TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/25 W112 2215724-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2021
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Entscheidungsdatum

25.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W112 2215724-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG iVm §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, 55 FPG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste mit einem XXXX Visum am XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.12.2016 gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihrer Reiseroute und zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie ihre Heimat am 22.11.2016 legal per Flugzeug von XXXX über XXXX nach XXXX verlassen habe und von dort per Anschlussflug weiter nach Österreich gereist sei. Sie besitze einen russischen Reisepass, der sich aber vermutlich irgendwo in der Wohnung ihres Mannes in XXXX befinde. Eine CVIS-Anfrage des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass die Beschwerdeführerin im Besitz eines vom XXXX bis zum XXXX gültigen, XXXX Visums war. In XXXX habe sie sich aber nicht wirklich aufgehalten, weil sie vor dem Anschlussflug nach WIEN nur einige Stunden am Flughafen von XXXX verbracht habe. Sie wolle mit ihrem Mann, der seit 11 Jahren in Österreich lebe und bereits österreichischer Staatsbürger sei, zusammenleben. Die Beschwerdeführerin sei mit ihm nach islamischen Recht seit XXXX verheiratet, sie wolle auch standesamtlich heiraten und somit eine Familienzusammenführung beantragen.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) führte am 02.01.2017 im Rahmen des Dublin-Verfahrens Konsultationen mit XXXX durch. Die Beschwerdeführerin wurde am 31.03.2017 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie zusammengefasst an, dass sie seit einem Monat Kenntnis von einer XXXX habe und deshalb XXXX Medikamente bekomme. Es gehe ihr auch psychisch zunehmend schlechter, sie könne nicht essen und schlafen und habe inzwischen XXXX abgenommen. Hinsichtlich ihrer familiären Verhältnisse führte sie aus, dass sie in Österreich mit ihrem Ehemann zusammenlebe, der seit ca. 13 Jahre hier aufhältig und österreichischer Staatsbürger sei. Sie habe ihren Ehemann im XXXX übers Internet kennengelernt und sie seien seit XXXX standesamtlich verheiratet.

Außerdem gab die Beschwerdeführerin an, dass sie die Fragen in der Erstbefragung bezüglich ihres Fluchtgrundes nicht richtig verstanden und deswegen falsche Angaben gemacht habe. Sie wolle nicht nach XXXX . Der Grund warum sie von Zuhause weggelaufen sei, sei, dass sie zwangsverheiratet hätte werden sollen. Die Beschwerdeführer brachte ein Konvolut an identitäts- und integrationsbezeugenden sowie medizinischen Unterlagen in Vorlage.

1.4. Am 20.04.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Zulassungsverfahren untersucht, die gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen vom 27.04.2017 wurde infolge Nachreichung von Befunden durch die Beschwerdeführerin am 16.05.2017 korrigiert und ergänzt. Die Gutachterin stellte fest, dass die Beschwerdeführerin entweder unter einer XXXX oder an einer XXXX sowie unter XXXX unklarer Genese litt, eine akute vitale Gefährdung konnte nicht festgestellt werden.

1.5. Mit Bescheid vom XXXX 2017 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wegen der Zuständigkeit XXXX zur Verfahrensführung als unzulässig zurück, ordnete die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach XXXX zulässig war.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig mit Schriftsatz vom XXXX Beschwerde und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom XXXX erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu. Mit Beschluss vom XXXX gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und behob den bekämpften Bescheid.

1.6. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX vom Bundesamt neuerlich niederschriftlich einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab dabei an, dass sie ihren Reisepass verloren habe, als sie von der Eheschließung vom Standesamt in Österreich zurückgefahren sei. Sie sei seit XXXX verheiratet und habe ein Kind. Sie sei im XXXX mit dem Flugzeug von GROSNY über XXXX , XXXX und WIEN nach ÖSTERREICH eingereist. Ihren Mann habe sie im XXXX über das Internet kennengelernt, über eine Seite für Schulkameraden und ihr Mann sei auf sie aufmerksam geworden und habe sie angeschrieben. Sie haben auch Videokontakt gehabt und Fotos voneinander gesehen. Später habe sie einen anderen Mann heiraten sollen und deswegen habe sie mit ihrem Ehemann den Plan ihrer Flucht aus Tschetschenien gefasst. Er habe ihr über das Internet bereits einen Heiratsantrag gemacht und sie habe dann ein XXXX Visum beantragt, weil das leichter zu erhalten gewesen sei; am Flughafen in WIEN habe sie ihren Mann dann erstmals persönlich gesehen. Ihre Eltern und ihre jüngere Schwester sowie weitere Familienangehörigen der Beschwerdeführerin seien in GROSNY aufhältig; mit ihrer Schwester habe sie über WhatsApp ein- bis zweimal die Woche Kontakt. Die Beschwerdeführerin habe XXXX Jahre die Schule besucht und danach eine XXXX Ausbildung zur XXXX absolviert. Mit etwa XXXX Jahren habe sie zu arbeiten begonnen. Zu ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt, gab sie auszugsweise Folgendes an:

„[…]

A: Es ist sehr schwer, mich daran zu erinnern, warum ich geflüchtet bin. Natürlich möchte ich hier mit meiner Familie bleiben. Anmerkung: AW beginnt zu weinen.

In unseren Familien entscheiden immer die Männer über das Schicksal der Frauen. Mein Onkel, der ältere Bruder meines Vaters, hat für mich entschieden, dass ich seinen Freund, der viel älter als ich war, heiraten sollte. Im JUNI oder JULI 2016, damals hatten wir das moslemische Fest URAZA, die muslimische Fastenzeit, da war ich bei meinem Onkel, er heißt XXXX , er ist etwa 70 Jahre alt, und da hat mich sein Freund gesehen.

F: Wie heißt der Freund?

A: Ich habe ihn nur einmal im Leben gesehen und kann mich nicht an seinen Namen erinnern.

F: Warum waren Sie beim Onkel?

A: Es war anlässlich von URAZA, ich war mit meiner Familie dort.

F: Wie ging es weiter?

A: Wir waren da zu Gast, da isst man nichts, wir waren da um sie zu besuchen. Nach zwei, drei Tagen, hat mein Onkel meinen Vater angerufen und er hat gemeint, dass ich diesem Freund von ihm gefallen habe und dass er mich will heiraten wolle. Der Vater hat zugestimmt. Dieser Mann hatte einen hohen sozialen Status und Geld. Er war verheiratet und ich sollte seine dritte Frau werden und ich wollte das nicht.

F: Es gab kein Gespräch mit Ihnen oder zwischen Ihren Eltern?

A: Mama war dagegen, sie hatte nichts zu sagen, mein Vater hat zugestimmt.

F: Mit Ihnen ist gesprochen worden?

A: Nein. Mir wurde nur gesagt wie entschieden worden ist.

F: Was konkret wurde Ihnen gesagt?

A: Mir wurde gesagt, dass mein Onkel einen Bekannten hat, mit Geld und hohem sozialen Status, ich würde alles haben, auch eine Unterkunft und dass ich ihm gefallen habe und er mich heiraten will.

F: Von dem Mann mit Geld und hohen Status wissen Sie keinen Namen, das ist nicht nachvollziehbar. Was sagen Sie dazu?

