TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/5 LVwG-AV-882/001-2021

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Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

GewO 1994 §87 Abs1
GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, geb. am ***, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 06.04.2021, Zl. ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß §25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (im Folgenden: belangte Behörde) vom 06.04.2021, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant am Standort ***, *** (Parzelle ***) ***, GISA-Zahl ***, entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit 01.06.2015 Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe am Standort ***, *** (Parzelle ***) *** sei.

Im Zuge einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass bei der Bezirkshauptmannschaft im Verwaltungsstrafvormerk 27 Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz, 17 Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung, Übertretungen nach dem Führerscheingesetz, dem Forstgesetz, dem Veranstaltungsgesetz, dem Kraftfahrzeugabstellgesetz und dem Glücksspielgesetz aufscheinen. Weiters würden folgende schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung aufscheinen:

?    ***, Strafverfügung, § 367 Z 25 GewO, EUR 180,--

?    ***, Straferkenntnis, § 366 Abs. 1 Z 3 GewO, EUR 200,--

?    ***, Straferkenntnis, § 366 Abs. 1 Z 3 GewO, EUR 360,--

?    ***, Straferkenntnis, § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 2 ASVG, EUR 7.000,--

?    ***, Straferkenntnis, § 367 Z 25 GewO, EUR 150,--

?    ***, Straferkenntnis, § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 2 iVm Abs. 1 und Abs. 1a ASVG, EUR 730,--

Gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO sei die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Als an sich schwerwiegende Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 gelten, wenn die Übertretung zu schwerwiegenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen geführt haben. Ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechtsvorschriften sei aber auch dann anzunehmen, wenn durch eine Vielzahl von geringen Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten sei. Außerdem müsse es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes „besonders“ zu beachten seien.

Sämtliche aufgezählten Verwaltungsübertretungen seien in Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Gastgewerbe zu bringen. Es seien nicht bloß gewerberechtliche Vorschriften verletzt worden, sondern auch Schutzinteressen unter anderem durch die Missachtung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Obwohl es aufgrund der noch nicht getilgten Strafen im Verwaltungsstrafvormerk grundsätzlich keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers bedürfe, werde darauf hingewiesen, dass sich wegen der Vielzahl an rechtskräftigen Bestrafungen im Zusammenhang mit dem ausgeübten Gewerbe, der Verstöße gegen Schutzinteressen, sowie der wiederholten Begehung von gleichartigen Verstößen in weiterer Folge, ein Persönlichkeitsbild ergebe, aufgrund dessen von der Gewerbebehörde keine positive Prognoseentscheidung getroffen werden könne und besitze der Beschwerdeführer demnach nicht mehr die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz stelle keinen Grund dar, von der Entziehung abzusehen. Die Entscheidung, ob der Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes auszusprechen ist, sei keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung.

Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.02.2021 von der beabsichtigten Entziehung in Kenntnis gesetzt worden und habe dieser dahingehend Stellung genommen, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung nicht vorliegen würden, zumal keine schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen vorliegen würden. Die 27 Übertretungen nach diversen Gesetzen seien nicht näher spezifiziert worden und haben diese auch mit der Gewerbeausübung nichts zu tun. Die meisten Gewerbeübertretungen seien nur mit sehr geringen Geldstrafen geahndet worden, sodass sich bereits allein daraus kein grober Verstoß oder schwerwiegender Verstoß, der für eine Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 3 GewO jedoch notwendig sei, ergebe. Vielmehr müssen die Verstöße jeweils die Annahme erschüttern, dass der Gewerbeinhaber die für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Eine kurzfristige illegale Beschäftigung in einer betrieblichen Notsituation stelle noch keinen schwerwiegenden Verstoß dar. Schwerwiegende Verstöße seien zudem nur dann gegeben, wenn sie zu schweren verwaltungsrechtlichen Sanktionen oder etwa zu strafgerichtlichen Verurteilungen geführt haben. Er stelle sohin den Antrag, mangels Erfüllung der Voraussetzungen, von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen.

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für NÖ habe gegen die beabsichtigte Entziehung keine Einwände erhoben, die Wirtschaftskammer NÖ habe sich gegen eine Entziehung ausgesprochen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, anwaltlich vertreten, rechtzeitig Beschwerde und führte darin aus, dass die Gewerbeberechtigung infolge schwerwiegender Verstöße des Gewerbeinhabers gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, entzogen werden könne.

