Entscheidungsdatum
12.08.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W247 2232513-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 10 Abs. 3, 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., sowie §§ 52 Abs. 3 iVm Abs. 9, 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig.
I. Verfahrensgang:
1. Antrag auf internationalen Schutz:
1.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste spätestens am 15.05.2013 gemeinsam mit seiner Mutter unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamts vom 16.09.2013, Zl. XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen wurden. Gleichzeitig wurde die Ausweisung des BF in die Russische Föderation verfügt.
1.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.09.2014, GZ XXXX , gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2015, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig ist und die Frist zur freiwilligen Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
1.4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2016, GZ XXXX , gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52 und 55 FPG 2005, als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 08.10.2016 in Rechtskraft.
2. Gegenständlicher Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK:
2.1. Am 04.04.2017 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
2.2. Begründend führte der BF in der dem Antrag beigefügten Stellungnahme aus, er sei bereits seit ca. 4 Jahren im Bundesgebiet aufhältig und hätten sich seit der Ausweisungsentscheidung in seinem Asylverfahren vielfältige Änderungen hinsichtlich seiner Integration ergeben. So habe der BF die deutsche Sprache erworben und habe sich seine soziale Integration intensiviert. Der BF bemühe sich um seine Integration, im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels in Anbetracht seiner Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit, sowie des ihm zur Verfügung stehenden Freundeskreises würde er keinesfalls eine Belastung für die Gebietskörperschaft darstellen. Er habe den Führerschein gemacht, mit welchem er überall im Bereich der Logistik arbeiten und seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Außerdem würden im Bundesgebiet eine Tante und ihre Kinder, sowie seine Schwester und seine Mutter leben. Seine Mutter sei krebskrank, weshalb er sich stets um sich sorgen müsse und leide seine Schwester an Niereninsuffizienz, weshalb er sich um sie kümmere, sowie zum Arzt begleite. Der BF stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Familie, weshalb ersucht werde dem Antrag stattzugeben. Der BF könne ein Konvolut an Integrationsnachweisen und Unterlagen zur Erkrankung seiner Familie vorlegen. Seit der Ausweisungsentscheidung habe sich eine maßgebliche Sachverhaltsänderung in der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des BF ergeben, weshalb eine Ausweisung eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 ERMK bedeuten würde und beantragt werde, ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen.
2.3. Seinem Antrag beigefügt wurden folgende Unterlagen/Dokumente:
? Kopie der Geburtsurkunde des BF in kyrillischer Schrift;
? Kopie eines Diploms des BF aus dem Jahr 2005 in kyrillischer Schrift;
? Kopie des österreichischen Führerscheins des BF mit der Nr. XXXX ;
2.4. Mit Schreiben vom 20.02.2019 wurde dem BF Parteiengehör zum Ergebnis der Beweisaufnahme und der Abgabe einer Stellungnahme binnen einer Frist von einem Monat gewährt, dem der BF mit Übermittlung einer Stellungnahme am 10.04.2019 nachkam. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er ersuche von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen und verweise er auf die Stellungnahme des Ältestenrates. Der BF sei zuletzt im Jahr 2013 in seiner Heimat Dagestan gewesen, habe 11 Jahre lang die Schule besucht, sowie 5 Jahre die XXXX . In der Russischen Föderation sei der BF selbständig gewesen und habe von 2008 bis 2013 gearbeitet. Seine Kinder würden XXXX , 5 Jahre alt, XXXX , 7 Jahre alt, XXXX , 8 Jahre alt und XXXX , 12 Jahre alt, heißen. Die Mutter des BF heiße XXXX . Seine Schwester XXXX , eine Dialysepatientin, habe er zu betreuen und sei diese von seiner Unterstützung abhängig. Dieser Stellungnahme wurden beschwerdeseitig folgende Unterlagen beigelegt:
? Schreiben der „ XXXX “ in kyrillischer Schrift samt deutscher Übersetzung vom 29.10.2018;
? Patientenbrief des XXXX vom 05.02.2019 betreffend XXXX ;
? Entlassungsbrief des XXXX vom 21.03.2019 betreffend XXXX ;
2.5. Mit Auskunftsersuchen vom 13.09.2019 stellte die belangte Behörde einige Fragen zur Betreuung von XXXX und wurde der BF um Beantwortung dieser Fragen ersucht.
2.6. Mit Stellungnahme vom 26.09.2019 führte der BF zusammenfassend aus, dass XXXX in hohem Maße von der Betreuung ihres Bruders XXXX abhängig sei und sei er ihre einzige Vertrauensperson, wobei er sich auch um ihre körperliche Pflege kümmere. XXXX habe zwar wechselnde Heimhilfen, doch wisse sie weder deren Namen, noch deren Telefonnummer und besuche der BF sie täglich, schaue darauf, dass sie ihre Medikamente nehme und begleite sie 4x wöchentlich zur Dialyse ins Spital. Auch falls zwischenzeitig ein Notfall eintrete, rufe der BF die Rettung und begleite XXXX ins Spital. Der BF würde nicht bei ihr leben, sondern lebe sie in einer kleinen Wohnung und bekomme von ihrem Erwachsenenvertreter ein geringes Taschengeld. Außer den BF gäbe es niemanden zudem XXXX Vertrauen habe, ihre Mutter sei abgeschoben worden und ihr Sohn, der beim Vater lebe, sei erst 9 Jahre alt.
Der BF sei von seiner Gattin, die mit den gemeinsamen Kindern in Dagestan lebe, geschieden und halte keinen Kontakt zu ihr. Zwar würden die Mutter, ein Bruder und eine Schwester des BF noch in Dagestan leben, doch könne er dort nicht leben und würde ebendort kein Auslangen finden. Finanzielle Unterstützung könne der BF nicht erwarten und müsse er von der geringen Pension seiner Mutter unterstützt werden, die selbst zu wenig zum Leben habe. Gleichzeitig würde seine Schwester in Österreich unterversorgt. Der BF sei die einzige Bezugsperson seiner Schwester, die im Übrigen neben ihrer körperlichen Erkrankung auch psychisch beeinträchtigt sei. Wenn der BF sich nicht um seine Schwester kümmere, müsste sie einen betreuten Wohnplatz oder ein Pflegeheim in Anspruch nehmen.