A: Seinen Namen kenne ich nicht, weil er für mich bedeutungslos war, ganz uninteressant. Mir wurde nur gesagt, dass ich schon versprochen war und dass es keinen Weg zurückgäbe, weil es sonst Probleme geben würde. Von diesem Mann weiß ich nur, dass er aus dem Dorf meines Onkels stammt.

F: Wann war das nun wieder?

A: Im JUNI oder JULI.

F: Was hätte dann weiter passieren sollen?

A: Wenn ich nein sagen würde?

F: Nein, schildern Sie den normalen Ablauf, was würde passieren, wenn eine Heirat stattfinden würde?

A: Der zukünftige Mann hat uns die Frist bis DEZEMBER gegeben um die Mitgift zusammenzubekommen.

F: Sie brauchen eine Mitgift?

A: Ja.

F: Es will Sie wer heiraten und der verlangt eine Mitgift?

A: Es beinhaltet Bekleidung, Goldschmuck, Taschen usw.

F: Er setzt auch den Termin der Hochzeit fest?

A: Wenn wir es bis DEZEMBER schaffen würden die Mitgift zusammenzubekommen, würde er mich heiraten. Laut unseren Traditionen muss eine Frau etwas in die Ehe mitbringen, danach muss der Mann sie ernähren und kleiden.

F: Hochzeitstermin gab es also nicht, bzw. was wäre passiert, wenn sie die Mitgift nicht zusammenbekommen würden?

A: Falls die Mitgift bis DEZEMBER zusammen wäre, hätte die Hochzeit Ende DEZEMBER erfolgen sollen, falls nicht, dann würde er den Termin verschieben.

F: Es ist dann recht egal, wann man die Mitgift zusammen hat, oder?

A: Es ist schon wichtig für eine Frau, wenn Sie heiraten will.

F: Aber Sie wollen ja nicht oder?

A: Ich nicht, mein Vater und mein Onkel schon.

F: Was hat sich dann weiter zugetragen, wir sind im JUNI oder JULI 2016?

A: Während sie gedacht haben, dass ich die Mitgift sammle, habe ich mit den Visaangelegenheiten beschäftigt, weil mein jetziger Mann mir einen Heiratsantrag gemacht hat.

F: Wann war der Heiratsantrag?

A: Im XXXX . Ich habe ihm zuvor schon über meine Probleme erzählt und er hat mich im AUGUST gefragt, ob ich seine Frau werden wolle.

F: Was bedeutet Mitgift sammeln. Sie haben nicht gearbeitet, was haben Sie da getan?

A: Dafür sollten meine Ersparnisse und die meiner Eltern verwendet werden.

F: Wie waren die Hochzeitsvorbereitungen?

A: Das übliche, das Einkaufen mit der Schwester und mit der Tante. Auff.: Machen Sie bitte konkrete Angaben.

Ich war nicht besonders in der Stimmung, weil ich diese Hochzeit nicht gewünscht habe. Ich habe natürlich meine Tante begleitet und alles was für sie in Frage kam anprobiert. Die Sachen haben mir überhaupt nicht gefallen. Die Tanten haben dann die Sachen gekauft.

F: Sonst noch etwas?

A: Das war es.

F: Wurden sie persönlich konkret bedroht, wenn ja von wem?

A: Ich persönlich nicht. Meine Eltern wurden schon bedroht, mein Onkel hat gesagt, er habe schon sein Wort gegeben, falls die Hochzeit nicht stattfinden würde, würde meine Familie Probleme bekommen. Und es ist auch in der Tat so passiert. Nachdem ich mein Heimatland verlassen habe, habe ich meine Familie blamiert. Mein Onkel hat den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen.

F: Warum erfolgte die Drohung, Ihr Vater war ja einverstanden?

A: Es war meinem Onkel bekannt, dass ich das nicht wollte. Darum die Drohung. Nachdem ich meine Heimat verlassen hatte, meinte mein Onkel, falls ich zurückkehren würde, würde er mich töten, weil ich ihn und die ganze Familie blamiert hätte.

F: Wem haben Sie alles erzählt, dass Sie nicht heiraten wollten?

A: Das habe ich meinen „Schwestern“ erzählt, also meiner Mutter, meiner Schwester und Cousinen von mir. Da ich meinem Vater gehöre, hat die Mutter nichts zu sagen.

F: Wie konnten Sie das Visum organisieren?

A: Als ich mich mit meiner Mitgift beschäftigt habe, meinte ich, ich müsse etwas in XXXX kaufen. Die Unterlagen habe ich in XXXX eingereicht.

F: Was befürchten Sie, wenn Sie in die Russische Föderation zurückkehren würden?

A: Ich befürchte die Rache meines Onkels.

F: Warum das, Sie sind mittlerweile verheiratet?

A: Es gab schon solche Fälle, dass Frauen spurlos verschwunden sind. Der Bräutigam ist auf meinen Onkel nicht gut zu sprechen und dieser auf mich. Beide könnten mir etwas ganz Böses antun, weil ich sie blamiert habe.

[…]“

Die Beschwerdeführerin übermittelte dem Bundesamt im behördlichen Verfahren diverse Integrations- und Identitäturkunden (zB. Geburtsurkunde, Heiratsurkunde und ÖSD Zertifikat A1, Bescheid über die Verleihung der österr. Staatsbürgerschaft des Ehemanns, Geburtsurkunde sowie Staatsbürgerschaftsnachweis ihres Sohnes).

1.7. Das Bundesamt wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX (zugestellt am 01.02.2019) sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem erteilte es ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gegen sie (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es räumte ihr eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt führte begründend aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin in der RUSSISCHEN FÖDERATION asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche zukünftig zu befürchten habe. Zum Zeitpunkt der Erstbefragung habe sich die Beschwerdeführerin zudem schon seit einiger Zeit im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten und ihren jetzigen Ehemann geheiratet, deshalb sei anzunehmen, dass sich die Beschwerdeführerin ihren erst nach drei Wochen gestellten Asylantrag gut überlegen habe können und es sei somit für das Bundesamt schwer nachvollziehbar, warum sie nicht die drohende Zwangsverheiratung noch irgendwelche möglichen Bedrohungen oder Verfolgungshandlungen durch ihren Onkel oder dessen Freund erwähnt habe. Zudem sei wenig glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin den Namen eines zukünftigen Ehemannes nicht gewusst habe sowie dass eine Hochzeit mit einer sozial hochstehenden Person keine umfassenden Hochzeitsvorbereitungen der Familie zur Folge gehabte habe über die die Beschwerdeführerin berichten hätte können. Auch die Erklärungen für das Verschwinden des Reisepasses der Beschwerdeführerin seien nicht glaubhaft sowie widersprüchlich, zumal sie ihre restlichen Dokumente sehr gut aufbewahrt habe. Schließlich habe die Beschwerdeführerin ungehindert drei Visa-Anträge in XXXX stellen können, ungehindert zwischen XXXX und GROSNY reisen können und habe einen vom Passamt GROSNY ausgestellten Pass besessen. Später sei es ihr auch möglich gewesen ohne Probleme auszureisen. Die Angaben zum Fluchtvorbringens seien generell sehr vage und unvollständig gewesen und aus dieser Gesamtschau erachte das Bundesamt im gegenständlichen Fall die Angaben der Beschwerdeführerin als gänzlich unwahr, sodass ihre behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden haben können. Da der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, sie gesund und arbeitsfähig sei, die Landessprachen beherrsche, über eine schulische Grundbildung und einschlägige Berufserfahrung als XXXX verfüge sowie mit den lokalen Sitten und Gewohnheiten vertraut sei, gehe das Bundesamt davon aus, dass ihr im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen.

