TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 G302 2225891-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G302 2225891-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Jamaika, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Zaid RAUF, in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – Regionaldirektion XXXX, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.05.2021 zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., III. und IV. wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt zu lauten hat: „Ihr Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Jamaika gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Absatz 2 Z 3 AsylG 2005 abgewiesen.“

III.    Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX nach Jamaika unzulässig ist.

IV.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag von XXXX, geb. XXXX, (in weiterer Folge: BF) vom XXXX auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Jamaika, Vereinigte Staaten von Amerika (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Jamaika, Vereinigte Staaten von Amerika zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.) Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde.

Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am XXXX dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2019, G302 2225891-1/6Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 31.05.2021 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF sowie seines Rechtsvertreters durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Jamaikas und stammt aus dem Landkreis XXXX. Er bekennt sich zu keiner Religion. Der BF ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er ist homosexuell bzw. zumindest bisexuell.

Der BF hat seinen Herkunftsstaat Anfang der 90iger Jahre verlassen und lebte bis ca. 1996 in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dann kehrte er nach Jamaika zurück

Der BF lernte 1998 in Jamaika eine österreichische Staatsbürgerin kennen, die ihn dazu brachte in Österreich Gesang zu studieren. Er hat seinen Herkunftsstaat 1998 endgültig verlassen.

Der BF reiste im Jahr 1998 ins österreichische Bundesgebiet ein und hielt sich bis zum Oktober 2004 mit einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender rechtmäßig in Österreich auf.

Im Jahr 2004 wurde er von einer ihm unbekannten Person in XXXX in den XXXX gestoßen und erlitt einen Bruch seines Beines (komplette Fraktur). An den Folgen leidet er heute noch.

Seit 2004 hat der BF keinen Aufenthaltstitel bzw. keine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthalt in Österreich

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der BF wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt. Der BF war schuldig eine wehrlose Person, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zufolge massiver Alkoholisierung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustandes außer dem Fall des § 205 Abs. 1 StGB dadurch missbraucht zu haben, dass er seinen erigierten Penis zwischen den Gesäßbacken der schlafenden, beziehungsweise gerade erwachenden alkoholisierten Person rieb, sohin eine geschlechtliche Handlung an ihr vornahm. Mildernd wurde der bis zum Tatzeitpunkt ordentliche Lebenswandel gewertet, während keine Umstände als erschwerend bemessen wurde.

Am XXXX stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Herkunftstaat verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte. Der Vater des BF verstarb bereits 1990. Im Jahre 2013 verstarb seine Großmutter, welche den BF adoptiert hatte. Der BF hält zu seiner leiblichen Mutter und seiner Schwester keinen Kontakt.

Im österreichischen Bundesgebiet leben keine Familienangehörigen des BF.

Der BF hat Deutschkenntnisse und verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er war in Österreich zeitweise als Opernsänger und anschließend als selbständiger Englischtrainer tätig. Der BF hält sich seit seiner Asylantragstellung ununterbrochen im Bundesgebiet auf und verfügt im Bundesgebiet seit 25.09.2000 bis zum Entscheidungszeitpunkt mit Unterbrechungen über Hauptwohnsitzmeldungen. Der BF ist selbsterhaltungsfähig und bezieht keine Leistungen von der Grundversorgung.

1.2 Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Jamaika legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung die aktuelle Version der Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu Jamaika vom 19.01.2017 sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Jamaika: Lage von Männern mit homosexueller Orientierung vom 24.02.2021 Folgendes zu Grunde:

Sicherheitslage

Jamaika weist gemessen an der Einwohnerzahl weiterhin eine der höchsten Tötungsraten der Welt auf. Gewaltkriminalität stellt für die Bevölkerung nach wie vor ein zentrales Problem dar. Zwischen Januar und Juni 2015 verzeichnete die Polizei 1.486 Anzeigen wegen schwerer Gewaltverbrechen, bei denen es sich um Morde, Schießereien, Vergewaltigungen und schwere Körperverletzungen handelte. Laut Medienberichten wurden 2015 mehr als 1.100 Tötungsdelikte begangen, was einem Anstieg von etwa 20% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Änderungen des Gesetzes über gefährliche Drogen, die im April 2015 in Kraft traten, hoben Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Besitz oder dem Konsum geringer Mengen von Cannabis auf und erlaubten Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Rastafari, die Droge im Rahmen religiöser Handlungen einzusetzen (AI 24.2.2016).

Eine anhaltende und verstärkte Strategie zur Verbrechensbekämpfung scheint im Jahr 2014 auf der Karibikinsel Jamaika Erfolg zu zeigen. Zum einen fiel die Zahl der Morde auf den niedrigsten Stand der letzten elf Jahre. Zum anderen endete das Jahr mit einer großen Reduktion in allen Kategorien von Verbrechen. Die Mordrate am Ende des Jahres 2014 betrug auf Jamaika 36 pro 100.000 Einwohner – im Vergleich zu 44 im Jahr 2013 und 62 im Jahr 2009. Demnach wurden im Jahr 2014 1.005 Morde verübt. Dies ist eine 16-prozentige Reduktion zum Vergleichszeitraum des Vorjahres (1.200) und eine Verringerung von 41% im Vergleich zu 2009 (LP 12.1.2015).

Gewalttaten durch Banden und Ordnungshüter bleiben weiterhin ein Hauptproblem im ganzen Land. In einigen Stadtteilen sind kriminelle Banden mittlerweile so mächtig, dass sie sogar die Wahlen beeinflussen können. Demnach werden als Gegenleistung für die entsprechende Wahlbeteiligung politische Gefälligkeiten angeboten. Die sogenannten Kingston´s Insular Garnison Gemeinden sind weiterhin die Epizentren der Gewalt und dienen als sicherer Zufluchtsort für Banden. Jamaika ist ein wichtiges Transitland für Kokain aus Kolumbien auf dem Weg in die USA. Deshalb steht der Großteil der Gewalttaten in Jamaika im engen Zusammenhang mit dem Krieg zwischen den Drogenbanden, aber auch mit der Ausweisung krimineller jamaikanischer Staatsbürger aus den USA und mit dem illegalen Waffenhandel. Im März 2014 verabschiedete die Regierung Gesetze gegen die Banden (FH 28.1.2015).

Quellen:

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/2016 – Jamaika, http://www.ecoi.net/local_link/319830/466635_de.html, Zugriff 19.1.2017

FH – Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/309935/447859_de.html, Zugriff 19.1.2017

LP – Latina Press (12.1.2015): Niedrigste Mordrate auf Jamaika seit elf Jahren, http://latina-press.com/news/191859-niedrigste-mordrate-auf-jamaika-seit-elf-jahren/, Zugriff 19.1.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Justizwesen steht unter der Führung des Obersten Gerichtshofs und besteht aus dem Berufungsgericht und verschiedenen erstinstanzlichen Gerichten. Der „Caribbean Court of Appeal in Trinidad“ ist die höchste Appellationsinstanz (FH 28.1.2015). Der unabhängige Court Management Services verwaltet sein eigenes Budget, das Justizministerium stellt jedoch verschiedene Ressourcen (z.B. Fahrzeuge für Richter, Einführung neuer Technologien, neue Gerichtsgebäuden) zur Verfügung (USDOS 13.4.2016).

