TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 W144 2244735-1

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W144 2244735-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Reichenvater, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 21.03.2021 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.03.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Zur Person des BF liegen folgende EURODAC-Treffermeldungen vor:

?        Griechenland vom 05.08.2020 wegen erkennungsdienstlicher Behandlung

?        Griechenland vom 07.08.2020 wegen Asylantragstellung

?        Rumänien vom 22.01.2021 und 05.02.2021 wegen Asylantragstellung

Im Verlauf der Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.03.2021 gab der BF an, die Türkei am 17.07.2020 verlassen zu haben und nach Griechenland gelangt zu sein. Über Nordmazedonien und Serbien erreichte er Rumänien, wo er sich zwei Monate lang aufhielt, bevor er über Ungarn am 21.0.2021 nach Österreich einreiste. In Griechenland habe er sich in einem Kloster versteckt und um Asyl angesucht, das Ergebnis habe er nicht abgewartet. In Rumänien habe er sich zwei Monate in XXXX aufgehalten und seine Fingerabdrücke abgeben müssen, einen Antrag auf internationalen Schutz habe er nicht gestellt. Er wolle nicht zurück und die Corona-Situation in Rumänien und Griechenland sei sehr schlecht. Österreich sei sein Zielland gewesen, da eine Großmutter und sein Onkel in XXXX leben würden und er weiter studieren wolle.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 01.04.2021 unter Hinweis auf den Reiseweg des BF und die rumänischen Eurodac-Treffer ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 24 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Rumänien. Rumänien stimmte mit Schreiben vom 15.04.2021 diesem Ersuchen ausdrücklich zu. Weiters wurde mitgeteilt, dass der BF am 22.01.2021 in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, der nach wie vor in Bearbeitung sei.

In der Folge wurde der BF am 19.05.2021 – nach erfolgter Rechtsberatung – in der englischen Sprache vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wo er im Wesentlichen angab, dass er in der Lage sei, die Befragung zu absolvieren. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Im Bereich der EU, in Norwegen, der Schweiz, Liechtenstein oder Island habe er keine Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. In Österreich würden seine Großmutter, mit einem Aufenthaltstitel, und sein Onkel mütterlicherseits, der österreichischer Staatsbürger sei, seit etwa 20 Jahren leben. Er habe fast täglich telefonischen Kontakt zu ihnen und wäre in Österreich schon einmal besucht worden. Er wolle bei ihnen wohnen, Abhängigkeiten zu seiner Großmutter oder seinem Onkel würden nicht bestehen. Er habe nur in Griechenland um Asyl angesucht, in Rumänien seien ihm nur zwangsweise die Fingerabdrücke abgenommen worden. Er sei in Rumänien nicht einvernommen worden und habe sich maximal zwei Wochen in einem Camp aufgehalten, wo 20 Personen in einem Raum für acht untergebracht gewesen wären und er nichts zu essen bekommen habe. Danach habe er in Hostels und alten Häusern geschlafen. Nach Vorhalt, dass Rumänien zur Prüfung seines Antrages zuständig sei, gab der BF an, dass es dort nicht gut gewesen sei. Er habe viel Geld verloren, in dem überfüllten Lager nichts zu essen bekommen und wäre von Polizisten geschlagen worden, hätten diese ihn außerhalb des Camps erwischt.

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 11.06.2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Rumänien gemäß 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 Ziffer 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.

Die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

„zur Lage im Mitgliedstaat:

Wie bereits ausgeführt wurden in Rumänien mit Stichtag 10.06.2021 1.079.294 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, sowie 31.383 Todesfälle bestätigt (WHO, 10.06.2021, https://covid19.who.int/region/euro/country/ro ).

Rumänien hat strikte Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung getroffen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Rumänien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.

Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:

Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)

Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.“

(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)

Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.

Zum Mitgliedstaat Rumänien werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 14.06.2019).