1.8. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom XXXX (eingebracht am XXXX ) fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Sie rügte darin, dass die Begründung im angefochtenen Bescheid insgesamt nur sehr oberflächlich bzw. unzureichend ausgefallen sei, weite Teil des Fluchtvorbringens seien nicht in die Begründung einbezogen und rechtlich falsch beurteilt worden. Dies begründete sie zusammengefasst damit, dass die belangte Behörde es komplett unterlassen habe, zum Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn, beide österreichische Staatsbürger, zu ermitteln. Die belangte Behörde wäre angehalten gewesen, den Gatten der Beschwerdeführerin zum bestehenden Familienleben in Österreich zeugenschaftlich einzuvernehmen. Da die belangte Behörde im Hinblick zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin grob mangelhafte Feststellungen getroffen habe, belastet dies den angefochtenen Bescheid mit gravierender Rechtswidrigkeit. Zudem sei der belangten Behörde Aktenwidrigkeit vorzuwerfen, weil die Beschwerdeführerin bei der ersten sich bietenden Möglichkeit von sich aus klargestellt habe, weshalb die ihr drohende Zwangsverheiratung nicht bei der polizeilichen Erstbefragung protokolliert worden sei. Dem Umstand Rechnung tragend, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat wegen einer Zwangsheirat, der sie sich entzogen habe, verfolgt werde, erfülle sie den Tatbestand Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie oder jener Frauen, die tschetschenische Traditionen gebrochen haben.

1.9. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 05.03.2019 die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt vor.

1.10. Mit Fax vom 10.12.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin Kopien aus ihrem Mutter-Kind-Pass. Mit Eingabe vom 20.05.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zum anhängigen Verfahren sowie den Auszug aus dem Zentralen Personenstandsregister (Registerauszug Geburt), die Geburtsurkunde, den Staatsbürgerschaftsnachweis sowie die Meldebestätigung des am XXXX geborenen Sohnes der Beschwerdeführerin. Mit Stellungnahme vom 08.03.2021 legte die Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs ein Konvolut an Unterlagen zu den aktuellen Lebensverhältnissen und familiären Beziehungen in Österreich vor (Heiratsurkunde, Meldebestätigung, ÖSD Zertifikat A1, Unterlagen zu den Stiefkindern und gemeinsamen Kindern mit dem Ehemann inklusive Obsorgevereinbarung, Gehaltsabrechnungen des Ehemannes, etc.). Mit Eingabe vom 10.03.2021 übermittelte die Bezirksgerichte XXXX im Wege der Amtshilfe den Pflegschaftsakt der zwei Stiefkinder der Beschwerdeführerin und mit Eingabe vom 22.03.2021 übermittelte der Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX den Verwaltungsakt zur Eheschließung der Beschwerdeführerin. Mit Eingabe vom 20.04.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin die Vollmacht an ihre Rechtsberaterin und legte neuerlich ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor (zum Teil schon im Akt enthalten), insbesondere ein Teilnahmezertifikat betreffend einen Deutschkurs auf dem Niveau A2.

1.11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an der die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsberaterin als gewillkürte Vertreterin teilnahmen und der Ehemann der Beschwerdeführerin sowie der ältere Stiefsohn und dessen Mutter als Zeugen einvernommen wurden. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Beschwerdeführerin legte eine Ambulanzkarte vom 12.04.2017 und einen Gehaltszettel ihres Ehemannes vor. Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

Befragung der Beschwerdeführerin

„R: Sie wurden am 14.12.2016 von der Polizei erstbefragt und am 31.03.2017 und XXXX vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?

BF: Was meinen Sie?

R erklärt die Frage.

BF: Nein, es gab keine Probleme.

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?

BF: Nein, ich möchte nichts richtigstellen und nichts ergänzen.

R: Mit Bescheid vom XXXX , Ihnen zugestellt am 01.02.2019, wies das Bundesamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf Ihren Herkunftsstaat Russische Föderation als unbegründet ab, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung gegen Sie. Es stellte fest, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte Ihnen eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ein. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie mit Schriftsatz vom XXXX Beschwerde. Halten Sie den Schriftsatz und die darin gestellten Anträge aufrecht?

BF: Ja.

R: Sind seit Beschwerdeerhebung Februar 2019 neue Umstände eingetreten, die betreffend den Asylschutz zu berücksichtigen sind?

BF: Nein.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung Februar 2019 neue Umstände eingetreten, die betreffend den subsidiären Schutz zu berücksichtigen sind?

BF: Was ist subsidiärer Schutz?

[R erklärt die Frage]

RV: Nein, die Diakonie hat noch einen Schriftsatz betreffend die beiden Kinder der BF eingebracht, sonst gibt es nichts Neues.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung Februar 2019 neue Umstände eingetreten, die betreffend Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen sind?

BF: Ich verstehe das nicht.

[R erklärt die Frage]

RV: Die Kinder, die österreichische Staatsbürger sind.

R: Sie sind russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Sie haben außerhalb des Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens kein anderes Aufenthaltsrecht für Österreich oder einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Haben Sie Österreich seit der Asylantragstellung am XXXX jemals verlassen?

BF: Nein.

R: Schildern Sie Ihren Fluchtgrund! Warum mussten Sie die Russische Föderation verlassen?

BF: Man wollte mich verheiraten. (Schaut konzentriert nach links oben, danach weinerlich). Das ist schwer für mich darüber zu sprechen. Der Mann war viel älter als ich und ich wollte ihn nicht heiraten. Ich habe ihn gesehen als er zu Besuch bei meinem Onk[el] war. Ich habe ihm gefallen und er hat den Onkel um meine Hand angehalten. Mein Onkel hat meinen Vater angerufen und hat mit ihm darüber gesprochen. Da er vermögend war […] und er meinen Unterhalt sicher konnte, war mein Vater einverstanden. Ich habe meinen Mann über das Internet kennengelernt, wir standen in Kontakt und ich wollte den anderen nicht heiraten. Deswegen bin ich ausgereist.

R: Schildern Sie mir das ganze ab diesem Treffen beim Onkel genauer, wie einen Film, so genau wie Sie sich daran erinnern.

BF: Das war im JUNI oder im JULI. Das war am Ende von Ramadan und wir sind zum Onkel gefahren. Dort habe ich diesen Mann gesehen, aber ich habe ihn aber nur kurz gesehen, da bei uns die Frauen und Männer in getrennten Räumen sitzen. Ich habe ihn nur begrüßt und das wars. Wir gingen in ein anderes Zimmer und er saß in einem anderen Zimmer. Ich habe ihm gefallen und dann am Ende des Monats oder im AUGUST hat er angerufen. Der Onkel hat angerufen und gesagt, dass ich ihm gefallen habe. Er hatte schon zwei Frauen und ich wollte nicht die dritte sein, er war auch viel älter als ich. Er hat mit meinem Vater gesprochen und mein Vater war einverstanden.