Das jamaikanische Justizsystem wird als das schwerwiegendste Menschenrechtsproblem im Land betrachtet. Es gilt als überbelastet, ungenügend ausgestattet und dysfunktional. Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor. Laut Verfassung haben die Angeklagten das Recht auf Unschuldsvermutung, Rechtsbeistand, Information über Art und Gründe der Anklage und auf ein faires Gerichtsverfahren. Strafsachen, in denen mit einer möglichen Gefängnisstrafe von über zwölf Monaten zu rechnen ist, werden normalerweise von Geschworenen entschieden. In den letzten Jahren haben Einzelrichter jedoch immer mehr Strafprozesse mit über fünf Jahren Strafandrohung bei Drogendelikten bzw. lebenslanger Strafandrohung im sogenannten Gun Court (für Straftaten mit Schusswaffen) judiziert. Der oberste Gerichtshof untersucht schwerwiegende Delikte, einschließlich Mordfälle. Die Abneigung der Bürger gegen die Unterstützung des Gerichts als Geschworener trägt zum andauernden Problem des Verfahrensrückstandes bei. Gerichtsverfahren werden oft über Jahre verschleppt, manchmal deswegen sogar eingestellt Angeklagte haben ausreichend Zeit ihre Verteidigung angemessen vorzubereiten und es existiert in Recht auf Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen. Darüber hinaus kann im Falle von Mittellosigkeit Rechtshilfe in Anspruch genommen werden, davon sind jedoch Fälle betreffend Geldwäsche oder gefährliche Drogen ausgenommen oder wenn keine Haftstrafe droht. Ineffizienz und der Mangel an bereitwilligen Zeugen sind weiterhin ein Problem für das Justizsystem und beeinträchtigen die Gerichtsverfahren (USDOS 13.4.2016).

Im Februar 2014 gab der Minister für Nationale Sicherheit bekannt, dass es einen Rückstand von ungefähr 40.000 noch unbearbeiteten Fällen gebe. Im Juni erklärte der Oberste Richter, dass das Justizsystem ernsthaft behindert werde, da nicht nur kriminaltechnisches Beweismaterial fehle, sondern auch Aussagen und ballistische Gutachten ausstünden (AI o.D.). Zudem sei die Infrastruktur der Gerichte mangelhaft, und es fehle an personellen und finanziellen Mitteln, die zu einer Überbelastung der Gerichte und zu einem steigenden Rückstau anhängiger Verfahren führe. Insbesondere bei den Ermittlungen zu Tötungen durch die Polizei wurden kaum Fortschritte erzielt (AI o.D.; vgl. AI 24.2.2016, FH 28.1.2016). Die örtlichen Magistratsgerichte, die mehr als 90% der Fälle des Gerichtssystems bearbeiten, richteten Nachtdienste und temporäre Krisengerichte ein, um den Rückstau anhängiger Verfahren zu reduzieren. Es existiert ein Zeugenschutzprogramm, aber viele Kandidaten hierfür verweigern die Teilnahme oder verstoßen gegen die Teilnahmebedingungen. Nach Angaben der Polizei wurde jedoch noch keine Person getötet, die an dem Zeugenschutzprogramm teilnahm und sich an dessen Regeln hielt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

AI – Amnesty International (o.D.): Amnesty Report 2015 – Jamaika, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/jamaika, Zugriff 19.1.2017

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/2016 – Jamaika, http://www.ecoi.net/local_link/319830/466635_de.html, Zugriff 19.1.2017

FH – Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/309935/447859_de.html, Zugriff 19.1.2017

USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Sicherheitsbehörden

Die Jamaikanische Polizei (Jamaica Constabulary Force – JCF) trägt die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit und wird von der Island Special Constabulary Force unterstützt. Die Jamaica Defense Force (JDF), einschließlich der Küstenwache, ist verantwortlich für die nationale Verteidigung, das Unterbinden des maritimen Rauschgiftschmuggels und unterstützt die JCF. Das Ministerium für Nationale Sicherheit überwacht die JCF und JDF. Die JCF verfügt über Abteilungen für bürgernahe Polizeiarbeit, Spezialeinsätze, Ermittlungsmaßnahmen und innere Angelegenheiten. Die Zivilbehörden haben die Kontrolle über die JCF und JDF. Die Regierung verfügt über immer effektivere Mechanismen, um bei Korruptionsfällen und Verstößen zu ermitteln und zu bestrafen. Die Unabhängige Kommission zur Untersuchung mutmaßlicher Übergriffe durch Sicherheitskräfte (Independent Commission of Investigations into Abuses by the Security Forces – INDECOM) untersucht Todesfälle, Verletzungen und Rechtsmissbräuche durch die Sicherheitskräfte und durch andere staatliche Sicherheitsdienste; wenn es notwendig ist, werden die Fälle an die Generalstaatsanwaltschaft (Director of Public Prosecutions – DPP) weitergeleitet. Im Jahr 2015 gab es keine Berichte über die Straflosigkeit der Sicherheitskräfte. Gerichtsverfahren gegen Polizisten dauern viele Jahre. Langwierige Gerichtsverfahren mit zahlreichen Verzögerungen sind aber systemische Probleme, die sich nicht auf Fälle beschränken, in die Polizisten involviert sind. 2006-2014 wurden drei Beamte wegen außergerichtlicher Tötung verurteilt. Laut DPP und INDECOM waren Ende Juni 2015 54 Strafprozesse gegen 64 Polizeibeamte wegen mutmaßlicher Beteiligung an rechtswidrigen Tötungen anhängig. Die JCF-Policy betreffend Menschenrechte und Anwendung von Gewalt durch Beamte, verpflichtet alle JCF-Polizisten, bei Konflikten, Unruhen und Gewalt professionell zu reagieren und zu handeln. Die Beamten müssen jährlich an einem Auffrischungskurs über die Verwendung nichttödlicher Mittel teilnehmen, aber diese Kurse finden aufgrund der mangelnden Geldmittel und Ausrüstungen nicht immer statt (USDOS 13.4.2016).

Obwohl die Polizei bei den Trainings sowohl von den Vereinigten Staaten als auch vom Vereinigten Königreich Unterstützung erhält, ist sie vom Mangel an Finanzierung, Ressourcen und Management betroffen. Korruption bei der Polizei und deren Beteiligung an kriminellen Handlungen ist nicht ungewöhnlich. Die JCF ist unterbezahlt, mangelhaft ausgebildet und korrupt (US OSAC 3.11.2015).

