Entscheidungsdatum
08.09.2021Norm
ASVG §10 Abs1Spruch
G308 2245282-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark, vom 30.06.2021, Zahl: XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) vom 30.06.2021, GZ: XXXX, wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1 sowie § 68a ASVG in der jeweils geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) im Zeitraum von 10.01.1977 bis 04.03.1977 aufgrund der freiwilligen Absolvierung der Berufsschule im angeführten Zeitraum nach der Auflösung des Lehrvertrages per 31.12.1976 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht als Lehrling unterlag. Eine Nachentrichtung von verjährten Pensionsversicherungsbeiträgen gemäß § 68a ASVG sei aufgrund des Fehlens einer pensionsversicherungsbegründenden Erwerbstätigkeit nicht möglich.
Der gegenständliche Bescheid wurde dem BF nach einem Zustellversuch am 02.07.2021 durch Hinterlegung am 05.07.2021 beim Zustellpostamt nachweislich zugestellt.
2. Mit Schreiben des BF vom 12.07.2021, bei der belangten Behörde am 14.07.2021 einlangend erhob der BF erkennbar Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid und beantragte sinngemäß, seinem Antrag auf Nachzahlung von Versicherungszeiten möge stattgegeben werden.
Begründend führte er im Wesentlichen aus, er habe damals zwei Monate vor dem Antritt zur Berufsschule am 10.01.1977 die Einberufung erhalten und an diesem Tag sein letztes Berufsschuljahr angetreten. Es sei ihm damals nicht klar gewesen, dass ihn das Unternehmen des Lehrherrn von der Sozialversicherung abgemeldet habe. Einige Wochen nach Beginn der Berufsschule sei er von der Direktion auf diesen Umstand aufmerksam gemacht worden und habe er dann die restliche Schulzeit als Gastschüler absolviert. Der Lehrherr habe ihn ohne sein Wissen abgemeldet. Den BF treffe daran keine Schuld. Seiner Meinung nach sei die Nachentrichtung verjährter Beiträge gerechtfertigt.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo sie am 11.08.2021 einlangten.
Die belangte Behörde nahm zudem mit Schriftsatz vom 10.08.2021 zur Beschwerde des BF – im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Bescheidbegründung – Stellung und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde abweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF begann beim Lehrherrn XXXX, am 13.10.1975 eine Lehre zum Heizungsinstallateur und unter Anrechnung einer vorher begonnen Lehre in der Dauer von einem Jahr, zwei Monaten und dreizehn Tagen. Das Ende der Lehrzeit war im Lehrvertrag mit 28.07.1977 festgelegt (vgl. vom BF vorgelegter Lehrvertrag vom 10.12.1975; Sozialversicherungsdatenauszug vom 31.08.2021).
Der BF wurde vom Lehrherrn zum 13.10.1975 als Lehrling zur Sozialversicherung angemeldet. Der Lehrbetrieb wurde insolvent, die Pflichtversicherung aus dem Lehrverhältnis wurde am 31.12.1977 mangels aufrechter Gewerbeberechtigung des Lehrherrn infolge der Insolvenz beendet (vgl. Antrag des BF auf Nachentrichtung verjährter Beiträge vom 17.05.2021; Sozialversicherungsdatenauszug vom 31.08.2021; Auskunft der zuständigen Abteilung der Wirtschaftskammer vom 20.05.2021).
Dennoch besuchte der BF als Gastschüler auf seine eigenen Kosten von 10.01.1977 bis 04.03.1977 die gewerbliche Berufsschule XXXX in XXXX und schloss diese am 04.03.1977 sowie die folgende Lehrabschlussprüfung am 15.06.1977 erfolgreich ab (vgl. Jahres- und Abschlusszeugnis, Zeugnis über die Lehrabschlussprüfung sowie Schulbesuchsbestätigung vom 20.04.2021).
Am 17.05.2021 beantragte der BF die Nachentrichtung verjährter Beiträge laut § 68a ASVG für den Zeitraum von 10.01.1977 bis 04.03.1977.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsakts des BVwG.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm hinsichtlich der BF Einsicht in das Zentrale Melderegister und in die Sozialversicherungsdaten.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist darüber hinaus unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Anzuwendendes Recht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 ASVG sind die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge) in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert.
Die Pflichtversicherung für in einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis stehenden Personen beginnt gemäß § 10 Abs. 1 ASVG unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung mit dem Tag des Beginnes des Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses.
Hingegen endet die Pflichtversicherung der in § 10 Abs. 1 ASVG bezeichneten Personen mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses.