2.7. Am 04.12.2019 wurde der BF in seinem Verfahren niederschriftlich vor dem BFA einvernommen, wobei er im Wesentlichen ausführte, dass er gesund sei, doch Schlafmittel nehme, wenn er sehr nervös sei und nicht einschlafen könne. Er habe sein A2 Zertifikat vergessen, aber vor eineinhalb Jahren die Deutschprüfung gemacht und legte im Rahmen dessen ein A1 Zertifikat vor. Der BF würde sich seit 2014 durchgehend im Bundesgebiet aufhalten. Befragt, warum er trotz rechtskräftig negativ abgeschlossenem Verfahren weiterhin in Österreich verbleibe, vermeinte der BF, dass seine Schwester Dialysepatientin sei und er nicht wisse, wie lange sie noch lebe. Seitdem seine Mutter abgeschoben worden sei, gehe es ihr (Anm.: seiner Schwester) schlechter. In seiner Heimat würden noch seine Mutter, sein Bruder, seine Schwester, seine Ex-Frau und seine fünf Kinder leben. Mit seinen Kindern habe er über das Internet Kontakt, sie würden in einer Wohnung in XXXX in Dagestan leben. Seine Mutter würde sich ebenfalls in jenem Ort aufhalten und sein Bruder lebe irgendwo in Russland. Die Mutter des BF sei ebenfalls krank und müsse operiert werden, ihr gehe es nicht gut. Sie lebe bei ihrem Cousin und lebe von ihrer Pension. Die Schwester des BF, welche in Dagestan lebe, sei jünger als der BF und verkaufe Kleidung in einem Geschäft. Zu seiner Schwester in Dagestan und seiner Mutter habe er etwa zweimal pro Woche über Whatsapp Kontakt. XXXX sei seine ältere Schwester, nicht seine Cousine. Im Herkunftsstaat habe der BF ein Schuhgeschäft gehabt, vor seiner Ausreise habe er alles verkauft. Der BF habe ein Diplom als Informatiker. Er habe 11 Jahre die Grundschule besucht und im Anschluss von 2001 bis 2006 Informatik studiert. Seine in Österreich lebende Schwester helfe ihm. Sie bekomme fünfmal wöchentlich Essensgeld von EUR 30,- pro Tag, wovon sie dem BF EUR 10,- gebe. Zusätzlich helfe dem BF seine jetzige Frau. Der BF sei mit Frau XXXX traditionell verheiratet. Standesamtlich hätten sie nicht heiraten können, weil der BF über keinen Aufenthaltstitel verfüge und sehe ihr Sohn den BF als seinen Vater. Befragt gab die bei der Befragung anwesende Lebensgefährtin des BF an, dass sie Sozialhilfe von EUR 800,- und Geld von der Caritas, nämlich EUR 700,- jeden zweiten Monat, bekomme. Für ihren Sohn bekomme sie monatlich EUR 170,- und jeden zweiten Monat EUR 330,-. Der BF lebe mit seiner Lebensgefährtin seit ca. einem Monat in einer Zweizimmerwohnung im 18. Bezirk, wobei sie dort noch nicht gemeldet seien. Der BF verfüge über keine aktuelle Krankenversicherung. Untertags helfe der BF seiner Frau und lerne Deutsch. Er wolle B1 machen und müsse etwas über Österreich lernen. Außerdem kümmere er sich um seine Schwester. Diese verfüge über eine Mitbewohnerin, doch der BF wolle, dass seine Schwester bei ihm lebe und wolle den LKW Führerschein machen. Seine Schwester sei jeden Tag bei ihm, sie habe Angst alleine zu schlafen und atme schwer. Der BF kontrolliere ihre Medikamente und pflege sie. Seine Schwester sei heute nicht mitgekommen, weil sie Dialyse habe und sich im Spital befinde. Dreimal pro Woche müsse sie ins Spital und fahre der BF mit ihr dorthin. Dort bekomme sie zwei Semmeln, ein Getränk und EUR 30,-. An den anderen Tagen komme ein Berater zu ihr nach Hause und bekomme sie dann ihr Geld. 7 oder 8 Stationen sei seine Wohnung von der seiner Schwester entfernt. Der BF sei nicht ehrenamtlich tätig und arbeite nicht in Österreich, weil er nicht könne.
2.8. Im weiteren Verfahrensverlauf brachte der BF folgende Unterlagen in Vorlage:
? Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte betreffend der Lebensgefährtin des BF, gültig bis 02.07.2020;
? ZMR Auszüge des BF vom 08.04.2019 und seiner Lebensgefährtin vom 27.05.2016;
2.9. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.06.2020 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 04.04.2017 gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der BF keine Familienangehörigen mehr im Bundesgebiet hätte, zumal seine Schwester, die von ihm betreut und gepflegt worden sei, verstorben sei. Der BF würde sich seit 2013 im Bundesgebiet aufhalten, sei bis zum Abschluss seines Asylverfahrens lediglich zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen und halte sich derzeit nicht rechtmäßig in Österreich auf. Demnach habe der BF nie über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verfügt und hätte ihm bei der Asylantragstellung bewusst sein müssen, dass er nach einer negativen Entscheidung zur Ausreise verhalten sei. Der BF habe jedoch keine Ausreisewilligkeit gezeigt und würde sich seit rechtkräftiger Entscheidung im Oktober 2016 illegal in Österreich aufhalten. Der BF gehe in Österreich weder einer Beschäftigung nach, noch sei er krankenversichert, Mitglied in einem Verein, einer religiösen Verbindung oder sonstigen Gruppierung. Der BF übe keine ehrenamtliche Tätigkeit aus und beherrsche die deutsche Sprache auf Sprachniveau A1. Er verfüge über eine Freundin im Bundesgebiet, welche zum befristeten Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Strafgerichtlich sei der BF unbescholten. Hinsichtlich seiner Freunde stehe es ihm frei den Kontakt anderweitig, im Wege der Telekommunikation aufrecht zu erhalten und habe der BF nie davon ausgehen können, dass sein Aufenthalt in Österreich von Dauer sei. Die Freundin des BF sei im Übrigen auch russische Staatsangehörige und verfüge lediglich über ein befristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Im Falle des BF würden keine konkreten Hinweise vorliegen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in die Verhältnisse in Österreich hineingewachsen sei und von seinem Herkunftsstaat entwurzelt wäre. Er habe den überwiegenden Teil seines Lebens in der Russischen Föderation verbracht, spreche die dort gesprochenen Sprachen, habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und sei seine gesamte Familie in der Russischen Föderation aufhältig.
Insgesamt komme das BFA zum Ergebnis, dass er Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen sei und eine Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation im Falle des BF zulässig sei, zumal auch kein besonders schützenswertes Privat- und Familienleben erkennbar wäre.
2.10. Mit Verfahrensanordnung vom 03.06.2020 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig für ein etwaiges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
2.11. Mit Schriftsatz vom 23.06.2020, erhob der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter vollumfänglich Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung gegen den oben angeführten Bescheid, zugestellt am 05.06.2020. Begründend wurde im Wesentlichen zunächst auf das Vorverfahren Bezug genommen und im Anschluss ausgeführt, dass der BF am 04.04.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe. So habe er geltend gemacht, dass er sich seit 2013 in Österreich befinde, ein A2 Deutschzertifikat erworben habe und seine Schwester, eine Dialysepatientin, die inzwischen verstorben sei, vorbildlich unterstützt habe. Der BF habe außerdem in Österreich eine Lebensgefährtin, Frau XXXX , geb. am XXXX , deren Abschiebung im Asylverfahren auf Dauer unzulässig sei. Die belangte Behörde sei in casu der Auffassung, dass ein Eingriff in die Rechte des BF gemäß Art. 8 EMRK zulässig sei, weil ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verfolgt werde. Es sei eine individuelle Abwägung vorzunehmen und festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung als verhältnismäßig angesehen werden könne. Es bestehe kein ersichtlicher Grund, weshalb die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch den BF gefährdet sein könnte. Nicht berücksichtigt werde ferner, dass die Corona-Pandemie eine Abschiebung nach Dagestan bzw. die Russische Föderation derzeit ein untragbares Gesundheitsrisiko bedeute.
Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den angefochtenen Bescheid aufheben, 2.) allenfalls den Bescheid beheben und das Verfahren zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückverweisen, 3.) feststellen, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation unzulässig sei, 4.) keine Rückkehrentscheidung treffen und 5.) eine mündliche Verhandlung anberaumen.
2.12. Die Beschwerdevorlage vom 26.06.2020 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 29.06.2020 ein.
2.13. Am 15.09.2020 wurde der Abtretungs-Bericht des LKA XXXX übermittelt, dem zu entnehmen war, dass beim BF im Zuge einer Personendurchsuchung ein Päkchen Heroin sichergestellt werden konnte.
2.14. Am 04.12.2020 übermittelte der BF eine Stellungnahme an das BFA, in welcher er angab, dass seine Versuche eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten, sowie einer Arbeit nachzugehen, gescheitert seien. Ihm sei die Ausstellung eines Visums von BFA XXXX in Aussicht gestellt worden und wisse er nicht mehr weiter, weil er bis dato nichts Weiteres erfahren habe. Er bitte um eine Chance, damit er sich unter Beweis stellen und in eine positive Zukunft blicken könne. Der BF wolle arbeiten und habe Qualifikationen, die im Bau, im Handel und im Verkehr vorteilhat seien. Er habe bereits mehrere Zustimmungen zur Arbeitsaufnahme, weshalb er bitte, ihm eine Arbeitsgenehmigung auszustellen. Im Anhang übermittelte der BF eine Einstellungszusage der XXXX vom 03.12.2020 im Falle einer Arbeitsgenehmigung.
2.15. Mit Schriftsatz vom 26.04.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktuelle Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat (Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation, Stand 13.01.2021) und wurde ihm Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Ladung für die am 10.05.2021 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
2.16. Mit E-Mail vom 28.04.2021 machte der BF zusammenfassend in gebrochenem Deutsch geltend, ihm sei ein Arbeitsvisum zugesagt worden, doch bekomme er seit 2017 gar nichts mehr. Er arbeite manchmal schwarz, aber das reiche nur für Essen und warte er bereits so lange auf dieses Visum. Der BF wisse nicht mehr was er machen solle und bitte um ein Arbeitsvisum, damit er im Bundesgebiet arbeiten könne.
2.17. Am 10.05.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer dem BF einwandfrei verständlichen Dolmetscherin für die Sprache RUSSISCH statt, zu welcher der BF aufgrund seiner Erkrankung nicht erschienen ist, weshalb die Verhandlung vertagt wurde.
2.18. Mit Schriftsatz vom 11.05.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktuelle Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat (Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation, Stand 13.01.2021) und wurde ihm Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Ladung für die am 25.05.2021 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
2.19. Am 25.05.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung einer dem Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetscherin für die Sprache RUSSISCH eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und an welcher dieser auch teilnahm.
Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat aufgehalten haben.
BF: Mein Name ist XXXX . Ich bin am XXXX geboren. Ich komme aus Dagestan, Stadt XXXX . Dort bin ich geboren und dort habe ich bis zu meiner Ausreise gelebt. Ich bin russischer Staatsbürger.
RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
BF: Ich komme aus Dagestan, aber von der Volksgruppe bin ich Tschetschene. Das Volk heißt XXXX .
RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?
BF: Ich bin Muslim.
RI: Welche Ausrichtung?
BF: Sunnitisch.
RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Russischen Föderation, welche Ihre Identität zweifelsfrei beweisen?
BF: Ich habe keine Unterlagen, aber ich habe Kopien gehabt, aber ich habe immer wieder den Wohnort gewechselt. Ich hatte Kopien vom russischen Führerschein, Inlandspass und Geburtsurkunde.
RI: Besitzen Sie einen gültigen Reisepass?
BF: Nein, ich habe keinen Pass. Ich habe einen österreichischen Führerschein, mehr nicht.
RI: Sie haben die Kopie eines Passes, aber den Pass selber nicht?
BF: Den russischen Reisepass habe ich schon längst verloren, aber jetzt habe ich die Kopien auch nicht. Diesen Pass habe ich in Russland verloren. Ich habe alles verloren gehabt, bevor ich hierhergekommen bin. Als ich hier war, hatte ich keine Dokumente.
RI: Welche Sprachen sprechen Sie?
BF: Ich spreche Russisch, Tschetschenisch, drei dagestanische Sprachen, ein bisschen Englisch und Deutsch. Ich spreche schlecht Englisch. Deutsch spreche ich ziemlich gut.
RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Gemeint ist sowohl im Herkunftsstaat, als auch im Bundesgebiet. Ich ersuche Sie um eine genaue Übersicht über ihre bisherige Ausbildung.
BF: Ich habe Matura gemacht von der ersten bis zur elften Klasse. Danach habe ich 1 Jahr Studiumsvorbereitungskurs gemacht. Dann habe ich auf der XXXX studiert 5 Jahre als Programmierer. Das war von 2001 bis 2006. Danach gab es keinen Job für mich in unserer Stadt. Ich habe einen kleinen Betrieb gehabt, wo ich Schuhe hergestellt und verkauft habe.
RI: Sie haben vor dem BFA am 04.12.2019 auf Seite 4 angegeben, dass Sie von 2001 bis 2006 Informatik im Herkunftsstaat studiert haben. Gleiches haben Sie auch heute angegeben. Wo haben Sie dieses Fach studiert, ist das eine universitäre Ausbildung und haben Sie ein Hochschuldiplom von diesem Abschluss?
BF: Ich habe einen Bachelor gemacht und das war in XXXX an der XXXX . Die gegenwärtige humanistische XXXX in XXXX .
RI: Haben Sie gemäß Ihrer Ausbildung jemals im Informatikbereich gearbeitet?
BF: Nein. Es gab keine Möglichkeit zu arbeiten. Es gab keine Arbeit in dieser Richtung, deswegen habe ich diesen Schuhbetrieb gehabt.
RI: Haben Sie sich außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in der Russischen Föderation auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?
BF: Nein.
RI: Wann sind Sie das erste Mal nach Österreich gereist?
BF: 2014.
RI: Was wussten Sie vor Ihrer Einreise von Österreich?
BF: Bevor ich nach Österreich kam, habe ich eigentlich gar nichts über Österreich gewusst. Der Grund, dass ich gekommen bin, war meine Schwester. Sie war Dialysepatientin. Wir wurden von Ärzten angerufen und wir wurden aufgefordert zu kommen, wenn wir sie sehen wollen, weil sie in einem schlechten Zustand war. Als wir hergekommen sind, haben wir erfahren, dass meine Schwester eine neue Niere braucht. Sie war auf einer Warteliste angemeldet. Ich wollte meine Niere spenden, aber dann haben die Ärzte mir das nicht erlaubt, weil ich keinen Aufenthaltstitel in Österreich habe. In dieser Zeit habe ich großen Stress gehabt, bin viel rumgelaufen. Ich habe mit Ärzten gesprochen, dass sie sie vorziehen, damit sie schneller eine Niere bekommt. Das war mein Stress.
RI: Wer ist mit Ihnen nach Österreich gekommen?