1.       Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren (USDOS 13.3.2019; vgl. IGI o.D.a, IGI o.D.b, IGI o.D.c, IGI o.D.d) mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (IGI o.D.a, IGI o.D.b, IGI o.D.c, IGI o.D.d, für weitere Informationen siehe dieselben Quellen). Die Regierung kooperiert mit UNHCR und anderen Organisationen, um Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen u.a. Schutz und Unterstützung zukommen zu lassen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. a): Asylum procedures, http://igi.mai.gov.ro/en/content/asylum-procedures-0, Zugriff 27.5.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. b): Dublin procedure, http://igi.mai.gov.ro/en/content/dublin-procedure, Zugriff 27.5.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. c): General description, http://igi.mai.gov.ro/en/content/general-description, Zugriff 27.5.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. d): The submission of the asylum application, http://igi.mai.gov.ro/en/content/submitting-application-asylum, Zugriff 27.5.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019

2.       Dublin-Rückkehrer

Der legale Status eines Rückkehrers hängt vom Stand seines Asylverfahrens in Rumänien ab. Sämtliche Rückkehrer werden am Flughafen empfangen und in die regionalen Zentren begleitet, wo sie dann noch am selben Tag einen Asylantrag stellen können.

?        Wurde in Rumänien zuvor ein Asylverfahren eröffnet, das noch läuft, wird dieses fortgesetzt. Der Rückkehrer wird am Flughafen über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert und darauf hingewiesen, sich im Hinblick auf die Fortsetzung des Verfahrens ins regionale Zentrum zu begeben. Die Unterbringung kann entweder im Zentrum oder privat erfolgen.

?        Wurde ein Asylverfahren eröffnet und in der Folge beendet, weil sich der AW abgesetzt hat, wird der Rückkehrer als illegaler Fremder für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Er kann einen Folgeantrag stellen. Dieser hat aufschiebende Wirkung auf eine Außerlandesbringung, ebenso wie eine Beschwerde gegen Nichtzulassung des Folgeantrags. Für die Zulassung des Folgeantrags müssen aber neue Beweise vorgelegt werden.

?        Wenn Asylwerber das Land vor dem Asylinterview verlassen haben und binnen neun Monaten zurückkehren, wird ihr Antrag als Erstantrag behandelt (VB 4.6.2019).

Bei Rückkehrern gemäß Art. 18 (1) (a) und (b) der Dublin-III-VO wird das Verfahren von den rumänischen Behörden geführt bzw. abgeschlossen. Rückkehrer gemäß Art. 18 (1) (c) haben die Möglichkeit, einen neuen Antrag einzubringen, der nicht als Folgeantrag gilt. Rückkehrer gemäß Art. 18 (1) (d) können einen Folgeantrag einbringen (EASO 24.10.2017).

Für vulnerable Fälle gibt es eine limitierte Anzahl separater Hafträume. Einige Vulnerable profitieren von einer Änderung im Fremdengesetz, gemäß derer auf Haft verzichtet wird, sofern sie eine alternative Unterbringung nachweisen können. Hierbei werden sie von NGOs unterstützt. UMA werden bei Rückkehr nicht in Haft genommen, sondern in einem Zentrum der Kinderschutzbehörde untergebracht (VB 4.6.2019).

Es gibt keine wesentlichen Unterschiede beim Zugang zur Unterbringung und medizinischen Versorgung von Dublin-Rückkehrern und regulären Asylwerbern (EASO 24.10.2017).

Quellen:

- EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query zu Dublin-Rückkehrer, per E-Mail

- VB des BM.I in Rumänien (4.6.2019): Auskunft IGI, per E-Mail

3.       Non-Refoulement

Gesetzlich ist ein Schutzmechanismus gegen Refoulement vorgesehen. Abschiebungen können nur durchgeführt werden, wenn die Rückkehrentscheidung nicht im Widerspruch zum Non-Refoulement-Prinzip steht. In diesen Fällen wird sobald wie möglich eine Entscheidung gefällt, in der begründet wird, warum der Aufenthalt auf rumänischem Territorium verweigert wird. Die Entscheidung wird dem Asylwerber direkt zugestellt, entweder persönlich bei der IGI-DAI oder per Post. Beschwerde kann binnen zwei Tagen nach Zustellung eingelegt werden (AIDA 27.3.2019).