R: Ich glaube es liegt ein Missverständnis vor, schildern sie es mir aus ihrer Perspektive, was haben Sie erlebt ab dem Zeitpunkt beim Onkel?

BF: Ich habe ihn nur einmal gesehen, er war dort zu Besuch und ich habe ihm keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, er war auch viel älter als ich. Dann hat der Onkel angerufen und gemeint, dass er um meine Hand anhalten möchte, aber ich war nicht einverstanden. Aber mein Vater war einverstanden und deswegen musste ich mich auch einverstanden erklären. Zu dem Zeitpunkt habe ich bereits meinen jetzigen Mann gekannt. Ich habe ihm gesagt, dass man mich verheiraten will und er hat mich im August gefragt ob ich seine Frau werden will und ich habe ja gesagt.

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF: Ich weiß nicht, sie könnten alles machen was immer sie wollen. Niemand außer meiner Mutter und meiner Schwester weiß, wo ich wohne und welche Telefonnummer ich habe. Sie wissen nicht wo ich lebe. Nur meine Eltern wissen das, ich meine nur meine Mutter und meine Schwester. Sie haben mir nichts getan, weil sie nicht wissen wo ich wohne. Er ist ein vermögender Mann, er könnte alles Mögliche machen. Sie haben meine Eltern bedroht.

R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret etwas antun wollen?

BF: Mein Onkel könnte mir etwas antun, er hat keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern. Er hat gesagt, dass mir das noch leidtun wird, dass was ich gemacht habe und dieser Mann hat auch keinen Kontakt zu meinem Onkel, weil er gesagt hat, dass ich Schande über ihn gebracht habe. Es hat viele Vorfälle gegeben, da sind die jungen Frauen verschwunden. Ich möchte nicht, dass meine Kinder ohne Mutter erleben müssen.

R: Was würde passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren würden, zB nach SARATOV, XXXX , OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?

BF: In Russland könnte man mich leichter finden als hier.

R: Wer sollte Sie suchen um Sie zu finden?

BF: Der Mann könnte nach mir suchen.

R: Welcher Mann?

BF: Der, der mich heiraten wollte.

R: Wie sollte der Sie in ganz Russland finden?

BF: Er hat Beziehung und dort könnte er mich überall finden.

R: Was meinen Sie mit er hat Beziehungen?

BF: Ich weiß nicht genau welche Beziehungen er hat aber er hat überall gute Bekannte. In Russland ist es leichter jemanden zu finden als im Ausland. Vielleicht hat er aber auch im Ausland Bekannte oder Verwandte, das weiß ich nicht.

R an D: Die BF verwendete zuvor den Begriff Eltern und ergänzte dann, dass sie damit Mutter und Schwester meint. Was bedeutet der Begriff „Eltern“, den die BF im Russischen verwendete?

D: Mutter und Vater.

R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF: Nein, hier nicht.

R: Sie sind XXXX in XXXX geboren. Wo liegt das?

BF: In GROSNY.

R: Sie sind XXXX geboren, Ihre Geburt wurde erst XXXX registriert, warum?

BF: Ich weiß es nicht. Ich habe meine Eltern danach nicht gefragt.

R: Sie sind Russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Sie haben die Grundschule und Berufsschule in XXXX absolviert. Wo liegt das?

BF: In der Nähe XXXX . Ich habe dort bis zu meinem XXXX gelebt.

R an D: Wo liegt XXXX ?

D: Das ist nördlich von XXXX und zwischen XXXX und OMSK.

BF: Nach XXXX fährt man allerdings drei Tage und drei Nächte. Ich korrigiere: Von GROSNY fährt man drei Tage und drei Nächte bis XXXX . Wie weit es von XXXX nach XXXX ist weiß ich nicht, ich bin schon lange nicht mehr hingefahren. Möglicherweise einen Tag und eine Nacht.

R an D: Was ist ihr sprachlicher Eindruck von der BF? Wie ist ihr russischer Akzent?

D: Sehr, sehr gutes Russisch, einwandfrei, durchaus muttersprachlich. Ich kann keinen Akzent definieren.

R: Laut Erstbefragung haben Sie die Grundschule XXXX und die Berufsschule XXXX besucht, laut Einvernahme am XXXX haben Sie die Grundschule XXXX und die Berufsschule XXXX besucht. Nach dem Diplom, dass Sie vorgelegt haben, haben Sie die Ausbildung am XXXX begonnen und am XXXX beendet. Was stimmt jetzt?

BF: Als man mich das erste Mal befragt hat habe ich gesagt, dass ich mich nicht mehr genau erinnere. Ich und der Anwalt haben das ungefähr berechnet wann ich die Ausbildung gemacht habe. Ehrlich gesagt weiß ich das bis jetzt nicht.

R: Hatten Sie das Diplom in Österreich von Anfang an dabei?

BF: Ja.

R: Geben Sie mir Ihren Lebenslauf an, von ihrer Geburt bis zur ihrer Ausreise 2016. Wo haben sie mit wem gelebt, wovon haben Sie den Lebensunterhalt bestritten. Welche Schulen haben Sie gemacht…?

BF: Ich wurde XXXX in der Stadt GROSNY geboren, im Rayon XXXX . Als ich 5 JAHRE alt war sind wir in die Stadt XXXX gezogen. Wir haben dort nicht lange gelebt. Dann sind wir in das Gebiet XXXX übersiedelt. Wir haben dort in einem Dorf gelebt. Dort habe ich VIER Jahre lang die Schule besucht. Als ich in der FÜNFTEN Klasse war sind wir in ein Nachbardorf übersiedelt. Dort habe ich die Schule bis zur XXXX Klasse abgeschlossen. Ich konnte die Ausbildung nicht gleich fortsetzen, erst in zwei, drei Jahre später konnte ich mit einer Ausbildung in einem LYCEE mit Schwerpunkt XXXX beginnen. Ich habe dort drei Jahre lang eine Ausbildung als XXXX abgeschlossen. Ich hätte diese Ausbildung fortsetzen können, konnte es aber nicht, somit habe ich die Ausbildung als XXXX abgeschlossen. Nach der Ausbildung bin ich zurück ins Dorf, aber ich habe nicht gearbeitet. Ich habe nur eine Praxis in einem XXXX gemacht. Als ich ca. XXXX JAHRE alt war sind wir nach GROSNY übersiedelt. Ich habe erst in GROSNY in meinem erlernten Beruf arbeiten können. Ich kann sowohl Damen als auch Herren und Kinderbekleidung nähen. Das ist alles.

R: Sie sprechen immer von wir, wen meinen Sie mit „wir“?

BF: Ich, meine Mutter, meine Schwester und mein Vater.

RR: Sie haben gesagt Sie sind nach der Ausbildung ins Dorf zurückgekommen, wo haben Sie die Ausbildung gemacht? War das weit weg vom Dorf?

BF: Ich habe bei meinem Onkel gelebt, als ich die Ausbildung gemacht habe.

R: Wo hat der Onkle gelebt?

BF: In der Stadt XXXX

R: Wie weit weg war das von ihrem Dorf?