BF: Ich bin mit meiner Mutter nach Österreich gekommen.
RI: Wann ist Ihre Mutter, Fr. XXXX , in die Russische Föderation zurückgekehrt?
BF: 2018.
RI: Lebt Ihre Mutter Fr. XXXX seit diesem Zeitpunkt der Rückkehr in den Herkunftsstaat durchgehend in der Russischen Föderation?
BF: Ja.
RI: Ist Ihre Mutter inzwischen von Ihrer Krebserkrankung geheilt?
BF: Nein, sie ist nicht geheilt. Sie hat noch immer Krebs. Sie liegt im Bett. Sie wurde so krank, dass sie im Rollstuhl gelandet ist. Sie hatte Arzttermine hier für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr und wurde aber abgeschoben.
RI: Welche Art von Krebs hat sie?
BF: Die Niere wurde entfernt. Es ist im Nierenbereich. Das wurde alles entfernt. Dort wissen die Ärzte nicht, was sie mit ihr machen sollen. Jetzt sollte sie die 8 OP bekommen, aber sie will das nicht, weil sie ist im schlechten Zustand und es hilft ihr nicht. Sie vertraut den Ärzten dort nicht.
RI: Wo und wovon lebt Ihre Mutter in der Russischen Föderation?
BF: Sie lebt von der Pension. Sie lebt zu Hause.
RI: Hat Sie ein eigenes Haus in ihrem Wohnort?
BF: Sie hat eine kleine Wohnung dort. Das ist nicht meine, sondern ihre. Sie hat bei einer Baufirma 25 Jahre gearbeitet und hat 4 Kinder und hatte Anspruch für die Wohnung und hat diese dann so bekommen.
RI: Wer kümmert sich zurzeit um Ihre Mutter?
BF: Meine Schwester.
RI: Wohnt sie bei Ihrer Mutter?
BF: Ja.
RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit in Russischen Föderation und in welcher Stadt?
BF: Meine Angehörigen leben in Dagestan in XXXX und XXXX . Meine Mutter und meine Schwester leben in XXXX . Mein Vater ist vor 3 Jahren gestorben. Es leben von vs und ms Angehörige in Dagestan. Ich habe 3 Onkel vs, 2 Tanten vs, 2 Onkel ms, 2 Tanten ms. Ich habe einen Bruder, er hat Probleme, er ist irgendwo in Russland. Ich habe eine Schwester, sie kümmert sich um meine Mutter. Ich habe 5 Kinder und sie leben jetzt mit ihrer Mutter und sie wohnt in der Umgebung von meinen Angehörigen. Meine Verwandten unterstützen meine Kinder und meine Frau. Sie hat sich scheiden lassen, als ich weg war.
RI: Wann haben Sie die Mutter Ihrer Kinder, Fr. XXXX , geb. am XXXX , geheiratet?
BF: Nach der XXXX habe ich sie geheiratet. Ich kann mich nicht genau erinnern, das war 2006 oder 2007.
RI: Wann haben Sie sich von Fr. XXXX scheiden lassen und wieso?
BF: 8 Jahre haben wir zusammengelebt. Bevor ich weg war, haben wir alles mit ihrer und meiner Familie besprochen. Wir haben es so ausgemacht, ich fahre weg und dann kommt sie und meine Kinder nach. So war das ausgemacht. Aber als ich weg war, hat sie sich scheiden lassen. Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie mir erklärt, warum sie sich scheiden lassen hat. Sie hat mir gesagt, das war nur Gewohnheit und sie hat die Kinder nur haben wollen, weil sie selber ein Einzelkind gewesen ist. Sie hat sich 2015 scheiden lassen, aber die Gespräche zwischen uns waren seit ich weggegangen bin von zu Hause. Sie hat sich scheiden lasse, obwohl ich gesagt habe, dass ich sie nachholen werde.
RI: Sie haben bei Antragstellung nach § 55 Abs. 2 AsylG am 04.04.2017 angegeben, noch mit Fr. XXXX verheiratet gewesen zu sein. Heute haben Sie angegeben, dass Sie schon seit 2015 von ihr geschieden sind. Wie passen die 2 Geschichten zusammen?
BF: Ich kann nicht die Daten nennen. Sie hat die Scheidung 2015 beantragt, aber dann habe ich die Einvernahme 2017 gehabt. Ich habe gesagt, wir sind geschieden.
RI: Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten in der Russischen Föderation und wie treten Sie in Kontakt?
BF: Ich kontaktiere meine Mutter über WhatsApp und meine Kinder auch.
RI: Wovon leben ihre im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten?
BF: Jeder lebt für sich und nicht so gut. Jeder arbeitet irgendwo, Taxifahrer oder Baustelle.
RI: Wovon lebt Ihre Schwester?
BF: Meine Schwester arbeitet als Verkäuferin. Sie verdient 15.000 Rubel. Das macht ca. 200 €.
RI: Und Ihr Bruder?
BF: Über meinen Bruder weiß ich sehr wenig. Ich kann gar nicht sagen, was er arbeitet. Er lebt im Norden Russlands, Sibirien. Er hat dort eine Frau. Ich weiß überhaupt nicht, was er dort arbeitet.
RI: Wovon lebt Ihre Exfrau und Ihre Kinder?
BF: Meine Kinder leben von meinen Angehörigen, Tanten und Onkeln. Sie geben ihnen Lebensmitteln. Sie unterstützen sie mit allem, was sie brauchen. Wo meine Exfrau arbeitet, weiß ich nicht. Ich glaube, sie beschäftigt sich mit der Erziehung der Kinder, aber ich weiß nicht, ob sie arbeitet. Ich glaube nicht, dass sie arbeitet.
RI: Ist Ihre Familie im Herkunftsstaat im Besitz von Häusern oder Wohnungen?
BF: Ja. Alle besitzen Häuser. Sie haben irgendwas.
RI: Haben Sie Verwandte, die außerhalb Russischen Föderation leben und haben Sie Kontakt zu diesen?
BF: Ich habe hier meine Tante, Schwester meine Mutter, aber ich habe zu ihr keinen Kontakt. Es ist eine schlechte Beziehung zwischen uns. Sie will gar nicht, dass ich sie besuche oder bei ihr übernachte.
RI: Warum haben Sie eine schlechte Beziehung zu Ihrer Tante?
BF: Meine Tante hat meine Schwester, die vor 2 Jahren verstorben ist, hierher mitgenommen und hat ihr versprochen, alles für sie zu machen. Als ich herkam, war meine Schwester in einem schlechten Zustand und als ich mit den Ärzten gesprochen habe, haben die mir mitgeteilt, dass sich die Tante nicht um meine Schwester gekümmert hat. Ich habe einen Dolmetscher genommen und der hat uns das gesagt. Deshalb ist unser Kontakt so schlecht geworden.
RI: Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, Ihre Schwester, die Dialysepatientin in Österreich war, ist vor 2 Jahren verstorben?
BF: Das war vor 1,5 Jahren.
RI: War das Frau XXXX , geb. am XXXX ?
BF: Ja.
RI: Sind Sie verheiratet, haben Sie eine Lebensgefährtin oder Freundin?
