TE Bvwg Beschluss 2021/9/15 W256 2177456-2

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Veröffentlicht am 15.09.2021
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Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W256 2177456-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer mündlichen Verhandlung in der Rechtssache W256 2177456-1:

A) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am 18. August 2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung samt mündlicher Verkündung statt. Der Antragssteller erschien nicht. Die an ihn adressierte Ladung wurde mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Bundesverwaltungsgericht zurückgestellt.

Mit dem am 24. August 2021 verfassten und am 27. August 2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz beantragt der Antragsteller, ihm wegen Versäumung der in seiner Abwesenheit abgehaltenen mündlichen Verhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung bringt der Antragsteller vor, er habe aus ihm unerfindlichen Gründen nie eine Verständigung über die Hinterlegung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhalten. Erst mit der Zustellung der Verhandlungsniederschrift samt Mitteilung über die dabei erfolgte mündliche Verkündung am 24. August 2021 habe er von der mündlichen Verhandlung erfahren und sogleich das vorliegende Schreiben verfasst. Er wohne seit ungefähr April 2021 gemeinsam mit einem Bekannten an der in der Ladung angegebenen Adresse und empfange er auch gewöhnlich dorthin seine Post. Den Grund, weshalb er keine Kenntnis von der Ladung erhalten habe – sei es, weil sie nie bei ihm angekommen sei oder, weil sein Bekannter sie ihm nicht übergeben habe – kenne er nicht. Da ihm jedoch nur ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen sei, ersuche er um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und um Anberaumung einer neuerlichen Verhandlung.

Der vom Antragsteller beigelegten Hinterlegungsanzeige über die Übermittlung der Verhandlungsniederschrift ist zu entnehmen, dass diese bei der Post hinterlegt und ab 24. August 2021 abholbereit gewesen ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs 5 VwGVG tritt das Verfahren durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Der Antragsteller hat gegenständlich innerhalb der Frist des § 33 Abs 3 VwGVG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, durch welches er von der mündlichen Verhandlung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt habe, macht der Antragsteller geltend, dass er eine Verständigung über die Ladung nicht vorgefunden bzw. erhalten habe.

Demjenigen, der von einem Zustellvorgang gar keine Kenntnis erlangt, wird es in der Regel nicht bekannt sein, auf welche Weise eine solche Hinterlegungsanzeige verschwunden ist. Das Vorbringen einer Partei, sie habe während des gesamten Hinterlegungszeitraumes eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden, wird daher, sofern anzunehmen ist, dass die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist, einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (vgl. VwGH, 25.7.2007, 2007/11/0103 u.v.m.).

Gegenständlich hat der Antragsteller in seinem eingangs wiedergegebenen Antrag dargetan und auch nachgewiesen, dass er unverzüglich nach Erhalt der Verständigung über die Hinterlegung der Niederschrift über die in seiner Abwesenheit abgehaltene mündliche Verhandlung das Postamt aufgesucht und auch noch am selben Tag den gegenständlichen Antrag verfasst und unverzüglich zur Post gegeben hat. Es ist daher allein schon deshalb davon auszugehen, dass der Antragsteller gewöhnlich überaus sorgfältig und gewissenhaft mit an ihn adressierten Schriftstücken umgeht und ihm insofern im vorliegenden Fall an der Unkenntnis von der Hinterlegung der Ladung keine besondere Nachlässigkeit bzw. nur ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen ist.

Im allfälligen bloßen Unterbleiben von Erkundigungen bei seinem Mitbewohner über allenfalls erfolgte Zustellversuche kann jedenfalls aufgrund der dargestellten sonstigen Gewissenhaftigkeit des Antragstellers keine auffallende Sorglosigkeit erblickt werden (vgl. VwGH, 27.01.2005, 2004/11/0212).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher stattzugeben.

Damit tritt das Verfahren gemäß § 33 Abs 5 VwGVG in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Das bedeutet auch, dass das im Rahmen der mündlichen Verhandlung mündlich verkündete Erkenntnis rückwirkend von Gesetzes wegen seine Gültigkeit verliert, also ex lege außer Kraft tritt bzw als nicht (mehr) existent anzusehen ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 (Stand 1.1.2020, rdb.at) Rn 148).

zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

minderer Grad eines Versehens mündliche Verhandlung Unkenntnis Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W256.2177456.2.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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