Vom Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr sind jene Fremden ausgeschlossen, die in Zusammenhang mit Terrorismus stehen. UNHCR berichtete im Jahr 2018 von mehreren Vorfällen von Zugangsverweigerung zum Land, Zurückweisungen und Abweichungen vom Asylverfahren in Grenzregionen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019

4.       Versorgung

Asylwerber, die selbst über keine Mittel verfügen, haben bis zum Ende des Asylverfahrens in Rumänien das Recht auf Unterbringung in einem der sechs Unterbringungszentren des Generalinspektorats für Immigration (IGI o.D.g) in Timi?oara, ?omcuta Mare, R?d?u?i, Gala?i, Bucharest and Giurgiu (AIDA 27.3.2019). Die sechs Aufnahme- und Unterbringungszentren bieten 900 Unterkunftsplätze (JRS 12.3.2018; vgl. AIDA 27.3.2019), wobei die Kapazität auf 1.090 Plätze erhöht werden kann. Per 31.12.2018 waren 350 Plätze belegt (AIDA 27.3.2019).

Die Unterbringungszentren können nur nach Genehmigung durch die IGI-DAI verlassen werden. Sollte die Unterkunft länger als 72 Stunden ohne Genehmigung verlassen werden, so können Unterstützungsleistungen gekürzt oder ausgesetzt werden. Asylwerber können aus Kapazitätsgründen auch aus einem Unterbringungszentrum in ein anderes verlegt werden. Gegen die Verlegung ist keine Beschwerde zulässig. Staatliche Unterstützungsleistungen beinhalten: Unterkunft in einer der Aufnahmezentren; finanzielle Zuwendungen für Nahrung und Kleidung sowie Taschengeld (AIDA 27.3.2019).

Mittellose Asylwerber können einen Antrag auf finanzielle Unterstützung für Lebensmittel, Kleidung und sonstige Ausgaben stellen (IGI o.D.g). Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums wohnen, steht eine Unterstützung für die Unterkunft zu (VB 4.6.2019). Ein Asylwerber, der im Zentrum untergebracht ist, erhält einen Betrag von 16,- Lei/Tag (ca. 110,- EUR im Monat). Die Unterbringungszentren erfüllen generell die Standards von EU und UNHCR. Sie sind für die Nahrungszubereitung entsprechend ausgestattet. Es gibt Beihilfen (Tagsätze) für Neugeborene, Wöchnerinnen, usw. Es gibt außerdem Beihilfen (saisonbedingt: 67,- Lei im Sommer und 100,- Lei im Winter) für Bekleidung (VB 4.6.2019; vgl. AIDA 27.3.2019, IGI o.D.g).

Asylwerber dürfen arbeiten, wenn ihr Erstantrag länger als drei Monate anhängig ist (IGI o.D.g; vgl. USDOS 13.3.2019). Trotzdem haben viele arbeitsberechtigte Asylwerber Probleme, legale Arbeit zu finden (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung gewährt Asylwerbern eine finanzielle Zuwendung von 16 Lei/Tag; für Vulnerable ist dieser Satz etwas erhöht. Im Hinblick auf die durchschnittlichen Lebenserhaltungskosten ist dieser Betrag eher gering angesetzt und trifft insbesondere Personen mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerable (USDOS 13.3.2019).

Laut der NGO Civic Resource Centre ist der Staat alleine nicht in der Lage, die Versorgung der Asylwerber zu garantieren. Er ist auf die Unterstützung von NGOs angewiesen, die Nahrung, Unterkunft und sonstige Notfalldienste für Schutzsuchende zur Verfügung stellen. Weiters berichten Asylwerber über schlechte Unterbringungsbedingungen, wie Überbelegung oder hygienische Mängel in den staatlichen Unterbringungszentren (IRIN News 16.10.2017, vgl. AIDA 27.3.2019).