BF: Ja, ich bin verheiratet. Am 09.08.2018 habe ich geheiratet. Ich habe sie geheiratet, aber sie ist auch schwerkrank. Ich glaube, mein Schicksal dreht sich um Krankheiten. Ich habe zurzeit kein Einkommen und deswegen sind ihre Eltern dagegen, dass wir zusammenleben. Deshalb habe ich gerade keine Unterkunft und Einkommen. Ich borge mir Geld bei verschiedenen Leuten aus. Deswegen ist meine große Bitte, dass ich eine Möglichkeit in Österreich bekomme, dass ich arbeiten gehen kann. Nur 1 Jahr Probezeit, dass ich mich beweisen kann und meine Schulden bezahlen kann. Ich wollte nur beweisen, wie ich arbeiten kann. Darum bitte ich. Ich habe wegen Schwarzfahren auch noch Strafen. Ich werde mit all meinen Schulden auskommen. Ich will nicht so leben. Ich möchte arbeiten und Geld verdienen. Ich will von niemandem was haben. Ich kann vieles. Es gibt 3 Firmen, die mich jetzt auch nehmen würden, wenn ich eine Arbeitsbewilligung hätte. Ich habe viel geholfen dort. Sie wissen, dass ich vieles kann. Ich kann am Bau arbeiten oder LKW fahren. Ich habe geübt mit der Betonpumpe. Ich möchte noch D und E Schein machen. Mir fehlt nur das Papier, dass ich arbeiten darf. Ich möchte beweisen, dass ich arbeiten kann und ich will das. Bitte, ich möchte arbeiten. Ich kann urkundlich nicht heiraten, daher bin ich traditionell verheiratet. Ich kann nicht am Standesamt heiraten, weil ich keine Papiere habe. Sie heißt XXXX . Sie wollte heute herkommen, aber sie hatte keine Möglichkeit, ihr kleines Kind jemandem zu geben. Das ist nicht mein Kind. Er ist aber wie mein leibliches Kind. Er war 2 Jahre als ich seine Mutter geheiratet habe.
RI: Seit wann kennen Sie Frau XXXX , seit wann sind Sie eine Paar und wie haben Sie sich kennengelernt?
BF: Wir haben uns 2019 kennengelernt.
RI: Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie 2018 geheiratet haben. Wie können Sie sich dann 2019 kennengelernt haben?
BF: Es sind nur 2 Jahre am 09.08, dass wir verheiratet sind.
RI wiederholt die Frage.
BF: Wir haben uns in der XXXX kennengelernt. Dort war ich mit Freunden shoppen. Dort habe ich sie gesehen und kennengelernt. Seitdem hatten wir telefonischen Kontakt. Ich glaube das war ein halbes Jahr vor der Ehe.
RI: War es eine arrangierte Ehe?
BF: Ja.
RI: Leben Sie in einem gemeinsamen Haushalt? Wenn ja, seit wann?
BF: Das ist mein großes Problem. Wir leben nicht zusammen. Ihr Vater hat gesagt, nein, ich habe keine Wohnung und kein Einkommen. Deshalb will er nicht, dass wir zusammenleben. Ihr Vater ist dagegen.
RI: Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt mit Fr. XXXX zusammengelebt?
BF: Ja. Anfangs haben wir zusammengelebt für ein paar Monate. Die Wohnung hat meine Frau gemietet. Ich hatte keine Unterlagen. Wir haben dort zusammengelebt. Aber dann war wieder ihr Vater dagegen, weil ich kein Einkommen habe und er hat sie zu sich zurückgeholt. Sie hat diese Wohnung dann abgeben müssen.
RI: Wie lange haben Sie zusammengelebt und an welcher Adresse war das?
BF: Das war bei der XXXX . Dort in der Nähe war die Wohnung. Ich habe gesagt, 2-3 Monate haben wir dort zusammengelebt.
RI: Wovon lebt Fr. XXXX in Österreich?
BF: Sie bekommt Unterhalt von Caritas einmal in 2 Monaten. Sie ist auch krank und braucht eine Behandlung. Deswegen wollte ich auch arbeiten gehen, damit sie ihre Behandlung kriegt.
RI: Welche Erkrankung hat sie?
BF: Sie hat Tuberkulose seit der Kindheit. Sie hat 1 Jahr im Krankenhaus verbracht hier, als sie hergekommen ist. Es wurde dann besser. Jetzt leidet sie unter Asthma und hat Probleme mit dem Kopf. Sie hat immer Kopfschmerzen und scheint eine Entzündung in der Stirnhöhle zu haben, aber eine Diagnose hat sie nicht.
RI: Seit wann leidet sie an Tuberkulose?
BF: Sie hat mir erzählt, seit sie 7 oder 8 Jahre alt ist. Mit 13 ist sie nach Österreich gekommen. Genau weiß ich es nicht. Als sie hergekommen ist, mit 13 oder 14, wurde sie von XXXX ins Spital gebracht und war dort 1 Jahr. Das Problem mit der Tuberkulose hat sie schon von vs mitbekommen.
RI: Welchen Aufenthaltstitel hat Frau XXXX in Österreich und seit wann?
BF: Sie hat § 15 zuerst gehabt und dann hat sie Visum bekommen. Dieses Visum ist schon abgelaufen. Jetzt wartet sie auf nächsten Bescheid.
BF legt vor: eine Kopie einer Aufenthaltsberechtigungskarte betreffend seine Lebensgefährtin mit Ablaufdatum 02.07.2020, wird zum Akt genommen.
RI: Wie bestreiten Sie in Österreich ihren Lebensunterhalt?
BF: Ich verdiene schwarz. Ich habe keine andere Möglichkeit. Ich muss überlebe. Ich habe Leute, die mich anrufen, wenn sie was brauchen. Auf Baustellen trage ich Mist weg. Ich kann Wände ausmalen, Laminat legen. Ich kann viel mit Bauarbeiten machen. Davon lebe ich. Ich kann nicht krank werden, ich habe keine Versicherung. Diese Arbeit gibt es nicht immer. Manchmal ist es zweimal in der Woche oder weniger. Der Chef sagt, wenn ich eine Arbeitsbewilligung hätte, würden sie mich dort anmelden.
RI: Haben Sie eine schriftliche Arbeitsplatzzusage?
BF: Ich habe es ans BFA geschickt.
RI: Im Akt liegt ein eine Bestätigung von XXXX vom 03.12.2020, aus der hervorgeht, dass der BF im Falle einer Arbeitsgenehmigung Vollzeit in das Unternehmen aufgenommen wird.
BF: Genau das ist es. Der Chef hat mich sehr gerne.
RI: Wieviel Geld steht Ihnen monatlich zur Bestreitung Ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung?
BF: Bis 400 oder 500 € komme ich im Monat. Manchmal ist einmal in der Woche oder zweimal oder dreimal. Der Chef hat gesagt, wenn ich angemeldet arbeite, verdiene ich 1800 bis 2200 € dort ungefähr.
RI: Diese 400 – 500 € sind alles Einkünfte aus der Schwarzarbeit?
BF: Ja. Sie haben Angst mich zu rufen, weil es gefährlich ist. Sie rufen mich nur in Notfällen, wenn sie dringend was brauchen.