Die Behörde habe ausgeführt, dass es insgesamt sechs Verwaltungsübertretungen, welche in Zusammenhang mit der Gewerbeordnung stehen, gebe und diese zudem schwerwiegend seien. Die Behörde führe hierzu lediglich aus, dass sich diese Feststellungen aus dem Verwaltungsstrafvormerk vom 24.03.2021 ergeben. Jedoch lasse sich daraus keinesfalls ableiten, ob einzelne Verwaltungsübertretungen tatsächlich schwerwiegend seien oder nicht. Kurzfristige Verstöße gegen § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG stellen nach stRsp noch keinen schwerwiegenden Verstoß dar, weiters seien die seitens der Behörde aufgelisteten Delikte mit geringfügigen Geldstrafen (mit einer Ausnahme) bestraft worden, sodass schon aus diesem Grund nicht davon auszugehen sei, dass schwerwiegende Übertretungen vorliegen. Auch die Wirtschaftskammer NÖ habe sich aus diesem Grund gegen eine Entziehung ausgesprochen.

Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, die Behörde habe im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung auch jene Verwaltungsübertretungen als Gewerbeentziehungsgrund herangezogen, welche mit der Gewerbeordnung nichts zu tun haben, wie etwa Übertretungen nach der StVO, welche nicht als schwerwiegende Verstöße im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung gelten können. Als Zulassungsbesitzer habe er die Verwaltungsstrafen für die auf ihn zugelassenen Fahrzeuge auch dann einbezahlt, wenn diese ohne vorherige Lenkererhebung ergangen sind und seine Dienstnehmer mit den Fahrzeugen unterwegs waren.

Durch die Einschränkung des Entziehungstatbestandes auf schwerwiegende Verstöße solle sichergestellt werden, dass nicht schon geringe Verletzungen der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen können. Die Voraussetzung des schwerwiegenden Verstoßes, der geeignet sein müsse das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen, liege gegenständlichenfalls nicht vor. Die Behörde sei jede Begründung, wonach es sich um schwerwiegende Verstöße handeln solle, schuldig geblieben. Der bloße Verweis auf den Verwaltungsstrafvormerk reiche diesbezüglich in keiner Weise aus.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Entziehung der Gewerbeberechtigung stellen regelmäßig einen Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit gem. StGG dar und seien daher restriktiv auszulegen.

Richtig sei, dass sich der Beschwerdeführer in einem Sanierungsverfahren mit einer seitens der Gläubiger angenommenen 100%igen Quote befinde und dass die bisherigen Quotenzahlungen auch pünktlich geleistet worden seien.

Der Beschwerdeführer beantragte daher den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und seine Einvernahme als Gewerbeinhaber.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 16.06.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher unter Anwesenheit eines Behördenvertreters der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde.

In dieser brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass er gerichtlich unbescholten sei.

Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe. Von 01.06.2015 bis 27.09.2018 lautete der Gewerbewortlaut „Gastgewerbe in der Betriebsart Imbissstube“, seit 27.09.2018 lautet der Gewerbewortlaut „Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant“. Standort der Gewerbeberechtigung ist ***, *** (Parzelle ***) ***. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Geschäftsführer in einer Bar der Firma C in ***.

Das gegenständliche Kaffeerestaurant hat derzeit sechs Verabreichungsplätze, um Erweiterung auf insgesamt zehn Verabreichungsplätze hat der Beschwerdeführer bereits angesucht. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Vollzeitangestellte und einige Hilfskräfte, welche geringfügig beschäftigt sind. Er führt auch ein Zustellservice aus, weswegen er seinen Imbissstand bei ***, *** und der ***-App angemeldet hat. In Unkenntnis der rechtlichen Folgen hat der Beschwerdeführer sämtliche Strafen, die von den angestellten Fahrern begangen worden sind, bezahlt, nicht aber Einspruch erhoben und den tatsächlichen Lenker bekanntgegeben.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich in einem Sanierungsverfahren. Der Sanierungsplan, der am 27.01.2021 bestätigt wurde, in welchem die Insolvenzgläubiger 100% ihrer Forderungen erhalten, ist in vier Teilen zu zahlen. 31% der Barquote fällig binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, weitere jeweils 23% binnen 8, 16 und 24 Monaten ab Annahme, nicht jedoch vor rechtskräftiger Insolvenzaufhebung.