Menschenrechtsorganisationen äußeren weiterhin Besorgnis hinsichtlich willkürlicher Festnahmen und Misshandlungen in Polizeigewahrsam. Nachdem in den vergangenen Jahren die Anzahl der durch Polizisten getöteten Menschen stetig gestiegen war (zwischen 2011 und 2013 waren es über 200 Personen jährlich), kam es 2014 und 2015 zu einem Rückgang derartiger Tötungen. Laut einem Bericht vom INDECOM wurden in der ersten Jahreshälfte 2015 insgesamt 50 Tötungen dokumentiert, an denen die Polizei beteiligt war. Dies waren weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Dezember 2014 nahm ein Untersuchungsausschuss die seit langem überfällige Arbeit zur Aufklärung der während des Ausnahmezustands im Jahr 2010 mutmaßlich verübten Menschenrechtsverletzungen auf. Es war vorgesehen, dass er seine Arbeit bis Anfang 2016 beenden würde. Während des Ausnahmezustands hatten Sicherheitskräfte 76 Zivilpersonen getötet. 44 von ihnen sollen außergerichtlich hingerichtet worden sein (AI 24.2.2016).

Laut Beobachtern ist eine Verbesserung durch die zunehmende Rechenschaftspflicht zu sehen, seitdem eine unabhängige Kommission begann, die Gewaltfälle durch die Polizei im Jahr 2014 intensiver zu verfolgen (FH 28.1.2015).

Quellen:

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/2016 – Jamaika, http://www.ecoi.net/local_link/319830/466635_de.html, Zugriff 19.1.2017

FH – Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/309935/447859_de.html, Zugriff 19.1.2017

USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

US OSAC – US Overseas Security Advisory Council (3.11.2016): Jamaica 2015 Crime and Safety Report, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=17248, Zugriff 19.1.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl das Gesetz solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte über Gefangene, die von den Wachpersonal körperlich misshandelt wurden. Es ist jedoch ein Rückgang bei der Zahl der körperlichen Misshandlungen im Jahr 2015 im Vergleich zu 2014 festzustellen. Alle Berichte über körperliche Misshandlungen wurden von INDECOM untersucht (USDOS 13.4.2016).

Das Komitee des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte zeigt sich besorgt über die beklagenswerten Bedingungen in den staatlichen Gefängnissen und Haftanstalten. Weiters werden die fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Behandlung von Personen in Untersuchungshaft und für die räumliche Trennung von Personen in Untersuchungshaft und Verurteilten kritisiert. Das Komitee äußert sich auch besorgt bezüglich der Berichten über Folter und Misshandlung, aber auch wegen der exzessiven Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte bei Verhaftungen und in Polizeistationen. Laut dem Komitee sollte das Strafgesetz Folterhandlungen eindeutig verbieten und entsprechend der Schwere der Tat bestrafen. Außerdem wurde das Fehlen einer unabhängigen Beschwerdeinstanz zur Untersuchung und Ahndung von Fällen von Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung untersucht festgestellt (UNHRC 22.11.2016).

Quellen:

UNHRC – UN Human Rights Committee (22.11.2016): Concluding observations on the fourth periodic report of Jamaica, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481718264_g1626053.pdf, Zugriff 19.1.2017

USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Korruption

Korruption ist nach wie vor ein ernstes Problem in Jamaika. In den vergangenen Jahren wurden langjährige Beziehungen zwischen Abgeordneten und organisierter Kriminalität aufgedeckt. Abgeordnete bekamen von kriminellen Banden Wählerstimmen in bestimmten Bezirken al Gegenleistung für politischen Schutz (FH 28.1.2015).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Folgen für Korruption durch Beamte vor. Für die Korruptionsbekämpfung sind das Justizministerium und das Büro der Generalstaatsanwaltschaft zuständig. Die Regierung setzt diese Rechtsvorschriften jedoch nicht effektiv um, deshalb kommt es vor, dass Beamte in korrupte Praktiken verwickelt sind, ohne dass sie dafür bestraft werden. Der Staat ist jedoch weiterhin bemüht, Korruptionspraktiken durch Beamte zu verbieten und zu bestrafen und die Öffentlichkeit für die Korruption zu sensibilisieren. Die Generalstaatsanwaltschaft wird von den Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert, da die Korruptionsdelikte langsam und zögerlich bearbeitet und nicht entsprechend bestraft werden. Im September 2015 wurden von der zuständigen Behörde 10 Beamte im öffentlichen Sektor und 22 Polizisten wegen Korruption verhaftet und verurteilt. Im selben Zeitraum gab es in 27 Verurteilungen, 3 Freisprüche und 14 Entlassungen. Im Zeitraum von 2008 bis 2015 waren 159 Korruptionsfälle beim Gericht anhängig (USDOS 13.4.2016).

Jamaika liegt im 2015 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 69 (von 167) (je höher, desto schlechter). 2014 war das Land mit Bewertung 38 auf Platz 85 (von 174) (TI 2014 / TI 2015).

Quellen:

FH – Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/309935/447859_de.html, Zugriff 19.1.2017

TI – Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/cpi2015, Zugriff 19.1.2017

TI – Transparency International (2014): Corruption Perceptions Index, https://www.transparency.org/cpi2014/results, Zugriff 19.1.2017

USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen und andere internationale Organisationen sind in der Regel ohne Einschränkung tätig. Sie untersuchen Menschenrechtsfälle und veröffentlichen ihre Ergebnisse. Regierungsvertreter erweisen sich oft als kooperativ und reagieren auf die Anfragen der NGOs. Darüber hinaus arbeiten in Jamaika auch staatliche Menschenrechtsorgane. Das unabhängige Büro des Ombudsmanns bietet Hilfe bei Verletzung der Grundrechte der Bürger durch die Behörden. In diesem Fall werden Privatanwälte beauftragt, die Regierung im Auftrag der Bürger zu verklagen (USDOS 13.4.2016).

Staatliche Behörden, aber auch NGOs engagieren sich in sozialen Projekten in unterschiedlichen Lebensbereichen. Die Regierung bietet auch eine jährliche Subvention für bestimmte Programme an (UPR/UNHRC 27.4.2015).

Das Komitee des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte berichtet, dass NGOs für Menschenrechte aufgrund des Gesetzes über Wohltätigkeit bei der Registrierung mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Weiters wird über Fälle von Belästigung und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger berichtet (UNHRC 22.11.2016).

Quellen:

-        UNHRC – UN Human Rights Committee (22.11.2016): Concluding observations on the fourth periodic report of Jamaica, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481718264_g1626053.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        UN/UNHRC – Universal Periodic Review of the United Nations Human Rights Council (13.4.2016): National report – Jamaica, https://www.upr-info.org/sites/default/files/document/jamaica/session_22_-_may_2015/a_hrc_wg.6_22_jam_1_e.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Obwohl die Verfassung jede Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, nationaler Herkunft, politischer Gesinnung, Hautfarbe und Religion verbietet, gibt es weiterhin Benachteiligung aufgrund der politischen Zugehörigkeit in der Verteilung der knappen staatlichen Leistungen, wie Beschäftigung, besonders in armen Stadtteilen (USDOS 13.4.2016).

Das jamaikanische Justizsystem wird als das schwerwiegendste Menschenrechtsproblem im Land betrachtet. Es gilt als überbelastet, ungenügend ausgestattet und dysfunktional (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt es weiterhin zu exzessiver Polizeigewalt und außergerichtlichen Hinrichtungen. Jamaika weist gemessen an der Einwohnerzahl immer noch eine der höchsten Tötungsraten der Welt auf. Gewaltkriminalität ist auch ein Anlass zu großer Besorgnis (AI 24.2.2016). Weitere Probleme stellen die unzureichenden Zustände in den Gefängnissen und Haftanstalten, Gewalt gegen und sexueller Missbrauch von Kindern, sowie Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen und LGBTI-Personen dar (USDOS 13.4.2016).

