Index
22/02 ZivilprozessordnungNorm
EO §1 Z5Rechtssatz
Den beiden Ermäßigungstatbeständen in Anmerkung 2 zu TP 1 GGG 1984 ist gemein, dass sie an den Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches anknüpfen. Der gerichtliche Vergleich existiert in zwei Formen: Als bereits vor Einleitung eines Prozesses möglicher, gerichtlicher (sog. prätorischer) Vergleich nach § 433 ZPO und als in § 204 ZPO vorgesehener Prozessvergleich. Der gerichtliche Vergleich ist ein vor Gericht geschlossener prozessrechtlicher Vertrag, durch den die Parteien den Rechtsstreit gütlich beenden oder einzelne Streitpunkte bereinigen. Nach der Lehre von der Doppelnatur oder vom Doppeltatbestand des gerichtlichen Vergleiches ist zwischen seiner materiellen und seiner prozessualen Wirksamkeit zu unterscheiden (VwGH 8.2.1990, 89/16/0065, mwN). Der gerichtliche (prozessuale) Vergleich ist Rechtsgeschäft und Prozesshandlung und hat nach herrschender Ansicht Doppelfunktion (5 Ob 199/08p = SZ 2008/176, mwN). In dem Umfang, in dem im Zuge eines gerichtlichen Prozessvergleiches eine Einigung über den Gegenstand des Rechtsstreits erfolgt ist, kommt dem Prozessvergleich unmittelbar prozessbeendende Wirkung zu. Einem außerprozessualen Vergleich kommt keine unmittelbare prozessbeendende Wirkung zu. Gerichtliche Vergleiche, welche über privatrechtliche Ansprüche vor Zivil- oder Strafgerichten abgeschlossen wurden, sind gemäß § 1 Z 5 EO Exekutionstitel (zur prozessbeendenden Wirkung des gerichtlichen Vergleiches vgl. auch VwGH 18.5.2020, Ra 2019/16/0142, mwN).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160051.L01Im RIS seit
09.11.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2021