Mit Schreiben der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 04.03.2021 wurde mitgeteilt, dass sich die Fachgruppe Gastronomie gegen eine Entziehung der Gewerbeberechtigung ausspricht. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer glaubhaft versichert habe, in Zukunft Situationen tunlichst zu vermeiden, die zu einer weiteren Straffälligkeit führen könnten, die Verwaltungsübertretungen Großteils aufgrund unglücklicher Umstände oder aufgrund von erhaltener Falschinformation entstanden seien und der Fortbestand des Kaffeerestaurants für den Beschwerdeführer essentiell sei, um Einnahmen lukrieren und die geforderte Quote in Höhe von 100% erfüllen zu können, da er sich in einem Sanierungsverfahren befinde. Bei einem Entzug der Gewerbeberechtigung würde der Beschwerdeführer in die Erwerbslosigkeit schlittern.

Mit Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich vom 03.03.2021 wurden keine Einwände gegen eine Entziehung der Gewerbeberechtigung erhoben. Begründet wurde dies mit den wiederholten arbeitsrechtlichen Vorfällen sowie den aufscheinenden schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Gewerbeberechtigung.

Betreffend die im angefochtenen Bescheid angeführten rechtskräftigen Strafverfügungen bzw. Erkenntnisse handelt es sich im Einzelnen um folgende Verwaltungsübertretungen:

1.   ***, Strafverfügung, § 367 Z 25 GewO, EUR 180,--

2.   ***, Straferkenntnis, § 366 Abs. 1 Z 3 GewO, EUR 200,--

3.   ***, Straferkenntnis, § 366 Abs. 1 Z 3 GewO, EUR 360,--

4.   ***, Straferkenntnis, § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 2 ASVG, EUR 7.000,-- (5x EUR 1.400,--)

5.   ***, Straferkenntnis, § 367 Z 25 GewO, EUR 300,-- (2x EUR 150,--)

6.   ***, Straferkenntnis, § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 2 iVm Abs. 1 und Abs. 1a ASVG, EUR 730,--

Zu den einzelnen Verwaltungsübertretungen ist wie folgt festzustellen:

Zu 1.) Der Beschwerdeführer hat als Betreiber der Gastgewerbebetriebsanlage („Imbissstand“) die bescheidmäßig vorgeschriebenen Aufträge gemäß § 359b GewO nicht eingehalten, da sich am 06.08.2019 um 21.25 Uhr noch rund fünf bis sieben Personen bei der Bank neben dem Verkaufsstand befanden und Getränke konsumierten. Eine Person erhielt zudem zu diesem Zeitpunkt eine Flasche Bier aus dem Verkaufsraum. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 180,-- verhängt.

Zu 2.) Der Beschwerdeführer hat zumindest im Zeitraum vom 22.01.2020 bis 26.02.2020 einen Boxautomaten, welcher nicht von der der an diesem Standort befindlichen Betriebsanlage zugehörigen Betriebsanlagengenehmigung mitumfasst ist, im Rahmen seiner Betriebsanlage gewerbsmäßig betrieben, obwohl dessen Betrieb geeignet war, die in § 74 Abs. 2 GewO normierten Schutzinteressen zu beeinträchtigen und daher einer betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung bedurfte, welche jedoch nicht vorlag. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 450,-- verhängt.

Dieser Bescheid wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dahingehend abgeändert, dass die Geldstrafe auf EUR 200,-- herabgesetzt wurde.

Zu 3.) Der Beschwerdeführer hat zumindest am 05.07.2019 eine ohne die erforderliche Genehmigung geänderte Betriebsanlage nach der Änderung gewerbsmäßig betrieben, indem er im Gastgarten statt den genehmigten 40 Verabreichungsplätzen 16 Tische mit 56 Stühlen, 5 Bänke und 4 Stehtische mit 4 Barhockern zur Verfügung gestellt hat. Zur Seite gestellt und gestapelt waren 23 Tische und 110 Stühle. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 360,-- verhängt.

Zu 4.) Der Beschwerdeführer hat es am 24.11.2018 im Zeitraum 10 Uhr bis zumindest 11.15 Uhr unterlassen fünf von ihm am Beschäftigungsort Messegelände „***“, ***, Halle ***, beschäftigte Personen, die als Hilfskraft mit Vorbereitungsarbeiten für ein Buffet und mit der Ausgabe von Speisen am Buffet beschäftigt waren, bei der Krankenversicherung anzumelden. Die Meldung wurde erst am 24.11.2018 um 14.21 Uhr erstattet. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 10.900,-- (5x EUR 2.180,--) verhängt.