Im Mai 2015 wurde die Menschenrechtslage in Jamaika im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet. Jamaika akzeptierte 23 der 177 Empfehlungen. Die Regierung unternahm erste Schritte zur Einrichtung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution (AI 24.2.2016).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/2016 – Jamaika, http://www.ecoi.net/local_link/319830/466635_de.html, Zugriff 19.1.2017

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Haftbedingungen

Das Komitee des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte zeigt sich besorgt über die Bedingungen in den staatlichen Gefängnissen und Haftanstalten, wie Überbelegung, schlechte sanitäre Bedingungen in baufälligen Gebäuden, mangelnde medizinische Versorgung (UNHRC 22.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Die meisten Häftlinge waren in Hochsicherheitsgefängnissen, aber im Laufe des Jahres 2015 wurden 700 Personen in Gefängnisse der mittleren und niedrigen Sicherheitsstufe überstellt (USDOS 13.4.2016). Außerdem begann die Regierung mit dem Bau eines neuen Zellenblocks für 304 Insassen im Tamarind Farm Correctional Center, um die Kapazitäten zu erweitern und so bessere Bedingungen für die Gefangenen zu schaffen (USDOS 13.4.2016; vgl. JO 10.5.2016).

Die Bedingungen in Frauengefängnissen sind in der Regel besser, als in denen für Männer. Die Zellen in manchen Einrichtungen haben wenig natürliches Licht und unzureichendes künstliches Licht, die Sanitär- und Toilettenanlagen sind unterdurchschnittlich und die Belüftung ist schlecht. Im Hochsicherheitsgefängnis St. Catherine für Erwachsene wird in den Zellen von 16 bis 8 Uhr nur ein Eimer für die hygienischen Bedürfnisse zur Verfügung gestellt. Bettwanzen stellen ein Problem dar. Im Hunts Bay Lockup sind die Gefangenen in käfigartigen Strukturen untergebracht, die für Regen, Sonne und die neugierigen Blicke der Passanten offen sind. Die Zellen sind mit bis zu 10 Personen pro Zelle überfüllt und oft mit Urin und Müll verschmutzt. Häftlinge berichten, dass sie ihre Zellen zwei oder dreimal am Tag für 15 Minuten verlassen dürfen, um die Sanitär- und Toilettenanlagen zu benutzen und ihre Wasserflaschen aufzufüllen (USDOS 13.4.2016).

Die medizinische Versorgung ist begrenzt. Es stehen drei Ärzte und eine Krankenschwester Vollzeit, mehrere Ärzte Teilzeit und ein Zahnarzt zur Verfügung. Wenn es notwendig ist, kann ein Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen ermöglicht werden. Vier Teilzeit-Psychiater in 11 Einrichtungen behandeln 225 Insassen mit psychischen Krankheiten im ganzen Land. Die Häftlinge erhalten keine Zahnprothesen, aber die durch die fehlenden Zähne entstandenen speziellen Ernährungsbedürfnisse werden beachtet. Im Jahr 2015 waren für jeden Gefangenen 200 Jamaica Dollar vorgesehen, um drei Mahlzeiten pro Tag zur Verfügung stellen zu können. In den Gefängnissen werden jedoch die Ernährungseinschränkungen der Häftlinge oft ignoriert. Es ist allerdings erlaubt, dass Familienangehörige einmal pro Woche Lebensmittel mitbringen (USDOS 13.4.2016).

Das Gesetz verbietet es, Kinder in Gefängnissen für Erwachsene einzusperren und der Staat organisiert Gefangenentransporte, um sicherzustellen, dass Jugendliche und Erwachsene in getrennten Einrichtungen untergebracht werden (USDOS 13.4.2016). Trotzdem werden Kinder nach wie vor zusammen mit Erwachsenen in Polizeizellen festgehalten, in einigen Fällen mehrere Tage lang (AI o.D). Die rechtliche Interessensvertretung für Kinder (Office of the Children´s Advocate – OCA), beschäftigt sich mit Beschwerden bezüglich jugendlicher Straftäter. Minderjährige, die in einer Jugendvollzugsanstalt oder in Untersuchungshaft sitzen, können eine Beschwerde direkt bei OCA einlegen (USDOS 13.4.2016).

Es gibt keinen spezifischen Gefängnis-Ombudsmann. Offizielle Beschwerden und Untersuchungen sind selten. Unabhängige Behörden untersuchen glaubwürdige Berichte über unmenschliche Zustände. Generell erlaubt die Regierung privaten Gruppen, freiwilligen und religiösen Organisationen, örtlichen und internationalen Menschrechtsorganisationen und den Medien, die Gefangenen zu besuchen und die Haftbedingungen zu überwachen. Im Laufe des Jahres 2015 fanden derartige Besuche statt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (o.D.): Amnesty Report 2015 – Jamaika, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/jamaika, Zugriff 19.1.2017

-        JO – Jamaica Observer (10.5.2016): 300 more cells for Tamarind Farm Adult Correctional Centre, http://www.jamaicaobserver.com/news/300-more-cells-for-Tamarind-Farm-Adult-Correctional-Centre, Zugriff 19.1.2017

-        UNHRC – UN Human Rights Committee: Concluding observations on the fourth periodic report of Jamaica, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481718264_g1626053.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Todesstrafe

Jamaika hält an der Todesstrafe fest (AI o. D.). Das Land zögert die Todesstrafe abzuschaffen und eine formale Aussetzung von Hinrichtungen zu etablieren. INDECOM stellte im Jahr 2014 einen Rückgang der Zahl der Hinrichtungen im Vergleich zu 2013 fest (AI 28.11.2015).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (o.D.): Amnesty Report 2015 – Jamaika, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/jamaika, Zugriff 19.1.2017

-        AI – Amnesty International (28.11.2015): Menschenrechtsrat verabschiedet das Ergebnis der regelmäßigen Überprüfung von Jamaika, http://www.queeramnesty.de/laender/artikel/kategorie/jamaika/view/menschenrechtsrat-verabschiedet-das-ergebnis-der-regelmaessigen-ueberpruefung-upr-von-jamaika.html, Zugriff 19.1.2017

Relevante Bevölkerungsgruppen

Homosexuelle

Das Gesetz verbietet „grob unsittliches Verhalten“ (generell wird dies als irgendeine Art körperlicher Intimität interpretiert) zwischen gleichgeschlechtlichen Personen in der Öffentlichkeit und im Privaten. Dies kann mit bis zu 2 Jahren Haft bestraft werden. Das sog. Antibuggery law stellt einvernehmlichen Analverkehr für hetero- und homosexuelle Paare unter Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. Das Gesetz wurde im Laufe des Jahres 2015 aber nur in Fällen von sexueller Gewalt und Kindesmissbrauch angewendet, nicht jedoch um Homosexuelle zu verfolgen. Diskriminierung auf Basis der sexuellen Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder einer HIV-Erkrankung ist nicht gesetzlich verboten (USDOS 13.4.2016).