Im Jahr 2018 gab es 2.118 Asylanträge. In rumänischen Unterbringungseinrichtungen stehen 900 Plätze zur Verfügung, von diesen sind aktuell 294 belegt. Für den Fall, dass die Zentren irgendwann einmal überfüllt wären und Personen daher Privatunterkünfte nehmen müssten, würden diese mit 450,- Lei (ca. 95,- € ) für die Miete sowie mit 120,- Lei (ca. 25,- €) im Sommer bzw. 155,- Lei (ca. 33,- €) im Winter für Betriebskosten unterstützt werden. Das Relocation-Programm wurde mit Ende 2017/Anfang 2018 eingestellt (VB 4.6.2019).

Die Insassen der Schubhaftzentren haben das Recht auf rechtliche, medizinische und soziale Hilfe, sowie auf Information über Haftgründe, Rechte und Pflichten (VB 4.6.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.g): Assistance to asylum seekers, http://igi.mai.gov.ro/en/content/assistance-asylum-seekers, Zugriff 13.6.2019

- IRIN News (16.10.2017): Old route, new dangers: Migrant smugglers revive Black Sea route to Europe, http://www.irinnews.org/feature/2017/10/16/old-route-new-dangers-migrant-smugglers-revive-black-sea-route-europe, Zugriff 19.12.2017
- JRS - Jesuit Refugee Service (12.3.2018): Policy Blog: quantifying the Romanian asylum system, https://jrseurope.org/news_detail?TN=NEWS-20180312050052&L=EN, Zugriff 5.6.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019

- VB des BM.I in Rumänien (4.6.2019): Auskunft IGI, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf kostenlose medizinische Erstversorgung und Behandlung, klinische Behandlung bei lebensbedrohlichen akuten oder chronischen Krankheiten. Im Falle besonderer Bedürfnisse haben Asylwerber Zugang zu sonstiger adäquater medizinischer Behandlung. Asylwerber unterliegen der Verpflichtung, sich medizinischen Untersuchungen zu unterziehen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen (IGI o.D.f). Die Gesundheitsversorgung von Asylwerbern wird durch medizinisches Personal in den Aufnahmezentren sichergestellt, das im Krankheitsfall primäre Gesundheitsversorgung leistet und kostenfreie Behandlungen durchführt (IGI o.D.h).

Mit Stand 2018 haben Asylbewerber in allen Regionalzentren Zugang zu einem Allgemeinmediziner. In Giurgiu ist der Arzt jedoch seit November 2018 krank. Nach Angaben des Rechtsberaters in Giurgiu hat diesen der Arzt der ICAR-Stiftung ersetzt, zumal es auch keine Krankenschwester gab. Dennoch ist Giurgiu das einzige Zentrum, in dem seit August 2018 ein Psychologe im Auftrag von IGI-DAI arbeitet. In R?d?u?i wurde im Sommer 2018 ein Arzt eingestellt. In Timi?oara wurden ab Frühjahr 2018 ein Arzt und zwei Krankenschwestern von IGI-DAI eingestellt. In Bukarest wird die ärztliche Untersuchung von einem Arzt und der Krankenschwester durchgeführt. Die Asylbewerber werden auf Anzeichen von Ekzemen, Tollwut, Läusen überprüft und eine Krankenakte erstellt. Bei medizinischen Problemen werden die Asylwerber an das Krankenhaus des Innenministeriums verwiesen (AIDA 27.3.2019).

Laut USDOS bleibt die staatliche soziale, psychologische und medizinische Unterstützung ungenügend, speziell für Traumatisierte und Folteropfer. Viele Asylwerber sind auf die Unterstützung von durch NGOs durchgeführte Projekte angewiesen (USDOS 13.6.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.f): Rights and obligations, http://igi.mai.gov.ro/en/content/rights-and-obligations, Zugriff 4.6.2019

- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.h): Access to health care, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-health-care, Zugriff 13.6.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

[ … ]

betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:

Zur Lage im Mitgliedstaat gaben Sie an, dass Sie das Camp nach ca. 2 Wochen verlassen haben und in Hostels und ähnlichem untergekommen sind, weil wenn man in Rumänien von der Polizei mit der Campkarte erwischt wird, sonst geschlagen wird. Es war in Rumänien nicht gut. In einem 8 Bett Zimmer waren Sie mit bis zu 20 Personen untergebracht. Man hätte Sie dort auch nicht mit Essen versorgt.

Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben respektive keine sogenannten Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sogenannten Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus heutiger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin-III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen seht der Heranziehung der Länderfeststellungen zu Rumänien nichts entgegen; dies aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Rumänien – entsprechend seiner unionsrechtlichen Verpflichtungen, deren durchgehende Einhaltung bis zum Beweis des Gegenteils vorausgesetzt werden kann - für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben.

Die in den Feststellungen zu Rumänien angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 IFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 IFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Rumänien nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Rumänien- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Rumänien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Was Ihr Vorbringen bezüglich unzureichender Versorgung in Rumänien betrifft, ist auf die Feststellungen zu Rumänien hinzuweisen, woraus sich jedenfalls eine unbedenkliche Versorgungslage für Asylwerber in Rumänien ergibt. Dass Ihnen in Rumänien erforderliche Versorgungsleistungen für Asylwerber in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in Rumänien gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach Rumänien Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Die von Ihnen vorgebrachten Versorgungsmängel in Rumänien stützen sich primär auf Ihre eigenen und unzureichenden Behauptungen, welche in keinster Weise an die oben angeführten Qualitätsstandards der Staatendokumentation des Bundesamtes heranreichen, weswegen den durch die Staatendokumentation erstellten und in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides ersichtlichen Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Rumänien ein höheres Gewicht beigemessen wird, als Ihren diesbezüglich nicht weiter konkretisierten Behauptungen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei von einer ausreichend gegebenen Versorgungslage für Asylwerber in Rumänien aus.

Ihr Vorbringen betreffend unzureichender medizinischer Versorgung in Rumänien wird mangels Substanz als nicht glaubhaft erachtet, nachdem Sie keinerlei ärztlichen oder sonstigen Nachweis erbracht haben, aus welchen sich eine nicht akzeptable medizinische Versorgungslage von Asylwerbern in Rumänien ableiten ließe. Ihre diesbezüglichen Behauptungen stellen sich jedenfalls als fachlich nicht fundiert dar, nachdem Sie selbst auf keine medizinische Ausbildung oder sonstiges medizinisches Fachwissen verweisen konnten.

Aus Ihren Angaben ergibt sich insgesamt kein Hinweis darauf, dass Ihnen in Rumänien in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten worden wäre oder in der Zukunft vorenthalten werden könnte. Es sei auch darauf hingewiesen, dass eine ausreichende medizinische Versorgung in einem Mitgliedstaat jedenfalls nicht bedeutet, dass jegliche von einem Asylwerber gewünschte ärztliche Behandlung durchzuführen ist, sondern dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung gewähren, wie sich aus der Aufnahmerichtlinie der EU ergibt.

Aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt ergibt sich in Ihrem Fall derzeit keine aktuell bestehende und gravierende Erkrankung, welche die Gefahr einer unzureichenden medizinischen Versorgung in Rumänien darstellen würde. Darüber hinausgehend widersprechen Ihre pauschal in den Raum gestellten Behauptungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung in Rumänien den oben angeführten Feststellungen zu Rumänien, wonach für Asylwerber ausreichende medizinische Versorgung in Rumänien gewährleistet ist. Unter Berücksichtigung des gesamten vorliegenden Sachverhalts ist jedenfalls davon auszugehen, dass für Ihren Bedarf in Rumänien eine ausreichende medizinische Versorgung besteht.

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für Rumänien folgende Richtlinien beachtlich:

- - Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) im Hinblick über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes.

- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) hinsichtlich gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes.

- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

Gegen Rumänien hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand –ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Rumänien die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Rumänien im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

Die bloße Möglichkeit, einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt zudem nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, Mamatkulov & Askarov v Türkei, 46827, 46951/99, 71-77).