Dieser Bescheid wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dahingehend abgeändert, dass die Geldstrafe auf EUR 7.000,-- (5x EUR 1.400,--) herabgesetzt wurde.

Zu 5.) Der Beschwerdeführer hat als Betreiber der Gastgewerbebetriebsanlage („Imbissstand“) die bescheidmäßig vorgeschriebenen Aufträge gemäß §§ 74 bis 83 und 359b GewO nicht eingehalten, da sich am 05.07.2018 um 21.20 Uhr noch sechs Gäste im Gastgarten befanden und Getränke konsumierten sowie sich am 11.07.2018 um 21.45 Uhr noch zwei Gäste im Gastgarten befanden und Getränke konsumierten. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- (2x EUR 150,--) verhängt.

Zu 6.) Der Beschwerdeführer hat es im Zeitraum 15.05.2016 18 Uhr bis 31.05.2016 13.05 Uhr unterlassen eine von ihm beschäftigte Person, die mit der Zubereitung und Ausgabe von Speisen und Getränken in der vom Beschwerdeführer betriebenen Imbissstube gegen Entgelt beschäftigt war, bei der Krankenversicherung anzumelden. Die Meldung wurde erst am 31.05.2016 um 13.27 Uhr erstattet. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 730,-- verhängt.

Dieser Bescheid wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dahingehend abgeändert, dass die Angabe „vom 15.05.2016, 18 Uhr (Arbeitsantritt)“ richtig „vom 31.05.2016, 12 Uhr (Arbeitsantritt)“ zu lauten hat.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer am 20.04.2019 im Zeitraum 11 Uhr bis 17.25 Uhr eine öffentliche Veranstaltung („***“) trotz Untersagung mittels Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** durchgeführt und somit gegen § 14 Abs. 1 Z 5 NÖ VeranstaltungsG verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 350,-- verhängt (***).

Im Verwaltungsstrafvormerk der belangten Behörde scheinen weiters 28 Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz, 16 Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung, zwei Übertretungen nach dem Führerscheingesetz, eine Übertretung nach dem Forstgesetz, fünf Übertretungen nach dem Kraftfahrzeugabstellgesetz und eine Übertretung nach dem Glücksspielgesetz auf. Bei diesen Verwaltungsübertretungen wurden mit wenigen Ausnahmen lediglich geringe Geldstrafen im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich verhängt. Bei den Übertretungen betreffend die StVO handelte es sich vorwiegend um Strafverfügungen wegen z.B. Halten und Parken verboten oder Geschwindigkeitsübertretungen.

Der Beschwerdeführer ist bemüht weitere Verstöße zu vermeiden, hat hierfür vom Finanzamt eine Kontrollnummer für Mindestangaben und informiert sich zudem über die ELDA-App, die es ihm ermöglicht, die Mindestangaben Meldung hinkünftig direkt über die App zu erstatten.

Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt Zl. ***, den Gerichtsakt zur Zl. LVwG-AV-882-2021, insbesondere in die von der Behörde übermittelten Verwaltungsstrafakten zu den Verwaltungstrafen, welche auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides von der Behörde angeführt wurden, sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei.

Zu den Feststellungen betreffend die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der Einsicht in die Verwaltungsstrafregisterauskunft betreffend den Beschwerdeführer vom 04.02.2021 sowie den Verwaltungsstrafakten zu den festgestellten Verwaltungsübertretungen.

Der weitere Sachverhalt ergibt sich aufgrund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussage des Beschwerdeführers. Insbesondere führte er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft aus, dass er stets bemüht sein werde, das gegenständliche Gewerbe zuverlässig auszuüben. Diesbezüglich wies er auf die ihm nunmehr bekannte Möglichkeit hin, beim Finanzamt anrufen zu können um sodann von diesem eine Kontrollnummer für Mindestangaben zu erfahren, woraufhin er dies telefonisch seinem Steuerberater weiterleite, welcher folglich alles ordnungsgemäß weitermelde. So könne er in Zukunft weitere Vorfälle vermeiden. Er führte zudem glaubhaft aus, dass er sich gerade auch über die ELDA-App informiere, die ihm in Zukunft ermögliche direkt über die App, über das Telefon, die Mindestangaben Meldung zu erstatten.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat rechtlich wie folgt erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtsache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Satz GewO sind Schutzinteressen gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

Nach den Gesetzesmaterialien zum Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO (zitiert etwa bei Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4, § 87 Rz 14) ist ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen, wenn er geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Außerdem muss es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes „besonders" zu beachten sind, wozu etwa Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln (vgl. § 69 Abs. 2 GewO) gehören (vgl. VwGH 18.06.2012, 2012/04/0026).