Homophobie ist in Jamaika weit verbreitet. Die NGO Jamaica Forum of Lesbians, All-Sexuals and Gays (J-Flag) berichtet, dass ca. 100 LGBTI-Personen im Jahr 2015 Diskriminierung, Belästigungen, und sonstige Formen von Missbrauch ausgesetzt waren. Darunter befinden sich 19 physische Angriffe, 34 Fälle von Beschimpfungen, 22 Fälle von Drohungen und Einschüchterung und 4 Angriffe durch Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Zwischen Januar und Juli 2015 gingen bei J-Flag 47 Berichte über Menschenrechtsverletzungen an LGBTI-Personen ein. Obdachlosigkeit und Vertreibung von LGBTI-Jugendlichen gaben weiterhin Anlass zur Besorgnis. Lesbische, bisexuelle und Transfrauen waren aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und ihres vermeintlich geschlechtsuntypischen Äußeren dem Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt. Junge Leute, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezwungen worden waren, ihr Zuhause zu verlassen, lebten weiterhin in der Kanalisation und in leerstehenden Gebäuden. Lokale NGOs unterstützten wohnungslose LGBTI-Jugendliche, während ihnen der Staat kaum Hilfe gewährte. Bis zur Jahresmitte 2015 hatte J-Flag insgesamt 329 LGBTI bei sozialen Schwierigkeiten und in Krisensituationen unterstützt. Die Organisation erhielt auch weiterhin Beratungsanfragen von jamaikanischen LGBTI, die beabsichtigten, in anderen Ländern Asyl zu suchen (AI 24.2.2016).

Dank J-Flag und anderer NGOs können LGBTI-Personen diese Themen in den Medien und öffentlichen Foren ansprechen und für ihre Menschenrechte eintreten. Außerdem zeigte eine Reihe hochrangiger politischer Führer ihre Unterstützung für die Wahrung der Menschenrechenrechte von LGBTI-Personen. J-Flag und das Gesundheitsministerium schulen zwischen 2014 und 2015 mehr als 200 Mitarbeiter, um sie für den Umgang mit LGBTI-Personen zu sensibilisieren. Obwohl der Staat über ein allgemeines Gesundheitsversorgungssystem verfügt, lassen sich die Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft hauptsächlich in den Kliniken des Jamaica AIDS Support for Life behandeln, da das Personal der staatlichen Krankenhäuser angeblich kein Verständnis für ihre Bedürfnisse hat und sich abweisend zeigt. Die Trainingsprogramme von J-Flag, die Öffentlichkeitsarbeit durch andere NGOs und internationale Spender und der erhöhte Fokus der Regierung auf das Problem des öffentlichen Gesundheitswesens bezüglich HIV/AIDS führten dazu, dass eine erhöhte Zahl der LGBTI-Personen die staatlichen Gesundheitseinrichtungen in Anspruch nahmen (USDOS 13.4.2016).

Es bleiben weiterhin gewalttätige und hasserfüllte Angriffe auf Menschen auf der Grundlage ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität oder ihres Geschlechtsausdrucks straflos, trotz der Behauptung von Jamaika, dass Maßnahmen getroffen worden sind, um alle Zwischenfälle und Gewalttaten, die auf Individuen wegen ihrer sexuellen Orientierung zielen, zu untersuchen und zu verfolgen (AI 28.11.2015; vgl. AI o.D.).

Ein großer Teil der Bevölkerung ist Homosexuellen gegenüber feindlich eingestellt. Es ist eine steigende Zahl gewalttätiger Übergriffe gegen Homosexuelle und Transsexuelle zu verzeichnen (AA 26.10.2016). Vereinzelt gibt es auch anekdotische Berichte von NGOs, demnach LGBT-Personen bei der Arbeitssuche oder nach der Erhaltung einer Beschäftigung diskriminiert werden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (26.10.2016): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_6E1FB0965BB3377643ED578B5F043075/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/JamaikaSicherheit_node.html, Zugriff 19.1.2017

-        AI – Amnesty International (o.D.): Amnesty Report 2015 – Jamaika, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/jamaika, Zugriff 19.1.2017

-        AI – Amnesty International (28.11.2015): Menschenrechtsrat verabschiedet das Ergebnis der regelmäßigen Überprüfung von Jamaika, http://www.queeramnesty.de/laender/artikel/kategorie/jamaika/view/menschenrechtsrat-verabschiedet-das-ergebnis-der-regelmaessigen-ueberpruefung-upr-von-jamaika.html, Zugriff 19.1.2017

-        AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/2016 – Jamaika, http://www.ecoi.net/local_link/319830/466635_de.html, Zugriff 19.1.2017

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung garantiert Bewegungs- und Reisefreiheit im Inneren wie nach außen, und ermöglicht eine Emigration, aber auch eine Rückkehr. Diese Rechte werden im Allgemein von der Regierung respektiert (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Grundversorgung und Wirtschaft

In den letzten Jahren konnten die jamaikanischen Regierungen, vor allem mit Hilfe internationaler Finanzinstitutionen den Teufelskreis aus hoher Verschuldung und geringem Wirtschaftswachstum durchbrechen. Die Inflation lag im Kalenderjahr 2015 bei durchschnittlich 5,3% (im Sommer 2016 bei 2,4%). Die Arbeitslosigkeit ist von 14,2% auf 13,2% (Vergleichszahlen für Oktober 2014 und April 2016) gefallen, die Jugendarbeitslosigkeit ist jedoch mit 28,2% (Juli 2015) hoch. In Jamaika gibt es kein Arbeitslosengeld, aber gewisse Sozialleistungen können im Falle der Arbeitslosigkeit beansprucht werden (USDOS 5.7.2016). Der Tourismus ist um 4% gewachsen und die Verschuldung konnte etwas abgebaut werden. Im Jahr 2015 wuchs die Wirtschaft um 1,1%. Damit hält die leichte Aufwärtsbewegung, die in der zweiten Hälfte 2013 einsetzte, an. Jamaika nimmt im Human Development Index (HDI) mit einem Wert von 0,719 die Position 99 von 188 bewerteten Ländern ein (HDR 2015). Sozial abfedernd wirken die Überweisungen der Auslandsjamaikaner (vor allem aus USA, Großbritannien und Kanada). Die wirtschaftliche Stagnation der vergangenen Jahrzehnte hatte zur Auswanderung vieler gut ausgebildeter Jamaikaner geführt. Ihre jährlichen Überweisungen an die Familien zu Hause lagen 2015 bei über 2 Milliarden US-Dollar (AA 9.2016c).

Trotz der positiven Entwicklungen ist das Land nach wie vor mit ernsten sozialen Problemen wie hoher Kriminalität, Gewalt und Arbeitslosigkeit konfrontiert, die vor allem Jugendliche betreffen (WB 20.9.2016).