Ein Lehrverhältnis endet gemäß § 14 Abs. 2 lit. d Berufsausbildungsgesetzes (BAG) in der im Zeitraum von 10.01.1977 bis 04.03.1977 geltenden Fassung BGBl. Nr. 142/1969 vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit, wenn der Lehrherr unfähig wird, seine Verpflichtungen auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Lehrvertrages zu erfüllen, insbesondere wenn die Gewerbeberechtigung des Lehrherrn erlischt, wenn der Lehrherr das Ruhen des Gewerbebetriebes angezeigt oder er aufgrund von § 4 leg. cit. von der Ausbildung von Lehrlingen ausgeschlossen ist.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1973 in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung BGBl. 50/1974 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbetreibenden die Voraussetzungen für einen Ausschluss gemäß § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 zutreffen oder wenn einer der in § 13 Abs. 3 bis 5 angeführten Umstände, die den Ausschluss einer natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts von der Gewerbeausübung zur Folge haben, vorliegt.
§ 13 Abs. 3 und Abs. 4 GewO 1973 in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung BGBl. 50/1974 normiert den Entzug von Gewerbeberechtigungen im Falle von Konkursverfahren.
Der Lehrvertrag des BF wurde aufgrund der Insolvenz des Lehrherrn und des damit gesetzlich vorgesehenen Entzuges seiner Gewerbeberechtigung, womit auch die gesetzlich geregelte Konsequenz verbunden ist, dass die Lehrbefugnis und damit auch der Lehrvertrag vorzeitig gemäß § 14 Abs. 2 lit d BAG – unabhängig von einer entsprechenden Abmeldung durch den Lehrherrn – endet, mit 31.12.1977 amtlich gelöscht.
Damit lag ab 31.12.1976 und jedenfalls in der Zeit von 10.01.1977 bis 04.03.1977 kein Lehrverhältnis mehr vor, sodass auch die Pflichtversicherung des BF in diesem Zeitraum nicht mehr vorlag.
Der mit „Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung“ betitelte § 68a ASVG lautet:
„§ 68a.
(1) Beiträge zur Pensionsversicherung, die nach § 68 bereits verjährt sind, können auf Antrag der versicherten Person von dieser nachentrichtet werden. Der Antrag ist bis längstens zum Stichtag (§ 223 Abs. 2) beim zuständigen Träger der Krankenversicherung zu stellen, der das Vorliegen der Zeiten der Pflichtversicherung bzw. die Höhe der Beitragsgrundlagen festzustellen und die nachzuentrichtenden Beiträge vorzuschreiben hat. BeitragsschuldnerIn ist die versicherte Person.
(2) Die nach Abs. 1 vorzuschreibenden Beiträge sind für den Zeitraum ab der ursprünglichen Fälligkeit bis zur Vorschreibung zu vervielfachen, und zwar mit dem Produkt der Aufwertungszahlen nach Anlage 2 zum APG; ab dem Jahr 2006 ist die Reihe dieser Aufwertungszahlen um die Aufwertungszahlen nach § 108a Abs. 1 zu ergänzen.
(3) Alle für die Entrichtung von Beiträgen geltenden Bestimmungen gelten auch für die Nachentrichtung verjährter Beiträge, soweit in den Abs. 1 und 2 nichts anderes bestimmt ist; Einbringungsmaßnahmen bei Nichtzahlung der verjährten Beiträge sind jedoch ausgeschlossen.“
Gemäß § 225 Abs. 1 Z 1 ASVG gelten als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31.12.1955 Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (mit einigen hier nicht relevanten Ausnahmen) und zwar von jenem Tag einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung oder eines Lehr- und Ausbildungsverhältnisses an, ab dem für diese Zeiten das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen noch nicht verjährt war (§ 68 Abs. 1 ASVG).
Demnach ist Grundvoraussetzung für eine Nachentrichtung verjährter Beiträge, dass überhaupt im relevanten Zeitraum eine Pflichtversicherung (zumindest) in der Pensionsversicherung bestanden hat. Da das Lehrverhältnis des Beschwerdeführers ex lege mit 31.12.1976 aufgelöst wurde, nicht unmittelbar daran anschließend ein neues Lehrverhältnis oder sonst ein Dienstverhältnis eingegangen wurde, lag im Zeitraum 10.01.1977 bis 04.03.1977 keine Pflichtversicherung vor, für welche nunmehr Beiträge nachentrichtet werden könnten.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der GRC entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall wurde eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Darüber hinaus waren keine Sachverhaltsfragen zu klären. Strittig war lediglich eine Rechtsfrage, zu deren Klärung eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich war.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
ex lege - Beendigung Konkurs Lehrverhältnis Nachentrichtung verjährter Beiträge Pensionsversicherung PflichtversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2245282.1.00Im RIS seit
09.11.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021