RI: Wo wohnen Sie zur Zeit?
BF: Ich habe keine Unterkunft. Ich verbringe ein bis zwei Nächte bei einem Freund, dann bei wem anderen. Ich muss auch auf der Straße bleiben. In irgendeiner Stiege. Wenn ich jetzt gehe, habe ich nichts, wo ich hingehen kann. Wenn Sie eine Möglichkeit hätten, wo ich bleiben kann, wäre ich sehr dankbar. Ich habe keinen Berater.
RI: Aber Sie haben doch einen RV.
BF: Er ist mit mir nicht in Kontakt. Er hilft mir nicht. Er macht für mich nichts.
RI: VORHALTUNG: Laut aktuellem ZMR-Auszug sind Sie als Obdachloser an der Adresse XXXX gemeldet. Laut Eingangsstück vom 28.04.2021 ist Ihre Postadresse aber die XXXX . Wieso sind Sie nicht an dieser Adresse amtlich gemeldet, sondern leben offiziell als Obdachloser an dieser nicht gemeldeten Adresse im Verborgenen?
BF: Am XXXX war nur die Postadresse. In der XXXX wohnt meine Frau. Ich musste jede Woche zum XXXX gehen und die Post holen. Ich wusste das nicht und sie haben mich abgemeldet. Dann habe ich angegeben, dass man mir die Post in die XXXX schicken soll.
RI: Laut aktuellem ZMR-Auszug sind Sie immer noch an der Adresse XXXX als Obdachloser gemeldet. Laut dem Auszug sind Sie noch nicht abgemeldet worden.
BF: Ich war zweimal dann dort und mir wurde gesagt, dass meine Post zurückgeschickt wird. Ich weiß nicht, warum mir das gesagt wird.
RI: An der XXXX wohnt Ihre Frau und das ist Ihre Zustelladresse?
BF: Ich meinte nur, dass wenn ich eine Adresse wo angeben muss, sage ich, dass sie es an diese Adresse schicken sollen.
RI: VORHALTUNG: Sie haben vor dem BFA am 04.12.2019 auf Seite 4 angegeben gemeinsam mit Fr XXXX in einer Wohnung in XXXX , in der XXXX gelebt zu haben. Sie waren aber auch an dieser Adresse nie amtlich gemeldet, da Sie laut ZMR-Auskunft seit 08.04.2019 durchgängig am XXXX als Obdachloser gemeldet sind. Wieso kommen Sie im Bundesgebiet Ihrer gesetzlichen Meldeverpflichtung nicht nach, sondern leben seit 2019 im Verborgenen?
BF: Meine Frau war kurz im Mutterheim dort, weil sie hatte wegen mir Streit mit ihrem Vater. Dann war sie weg von zu Hause und hat dort gewohnt. Sie war nicht lange dort.
RI: War das die Adresse, an der Sie 2-3 Monate mit ihr gelebt haben?
BF: Nein. Wir lebten beim Prater zusammen.
RI: Wieviel geben Sie monatlich für Kleidung und Lebensmittel aus?
BF: Letzten Monat hatte ich kein Einkommen. Ich esse sehr wenig. Ich habe in drei Tagen kaum gegessen.
RI: Welche sonstigen fixen monatlichen Ausgaben müssen Sie bestreiten (Handy, Verkehrsmittel, Internet, etc.)?
BF: Ich zahle 15 € für Guthaben für das Handy und meine Frau ladet mir das Guthaben auch auf, wenn ich kein Geld habe.
RI: Läuft der Handyvertrag auf Sie oder Ihre Frau?
BF: Es gibt keinen Vertrag. Ein Freund hat mir das Handy geschenkt und es funktioniert mit Wertkarten.
RI: Haben Sie in Österreich oder auch in der Russischen Föderation sonstige Vermögenswerte?
BF: Nein, ich habe nichts. In Russland habe ich gar keine Freunde. Alles, was ich habe, ist jetzt hier.
RI: Verfügen Sie im Bundesgebiet über ein eigenes Auto oder Motorrad?
BF: Ich habe jetzt kein Auto, aber wir hatten kurze Zeit ein Auto, was meine Frau gekauft hat. Wir hatten kein Geld dafür und haben es wiederverkauft.
RI: Verfügen Sie über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz und ist diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig?
BF: Nein.
RI: Haben Sie eine Kreditkarte? Wenn ja, wie hoch ist diese belastet? Bitte um etwaige Nachweise.
BF: Nein, habe ich keine.
RI: Haben Sie in Österreich Kredite laufen? Wenn ja, wie hoch sind diese und haben Sie den Kreditvertrag mit?
BF: Nein. Ich kann sogar kein Telefon mit Vertrag nehmen.
RI: Haben Sie Schulden in Österreich oder unbezahlte Rechnungen? Wenn ja, wie hoch und wann müssen Sie diese tilgen?
BF: Ja, von Wiener Linien wegen Tickets und ich kann sie nicht zahlen. Bei McFit habe ich Schulden. Bei Freunden habe ich ca. 3000 - 4000 € Schulden.
RI: Wann müssen Sie die zurückzahlen?
BF: Ich will das am liebsten früher zurückgeben. Viele verstehen meine Situation, aber manche brauchen es schnell. Manche können nicht so lange warten.
RI: VORHALTUNG: Sie haben in Österreich am 15.05.2013 einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 26.09.2014 rechtskräftig negativ entschieden. Seitdem sind sie in Österreich unrechtmäßig aufhältig. Auch wurde Ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels, sowie gegen die Rückkehrentscheidung als auch die Zulässigkeit der Abschiebung mit Erkenntnis des BVwG 04.10.2016 negativ entschieden. Sie sind aber Ihrer Ausreiseverpflichtung trotzdem nicht nachgekommen, vielmehr weiterhin im Bundesgebiet verblieben und haben dann gegenständlichen Antrag nach § 55 AsylG gestellt. Warum sind Sie nicht in Ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt, zumal der Großteil Ihrer Familie, wie Ihre Mutter, Ihre Schwester, Ihr Bruder und vorallem Ihre 5 Kinder samt Ex-Frau immer noch dort wohnhaft sind?
BF: Ich habe dort in Russland eh nichts. Ich habe meinen Vater und meine Familie verloren. Meine Mutter ist dort, sie ist krank. Vor 2 Jahren habe ich meine Schwester verloren. Ich habe so viele Verluste gehabt. Ich habe dort kein Leben. Ich möchte mir mein Leben hier aufbauen, aber es klappt auch nicht. Was habe ich hier?
RI: Sind Sie in Österreich zu irgendeinem Zeitpunkt einer geregelten Arbeit nachgegangen?
BF: Ich habe 2 Wochen mit einem Freund gearbeitet. Ich wollte das mit dem Beton LKW lernen. Ich bin 2 Wochen mit diesem Freund von 6 bis 18 Uhr herumgefahren. Aber sonst nichts.
RI: Sind Sie seit Ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation in 2013 wieder einmal in der Russischen Föderation gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?
BF: Nein.
RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation?
BF: Ich kann nicht zurückfahren nach Russland. Dort ist es nicht sicher. Es wird nicht alles im Fernsehen gezeigt. Ich habe dort schon alles verloren.
RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?