BF: In der Früh stieg ich ein und am Abend war ich schon in der Stadt. Er hat eine zwei Zimmer Wohnung gehabt und ich habe dort bei ihm gelebt. Wir haben bei ihm gelebt solange ich die Ausbildung gemacht habe.

R: Wen meinen Sie jetzt mit wir?

BF: Ich und meine Schwester, sie hat ebenfalls die Ausbildung zur XXXX abgeschlossen, aber dann hat mein Onkel die Wohnung gegen eine Einzimmerwohnung getauscht und aus dem Grund konnten wir die Ausbildung nicht fortsetzen. Wir wollten nicht in einem Schülerheim leben, weil wir Tschetscheninnen sind.

R: Wie heißt dieser Onkel?

BF: XXXX , ich weiß nicht wie er genau heißt, weil der Name bei jedem im Pass anders steht. Diese Familie besteht aus 13 FAMILIENMITGLIEDER[n] und bei jedem ist der Name anders geschrieben. Wie sie sich dort registrieren haben lassen wurden bei manchen XXXX und bei manchen XXXX geschrieben.

D: Das nicht betonte „o“ wird im russischen als ein „a“ gesprochen, darau[f] könnte das zurückzuführen sein.

R: Wie alt waren Sie nochmal als Sie nach GROSNY zurückgegangen sind?

BF: 27.

R: Wovon haben Sie bis zu diesem Alter den Lebensunterhalt bestritten?

BF: Eltern.

R: Wie haben ihre Eltern den Lebensunterhalt bestritten?

BF: Wir hatten im Dorf eine große Landwirtschaft.

R: Was passierte mit der Landwirtschaft als sie nach GROSNY gegangen sind?

BF: Wir haben es verkauft bevor wir übersiedelt sind.

R: Warum sind Sie nach GROSNY zurückgegangen?

BF: Wir sind ja schon erwachsen geworden. In unserem Alter heiraten die Frauen und so haben die Eltern entschieden, dass wir zurückkehren.

R: Dann schildern Sie mir ihr Leben zwischen 2007 und 2016.

BF: Ich weiß nicht einmal was in der Zeit passiert ist. Ich kann mich jetzt nicht genau erinnern, ich kann es nur allgemein schildern. Ich habe schon gesagt, dass ich eine Schule besucht habe.

R: Ab 2007, als Sie nach GROSNY zurückgegangen sind, ab da möchte ich ihr Leben geschildert haben.

BF: Wir hatten ein eigenes Haus. Ich konnte nicht gleich eine Arbeit finden und musste erst eine Arbeit suchen. Meine Tante hat in einer XXXX gearbeitet und hat mir dort einen Job als Schülerin verschafft. Ich habe dort als XXXX gearbeitet. Bis zu dem Zeitpunkt als ich hierherkam.

R: Haben Sie mit ihren Eltern zusammengelebt oder hatten sie eine eigene Wohnung?

BF: Nein, ich habe mit meinen Eltern gelebt.

R: Wir sprechen von einem Zeitraum von 9 Jahren, Sie haben gearbeitet, was haben Sie sonst noch gemacht in dieser Zeit?

BF: Ich bin um 9 zur Arbeit gegangen und um 10 oder um 11 bin ich zurückgekommen, je nach Auftragslage. Es gab keine Unterhaltung, ich stand nur mit meinen Cousinen in Kontakt.

R: Sie waren ja schon erwachsen, wollte Sie nach GROSNY zurückkehren oder wollten Sie in XXXX bleiben?

BF: In dem Dorf hat niemand außer alte Leute gelebt, es hat keine Arbeit dort gegeben und wir haben dann beschlossen, dass wir übersiedeln. Meine Schwester und ich waren ja auch schon älter.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Ich habe schon gesagt, dass wir in einem Alter waren in dem wir heiraten hätten sollen. Die Cousinen waren schon verheiratet. Wenn man XXXX Jahre ist dann gilt man bei uns schon als älter.

R: Verstehe ich Sie richtig, dass es keine Versuche gegeben hat sie zwangs-zu-verheiraten zwischen 2007 und 2016?

BF: Nein, zwangsweise nicht aber man hat sehr wohl um meine Hand angehalten, ich war dagegen.

R: Wie darf ich mir das vorstellen? Erzählen Sie mir wie ist sowas abgelaufen.

BF: Ich wollte zuerst arbeiten, ich wollte noch meine Freiheit genießen, aber es kamen Leute und sagten, dass es einen jungen Mann gibt der mich gerne heiraten würde. Ich habe jedes Mal nein gesagt.

R: Ihre Schwester ist XXXX als Sie. Schildern Sie mir ihren Lebenslauf ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildung in XXXX !

BF: Wir waren immer zusammen, deswegen verlief unser Leben auch gleich. Wir haben ja eine Schule und sogar eine Klasse gemeinsam besucht. Als wir nach GROSNY übersiedelt sind hat sie mit einer Arbeit in einem XXXX begonnen und ich habe als XXXX gearbeitet. Das ist alles, ich bin dann hierhergekommen und sie ist dort bei den Eltern geblieben. Sie ist noch nicht verheiratet, sie sagt, dass sie nicht heiraten will.

R: Ihre letzte Adresse war XXXX in GROSNY. Leben Ihre Eltern und ihre Schwester noch an dieser Adresse?

BF: Ja.

R: Laut Erstbefragung am 14.12.2016 leben Ihre Eltern in GROSNY. Laut Beschwerde vom XXXX ist Ihr Vater bereits gestorben und Sie lebten bei Ihrem Onkel. Davon, dass Ihr Vater gestorben ist und Sie beim Onkel lebten, erzählten Sie in der Einvernahme am 31.03.2017 nichts. Können Sie mir das erklären?

BF: Ich habe es nicht gesagt, dass mein Vater gestorben ist. Man hat mich nach dem Namen und Familiennamen gefragt und ich habe es auch gesagt.

R ersucht D den ersten Absatz AS 315 zu übersetzen.

R: Stimmt dieses Vorbringen bzw. stimmt dieses Vorbringen nicht?

BF: Ich schwöre das ist das erste Mal [dass ich das höre]. Es stimmt nicht, dass mein Vater gestorben ist, ich habe bei meinem Onkle auch nur dann gelebt als ich die Ausbildung gemacht habe. Als mich der Onkel verheiraten wollte, da habe ich ihn nur gesehen, wenn es einen Feiertag gab.

R: Der Onkel von dem die Beschwerde spricht ist also derselbe Onkel bei dem Sie in XXXX lebten, Herr XXXX ?

BF: Ich habe bei dem Onkel nur damals gelebt als ich die Ausbildung gemacht habe.

R: Der Onkel, bei dem Sie den Mann sahen mit dem Sie zwangsverheiratet hätten werden sollen, ist das XXXX ?

BF: XXXX ist der Onkel meiner Mutter, er hat in XXXX gelebt. Der Onkel XXXX der mich verheiraten wollte, das ist ein Cousin meines Vaters.

R: Wie heißt XXXX mit vollem Namen?

BF: XXXX .

R: Lebt der Onkel XXXX noch in XXXX ?

BF: Ja.

R: Lebt XXXX immer noch in GROSNY?

BF: Ja, aber der ist schon alt.