Unter diesen Gesichtspunkten ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Rumänien ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Rumänien als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Rumänien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Rumänien nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Rumänien ergeben.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Rumänien mit Schreiben vom 15.04.2021 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Rumänien verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Rumänien kann daher auch nicht erwartet werden.”

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin Rumänien für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO würden nicht vorliegen.

Der Bescheid wurde am 15.07.2021 rechtswirksam an den Rechtsvertreter des BF zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die jedenfalls fristgerecht erhobene Beschwerde des BF vom 22.07.2021, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass der angefochtene Bescheid Verfahrensvorschriften verletze und rechtswidrigen Inhalts sei. In der Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Anordnung zur Außerlandesbringung des BF lege ein unzulässiger Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK. Die belangte Behörde habe es unterlassen eine Interessenabwägung vorzunehmen, was eine Verletzung des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstelle. Der BF habe in Rumänien nicht die Möglichkeit ein mit österreichischen Verhältnissen vergleichbares Asylverfahren zu erhalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Rumänien sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Nicht festgestellt werden kann hingegen, dass der BF in Rumänien unzureichend versorgt und untergebracht worden wäre.

Der BF hat im Bundesgebiet familiären Anknüpfungspunkte durch seine Großmutter und seinen Onkel mütterlicherseits, zu denen regelmäßiger telefonischer Kontakt besteht. Ein gemeinsamer Haushalt, ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und diesen Personen besteht nicht.

Der BF leidet an keinen Krankheiten und benötigt keine Medikamente.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr der BF nach Rumänien.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem vorgelegten Akt des BFA, insbesondere aus den EURODAC-Treffern, dem rumänischen Antwortschreiben im Rahmen der Dublin-Konsultationen und dem Vorbringen des BF in der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem BFA selbst.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Die Negativfeststellung bezüglich der mangelhaften Versorgung und Unterbringung des BF in Rumänien, ergibt sich aus dem Umstand, dass der BF im Zuge seiner Erstbefragung ausdrücklich danach gefragt worden sei, was er über den Aufenthalt in den durchreisten Ländern angeben könne. Der BF hat damals spontan mit keinem Wort die Überfüllung der Lager und Versorgungsmängel erwähnt. Es ist nach menschlichem Ermessen nicht nachvollziehbar, warum der BF derartige Missstände nicht bereits nach konkreter Nachfrage nach dem Aufenthalt und Gründen, die gegen eine Rückkehr in die durchreisten Länder sprechen würden, dartun sollte. Es entspricht auch der Erfahrung der Asylbehörden und Gerichte und der Judikatur des VwGH, dass Asylwerber spontan Angaben machen, die der Wahrheit am nächsten kommen und erst sehr spät im Verfahren geltend gemachte Umstände, wenn diese eine massive Steigerung des Vorbringens darstellen, nicht ohne Weiteres glaubhaft sind. Im Zuge der Erstbefragung werden Asylwerber wiederholt und konkret (in den Punkten 9.6.1., 9.7.3. und 12.6. und 12.7.) nach ihren Erfahrungen über ihre Aufenthalte in den von ihnen durchreisten Ländern bzw. was gegen eine Rückkehr in diese Länder sprechen würde, befragt. Der BF hat bei diesen Fragen jedoch kein Vorbringen erstattet; nach menschlichem Ermessen wäre jedoch zu erwarten, dass Asylwerber bei diesem konkreten und wiederholten Nachfragen wohl angeben würden, wenn sie im betrachteten Zielstaat keinerlei Versorgung erhalten hätten

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Rumänien auch Feststellungen zur rumänischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen und familiären Situation des BF ergeben sich aus dessen Vorbringen.

Die getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen nur dann durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen, sodass insofern insgesamt eine Situation gegeben ist, die jener vor Ausbruch der Pandemie nahekommt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.“

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates („Dublin III-VO“) zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

„KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL V

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

KAPITEL VI

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

Art. 20

Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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