutztitels. Einige Gemeinden bieten spezielle Wohnungen zu diesem Zweck an (z.B. fünf Wohnungen pro Jahr in Warschau). Berichten zufolge vermieten aber viele Vermieter nicht gerne an Flüchtlinge bzw. verlangen höhere Mieten. Viele NGOs meinen, Flüchtlinge würden sich in Polen Obdachlosigkeit und Armut gegenübersehen. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt wie polnische Bürger, jedoch sind in der Praxis Sprachkompetenz und Qualifikation der Flüchtlinge ein Problem (AIDA 4.2020).

Schutzberechtigte können binnen 60 Tagen ab Statuszuerkennung (UDSC o.D.b) an einem speziellen Individual Integration Program (IPI) teilnehmen, das von den Poviat Family Support Centres (Powiatowe Centra Pomocy Rodzinie, PCPR) angeboten wird. Es dauert 12 Monate, in denen Integrationshilfe gewährt wird. Diese umfasst unter anderem eine Beihilfe für Polnisch-Kurse, Übernahme der Krankenversicherung und Sozialberatung. Abhängig von der Haushaltsgröße erhalten die Nutznießer zwischen 158 und 317 Euro pro Person in den ersten sechs Monaten und zwischen 149 und 288 Euro pro Person in den zweiten sechs Monaten. Die PCPR unterstützen die Teilnehmer weiters bei der Arbeitssuche, bei der Suche nach Wohnraum und zahlen eine Zulage für das Anmieten einer Wohnung (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.d).

Schutzberechtigte haben Zugang zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger und können Sozialhilfe erhalten, wenn sie eine gewisse Einkommensgrenze nicht übersteigen. Der Antrag auf Sozialhilfe ist im Social Welfare Centre (O?rodek Pomocy Spo?ecznej, OPS) am Wohnsitz zu beantragen. Ebenfalls haben sie Zugang zu Familienbeihilfe. In der Praxis haben Schutzberechtigte oft Probleme beim Zugang zu Sozialhilfe aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen, mangelndem Wissen über ihre Rechte und administrativen Hürden (AIDA 4.2020).

Schutzberechtigte haben ein Recht auf medizinische Versorgung wie polnische Staatsbürger, was bedeutet, dass sie grundsätzlich eine Krankenversicherung haben müssen. Während sie eine IPI beziehen, müssen sich anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos melden und werden von der öffentlichen Hand bei der Nationalen Krankenkasse (NFZ) krankenversichert. Nach Ende der IPI, muss die Krankenversicherung entweder von einem etwaigen Arbeitgeber, dem zuständigen Arbeitsamt (wenn der Betreffende arbeitslos gemeldet ist) oder vom Schutzberechtigten selbst übernommen werden. Die administrativen Hürden für den Zugang zu medizinischer Versorgung in Polen gelten als hoch und langwierig. Personen unter 18 Jahren (bzw. Schüler unter 19 Jahren) haben immer Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Die Krankenversicherung in Polen deckt die meisten medizinischen Behandlungen ab, jedoch einige Zahnbehandlungen, Medikamentenkosten, einige Heilbehelfe und Altenpflege sind nicht umfasst (AIDA 4.2020).

Eine der größten Hürden beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind mangelnde interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse. Andere Herausforderungen sind dieselben wie für polnische Staatsangehörige: lange Wartezeiten bei Fachärzten, sowie teure Privatleistungen und Medikamente. Der mangelnde Zugang zu legaler Beschäftigung, mit welcher eine Krankenversicherung einhergeht, ist ein weiterer Punkt (AIDA 4.2020).

Humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete (tolerated stay) haben lediglich Zugang zu Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und speziell gewidmeten Leistungen (AIDA 4.2020).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.b): End of social assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/zakonczenie-pomocy/, Zugriff 3.9.2020

?        UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.d): International Protection, https://udsc.gov.pl/wp-content/uploads/2014/12/Rights-and-obligations-of-beneficiaries-of-international-protection.pdf, Zugriff 3.9.2020

Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ … ]

Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:

Die Feststellungen zum Mitgliedstaat basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemein Notorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Die Feststellungen zur Pandemie ergeben sich aus dem Amtswissen sowie die konkreten Daten aus den Angaben der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, die ausführlich Daten rund um die Pandemie sammelt, auswertet und zur Verfügung stellt.

Im gegenständlichen Fall wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Polen aufgrund der Dublin III-VO zur Übernahme bereiterklärte und somit europarechtlich zur Prüfung des Asylantrages verpflichtet ist. Ebenso hat Polen die Statusrichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Aufnahmerichtlinie anzuwenden, ein den dort genannten Anforderungen entsprechendes Asylverfahren zu führen, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Schutz zu gewähren und für die Dauer des Verfahrens eine entsprechende Grundversorgung zu bieten. Sie konnten nicht konkret und substantiiert vorbringen, warum Polen in Ihrem Fall Ihren Asylantrag nicht unter Einhaltung der innerstaatlichen, völker- und euoparechtlichen Bestimmungen prüfen und eine entsprechende Entscheidung treffen sollte, weshalb die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der „Sicherheit“ der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall nicht erschüttert werden.