R: Wenn es keinen Kontakt mit dem Onkel gibt, woher wissen Sie dann wo er immer noch wohnt und vor allem, dass der Mann mit dem sie hätten zwangsverheiratet werden soll, keinen Kontakt mehr mit ihm hat?

BF: Meine Eltern hatten Kontakt zu ihm.

R: Jetzt nicht mehr?

BF: Mein Onkel verweigert ein Gespräch mit dem Vater.

R: Wie heißt der Mann mit dem Sie zwangsverheiratet hätten werden sollen?

BF: Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, ich habe auch nicht versuch mir den Namen zu merken.

R: Was können Sie mir von ihm erzählen?

BF: Ich habe ihn nur einmal gesehen und habe nicht mit ihm gesprochen. Ich weiß nur, dass er ein einflussreicher Mann ist und Geld hat ansonsten weiß ich nichts von ihm. Ich weiß nur, dass er bereits zwei Frauen und Kinder hat. Aber ich war nie alleine mit ihm und ich habe nie alleine mit ihm gesprochen.

R: Sie werden sich ja erkundigt haben wen sie da heiraten sollen, also was können Sie mir von ihm erzählen?

BF: Die Frauen bei uns fragen nicht. Die Frauen fragen nur die Eltern. Wenn man um die Hand anhält wird angerufen und es wird erzählt wer der Mann ist und welchen Status er hat.

R: Erzählen Sie mir das über diesen Mann.

BF: Es geht darum, dass wenn die Heirat zu Stande kommt er mich auch erhalten kann.

R: Sie haben zuvor angegeben, dass Sie alle Heiratsangebote selbst ausgeschlagen haben, weil sie nicht heiraten wollten. Wie passt das nun damit zusammen, dass Sie nicht einmal nachfragen konnten, wen Sie da heiraten sollen?

BF: Ich wollte zuerst meine Freiheit haben und arbeiten und deswegen, dann aber bin ich noch älter geworden.

R: Ihre Schwester ist noch älter als Sie es damals waren und lebt immer noch unverheiratet bei ihren Eltern, erklären Sie mir das.

BF: Man hält auch um ihre Hand an, aber sie sagt, dass sie nicht heiraten will, weil es jetzt so ist, dass in Tschetschenien die meisten Männer auf Kosten der Frauen leben wollen. Damit meine ich, dass die Frau arbeitet. Bei uns in Tschetschenien arbeiten vorwiegend Frauen. Wenn man keine Beziehungen hat ist es auch für die Männer schwierig einen Job zu bekommen, außer auf Baustellen. Vielleicht zeigt man etwas Anderes im Fernsehen, aber die Wirklichkeit ist anders.

R: Wovon leben Ihre Eltern und Ihre Schwester aktuell und wie geht es ihnen?

BF: Meine Schwester arbeitet, sie hat ein XXXX , ich meine Maniküre und Pediküre und meine Eltern bekommen eine Pension. Mein Vater arbeitet manchmal zusätzlich auf einer Baustelle.

R: Wie geht es ihren Eltern und Ihrer Schwester? Sind sie aktuell Problemen ausgesetzt?

BF: Sie leben ganz normal.

R: Welche Verwandte haben Sie also noch in der Russischen Föderation?

BF: Eine Tante von der Mutter. Eine lebt in XXXX und die zweite lebt in XXXX , das ist im MOSKAUER GEBIET. Das sind die Schwestern von meiner Mutter. Seitens vom Vater gibt es meines Wissens nach keine Verwandten.

R: Sie sprachen vorm Bundesamt von so vielen Cousinen, wo kommen die dann her?

BF: Mütterlicherseits. Ich kenne die Familie meiner Mutter mehr als die Familie meines Vaters.

R: Wie kommt das?

BF: Mein Vater war im Bauwesen tätig und war oft wegen der Arbeit weg. Wir haben in GROSNY bei der Großmutter ms gelebt. Väterlicherseits kenne ich nur wenige Personen. Er hat viele Verwandte, aber ich kenne sie nicht.

R: Lebt die Großmutter ms noch?

BF: Nein, sie ist gestorben vor 6 oder 7 Jahren, ich kann mich nicht mehr erinnern.

R: Wie halten Sie von Österreich aus Kontakt mit ihrer Familie?

BF: Ich habe nur Kontakt zu den Eltern, ich meine zu meiner Mutter und meiner Schwester über WhatsApp.

R: Wie heißt das Dorf, in dem Ihr Onkel XXXX lebt?

BF: XXXX .

R: Sie reisten mit einem Reisepass per Flugzeug von GROSNY und nach XXXX und von dort nach XXXX weiter. Gab es Probleme bei der Ausreise?

BF: Nein.

R: Schildern Sie mir wie Sie ihre Ausreise organisiert haben!

BF: Zuerst habe ich die Dokumente vorbereitet, ich bin dann mit meiner Tante nach XXXX gefahren. Wir haben gesagt, dass wir dorthin Einkaufen fahren, dort gibt es in großen Einkaufszentren Rabatte. Ich, meine Tante war im Hotel und ich habe meine Dokumente genommen und bin zur Botschaft gefahren und dort habe ich die Dokumente eingereicht. Binnen einer Woche hat man mir dann eine SMS geschrieben, dass die Dokumente fertig sind also ging ich hin und holte die Dokumente ab. Wir haben die eine Woche dort eingekauft, waren in verschiedenen Geschäften. Dann haben wir die Dokumente geholt und am zweiten oder am dritten Tag sind wir zurückgekommen.

R: Was meinen Sie mit am 2 oder dritten Tag sind wir zurückgekommen?

BF: Am zweiten oder dritten Tag nach dem die Dokumente fertig wurden sind wir zurückgekommen.

R: Von welcher Tante sprechen Sie jetzt?

BF: Das ist eine Tante vs.

R: Sie haben vorhin gerade gesagt die Verwandten vs kennen sie nicht?

BF: Ich kenne den Onkel XXXX , andere Verwandten kenne ich nicht.

R: Die Tante mit der Sie in XXXX waren ist das jetzt die Frau von XXXX ?

BF: Nein, das ist seine Schwester.

R: Hat die Ihnen geholfen das Visum zu bekommen?

BF: Nein, sie wusste das nicht. Wenn sie das gewusst hätte, dann hätte sie das dem Onkel erzählt.

R: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das nicht mitbekommen hat.

BF: ich habe das heimlich gemacht. Sie ist keine junge Frau, es fiel ihr sowieso schwer mit mir Schritt zu halten. Wir waren nämlich einkaufen, waren in verschiedenen Geschäften und haben uns nach Rabatten umgeschaut.

R: Warum sind Sie von XXXX nach GROSNY zurückgekehrt nachdem sie das Visum bereits hatten, wenn sie in GROSNY verfolgt werden?

BF: Ich konnte nicht gleich wegfahren, weil ich die anderen Dokumente und meine Sachen mitnehmen musste.

R: Von welchen Dokumenten und Sachen sprechen Sie jetzt?

BF: Genau kann ich es nicht sagen, die Dokumente. Die normalen Dokumente. Alle möglichen Dokumente.

R: Zur Ausreise brauchen Sie einen Reisepass und für die Einreise brauchen Sie ein Visum, beides hatten sie. Warum sind Sie nach GROSNY zurückgekehrt?