Das soziale Sicherheitsnetz ist rudimentär und deckt lediglich eine begrenzte Anzahl von Begünstigungen. Eine im November 2013 durchgeführte Überprüfung des sozialen Sicherheitsnetzes durch das Programm für den Aufstieg durch Gesundheit und Bildung (Advancement through Health and Education – PATH) berichtet, dass 400.000 Jamaikaner Sozialhilfe erhielten (BTI 2016). Dabei handelt es sich um eine finanzielle Unterstützung für sehr Bedürftige und vulnerable Personen (MLSS o.D.). Außerdem bietet das PATH im Rahmen der Reaktion der Regierung auf die erhöhte Armut Barüberweisungen mit einem erhöhten Beihilfebetrag an Familien an. Weiters bestätigte die Regierung, ihren Verpflichtungen für den sozialen Schutz nachzukommen und das im Rahmen des Abkommens mit dem Internationalen Währungsfond vereinbarte Budget für Sozialschutzmaßnahmen einzuhalten. Dies ermöglicht verschiedene Initiativen besonders in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Wohltätigkeit für bedürftige Gesellschaftsgruppen. Dank finanzieller Unterstützung von internationalen Entwicklungspartnern werden vom Jamaica Social Investment Fund (JSIF) komplementäre Programme im Rahmen der Armutsbekämpfung mit Schwerpunkt Bildung und Ausbildung durchgeführt. Diese Organisation bietet zwar keine direkten finanziellen Unterstützungen an, versucht jedoch mit ihrem Angebot die sozialen Risiken und die mangelnde soziale Unterstützung des Staates zu kompensieren (BTI 2016).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (9.2016c): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jamaika/Wirtschaft_node.html, Zugriff 19.1.2017

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2016): Jamaica Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Jamaica.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        MLSS – Ministry of Labour and Social Security (o.D.): PATH, http://www.mlss.gov.jm/pub/index.php?artid=23, Zugriff 19.1.2017

-        WB – World Bank (20.9.2016): Jamaica, http://www.worldbank.org/en/country/jamaica/overview, Zugriff 19.1.2017

-        USDOS – US Department of State (5.7.2016): Investment Climate Statements for 2016 – Jamaica, http://www.ecoi.net/local_link/332563/473989_de.html, Zugriff 19.1.2017

Medizinische Versorgung

Die Kosten von Korruption und Gewalt bedeuten eine Belastung auf das Gesundheitswesen. Die daraus resultierenden Probleme erschweren in erster Linie den Zugang der armen Bevölkerung zu medizinischer Grundversorgung, auf die die schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen besonders angewiesen sind (BTI 2016).

Das System der öffentlichen Gesundheitsdienste besteht aus primären, sekundären und tertiären Gesundheitseinrichtungen. Die Primärversorgung umfasst 317 Gesundheitszentren mit unterschiedlichem Serviceniveau (I-V) landesweit und von hier werden die Patienten in die sekundären und tertiären Einrichtungen weiter verwiesen. Auf sekundärer Ebene gibt es 25 Krankenhäuser mit einer Klassifizierung von A, B und C. Zwei davon werden im Rahmen des privaten Gesundheitssektors betrieben. Die Krankenhäuser der Kategorie A bieten sowohl eine sekundäre als auch eine tertiäre medizinische Versorgung an. Die Einrichtungen der Kategorie B befinden sich in den Stadtzentren und sie stellen stationäre und ambulante Dienste (Allgemeinchirurgie, Allgemeinmedizin, Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Kindermedizin und Anästhesie), Röntgen und Laborleistung zur Verfügung. Zur Kategorie C gehören die Krankenhäuser in den Verwaltungsbezirken, in denen stationäre und ambulante Basisleistungen (Allgemeinmedizin, Chirurgie, Wochenbett- und Kinderpflege), grundlegende Röntgen und Laborleistungen angeboten werden. In vielen dieser Krankenhäuser ist ein Facharzt für Chirurgie anwesend, um chirurgische Behandlungen im Notfall sicherstellen zu können. In den drei sogenannten Health Departments der tertiären Einrichtungen werden Operationen durchgeführt (MOH 22.12.2014; vgl. SERHA o.D.a, b, c).

Infrastrukturelle Probleme stellen weiterhin eines der dringendsten Anliegens in Jamaika dar und das zeigt sich besonders in der Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsinstitutionen. Jeder Verwaltungsbezirk verfügt über ein kleines Krankenhaus, aber eine umfassende Notfallversorgung ist nur in Kingston, Montego Bay und Ocho Rios möglich. Die meisten Krankenhäuser und Kliniken sind öffentliche Einrichtungen, deren Dienste für alle Bürger und Einwohner kostenlos angeboten werden. Sie werden allerdings häufig als unzuverlässig beschrieben und sind überbelegt. Die Gründe dafür sind die niedrige Finanzierung durch die Regierung und der Mangel an qualifiziertem Personal aufgrund der Abwanderung von Arbeitskräften. Private Gesundheitseinrichtungen bieten hingegen einen höheren Standard und eine bessere Versorgung; diese Leistungen sind jedoch mit Kosten verbunden. Die meisten Einheimischen sind allerdings nicht in der Lage, sich eine private Krankenversicherung leisten oder die Behandlungskosten selber tragen zu können (IN o.D.).

Quellen:

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2016): Jamaica Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Jamaica.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        IN – Inter Nations (o.D.): Healthcare in Jamaica, https://www.internations.org/jamaica-expats/guide/living-in-jamaica-15737/healthcare-in-jamaica-3, Zugriff 19.1.2017

-        MOH – Ministry of Health (22.12.2014): Strategic Business Plan, http://moh.gov.jm/wp-content/uploads/2015/07/Ministry-of-Healths-Strategic-Business-Plan-2015-2018.pdf, Zugriff 19.1.2017

-        SERHA – South East Regional Health Authority (o.D.a): Health Departments, http://www.serha.gov.jm/healthdepartments/, Zugriff 19.1.2017

-        SERHA – South East Regional Health Authority (o.D.b): Hospitals, http://www.serha.gov.jm/hospitals/, Zugriff 19.1.2017

-        SERHA – South East Regional Health Authority (o.D.c): Health centers, http://www.serha.gov.jm/healthcenters/, Zugriff 19.1.2017

Rückkehr

Die Verfassung garantiert Bewegungs- und Reisefreiheit im Inneren wie nach außen, und ermöglicht Emigration, aber auch Rückkehr. Diese Rechte werden im Allgemein von der Regierung respektiert. Der Staat arbeitet mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM), mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), mit dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und mit anderen humanitären Organisationen zusammen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-        USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country report on human rights practices 2015 – Jamaica, https://www.ecoi.net/local_link/322589/462065_de.html, Zugriff 19.1.2017

Aus der ACCORD Anfragebeantwortung zu Jamaika: „Lage von Männern mit homosexueller Orientierung“ vom 24.02.2021 ergibt sich (auszugsweise)

Gesetzliche Bestimmungen

Amnesty International (AI) schreibt sowohl in seinem Jahresbericht vom Februar 2020 (Berichtszeitraum 2019) als auch in einer Eingabe für die allgemeine regelmäßige Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) Jamaikas durch die UNO vom November 2020, dass Jamaika kein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz habe und weiterhin gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiere (AI, 27. Februar 2020; AI, November 2020, S. 6). Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage im März 2020 ebenfalls, dass es keine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung gebe. Das Gesetz erstrecke den Antidiskriminierungsschutz nicht auf LGBTI-Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und Analverkehr zwischen Männern würden durch das Gesetz kriminalisiert. Körperliche Intimität zwischen Männern, in der Öffentlichkeit oder privat, werde mit zwei Jahren Gefängnis bestraft, und Analverkehr zwischen Männern werde mit bis zu 10 Jahren Zwangsarbeit geahndet (USDOS, 11. März 2020, Section 6).

Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) schreibt in ihrem globalen Überblick zur rechtlichen Lage vom Dezember 2020, dass die rechtlichen Bestimmungen in Jamaika zuletzt 2009 abgeändert worden seien. Abschnitt 76 des Gesetzes über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 (Offences Against the Person Act, 1864) lege fest, dass das „abscheuliche Verbrechen der Unzucht“ mit Menschen oder mit einem Tier mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren und harter Arbeit bedroht sei. Der Versuch werde nach § 77 mit Freiheitsstrafe bis zu sieben Jahren mit oder ohne Zwangsarbeit bestraft. Artikel 79 kriminalisiere „grobe Unanständigkeit“ mit einer anderen männlichen Person, in der Öffentlichkeit oder privat, und sehe eine Strafe von bis zu zwei Jahren Gefängnis mit oder ohne Zwangsarbeit vor. Im Jahr 2009 habe Jamaika ein neues Gesetz über sexuelle Straftaten eingeführt (Sexual Offences Act (2009), das die Regeln für das Register für sexuelle Straftäter in den Abschnitten 29 bis 35 festlege (in Kraft seit Oktober 2011). Nach diesem Gesetz müsse jeder, der wegen einer „spezifizierten Straftat“ verurteilt wurde, als „Sexualstraftäter“ registriert werden und bestimmte Verpflichtungen einhalten. Die Artikel 76, 77 und 79 des Offences Against the Person Act würden unter die Kategorie der „spezifizierten Straftaten“ gemäß Artikel 2 des ersten Anhangs des Gesetzes fallen. (ILGA, Dezember 2020, S. 128)

In einer Gesetzesanalyse der jamaikanischen Nichtregierungsorganisation J-FLAG aus dem Jahr 2017 wird festgehalten, dass die Abschnitte 76, 77 und 79 des Gesetzes über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 zusammengenommen ein starkes Verbot gegen sexuelle Handlungen zwischen Männern darstelle. Abschnitt 79 kriminalisiere Handlungen der „groben Unanständigkeit“, die von einem Mann mit einem anderen Mann ausgeführt werden. Der Begriff „grobe Unanständigkeit“ sei jedoch so weit gefasst, dass jede sexuelle und/oder intime Handlung zwischen zwei Männern, die von einem Polizeibeamten oder Richter als „grob unanständig“ eingestuft werde, zu einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren mit oder ohne Zwangsarbeit führen könne. Das gelte für Küssen, Händchenhalten und andere intime Handlungen. Ein Mann mache sich strafbar, wenn er an den Handlungen „grober Unanständigkeit“ beteiligt sei und/oder einen anderen Mann zu Handlungen „grober Unanständigkeit“ veranlasse oder zu veranlassen versuche (J-FLAG, 2017a, S. 4-5).

In einer weiteren Publikation von J-FLAG aus dem Jahr 2017 wird angemerkt, dass das Gesetz über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 im größeren Rahmen sehr inklusiv sei und LGBT-Personen Rückhalt bieten könne, da es Vergehen wie Körperverletzung, das Versenden von Morddrohungen, Schießen mit der Absicht zu schaden, sowie das Betäuben von Personen mit der Absicht, andere Straftaten wie Vergewaltigung zu begehen, kriminalisiere. Trotz mehrerer Gesetzesänderungen und Aufhebungen bestimmter Bestimmungen bleibe jedoch immer noch das Problem der Bestimmungen zur „Unzucht“ [Abschnitt 76, „abscheuliche Verbrechen der Unzucht“], die schwule Männer mehr betreffe als heterosexuelle Personen. Es sei wichtig anzumerken, dass diese Bestimmung innerhalb des Gesetzes nicht ausschließlich auf schwule und bisexuelle Männer abziele. Abschnitt 80 des Gesetzes ermächtige aber Polizeibeamte, Personen, die sie zwischen 7 Uhr abends und 6 Uhr morgens antreffen, bei begründetem Verdacht auf eine Straftat ohne Haftbefehl festzunehmen. Es gebe auch die gewohnheitsrechtliche Befugnis zur Verhaftung bei begründetem Verdacht. Schwule, bisexuelle und andere geschlechtsuntypische Männer seien einem größeren Risiko aussetzt, bei Verdacht auf „Unzucht“ verhaftet zu werden. Der Abschnitt sei in seiner Wirkung diskriminierend, da schwule und bisexuelle Männer, die im Allgemeinen einvernehmlichen Analverkehr haben, unverhältnismäßig stark von dem Gesetz betroffen sind (J-FLAG, 2017b, S. 22-23).

Die in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation Freedom House schreibt in ihrem Jahresbericht vom März 2020, dass die Ungleichbehandlung von LGBT-Personen nach wie vor üblich sei, aber in den letzten Jahren Fortschritte erzielt worden seien. Im Jahr 2014 habe die Regierung dem Gesetz über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 eine Bestimmung hinzugefügt, die die Produktion, Aufnahme oder Verbreitung von Audio- oder visuellem Material zur Förderung von Gewalt gegen jegliche Kategorie von Personen, einschließlich LGBT-Personen, kriminalisiere. Die Gesetzgebung gegen „Unzucht“, die mit 10 Jahren Gefängnis und Schwerstarbeit bestraft werde, sei außerdem im Jahr 2013 vor Gericht angefochten worden. Der Kläger habe seine Klage, nachdem er Morddrohungen erhalten habe, 2014 zurückgezogen. Sein Anwalt, Maurice Tomlinson, habe 2015 eine neue Klage eingereicht; im November 2019 habe Tomlinson vor der Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Inter-American Commission on Human Rights, IACHR) ausgesagt, dass die Regierung wiederholt versucht habe, die Behandlung der Klagezu verzögern (Freedom House, 4. März 2020, F4).

Im Februar 2021 berichtet Human Rights Watch (HRW) zu einem Urteil in einem weiteren Fall vor der Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Inter-American Commission on Human Rights, IACHR). Das kürzlich von der IACHR veröffentliche Urteil fordere die Regierung Jamaikas zur Aufhebung von Gesetzen auf, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen verbieten. Die IACHR habe außerdem festgestellt, dass diskriminierende Gesetze zu Gewalt durch die Bevölkerung beitragen – dies sei bei dem Mordversuch an der Klägerin Simone Edwards und bei den Morddrohungen gegen den Kläger Gareth Henry der Fall gewesen (HRW, 17. Februar 2021). Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet ebenfalls zur Veröffentlichung des Urteils der IACHR. Demnach solle die jamaikanische Regierung das Verbot homosexuellem Geschlechtsverkehr aufheben. Es handle sich dabei um ein wegweisendes Urteil für LGBT-Rechte in der Karibik. Der Fall sei von einem Jamaikaner und einer Jamaikanerin, die nach Angriffen von homophoben Banden im Ausland Asyl gesucht hätten, im Jahr 2011 eingeleitet worden. Laut den beiden klagenden Parteien würde das Verbot des „abscheulichen Verbrechens der Unzucht“ und der „groben Unanständigkeit“ aus dem Jahr 1864 Gewalt gegen LGBT-Personen legitimieren. Der Kläger Gareth Henry habe beschrieben, wie er von der Polizei vor einem Mob verprügelt worden sei. Er habe angegeben, dass schwule und lesbische Personen weiterhin aufgrund ihrer Andersartigkeit getötet und gefoltert würden (Reuters, 18. Februar 2021).