Die Frage, ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Gewerbetreibenden um schwerwiegende Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 handelt, ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/04/0122; 22.05.2012, 2012/04/0062; 14.03.2012, 2012/04/0014; 14.03.2012, 2012/04/0012; 14.03.2012, 2011/04/0209; 28.02.2012, 2011/04/0171; 02.02.2012, 2011/04/0180; 21.12.2011, 2007/04/0222).

Das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO enthaltene Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ kann nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen.

Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 Staatsgrundgesetz (StGG) ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. VwGH 01.02.2017, Ra 2015/04/0047; 17.06.2014, Ro 2014/04/0025; 16.10.2016, 2012/04/0100 uva). Nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ist die Sichtweise erforderlich, wonach ein Gewerbetreibender als nicht mehr zuverlässig angesehen werden kann, wenn sich aus einer Vielzahl von Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung dieser Schluss ziehen lässt (vgl. VwGH 24.09.2019, Ra 2019/03/0022; vgl. zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes etwa das E vom 10. Oktober 2008, G 257/07, VfSlg. 18.608). Es entspricht der stRsp, dass die Behörde bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung das Gebot der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Erwerbsfähigkeit (Art. 6 StGG) zu berücksichtigen hat (vgl. VwGH 24.09.2019, Ra 2019/03/0022; 29.01.2015, Ra 2015/03/0001).

Die Entziehungsvoraussetzungen liegen hingegen nicht vor, wenn die festgestellten Verwaltungsübertretungen durch den Gewerbeinhaber mit Blick insbesondere auf Anzahl und Schwere der begangenen Straftaten, Länge des Tatzeitraums, Häufigkeit wiederholter Tathandlungen und Zeitraum des Wohlverhaltens in ihrer Gesamtheit nicht eine für die Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 ausreichende Grundlage bilden (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4, § 87 Rz 18).

§ 87 Abs. 1 Z 3 GewO erfordert einen hinreichenden Konnex zum ausgeübten Gewerbe. Die Verletzung von für die gegenständliche Gewerbeausübung irrelevanter Rechtsvorschriften kann demnach nicht zur Entziehung führen.

Die Schwere der Rechtsverletzung ist anhand der rechtskräftigen Strafbescheide zu beurteilen. Das Gericht ist an die rechtskräftigen Strafverfügungen und Straferkenntnisse gebunden. Hinsichtlich der verhängten und oben festgestellten einzelnen Verwaltungsstrafen ist zu erwägen:

Zu 1.) und 5.) Die Obergrenze der verhängbaren Strafe liegt bei jeweils EUR 2.180,-- wobei gegenständlich auf eine Strafe von EUR 180,-- bzw. 2x EUR 150,-- erkannt wurde, somit sind diese Verstöße schon auf Grund der niedrigen Strafhöhe als geringfügig anzusehen.

Zu 2.) und 3.) Die Obergrenze der verhängbaren Strafe liegt bei jeweils EUR 3.600,-- wobei gegenständlich auf eine Strafe von EUR 200,-- bzw. EUR 360,-- erkannt wurde, womit die verhängten Strafen abermals im unteren Bereich angesiedelt sind und daher nicht als schwerwiegend zu werten sind.

Zu 6.) Der Strafrahmen der verhängbaren Strafe liegt zwischen EUR 730,-- und EUR 2.180,-- wobei gegenständlich auf eine Strafe von EUR 730,-- erkannt wurde, was der Mindeststrafe entspricht, weshalb schon deshalb auch diese Verwaltungsübertretung nicht als schwerwiegend zu betrachten ist.

Zu 4.) Der Strafrahmen der verhängbaren Strafe liegt zwischen EUR 730,-- und EUR 2.180,-- wobei gegenständlich auf eine Strafe von 5x EUR 1.400,-- erkannt wurde, welche sich genau im mittleren Bereich des Strafrahmens aufhält.