BF: Ich konnte meine Tante nicht verlassen und musste meine Dokumente holen die ich hätte brauchen können. Ich hatte z.B. Dokumente, dass ich nicht vorbestraft bin und auch ein Dokument, dass ich nicht verheiratet bin.

R: Beides brauchen Sie nicht um zu flüchten.

BF: Ich wusste nicht, dass das nicht notwendig ist. Die Dokumente hatte ich schon und ich dachte, dass ich sie hier brauchen werde.

R: Wie kann es sein, dass Sie in der Einvernahme am XXXX nicht wussten, vom Konsulat welchen Staates Sie das Visum bekommen haben? Dass Sie über XXXX eingereist sind, wussten Sie in dieser Einvernahme ja auch! Wie kann das sein, wenn sie jetzt sagen, dass sie das Visum persönlich beantragt haben!

BF: Ich habe damals gesagt, dass das die Botschaft von… (Die BF denkt nach) Ich kann mich erinnern, dass ich das damals gesagt habe.

R: Ist das Ihre erste Auslandsreise?

BF: Ja.

R: Woher wussten Sie dann wie Sie das organisieren müssen und welche Dokumente sie brauchen?

BF: Es steht alles im Internet geschrieben.

R: Ihr Pass wurde bereits am XXXX ausgestellt. Warum haben Sie sich damals einen Pass ausstellen lassen?

BF: Ich verstehe die Frage nicht.

R wiederholt und erklärt die Frage.

BF: Weil ich keinen Pass hatte, ich habe ihn damals das erste Mal bekommen.

R: Warum haben Sie ihn beantragt?

BF: Ich konnte ohne Pass nicht ausreisen.

R: Wohin wollten Sie im XXXX ausreisen?

BF: Zu meinem Mann.

R: Den haben Sie erst einen Monat später per Internet kennengelernt, im XXXX .

BF: Wir haben uns im MAI kennengelernt und im AUGUST hat er mich gefragt ob ich seine Frau werden will.

R: Warum beantragen Sie einen Monat bevor sie ihren Mann kennenlernen bereits einen Reisepass um zu ihm zu reisen?

BF: Ich stand damals schon mit ihm in Kontakt.,

R: Seit wann standen sie mit ihrem nunmehrigen Mann per Internet im Kontakt?

BF: Im MAI. Wir haben uns im XXXX über Internet kennengelernt.

R: Beschreiben Sie mir wie sie ihren Mann kennengelernt haben.

BF: Auf der Internetseite XXXX . Wir haben uns also über XXXX kennengelernt. Ich habe mir ein Profil von einem Bekannten angeschaut und der war mit mir befreundet. Er hat gesehen, dass ich sein Profil besucht habe und dann hat er mir geschrieben hallo. Ich habe ihm geantwortet und dann begannen wir miteinander zu schreiben. Dann haben wir unsere Nummer ausgetauscht und haben über WhatsApp Videotelefonie kommuniziert. Wir haben auch Fotos ausgetauscht und Videos. Wir haben uns ausgetauscht was wir machen, womit wir uns beschäftigen und so haben wir uns nach und nach kennengelernt. Ich habe ihm dann erzählt, dass man mich verheiraten will. Er hat mich dann gefragt ob ich seine Frau werden will und ich habe ja gesagt, weil er mir gefallen hat und wir viele Gemeinsamkeiten hatten und er mich interessiert hat. Er hat gefragt ob ich seine Frau werden will und ich sagte ja. Dann begann ich die Dokumente vorzubereiten, also bin ich mit meiner Tante dorthin gefahren und habe es erhalten. Er hat mir Zeit gegeben bis Ende DEZEMBER. Ich hatte Zeit und habe das alles vorbereiten können. Ich bin von GROSNY nach XXXX geflogen und dann nach XXXX und von XXXX hierher. Er hat auf mich gewartet am Flughafen. Wir haben aber vorher noch telefonisch geheiratet, bevor ich gekommen bin.

R: Schildern Sie mir ab dem Heiratsantrag im XXXX bis zur Ausreise im XXXX , was passiert ist in diesem Zeitraum und was sie erlebt haben (detailreich).

BF: Ich habe schon gesagt, dass ich dann begonnen habe die Dokumente vorzubereiten. Um Zeit zu gewinnen habe ich auch zuerst die Heirat mit dem anderen Mann nicht abgelehnt. Meine Mutter wusste, dass ich mit dem anderen Mann in Kontakt stehe, meine Schwester wusste das auch. Sie wussten, dass ich diesen Mann nicht heiraten will. Aber die mütterliche Seite entscheidet aber nichts. Keiner fragte deswegen nach ihrem Einverständnis. Die Kinder gehören nach der Scheidung dem Vater, sie bleiben bei dem Vater und die Mutter wird nicht gefragt. Nach der Scheidung gilt die Mutter als eine fremde Person. Nach der Scheidung gehören die Kinder dem Vater. Wichtig ist nur das Einverständnis des Vaters.

R: waren Sie in der Russischen Föderation verheiratet und wurden ihnen die Kinder weggenommen?

BF: Nein, ich war nicht verheiratet.

R: Dann beantworten Sie bitte meine Frage. Was haben Sie zwischen XXXX und XXXX erlebt?

BF: Ich stand unter Stress. Man hat mich nicht gefragt ob ich etwas will oder nicht will. Entschieden haben das der Onkel und der Vater, ich konnte nichts sagen, dass ich nicht einverstanden bin.

R: Weiter.

BF: Das ist alles, was soll ich sonst sagen.

R: Gab es Probleme bei der Passausstellung?

BF: Nein.

R: Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie bei der Einreise nach XXXX bereits den Anschlussflug nach Österreich gebucht gehabt haben?

BF: Ja.

R: Hatten Sie jemals vor, in XXXX zu Urlauben und in die Russische Föderation zurückzukehren wie es dem Visum C entspricht?

BF: Nein.

R: Sie gaben in der Einvernahme am 31.03.2017 an, dass Sie nicht nach XXXX möchten. Warum haben Sie dann ein XXXX Visum beantragt?

BF: Das ich nach XXXX fahren möchte?

R wiederholt die Frage.

BF: Weil es am leichtesten war das XXXX Visum zu bekommen.

R: Woher wussten Sie das?

BF: Ich habe das von der Organisation erfahren, die die Leute auf Urlaub schickt.

R: Sprechen Sie von einem Reisebüro?

BF: Ja. In einem Reisebüro habe ich erfahren, dass es am leichtesten ist ein XXXX Visum zu bekommen.

R: Haben Sie in XXXX Asyl beantragt?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Weil mein Mann hier war.

R: Laut CVIS war die geplante Ankunft im Schengenraum am XXXX in der SCHWEIZ. Können Sie mir das erklären? Haben Sie umgebucht oder wie kommt es dazu?

BF: Für die SCHWEIZ? Es ist mir nicht gelungen, deswegen bin ich über XXXX geflogen.

R: Sie kamen also in Österreich an. Wie haben Sie Ihren Mann hier gefunden?

BF: Er hat da auf mich gewartet.

R: Laut Erstbefragung hatten Sie kein Mobiltelefon, wie haben Sie also ihren Mann gefunden. Wie haben Sie das also gemacht?

