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L40014 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
EhrenkränkungsG OÖ 1975 §1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. November 1995, Zl. VwSen-300034/2/Gf/Km, betreffend Ehrenkränkung (mitbeteiligte Partei: Ch G in A, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom 31. Jänner 1995 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen Strafantrag gegen Ch. G. nach dem Oberösterreichischen Landesgesetz über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl. Nr. 76/1975. Der Beschwerdeführer begründete den Antrag damit, Ch. G. habe am 5. Jänner 1995 an die Gattin des Beschwerdeführers einen Brief geschrieben, der am 9. Jänner 1995 bei der Gattin des Beschwerdeführers eingelangt sei und von dem der Beschwerdeführer am selben Tag Kenntnis bekommen habe. Die Angezeigte habe in dem in Rede stehenden Brief "einen vorsätzlichen Ehrangriff gesetzt" und den Beschwerdeführer mehrfach fälschlich eines diffamierenden Charakters und ehrenrührigen Verhaltens geziehen. Die Angezeigte habe den Beschwerdeführer überdies nach dem objekiv erklärten und subjektiv Gemeinten in bestimmten und zweifelsfreien Worten eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt. Im wesentlichen stützte sich der Beschwerdeführer auf folgende Passagen des Briefes:
"Weißt Du eigentlich, daß (Beschwerdeführer) Briefe an Herrn L. (W."s Vorgesetzten) sendet, in denen er W. beschuldigt, Kuverts zu stehlen, Kilometergelder zu manipulieren, sein in ihn gesetztes Vertrauen einen Firmenschlüssel zu besitzen, mißbraucht."
"Ist es nicht so, daß (Beschwerdeführer) auf grausamste Weise versucht, Euer Familienglück zu zerstören".
"Wie sehr muß man einen Menschen hassen, um mit solchen Lügengeschichten seinen Ruf zu ruinieren und in weiterer Folge seinen beruflichen und familiären Ruin herbeizuführen???"
"W. leidet so sehr unter diesem böswilligen Vernichtungsfeldzug gegen ihn, daß ich sein Lachen und fröhliches Wesen schon seit einigen Monaten stark vermisse."
"(Beschwerdeführer) will Dich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen bezüglich des Hauses gegen W. aufhetzen."
Weiters führte der Beschwerdeführer in seiner Anzeige an, die Angezeigte habe sich wie folgt artikuliert:
Böswillige Behauptungen, böswillige Anschuldigungen, Haß muß wahnsinnige Ausmaße haben, Vernichtungsakt, Intrigen.
Diese Unterstellungen hätten sich allesamt auf die Person des Beschwerdeführers bezogen. Dieser halte den "Ehrangriff" für geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 1995 wurde der Strafantrag des Beschwerdeführers abgewiesen und das wegen einer Übertretung des § 1 lit. a des Gesetzes über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl. Nr. 76/1975, gegen die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Beschuldigte geführte Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
In der Begründung heißt es, im vorliegenden Fall sei allein strittig, ob die mitbeteiligte Partei dadurch in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise im Sinne des § 111 Abs. 1 StGB gehandelt habe, daß sie den Brief mit den auf den Beschwerdeführer bezüglichen ehrenkränkenden Äußerungen an dessen Ehegattin adressiert habe, wobei dessen Inhalt letzterer auch tatsächlich zur Kenntnis gekommen sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne keine Rede davon sein, daß die der mitbeteiligten Partei angelastete Tat im eigenen engeren Familienkreis begangen worden sei und damit zur sogenannten "beleidigungsfreien Intimsphäre" zähle, was eine strafgerichtliche Ahndung ausschließen würde, weil die mitbeteiligte Partei als bloße Lebensgefährtin des Sohnes des Beschwerdeführers nicht als Familienangehörige angesehen werden könne. Darüber hinaus sei nach herrschender Auffassung eine (selbst nicht mitbeleidigte) nächste Angehörige (wie hier die Ehegattin des Beschwerdeführers) durchaus als eine außenstehende, wahrnehmungsfähige dritte Person im Sinne des § 111 Abs. 1 StGB anzusehen (Hinweis auf Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, Rz 19 zu § 111). Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die mitbeteiligte Partei dadurch, daß sie den Brief mit den auf den Beschwerdeführer bezüglichen ehrenkränkenden Äußerungen an dessen Ehegattin adressiert habe, nicht den Tatbestand des § 1 lit. a des oberösterreichischen Ehrenkränkungsgesetzes, sondern allenfalls jenen des § 111 Abs. 1 StGB erfüllt habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 11. Juni 1996, B 3922/95-3, ihre Behandlung ab und trat sie mit Beschluß vom 23. August 1996, B 9322/95-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Beschwerdeführer meint unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH vom 18. Jänner 1979, SSt 50/9, das Verhalten der mitbeteiligten Partei erfülle nicht den Tatbestand des § 111 StGB, weshalb die Voraussetzungen für die Durchführung eines Privatanklageverfahrens nach dem oberösterreichischen Ehrenkränkungsgesetz erfüllt seien.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 lit. a des Oberösterreichischen Landesgesetzes über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl. Nr. 76/1975, begeht die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung, wer vorsätzlich einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ohne daß die Tat das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Verhalten der mitbeteiligten Partei den gerichtlich strafbaren Tatbestand des § 111 StGB erfüllt, was infolge der Subsidiärität des § 1 des oberösterreichischen Ehrenkränkungsgesetzes dessen Anwendbarkeit ausschließen würde.
Nach § 111 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
Der OGH hat in seiner vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung SSt 50/9 ausgeführt, aus dem abstrakten Gefährdungscharakter des Delikts sei zu folgen, daß mit der Bezeichnung "Dritter" im § 111 StGB nur solche Außenstehende erfaßt werden, bei denen (selbst) oder durch die (im Weg der Weiterverbreitung) das Ansehen des Bezichtigten auf Grund des inkriminierten Vorwurfs wenigstens der Gefahr einer Beeinträchtigung ausgesetzt sein kann. Ist dagegen im Einzelfall erfahrungsgemäß jede Möglichkeit einer derartigen Rufgefährdung von vornherein ausgeschlossen, wie dies grundsätzlich etwa dort anzunehmen sein wird, wo es sich um eine ehrenrührige Beschuldigung im engeren Familienkreis oder um die gegenüber mehreren Personen erhobene Behauptung eines von ihnen gemeinsam zu vertretenden unehrenhaften oder sittenwidrigen Verhaltens handelt, durch die jeweils eine Beeinträchtigung des Ansehens des (oder der) betroffenen einzelnen weder bei den übrigen Mitteilungsempfängern eintritt noch durch sie zu erwarten ist, dann ist die Tat nicht mit der deliktseigenen Publizität begangen worden.
Der OGH präzisiert nicht näher, wann von einer ehrenrührigen Beschuldigung "im engeren Familienkreis" gesprochen werden kann. Gemeint sein könnte der Fall, daß alle Beteiligten (Beleidiger, Beleidigter und Dritter) dem engeren Familienkreis angehören. Diese Konstellation liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die mitbeteiligte Partei nicht dem engeren Familienkreis des Beschwerdeführers angehört.
Nach der zitierten Rechtsprechung des OGH mangelt es an der deliktseigenen Publizität nur dann, wenn im Einzelfall erfahrungsgemäß jede Möglichkeit einer Rufgefährdung von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall aber nicht vor. Die mitbeteiligte Partei hat in ihrem Brief u.a. auch Tatsachenbehauptungen aufgestellt, bei denen nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, daß sie ungeeignet seien, das Ansehen des Beschwerdeführers bei der Empfängerin des Briefes, nämlich seiner Gattin, in Mitleidenschaft zu ziehen. Daraus folgt aber, daß § 111 StGB anwendbar ist (vgl. Bertel-Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht - Besonderer Teil I, Rz 17 zu § 111). Kommt aber im Beschwerdefall eine Anwendung des § 111 StGB in Betracht, dann scheidet eine Bestrafung nach dem oberösterreichischen Ehrenkränkungsgesetz aus.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Gegenschrift der mitbeteiligten Partei war lediglich in zweifacher Ausfertigung vorzulegen, weshalb auch Stempelgebühren nur für zwei Ausfertigungen zuerkannt werden konnten. Das Mehrbegehren war abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996100180.X00Im RIS seit
20.11.2000