Hierbei ist anzumerken, dass dem Beschwerdeführer lediglich Fahrlässigkeit vorwerfbar war, die fünf Vorfälle alle am selben Tag und nur über einen sehr kurzen Zeitraum vorgefallen sind, weswegen sie vom erkennenden Gericht noch nicht per se als schwerwiegend erachtet werden.

Was die Verwaltungsübertretung vom 20.04.2019 betrifft ist zu erwägen, dass die Obergrenze der verhängbaren Strafe des § 14 Abs. 1 Z 5 NÖ VeranstaltungsG bei EUR 7.000,-- liegt wobei gegenständlich auf eine Strafe von EUR 350,-- erkannt wurde, womit auch dieser Verstoß schon auf Grund der geringen Strafhöhe als geringfügig anzusehen ist.

Die in den Feststellungen detailliert aufgezählten Verstöße stehen in Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Gastgewerbe. Es wurden auch Schutzinteressen, unter anderem durch Missachtung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen, verletzt. Diese Verwaltungsübertretungen sind nun ihrem Gesamtbild nach zu betrachten und sind diese ihrer Schwere und Zahl sowie der Länge des Tatzeitraums und der Häufigkeit der wiederholten Tathandlungen nach nicht als so gravierend zu betrachten, dass sie eine Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen würden. Die von den Behörden verhängten Verwaltungsstrafen befanden sich der Höhe nach fast ausschließlich im unteren Bereich der verhängbaren Strafe, bzw. wurden sie von der nächsten Instanz dementsprechend herabgesetzt. Lediglich eine Verwaltungsübertretung wurde mit einer Strafe im mittleren Ausmaß verhängt, und vermag auch diese eine Entziehung nicht rechtzufertigen. Die Übertretungen fanden allesamt lediglich über einen nur sehr kurzen Zeitraum statt (vgl. z.B. die nicht mal 1,5 Stunden zu spät erfolgte Anmeldung bei 6.)) und kann auch von einer häufigen Wiederholung der Tathandlungen keine Rede sein. Die von der ersten Instanz erwähnten weiteren Verwaltungsübertretungen (StVO, KFG etc.) wurden von der Behörde nicht näher konkretisiert. Festgestellt wurde, dass betreffend die Übertretungen im Zusammenhang mit der Straßenverkehrsordnung, der Beschwerdeführer die Strafen, die von den angestellten Fahrern begangen wurden, bezahlt hat. Bei den meisten Übertretungen handelte es sich um geringfügige Übertretungen (Halten und Parken verboten, Geschwindigkeitsübertretungen im unteren Bereich, etc..), welche als (noch) zu wenig schwerwiegend zu betrachten, um eine Entziehung zu rechtfertigen.

Bei der Prüfung, ob ein Entziehungsgrund nach § 87 Abs. 1 Z 3 GewO vorliegt, bedarf es, anders als beim Entziehungsgrund des Abs. 1 Z 1, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers, weil nach der Regelung dieser Gesetzesstelle sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den dort genannten schwerwiegenden Verstößen ergibt (vgl. VwGH 14.4.1999, 99/04/0001; 27.09.2000, 2000/04/0127; 08.11.2000, 2000/04/0132 uva).

Auch wenn im vorliegenden Fall keine Prognose hinsichtlich der Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers zu treffen ist, ist dennoch festgehalten, dass im Hinblick auf Eigenart und Schwere der begangenen Straftaten mit begründeter Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbeinhaber bei der weiteren Ausübung des Gewerbes es in Zukunft unterlassen wird, gleiche oder ähnliche Straftaten zu begehen. So konnte er auch durch seine Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Gericht glaubhaft davon überzeugen, dass er sich mit den bisherigen Übertretungen auseinandersetzt und durch diverse Maßnahmen, wie der ELDA-App oder der Kontrollnummer beim Finanzamt zukünftige Verstöße bemüht sein wird zu vermeiden.

Im gegenständlichen Fall ist auch auszuführen, dass eine Entziehung im Hinblick auf Art. 6 StGG, dem Verhältnismäßigkeitsgebot bei Eingriff in die Erwerbsfreiheit, auf Grund der festgestellten Übertretungen weder ihrer Anzahl noch ihrer Schwere nach derzeit ausreichend sind, um eine solche zu rechtfertigen, und wäre ein solcher Eingriff im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit unverhältnismäßig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gastgewerbe; Gewerbeberechtigung; Entziehung; schwerwiegender Verstoß;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.882.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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