BF: Ich habe viele Pläne in Österreich. Zuerst möchte ich in dieser Firma arbeiten. Bis ich 45-50 bin, möchte ich dort arbeiten. Dann kann ich etwas Privates eröffnen. Vielleicht eine Schuhfirma oder eine Wurstproduktion. Ich möchte noch ein eigenes Kind haben und mein Leben hier aufbauen. Ich kann vieles, ich habe viele Pläne.
RI: Haben Sie sich bereits erkundigt, welche Voraussetzungen Sie für diese Arbeitswünsche in Österreich mitbringen müssen?
BF: Ja, ich habe mich erkundigt. B1 möchte ich noch abschließen. Den E und den D Schein. Ich rechne mit einem Jahr, dass ich alles schaffe. Ich möchte, dass es berufsbegleitend erfolgt.
RI: Sind Sie in Österreich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen?
BF: Ja. Ich habe in Schwechat gelebt und dort habe ich in der Kirche geholfen. Der Pfarrer hat mich immer eingeladen. Ich konnte dort den Bus fahren. Bei Feiern wurde ich eingeladen. Bis jetzt rufen sie mich an.
RI: Das war alles ehrenamtlich?
BF: Ja. Ich habe sehr gute Beziehungen dort. Sie zahlen mir nichts. Sie geben mir manchmal Gutscheine zum Essen und so helfen sie mir.
RI: Haben Sie Nachweise dafür?
BF: Früher haben sie mir welche gegeben, aber von letzter Zeit habe ich keine Bestätigungen. Ich habe meinem Anwalt ein Papier von dieser Kirche gegeben, dass ich dort geholfen habe, aber seit meine Schwester gestorben ist, mache ich dort weniger.
RI: Haben Sie sich in Österreich sonst aus-, fort-, oder weitergebildet?
BF: Ich habe mir für Kurse Termine gemacht, aber nicht besucht. Ich habe Prüfungen A1 und A2 bestanden. Dann bin ich mitgegangen mit Freunden, um zu lernen, wie man Laminat legt oder ausmalt.
RI: Haben Sie Nachweise für Ihre A1 und A2 Bestätigungen?
BF legt vor: eine ÖSD Karte Zertifikat A1.
RI: Für A2 haben Sie auch einen Nachweis?
BF: Nein, für die Prüfung bräuchte ich Geld. Deswegen habe ich keine Prüfung gemacht, aber sie haben mir gesagt, dass ich es kann. Sie haben mir gesagt, dass ich B1 auch gut kann, aber schriftlich müsste ich es noch nachholen.
RI (ohne Übersetzung): Was gefällt Ihnen an Österreich?
BF (ohne Übersetzung): Mich gefällt erste das Gesetz und mir gefällt hier kann Mensch machen seine Plan und das, wie sagt man, seine Plan hier machen. Was Mensch will kann alles machen und Gesetz hört das und Staat helfen die Menschen. Und das gefällt. Menschen alle sehr nett. Alle Menschen. Alle wer mich kennt ist alle sehr gute Menschen.
RI (ohne Übersetzung): Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Was sind Ihre Hobbies?
BF (ohne Übersetzung): Jetzt momentan habe ich viel Freizeit. Wann ich hab Freizeit mache ich mehr mit Kinder und Frau. Mit Kinder bisschen Spaß machen. Mit Frau bisschen spazieren. Aber sonst ich lerne was. Was ich brauche für Familie später.
RI (ohne Übersetzung): Was haben Sie am vergangenem Wochenende gemacht?
BF: (ohne Übersetzung): Wochenende ehrlich gesagt ich nicht viel machen. Ich gehe spazieren. Was kann ich ohne Geld und ohne Ausweise machen? Ich gehe spazieren wenn Kontrolle kommt ich kriege Probleme. Mehr mit Familie machen. Bald ich gehe Spielplatz mit Kinder.
RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einem Klub in Österreich?
BF: Ich wurde eingeladen in einen Klub am Stephansplatz glaube ich. Es war genau die Zeit, als mein Vater gestorben ist und ich bin der Einladung nicht nachgegangen.
RI: Was war das für ein Klub?
BF: Das war ein Klub, der kranke Kinder unterstützt. Ich mag das. Man muss sie unterstützen und ich mache das gerne.
RI: Haben Sie österreichische Freunde?
BF: Ja, natürlich.
RI: Haben Sie in Österreich viele Freunde mit dagestanischen Wurzeln?
BF: Nicht viel. Ich bin ein sehr internationaler Mensch. Ich unterhalte mich lieber mit anderen Nationalitäten als mit Dagestaner. Ich habe österreichische, türkische, serbische, albanische Freunde. Auch spanische. Das bringt meine Sprache weiter. Mir ist es lieber Deutsch zu sprechen.
RI: Haben Sie einen Nachweis des Integrationsfonds über das Ablegen der Integrationsprüfung gemäß § 11 oder § 12 IntegrationsG?
BF: Deutschkurse schon, aber Integrationsprüfung nicht. Mein RV sagt mir nichts. Ich habe ihn immer wieder angerufen und gefragt, was ich machen muss, aber er sagt mir nichts. Er hat mir immer wieder nur gesagt, du hast deine Chance.
RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie gesund?
BF: Ja, Gott sei Dank, alles ist gut. Nur Stress habe ich und Schlafstörungen dadurch. Ich habe Zahnschmerzen gehabt, aber da bin ich durchgekommen.
RI: Nehmen Sie Medikamente?
BF: Nein. Ich nehme keine Medikamente. Ich habe keine Versicherung. Ich würde eigentlich gerne für meine Nerven etwas nehmen, um den Stress runterzubringen. Ich habe keine Stelle zum Schlafen. Das stresst mich.
RI: Sind Sie in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung?
BF: Nein. Ich habe doch keine Versicherung.
RI: Sind Sie arbeitsfähig?
BF: Ja.
RI: Sind Sie im Herkunftsstaat je straffällig geworden?
BF: Nein.
RI: Haben Sie im Bundesgebiet je ein strafrechtswidriges Verhalten gesetzt?
BF: Ja, ich wurde mal angehalten und wurde 42 Tage festgehalten. Dann bin ich unschuldig rausgekommen. Ich habe auch was bezahlt bekommen dafür. Für jeden Tag haben sie mir 20 € gegeben.
RI: VORHALTUNG: Aus dem kriminalpolizeilichen Aktenindex gibt es zu Ihrer Person 7 Deliktseintragungen. Hier geht es im Zeitraum 25.05.2014 bis 01.01.2021 um den Vermerk von 2 Vorfällen iZm Körperverletzungen, nämlich am 25.05.2014, am 21.10.2017, von 3 Vorfällen iZm Suchtmitteldelikten, nämlich vom 01.09.2016 bis 29.11.2017, sowie am 18.07.2020 und am 01.01.2021, sowie um Raufhandel am 11.08.2015, sowie gefährliche Drohung am 21.10.2017. Was sagen Sie zu diesen Vorfällen? Ich weise Sie erneut darauf hin, dass Sie sich nicht selbst belasten müssen.