(….)

Strafrechtliche Verfolgung und Behandlung durch staatliche Akteure

In seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage im März 2020 (Beobachtungszeitraum 2019) schreibt das USDOS, dass einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Männern im Berichtszeitraum nicht strafrechtlich verfolgt worden seien. Die Regierung würde die Gesetzgebung zur Kriminalisierung von Analverkehr und „Unzucht“ nur bei Fällen von sexueller Nötigung und Kindesmissbrauch anwenden (USDOS, 11. März 2020, Section 6). J-FLAG beschreibt in seinem Bericht aus dem Jahr 2017 ebenfalls, dass sich Strafverfolgungen, die sich auf Abschnitt 76 des Gesetzes über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 stützen, in den meisten Fällen mit dem Missbrauch von Minderjährigen befassen würden und dass selbst diese Fälle zahlenmäßig gering seien. Es bestehe jedoch immer noch die Möglichkeit, dass einwilligende Erwachsene strafrechtlich verfolgt werden. Abschnitt 79 sei eindeutig homophob, da er Intimität zwischen Männern im Allgemeinen kriminalisiere und sich eindeutig auf private Handlungen beziehe. Dieser Paragraph diene als Auffangtatbestand zur Ermöglichung einer Verurteilung, wenn „Unzucht“ nicht nachgewiesen werden könne (J-FLAG, 2017b, S. 24).

In einem weiteren Bericht aus dem Jahr 2017 fasst J-FLAG Statistiken zur Strafverfolgung unter Abschnitt 76 des Gesetzes über Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1864 in den Jahren 2011 bis 2015 zusammen. Die Strafverfolgungsquote sei sehr gering und die Statistik zeige, dass von der Kriminalisierung des Analverkehrs nicht in erster Linie einwilligungsfähige erwachsene Männer betroffen seien. Betroffen seien stattdessen vorwiegend erwachsene Frauen und Kinder, die Opfer einer nicht einvernehmlichen analen Penetration gewesen seien. 354 Fälle seien im Zeitraum von 2011 bis 2015 angezeigt worden. Davon habe es sich in nur 27 Fällen (7,62 Prozent) um einen Vorfall zwischen zwei erwachsenen Männern gehandelt. 82 Fälle seien strafrechtlich verfolgt worden, davon habe es sich in nur sieben Fällen (8,54 Prozent) um einen Vorfall zwischen zwei erwachsenen Männern gehandelt und bei den 43 Verurteilungen habe es sich in nur zwei Fällen (4,65 Prozent) um einen Vorfall zwischen zwei erwachsenen Männern gehandelt. Da „Unzucht“ unabhängig vom Einvernehmen ein Verbrechen sei, würden die Daten nicht wiedergeben, ob es sich bei den Fällen zwischen Erwachsenen um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt habe. Die Landkreise Trelawny and St. James seien außerdem nicht in der Statistik verzeichnet (J-FLAG, 2017a, S. 4-7).

Die Bertelsmann Stiftung schreibt in ihrem BTI-Länderbericht 2020 (Berichtszeitraum: 1. Februar 2017 bis 31. Jänner 2019), dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung der Hauptgrund sei, warum LGBT-Personen Angst hätten Vorfälle von Übergriffen zu melden, da sie sich vor weiteren Misshandlungen durch Polizeibeamten in Polizeigewahrsam fürchten würden (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 11). In einem etwas älteren, jedoch auch von neueren Quellen häufig zitierten umfassenden Bericht von HRW aus dem Jahr 2014, bei dem im Rahmen einer fünfwöchigen Recherche vor Ort 71 LGBTPersonen sowie Staatsbedienstete und andere Stakeholder interviewt worden seien, wird auf die Rolle von Polizisten als Täter eingegangen. In manchen Fällen würden LGBT-Personen auch direkt von der Polizei schikaniert. Fälle von Polizeigewalt gegen LGBT-Personen scheinen in den Jahren 2004 bis 2014 zurückgegangen zu sein, aber selbst das Fortbestehen einzelner Fälle sei sehr besorgniserregend gewesen. Der Bericht beschreibt weiters Beschimpfungen, körperlichen und sexuellen Missbrauch und Erpressung:

In mehreren Fällen habe die Polizei Sympathie für Angreifer gezeigt, deren homophobe Überzeugungen unterstützt und Opfer, die sich an sie um Hilfe gewandt hätten, weiter beschimpft.

Der Bericht beschreibt auch konkrete Vorfälle von körperlicher Misshandlung durch die Polizei. Der jüngste im Bericht beschriebene Vorfall ist aus dem Jahr 2013. Devon O. habe HRW erzählt, dass die Polizei ihn im Jänner 2013, nachdem eine große Menschenmenge ihn geschlagen habe, in Handschellen gelegt und ihn im Polizeiauto und auf der Polizeistation körperlich angriffen habe.

In einer kleinen Anzahl von Fällen hätten Opfer sexuellen Missbrauch durch die Polizei beschrieben.

HRW habe fünf LGBT-Personen interviewt, die von der Polizei erpresst worden seien. Allen sei mit Verhaftung gedroht worden. Sie seien zur Zahlung einer beträchtlichen Summe aufgefordert worden, um einer Inhaftierung oder einem Outing vor Medien, Freunden, der Familie oder der breiteren Gemeinschaft zu entgehen.

Die Tatsache, dass die Polizei manchmal selbst Täter sei, mache es für LGBT-Opfer noch unwahrscheinlicher, polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (HRW, 21. Oktober 2014).

In einem Bericht von 2017 fasst J-FLAG mutmaßliche Menschrechtsverletzungen zusammen, die im Zeitraum von Jänner 2011 bis Jänner 2017 an ihre Einrichtung zur Krisenintervention und Unterstützung von LGBTI-Personen (JFLAG Crisis Intervention and Support Services Unit, CISSU) gemeldet wurden. Zwischen Jänner 2011 und Jänner 2017 habe die CISSU folgende Meldungen zu Misshandlung durch die Polizei erhalten: Einen Bericht zu sexuellen Übergriffen, sechs Berichte zu verbalen Belästigungen und Drohungen, zehn Berichte zu körperlichen Misshandlungen, fünf Berichte zu Untätigkeit bei Anzeige eines Verbrechens, drei Berichte zu polizeilicher Erpressung mit der Drohung, die Opfer wegen „Unzucht“ anzuklagen, und einen Bericht dazu, dass jemand verhaftet worden sei, weil er mit seinem gleichgeschlechtlichen Partner im Auto g

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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