TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 G312 2236225-1

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

BSVG §23
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


G312 2236261-1/3E

G312 2236225-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über den Vorlageantrag 1) der XXXX , geb. am XXXX und 2) des XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle XXXX , vom XXXX nach Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , OB: XXXX :

A)

I. zu Recht erkannt: der Vorlageantrag der XXXX wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

II. beschlossen: der Vorlageantrag des XXXX wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am XXXX erließ die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (in weiterer Folge: belangte Behörde) einen Bescheid, in welchem unter Spruchpunkt 1. die Beitragsgrundlagen der Beitragsbemessung der Frau XXXX (BF1) in der Kranken- und Pensionsversicherung der Bauern festgestellt wurden und im Spruchpunkt 2. die Beitragsgrundlagen der Beitragsbemessung in der Unfallversicherung der Bauern. Unter Spruchpunkt 3. wurden die Beitragsgrundlagen der Beitragsbemessung in der Kranken- und Pensionsversicherung des hauptberuflich beschäftigten Herrn XXXX (BF2) festgestellt.

Der Bescheid wurde am 10.03.2020 durch persönliche Übernahme der BF1 zugestellt. Dem BF2 wurde von der belangten Behörde ebenfalls am 10.03.2020 eine Kopie des an die BF1 adressierten Bescheides zugestellt.

Am 10.07.2020 erging ein E-Mail der BF an die belangte Behörde, in welchem Bezug auf eine eingebrachte Beschwerde genommen wurde, welche in Kopie mitgesandt wurde.

Die belangte Behörde ersuchte mit Schreiben vom 23.07.2020 um Übermittlung der Bestätigung, dass die Beschwerde – wie von den BF vorgebracht – am 20.03.2020 zur Post gegeben bzw mit E-Mail versandt wurde.

Die BF gaben mit Schreiben vom 25.07.2020 bekannt, dass der Brief aufgrund des Lockdowns nicht eingeschrieben bei der Post aufgegeben wurde, sondern durch Einwurf in einen Briefkasten.

Am XXXX erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde. Diese Beschwerdevorentscheidung erging an die BF1 und wurde dieser am 11.08.2020 zugestellt.

Beide BF brachten am 12.08.2020 fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Die Beschwerde sei per Post am 20.03.2020 an die belangte Behörde versendet worden. Im Bescheid sei nicht gestanden, dass die Beschwerde auch per Mail hätte eingebracht werden können. Ob das Schreiben auf dem Postweg irregeleitet wurde oder bei der belangten Behörde nicht richtig zugeteilt wurde, könnten die BF nicht feststellen.

Der Beschwerdeakte langte am 16.10.2020 beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid der belangten Behörde erging am XXXX und wurde der BF1 am 10.03.2020 gegen Übernahmebestätigung zugestellt. Eine Kopie erging am 10.03.2020 an den BF2.

Die mit 20.03.2020 datierte Beschwerde langte bei der belangten Behörde weder per Post noch per E-Mail ein.

Erst durch das Schreiben vom 10.07.2020 erlangte die belangte Behörde Kenntnis vom Beschwerdeschreiben.

Die Beschwerdevorentscheidung erging nur an die BF1 als Adressatin.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde.

Unbestritten ist die Zustellung des Bescheides am 10.03.2020.

Die BF brachten vor, dass die Beschwerde am 20.03.2020 per Post – nicht eingeschrieben - durch Einwurf in einen Briefkasten an die belangte Behörde versendet worden sei.

Dass die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX nur an die BF1 erging, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Aus dem Zustellnachweis ist ersichtlich, dass die BF 1 das Schriftstück am 11.08.2020 übernommen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der, dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.I.):

§ 7 Abs 4 Z 1 VwGVG lautet:

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt 

1.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung (…..)

§ 32 Abs 2 AVG lautet:

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Fallbezogen ist der Bescheid der BF1 unstrittig am 10.03.2020 zugestellt worden. Der BF2 erhielt am selben Tag eine Kopie des Bescheides.

Aufgrund der Bestimmung des § 1 Abs 1 BGBl. I Nr 16/2020 (Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes) wurde eine Unterbrechung jener Fristen normiert, die bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen waren. Diese Fristen begannen in Folge mit 01.05.2020 neu zu laufen. Fallbezogen endete die Beschwerdefrist daher am 29.05.2020.

Die BF gaben an, dass sie das Beschwerdeschreiben am 20.03.2020 mittels frankiertem Brief durch Einwurf in einen Briefkasten an die belangte Behörde versendet hätten.

Es ist den BF dahingehend zuzustimmen, dass es mangels gesetzlicher Normierungen im Bescheid keinen Hinweis auf die Notwendigkeit eines eingeschriebenen Versandes gab.

Zugleich ist jedoch auf die Judikatur des VwGH zur Beförderung von nicht eingeschrieben versendeten Postsendungen VwSlg. 2485/a vom 21.03.1952 zu verweisen. Demzufolge erfolgt bei Beförderung durch die Post auf Gefahr des Absenders (vgl. VwGH 2020/12/0060 vom 26.01.2011).

Wie von der belangten Behörde in der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung dargelegt, erlangte diese erstmals durch das Schreiben des BF Kenntnis von der Beschwerde.

Die BF vermochten im Zuge des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens auch keinen Nachweis des Einlangens der Beschwerde bis einschließlich 29.05.2020 zu erbringen.

Eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Vorsicht eine fristgebundene Eingabe nicht "eingeschrieben" zur Post gibt, sondern lediglich in den Postkasten wirft, nimmt das Risiko auf sich, den von ihr geforderten Gegenbeweis in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können - Hinweis E 13. Februar 1997, 94/09/0300 (VwGH 2009/04/0095 vom 22.02.2011).

Wie bereits dargelegt, erstatteten die BF keine glaubhaften Angaben, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerde anders beurteilen zu können. Sie traten den Feststellungen der belangten Behörde zur Verspätung der Beschwerde nicht substantiiert entgegen.

Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde demnach zu Recht mittels Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen.

Es war daher der Vorlageantrag der BF1 als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A. II.):

Anlassbezogen hat sich die Beschwerdevorentscheidung ausschließlich an die BF1 gerichtet.

Der BF2 war nicht Adressat der Beschwerdevorentscheidung, diese wurde an ihn auch nicht zugestellt.

Mangels Parteienstellung war daher der Vorlageantrag des BF2 als unzulässig zurückzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen und wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Recherche nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Bescheidadressat Parteistellung Postaufgabe Rechtsmittelfrist Risikotragung Verspätung Vorlageantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G312.2236225.1.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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