Entscheidungsdatum
14.09.2021Norm
AVG §57 Abs1Spruch
W103 2226896-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. AUTTRIT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der BF, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Juni 2002 als Minderjähriger mit seinen Eltern sowie Geschwistern unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte sein gesetzlicher Vertreter für ihn am 02.06.2002 einen Asylerstreckungsantrag. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.07.2003, Zl. XXXX , wurde dem Asylerstreckungsantrag stattgegeben und dem BF gemäß § 11 Abs. 1 AsylG durch Erstreckung in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Aufgrund mehrfach begangener Straftaten und strafgerichtlicher Verurteilungen des BF im Bundesgebiet wurde am 25.10.2019 gegen den BF ein Aberkennungsverfahren eingeleitet und ihm mit Bescheid vom 12.02.2019 der Status eines Asylberechtigten aberkannt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.09.2020, GZ: XXXX , wurde dem BF sein Asylstatus zweitinstanzlich rechtskräftig aberkannt und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Die Entscheidung wurde mit einer Rückkehrentscheidung mit 5-jährigem Einreiseverbot verbunden. Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF aus Österreich begann am 10.09.2020 und endete am 24.09.2020.
2. Mit Bescheid des BFA vom 25.09.2020 wurde über den BF gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG, iVm § 57 Abs. 1 AVG ein gelinderes Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Ihm wurde auferlegt, sich beginnend mit 29.09.2020 jeden 3. Tag zwischen 08:00 und 12:00 Uhr Tag bei der Polizeiinspektion XXXX regelmäßig zu melden.
3. Am 11.06.2021 langte im Rahmen des HRZ-Verfahrens beim BFA die Information der Russischen Botschaft ein, dass das Ansuchen auf die Rückübernahme des BF abgelehnt worden ist.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.06.2021 wurde gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2020, GZ: XXXX , betreffend Spruchpunkt I. (gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit periodischer Meldeverpflichtung bei der Polizeiinspektion XXXX ), von Amts wegen aufgehoben, da die Verhältnismäßigkeit für eine Sicherungsmaßnahme nicht mehr gegeben war.
5. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 11.06.2021, nachweislich durch die Polizei zugestellt am 11.06.2021, wurde gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG eine Wohnsitzauflage verhängt und dem BF aufgetragen, binnen 3 Tagen ab Zustellung in der Betreuungseinrichtung in XXXX , zu nehmen.
6. Mit 16.06.2021 brachte der BF innerhalb offener Rechtsmittelfrist eine Vorstellung gegen die oa. Wohnsitzauflage ein. Einem Verbesserungsauftrag des BFA kam der BF fristgerecht nach. Mit Aktenvermerk vom 24.06.2021 wurde in der Folge die rechtzeitige Einleitung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens dokumentiert.
7. Mit 25.06.2021 erhob der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Rechtmittelfrist die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG vom 11.06.2021 (dargestellt unter 4.). Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine Aufhebung von Bescheiden gemäß § 68 Abs. 2 AVG nur zulässig sei, wenn aus dem Bescheid niemandem ein Recht erwachsen sei. außerdem würde die Wohnsitzauflage gem. § 57 FPG eine belastendere Maßnahme im Vergleich zum aufgehobenen Gelinderen Mittel gemäß § 77 FPG darstellen. Das Bundesamt habe den Bescheid daher wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit Rechtswidrigkeit belastet.
8. Mit ordentlichem Bescheid des Bundesamtes vom 14.07.2021 – zugestellt am 19.07.2021 - wurde der Spruch des Mandatsbescheides vom 11.06.2021 hinsichtlich der Verhängung einer Wohnsitzauflage wiederholt.
9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.08.2021 wurde die erhobene Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Meldeverpflichtung des BF gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben worden sei. Der BF könne durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt sein und sei der BF mangels Beschwer auch nicht beschwerdelegitimiert. Der Vollständigkeit halber werde ausgeführt, dass durch die Aufhebung des rein belastenden Bescheides, die periodische Meldeverpflichtung wegfalle, wobei sich die nunmehrige Rechtslage für den BF günstiger darstelle, als jene vor Aufhebung des Bescheides. Daran ändere auch der Mandatsbescheid des BFA vom 11.06.2021 nichts, mit welchem eine Wohnsitzauflage verhängt worden sei, zumal diese eine eigenständige, bekämpfbare Entscheidung darstelle. Mangels Beschwer des BF sei die Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG, § 7, 14 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen.
10. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
11. Mit Schriftsatz vom 30.08.2021 brachte der BF durch seinen gewillkürten Vertreter einen Vorlageantrag ein und führte im Wesentlichen aus, dass der BF seiner Meldeverpflichtung immer nachgekommen sei und ihm durch die rechtsirrige Aufhebung des gelinderen Mittels, sich an einer Dienststelle der Landesdirektion zu melden, ihm ein Recht genommen worden sei, weil ihm aufgetragen worden sei in eine Betreuungsstelle nach XXXX zu ziehen. Die Aufhebung sei nicht nur unverständlich, sondern auch rechtsirrig gehalten, weil dem BF mit der Aufhebung das Recht genommen wurde, bis zu seiner Abschiebung bei seiner Familie zu bleiben. Dabei helfe es auch nicht, dass die belangte Behörde seitens der Russischen Botschaft keine Übernahmebestätigung erhalten habe. Die verfügte Aufhebung mit der neuerlichen Maßnahme sich in eine Betreuungsstelle nach XXXX zu begeben, ergebe keinen Sinn, weil die Russische Botschaft die Übernahme des BF zu Recht verweigert habe.
12. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 03.09.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Der Ablauf des Verfahrensgangs zum bisherigen Verfahren wird - wie unter Punkt I. dargelegt - festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zum Spruchteil A
3.4. Zurückweisung der Beschwerde:
Gem. Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Art. 131 Abs. 1 B-VG idF vor BGBl. I Nr. 51/2012 ausgesprochen, dass ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist - unabhängig von der Frage der Parteistellung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren -, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann (vgl. VwGH vom 23.04.1985, 85/07/0054, mit weiteren Nachweisen). Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers/Revisionswerbers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid/Entscheidung einer Verwaltungsbehörde/eines VwG aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. VwGH 11.05.2015, Ra 2015/02/0077 mHa 31.07.2006, 2006/05/0156).
In diesem Sinn (vgl Schmied/Schweiger, Verfahren 39) judiziert(e) der VfGH seit jeher plastisch zur Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG (aF), dass die Beschwerdelegitimation nur dann gegeben ist, wenn durch die bekämpfte Entscheidung irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, „dh wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt“ (zB VfSlg 19.595/2011 und VfGH 20. 2. 2014, B 1282/2013 bzw 19. 2. 2015, E 1116/2014 und 10. 6. 2016, E 427/2016; zur früheren „Formel“ des VwGH – wonach es darauf ankam, ob die Rechtsstellung im Fall der Aufhebung [siehe aber § 28 VwGVG] des Bescheides eine verschiedene [bessere] war [vgl nunmehr zur Revision etwa VwGH 30. 11. 2015, Ra 2015/08/0111] – vgl Grabenwarter in Korinek/Holoubek, B-VG Art 131 Rz 37).
Diese zitierten Aussagen lassen sich auch auf die Beurteilung der Legitimation zur Erhebung eines Rechtsmittels der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht übertragen (zur Rechtsverletzungsmöglichkeit als Voraussetzung der Beschwerdelegitimation gemäß der Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, siehe Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art. 132 B-VG, Rz. 6 ff).
Vor dem Hintergrund der obzitierten Rechtsprechung ist auszuführen, wie bereits von der belangten Behörde zutreffend festgehalten, dass eine mögliche subjektive Rechtsverletzung des BF durch den angefochtenen Bescheid nicht erkannt werden kann. Durch die Aufhebung der Meldeverpflichtung mittels gegenständlichem Bescheid wurde der BF von einer bestehenden, ihm auferlegten Pflicht, befreit. Eine dadurch mögliche Verletzung in subjektiven Rechten kann vom erkennenden Gericht nicht festgestellt werden, zumal sich die Rechtslage für den BF nunmehr besser darstellt, als vor Aufhebung des Bescheides. Sofern beschwerdeseitig nunmehr ausgeführt wird, durch die Aufhebung der Meldeverpflichtung sei dem BF ein Recht genommen worden, weil ihm aufgetragen worden sei, in eine Betreuungsstelle nach XXXX zu ziehen, ist dem entgegenzuhalten, dass die dem BF auferlegte Wohnsitzannahme Gegenstand eines eigenen und damit selbständig bekämpfbaren Bescheides (vom 14.07.2021) ist. Die verpflichtende Wohnsitzannahme in einer Betreuungseinrichtung in XXXX ist daher im gegenständlichen Verfahren nicht zu behandeln.
Da der BF durch den gegenständlichen Bescheid somit nicht beschwert ist, ist die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation des BF als unzulässig zurückzuweisen.
3.5. Gemäß § 24 Abs. Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision gilt Anwaltspflicht.
Zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist berechtigt, wer sich durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt erachtet. Eine Revision ist zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Eine Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Eine Revision ist beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabengebühr von € 240,-- zu entrichten.
Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sind nicht mehr zulässig, wenn nach Verkündung oder Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses ausdrücklich darauf verzichtet wurde. Der Verzicht auf die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist bis zur Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Bundesverwaltungsgericht, nach Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Verfassungsgerichtshof schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Der Verzicht auf die Revision ist dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Wurde der Verzicht nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben, so kann er binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden.
Schlagworte
mangelnde Beschwer mangelnder Anknüpfungspunkt Meldeverpflichtung Voraussetzungen WohnsitzauflageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W103.2226896.3.00Im RIS seit
09.11.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021