Zu Ihrem Aufenthalt in Polen gaben Sie im Rahmen der Erstbefragung Folgendes an:

„Ich habe dort nichts gesehen und befand mich nur auf Durchreise dort.“

Vor dem BFA am 29.06.2021 gaben Sie an sich ca. 4 bis 5 Tage in Polen aufgehalten haben, was Sie über Polen sagen sollen, würden Sie nicht wissen. In Polen würden Sie niemanden kennen, in Österreich allerdings lebt Ihre Tochter seit 18 Jahren. Sie würden aufgrund Ihres Gesundheitszustandes jemanden brauchen, der ständig in Ihrer Nähe ist.

Aus Ihrem Vorbringen kann keine aktuelle und konkret Gefährdung abgeleitet werden.

Es ist weiter festzuhalten, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsreglung zu treffen ist.

Sollten Sie medizinische Betreuung in Polen beanspruchen bzw. sollte diese notwendig sein, so ist diese - wie in den Länderinformationen ersichtlich - auch in Polen gewährleistet.

Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für polnische Staatsbürger verwiesen.“

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO formell erfüllt (und implizit sohin Polen für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Der im Spruch genannte Staat sei bereit, den BF einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Gefahr der Verletzung der EMRK oder eine systematische notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte seien in Polen nicht zu erkennen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Weiters lägen keine ausreichenden humanitären Gründe gem. Art. 16 und 17 Abs. 2 leg.cit. vor. Die Ausweisung des BF stelle mangels ausreichend enger familiärer Bindungen – so lebe er seit dem Jahr 2003 von seiner Tochter getrennt und liege auch kein Abhängigkeitsverhältnis vor – und dem Umstand, dass seine Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet seit Ende Mai 2021 als zu kurz zu bezeichnen sei, keine Verletzung von Art. 8 EMRK dar.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 28.07.2021 Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass er ein XXXX -jähriger gesundheitlich angeschlagener Mann sei, dessen Tochter und dessen Enkel sich in Österreich befinden. Der BF habe im März 2020 einen Herzinfarkt erlitten und leide er auch an Nierenkrebs. Er warte derzeit auf weitere Behandlungstermine. Aktuell leide er zudem an Bluthochdruck und sei er auch schwerhörig. Seine Tochter kümmere sich so gut wie möglich um ihn. In Polen habe der BF hingegen niemanden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu dem Schluss komme, dass kein „enges“ Familienleben vorliege, da die Tochter des BF diesen nahezu zu jedem Termin begleitete und auch als Dolmetscherin fungierte. Durch das Alter des BF und seine gesundheitliche Situation liege sehr wohl ein Abhängigkeitsverhältnis zu der Tochter vor. Die Tochter wäre auch bereit, such sich um ihren Vater zu kümmern. Zudem habe die Behörde keine Einzelfallprüfung im Hinblick auf Aufnahme und Versorgung von Asylwerbern in Polen vorgenommen und gebe es Berichte, über eine Überforderung des polnischen Gesundheitssystems, insbesondere im Zusammenhang mit der Corona Pandemie.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

In gesundheitlicher Hinsicht ist zur Person des BF folgendes auszuführen:

Der BF erlitt im März 2020 einen Herzinfarkt.

Im August 2020 wurde der BF an der Niere operiert und wurde Krebsgewebe an der Niere entfernt.

Der BF leidet zudem an Schwerhörigkeit und Bluthochdruck.

Der BF nimmt die Medikamente KONKOR 5mg. (wirkt blutdrucksenkend), LISINOPRIL 10mg (wirkt gefäßerweiternd), und KARDIKET 20mg (wirkt gegen Schlaganfälle).

Der BF war im Bundesgebiet niemals stationär im Krankenhaus aufhältig; in Polen hatte er im Hinblick auf die geltend gemachten gesundheitlichen Probleme überhaupt keine medizinische Untersuchung/Behandlung in Anspruch genommen.

Der BF hat im Bundesgebiet familiäre Anknüpfungspunkte durch seine Tochter, die im Jahr 2002 aus der russischen Föderation ausgereist ist und seither in Österreich lebt. Der BF hatte somit 18 Jahre lang keinen persönlichen Kontakt zu seiner Tochter, er ist Ende Mai 2021 nach Österreich eingereist, bis zum 29.6.2021 wurde der in XXXX bundesbetreute BF von seiner in XXXX wohnhaften Tochter nur einmal besucht. Mittlerweile begleitet die Tochter des BF diesen zu Terminen und fungiert fallweise als Dolmetscher.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zu seinem polnischen Visum ergeben sich aus dem Akt des BFA, dem Vorbringen des BF und dem Antwortschreiben der polnischen Behörden.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen und familiären Situation des BF ergeben sich aus seinem Vorbringen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur polnischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates („Dublin III-VO“) zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

„KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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