BF: Ich habe das nicht gesagt.

R: Das heißt sie sind mit ihrem Mobiltelefon eingereist.

BF: Natürlich.

R: Am Flughafen mussten Sie durch die Polizeikontrolle, warum haben sie dort nicht gleich Asyl beantragt?

BF: Weil ich zu meinem Mann gekommen bin.

R: Warum hatten Sie bei der Erstbefragung keine Dokumente dabei?

BF: Ich habe ja keine Dokumente. Der Inlandspass ist bei mir zuhause und ich konnte mit dem Auslandspass sowohl ausreisen als auch in Russland herumfahren.

R: Was meinen Sie mit zuhause? Bei ihrem Mann, bei ihren Eltern, bei ihrem Onkel?

BF: Bei meinen Eltern.

R: Warum haben sie den nicht mitgenommen, wenn sie alle anderen möglichen Dokumente mitgenommen haben?

BF: Ich musste ja irgendwelche Dokumente zuhause lassen und ich habe ihn ja nicht gebraucht, weil ich einen Auslandspass hatte.

R: Warum musste Sie irgendwelche Dokumente zuhause lassen, das verstehe ich nicht.

BF: Damit man keinen Verdacht schöpft. Das habe ich bei der Mutter gelassen, die anderen Dokumente habe ich mitgenommen, auch den Auslandspass. Die Dokumente die ich selber ausstellen ließ waren bei mir.

R: Ihre Mutter wusste ja ohnehin von dem anderen Mann, warum sollten sie ihr durch das zurücklassen vom Inlandsreisepass etwas vormachen?

BF: Meine Mutter wusste nur, dass ich nicht heiraten will, sie wusste aber nicht, dass ich wegfahre, sonst wäre sie unter Stress gestanden.

R: Laut Erstbefragung am 14.12.2016 war Ihr Reisepass in der Wohnung Ihres Mannes, als Sie Asyl beantragt haben. Laut Einvernahme am XXXX haben Sie den Pass aber bereits verloren, als Sie von der Eheschließung am Standesamt in Österreich zurückfuhren. Das war bereits am XXXX . Können Sie mir das erklären?

BF: Als wir nach der Hochzeit zurückfuhren waren die Dokumente in einer Mappe. Als wir nach Hause kamen schauten wir nicht mehr nach, was in der Mappe ist. Als wir zur Einvernahme fuhren hat man mich nach dem Pass gefragt, ich sagte, dass ich nicht weiß wo er ist, ich aber vermute das er zuhause ist. Als wir nach Hause zurückkamen und uns die Dokumente angeschaut haben, hat sich herausgestellt, dass dieses Dokument in der Mappe nicht mehr war. Möglicherweise habe ich dieses Dokument in eine Jackentasche gegeben und verloren.

R: Haben Sie den Pass wiedergefunden?

BF: Nein.

R: Laut Einvernahme am XXXX haben Sie keine Verlustanzeige erstattet. Warum nicht?

BF: Wir sind zu einem Büro nach XXXX , wir sind in ein Büro gefahren wo man etwas zurückgibt, wenn man etwas findet. Ich war dort mit meinem Mann und man hat uns gesagt, dass niemand meinen Pass dorthin gebracht hat. Ich glaube nicht, dass das zur Kompetenz der Polizei gehört, sie beschäftigen sich damit nicht. Mein Mann hat damals vorgesprochen, er kann das besser schildern als ich. Ich kenne mich mit den Gesetzen nicht aus.

R: In der Einvernahme am 31.03.2017 legten Sie den Reisepass, den Sie laut ihrer Schilderung heute 2016 verloren, dem Bundesamt vor, das eine Kopie davon anfertigte. Können Sie mir das erklären, wenn sie ihn nicht wiedergefunden haben?

BF: Nein, sie verwundern mich immer wieder. Ehrlich gesagt bin ich jetzt schockiert. Beim Standesamt hat man schon eine Kopie angefertigt.

R zeigt vor AS 125 und erläutert, dass das Bundesamt diese Kopie angefertigt hat (AS 106). Wie geht das, wenn sie den Pass ein Jahr davor verloren haben. Die Kopie entspricht im Übrigen nicht der Kopie die im Akt des Standesamtes erliegt, der h.g. beigeschafft wurde.

BF: Ich weiß es nicht.

R: Sie gaben bei der Einvernahme am 31.03.2017 an, dass Sie in der Erstbefragung die Frage nach dem Fluchtgrund falsch verstanden und daher Ihren Fluchtgrund nicht angegeben haben. Ich gehe davon aus, dass Ihr Mann Ihnen erklärt hat, wie ein Asylantrag funktioniert, Sie wurden erst am Tag nach der Antragstellung erstbefragt und gaben an, alles verstanden und nichts zu ergänzen zu haben. Können Sie mir das erklären?

BF: Man hat mich gefragt ob bei mir in der Familie alles gut ist und auch ob zwischen mir und meinem Mann alles gut ist. Damals waren ich und mein Mann die Familie. Ich dachte, dass man mich fragt wie es zwischen mir und meinem Mann läuft.

R an D: Können Sie bitten den Satz übersetzen: Warum haben Sie ihr Land verlassen? Was heißt für Sie?

BF: Ich weiß nicht warum Sie mich nochmals danach fragen, ich habe schon gesagt, dass ich aus Furcht mein Land verlassen habe. Mein Mann war auch schon hier, man hätte alles Mögliche mit mir machen können.

R: Sie gaben in der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass Ihr Mann seit 11 Jahren in Österreich lebt und dass Sie seit XXXX mit ihm nach traditionellem muslimischem Ritus verheiratet sind und mit ihm leben wollen, sie wollen eine Familienzusammenführung beantragen. Was meinen Sie mit „Familienzusammenführung“?

BF: Ehrlich gesagt höre ich das das erste Mal.

R: Haben Sie versucht, von der Russischen Föderation aus legal nach Österreich einzuwandern und „Familienzusammenführung“ beantragt?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Weil das Zeit in Anspruch genommen hätte.

R: Sie reisten am XXXX nach Österreich ein und stellten am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Was machten Sie dazwischen?

BF: Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern.

R: Das muss ja prägend gewesen sein, sie sind das erste Mal im Ausland und haben einen Mann gesehen, den sie vorher noch nie live gesehen haben.

BF: Ich war hier mit meinem Mann zusammen. Den ersten Monat haben wir versucht die Sprache zu lernen, er arbeitet und er hat nicht jeden Tag Zeit gehabt. Dann sind wir hingegangen, weil ich Angst gehabt habe, dass man mich finden wird.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Ich habe heute schon gesagt, dass man mir über meine Mutter gedroht hat und ich habe Angst bekommen, dass man mich findet und mir etwas antun wird und deswegen habe ich um Asyl angesucht.

R: Sie hatten Angst, dass Sie in Österreich gefunden werden und haben deswegen um Asyl angesucht?

BF: Ja.

R: Wie wurde ihnen über Ihre Mutter gedroht?

BF: Man hat mir gesagt, dass ich es noch bereuen werde, dass ich geflüchtet bin.

R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF: Nein.

R: Sie gaben in der Erstbefragung am 14.12.2016 an, dass Sie am XXXX ihren Mann nach muslimischem Ritus geheiratet haben,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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