BF: Körperverletzung habe ich nicht gemacht. Im Heim gab es eine Diskussion. Damals hatte ich eine Diskussion mit einem Afghanen, weil die sich nicht an Regeln gehalten haben und ich habe sie dazu aufgefordert. Sie haben mich dann geschlagen und nicht ich. Mein Daumen ist gebrochen. Ich habe keine Anzeige gemacht und bin nicht zum Arzt gegangen. Sie haben aber mich angezeigt. Wir waren bei Gericht und dann haben wir uns geeinigt. Ich war mit Leuten unterwegs, die nicht so gut waren. Ich habe mich damals nicht ausgekannt. Das ist lange her. Ich habe nichts mit Suchtgift gehabt, aber die Leute, mit denen ich war, hatten was. Deshalb wurde ich auch aufgehalten, aber ich persönlich habe nichts damit zu tun gehabt. Ich war ja einige Zeit mit diesen Leuten zusammen. Ich hatte aber nichts damit zu tun. Ich habe auch keinen Alkohol getrunken. Ich habe dann aufgehört mit diesen Leuten zu sein und dann ist mein Vater gestorben.
RI: Das Protokoll wird Ihnen nun rückübersetzt. […]“
2.20. Mit Schriftsatz vom 16.07.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktuelle Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat (Version 3, Stand 10.06.2021) und wurde ihm Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 7 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen.
2.21 Mit beschwerdeseitiger Stellungnahme vom 23.07.2021 wurde mitgeteilt, dass derzeit eine Abschiebung nach Russland auf Grund der grassierenden COVID 19-Pandemie ausgeschlossen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages des BF vom 04.04.2017, der für den BF am 23.06.2020 eingebrachten Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 03.06.2020, der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in die vom BF vorgelegten Unterlagen, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, des Strafregisters der Republik Österreich, des AJ-Web, sowie nach mündlicher Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.05.2021, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
1.1. Zum Vorverfahren und gegenständlichen Verfahren:
Der BF reiste spätestens am 15.05.2013 mit seiner Mutter unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamts vom 16.09.2013, Zl. XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Ausweisung des BF in die Russische Föderation verfügt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.09.2014, GZ XXXX ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde jedoch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, weshalb mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2015, Zl. XXXX , dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Weiters wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig ist und die Frist zur freiwilligen Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2016, GZ XXXX , als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 08.10.2016 in Rechtskraft. Seit diesem Zeitpunkt hält sich der BF unrechtmäßig in Österreich auf.
Am 04.04.2017 stellte der BF den gegenständlichen Antrag gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF ist Staatsgehöriger der Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Der BF spricht Russisch, Tschetschenisch und drei dagestanische Sprachen.
Der BF wurde in XXXX , in Dagestan, geboren, ist ebendort aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Er hat in Dagestan 11 Jahre lang die Schule besucht und nach dem Schulabschluss einen einjährigen Studiumsvorbereitungskurs absolviert. Von 2001 bis 2006 hat der BF an der XXXX in XXXX Informatik studiert, wobei er das Studium mit einem Bachelor abgeschlossen hat. Der BF hat im Herkunftsstaat nie als Informatiker gearbeitet. Er hat von 2008 bis 2013 selbständig einen Schuhbetrieb geführt, wobei er Schuhe hergestellt und verkauft hat.
Im Jahr 2006 oder 2007 hat der BF XXXX , geb. am XXXX , geheiratet, mit der er fünf gemeinsame Kinder hat. Seit dem Jahr 2015 ist der BF von ihr geschieden. Zu den gemeinsamen Kindern hat der BF regelmäßig über Whatsapp Kontakt.
In Dagestan leben noch die Ex-Frau, sowie die fünf Kinder des BF, seine Schwester, seine Mutter und zahlreiche Onkeln, sowie Tanten. Der Bruder des BF lebt in Sibirien und ist verheiratet. Sein Vater ist bereits vor 3 Jahren verstorben. Die Mutter des BF lebt gemeinsam mit der Schwester des BF in einer Wohnung in XXXX , wobei sich seine Schwester um die krebserkrankte Mutter kümmert. Die Schwester des BF arbeitet als Verkäuferin. Die Verwandten des BF unterstützen seine Ex-Frau und seine Kinder mit allem was sie brauchen, beispielsweise mit Lebensmitteln. Die Ex-Frau und die Kinder des BF leben in der Umgebung von weiteren Angehörigen des BF. Der BF geht davon aus, dass seine Ex-Frau nicht erwerbstätig ist. Die Familie des BF ist im Besitz von Häusern oder Wohnungen.
Die Mutter des BF leidet an Krebs und hatte bereits zahlreiche Operationen, wobei eine weitere bevorsteht. Ursprünglich ist der BF mit seiner Mutter in das Bundesgebiet eingereist, seit ihrer Abschiebung im Jahr 2018 lebt diese jedoch wieder ununterbrochen in Dagestan. Die Mutter des BF bezieht im Herkunftsstaat eine Pension und hat der BF regelmäßig über Whatsapp Kontakt zu ihr.
Der BF ist im Bundesgebiet obdachlos und seit 08.04.2019 im XXXX Caritas gemeldet. Er hat keinen regelmäßigen Schlafplatz, manchmal schläft er bei Freunden, gelegentlich auch auf der Straße. Von 08.02.2019 bi 08.04.2019 verfügte der BF über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Der BF ist in Österreich nicht krankenversichert und bestreitet sein Einkommen von EUR 400,- bis 500,- monatlich im Bundesgebiet aus der Verrichtung von Schwarzarbeit. Der BF ging im Bundesgebiet nie einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach und hat Schulden von EUR 3.000,- bis 4.000,-.
Der BF führt im Bundesgebiet eine Lebensgemeinschaft mit XXXX , geb. am XXXX , einer ebenfalls russischen Staatsangehörigen, die bis 02.07.2020 im Besitz eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG war und mit der er traditionell verheiratet ist. Es kann nicht festgestellt werden, wann der BF seine Lebensgefährtin traditionell geheiratet hat. Die Lebensgefährtin des BF hat ein Kind, wobei der BF nicht der leibliche Vater dieses Kindes ist. Zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin bestand lediglich für 2-3 Monate ein gemeinsamer Haushalt, wobei diese nie an derselben Adresse gemeldet waren. Derzeit besteht kein gemeinsamer Haushalt mit der Lebensgefährtin des BF und deren Kind. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen ist nicht hervorgekommen. Der BF verfügt darüber hinaus über eine Tante und deren Kinder im Bundesgebiet, mit denen er jedoch keinen Kontakt hat und zu denen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Die dialysebedürftige Schwester des BF, XXXX , geb. am XXXX , ist vor etwa eineinhalb Jahren im Bundesgebiet verstorben. Sie war in Österreich asylberechtigt.
Der BF verfügt über ein Sprachzertifikat auf Sprachniveau A1 und über einfache Deutschkenntnisse. Er hat eine Arbeitsplatzzusage auf Vollzeitbasis in einem Transportunternehmen und verfügt über einen österreichischen Führerschein. Darüber hinaus ist der BF keiner sonstigen Berufs-, Aus-, oder Weiterbildung in Österreich nachgegangen.
Der BF hat einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet. Er ist gesund, arbeitsfähig und leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten. Der BF ist strafrechtlich unbeschol