Entscheidungsdatum
15.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W285 1421039-3/2Z
W285 1433139-3/2Z
W285 2195605-2/2Z
W285 2109947-3/2Z
W285 2195607-2/2Z
W285 2216802-2/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , geboren am XXXX , der XXXX , geboren am XXXX , des XXXX , geboren am XXXX , der XXXX , geboren am XXXX , des XXXX , geboren am XXXX , des XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Kosovo, alle RA Dr. Wolfgang AUNER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2021, Zahl 810886103-201185265, 830198701-201185273, 831715804-201185338, 1050613608-201185320, 1141713008-170129949, 1221127208-201185354, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
A)
Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der 1987 geborene Erstbeschwerdeführer und die 1978 geborene Zweitbeschwerdeführerin sind Lebensgefährten, die übrigen Beschwerdeführer sind ihre gemeinsamen Kinder. Alle sind kosovarische Staatsangehörige.
Der Erstbeschwerdeführer stellte nach seiner Einreise am 13.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte am 15.02.2013 nach ihrer Einreise in Österreich ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Diese wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) abgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnissen jeweils vom 28.07.2014 in Bezug auf die Punkte Asyl und subsidiärer Schutz als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es die Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurück.
Im insoweit fortgesetzten Verfahren ergingen sodann die Bescheide des BFA vom 11.11.2014 bzw. vom 18.11.2014, mit denen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurden. Unter einem wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das BVwG mit Erkenntnissen vom 28.07.2015 als unbegründet ab.
Auch für den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin wurden nach ihrer Geburt Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die erstinstanzlich rechtskräftig abgewiesen wurden. Schließlich wurde auch für den Fünftbeschwerdeführer ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der vom BFA in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 08.08.2017 als unbegründet ab.
Hierauf stellten die beschwerdeführenden Parteien (mit Ausnahme des Sechstbeschwerdeführers) am 4.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK“ gemäß § 55 AsylG 2005. Diese Anträge wies das BFA mit Bescheiden vom 3.04.2018 ab und es erließ neuerlich Rückkehrentscheidungen. Unter einem wurde noch einmal festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo zulässig sei.
Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnissen vom 03.01.2019 als unbegründet ab.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der sodann gegen die vorstehend genannten Erkenntnisse vom 03.01.2019 eingebrachten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Erkenntnis vom 28.05.2020, Ra 2020/2170139 bis 0143, zurück.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der beschwerdeführenden Parteien (BF) auf Erteilung eines Antrages eines Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG vom 09.11.2020 abgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig ist. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Die beschwerdeführenden Parteien bezogen während ihres Aufenthalts in Österreich (überwiegend) Grundversorgung; auch aktuell wird ihr Unterhalt durch diese Leistungen gedeckt. Der Erstbeschwerdeführer legte die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 ab. Der Drittbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2020/21 die Vorschulstufe an einer Volksschule in Niederösterreich. Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer besuchen hier den Kindergarten.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten (Auszug vom 14.07.2021).
Nach den Feststellungen des BVwG im Erkenntnis G306 1421039-2 vom 03.01.2019 war der Erstbeschwerdeführer im Besitz eines Behindertenpasses des Sozialministeriums – Grad der Behinderung 100 v.H. – gültig bis 02.06.2019. Er leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der Erstbeschwerdeführer wurde 1999 durch eine Mine verletzt und trägt an beiden Beinen Prothesen (siehe Feststellungen auf Seite 15 des angefochtenen Bescheides). Die Zweitbeschwerdeführerin hat nach dem Beschwerdevorbringen auch eine Beinprothese.
Das BVwG holte am 14.07.2021 aktuelle Auszüge aus Strafregister, Zentralmelderegister, Grundversorgung, Zentrales Melderegister ein und führte eine Abfrage der Sozialversicherungsdaten durch.
II. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A.): Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:
§ 18 BFA-VG lautet:
„(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“
Zumindest der Erstbeschwerdeführer leidet an einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung der unteren Extremitäten. Die Kinder sind alle in Österreich geboren, drei von ihnen besuchen hier die Schule bzw den Kindergarten. Die letzte Tatsachenfeststellung erfolgte durch das BVwG am 03.01.2019.
Vor diesem Hintergrund kann nach derzeitiger Aktenlage innerhalb der gesetzlichen Frist nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, ob das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ausreichend mitberücksichtigt und die Erlassung der Rückkehrentscheidung gesetzeskonform erfolgt ist.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W285.2195607.2.00Im RIS seit
05.11.2021Zuletzt aktualisiert am
05.11.2021