TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 W151 2208913-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W151 2208913-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (EASt-West), vom 28.09.2018, Zl. XXXX , wegen §§ 3, 8, 10 und 57 AsylG 2005 und §§ 46, 52 und 55 FPG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

1. beschlossen:

A) Das Verfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass für XXXX , geb. XXXX eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und ihm eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.

III.    Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und diese behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer oder BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe der LPD Salzburg.

2. Am 22.02.2018 erfolgte eine Ersteinvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde).

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

5. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 06.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben vom 05.06.2019, 23.02.2021, 25.06.2021 und 30.06.2021 legte der Beschwerdeführer jeweils diverse Integrationsunterlagen vor.

7. Am 09.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi durch, in der der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer seine Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. des bekämpften Bescheides zurückzog.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Familien- und Privatleben in Österreich:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer spricht Farsi als Muttersprache.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit November 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 20.11.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seiner Mutter, einem Bruder und zwei Schwestern, denen in Österreich zu GZ XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einer gemeinsamen Mietwohnung in Österreich. Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Mutter im Mietvertrag als Mieter genannt ist und kommt anteilig für die Miete auf. Es besteht damit sowohl eine gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, als auch ein enges persönliches Naheverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen zum dauerhaften Aufenthalt in Österreich berechtigten Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer verfügt damit über schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 ERMK in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat die Dauer seines Aufenthalts in Österreich zudem genutzt, um sich einerseits durch den Erwerb von außerordentlichen Deutschkenntnissen und einer Schul- und Berufsausbildung, andererseits durch das Knüpfen einer Vielzahl sozialer Kontakte hervorragend zu integrieren:

Er besuchte ab dem Schuljahr 2016/17 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX und schloss diese im Schuljahr 2020/21 mit der Reifeprüfung ab. Er legte bereits am 27.06.2016 die ÖSD Prüfung B1 positiv ab. Am 14.12.2018 absolvierte er die Integrationsprüfung B1 des ÖIF, bestehend aus Inhalten zu Sprachkompetenz auf Sprachniveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen, wobei er jeweils die Mindestpunkteanzahl erreichte, und erfüllt damit Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG (sowie auch Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemäß § 10 IntG). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 09.07.2021 sprach der Beschwerdeführer fließend Deutsch.

Der Beschwerdeführer entwickelte gemeinsam mit drei Mitschülern im Rahmen des Schulgegenstandes Businesstraining, Projekt- und Qualitätsmanagement, Übungsfirma und Case Studies einen Businessplan zur Entwicklung des Produkts „ XXXX “, einem Handyladesystem über einen Fahrraddynamo und gewann mit diesem Produkt beim bundesweiten Businessplan-Wettbewerb „ XXXX “ den ersten Platz.

Der Beschwerdeführer zeigte ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement in der Marktgemeinde XXXX , wie etwa im Rahmen eines Menschenrechtesymposiums, der Befreiungsfeier des ehemaligen KZ Mauthausen oder der Eröffnungsfeier des Hauses der Erinnerung, wo er sich jeweils durch konkrete Beiträge einbrachte und sich auch dauerhaft als ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Verfügung stellte. Er verfügt über eine Einstellungszusage bei „ XXXX “, wo er bereits ein Praktikum absolvierte, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer in absehbarer Zukunft die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangen wird.

Der Beschwerdeführer legte zahlreiche Unterstützungsschreiben vor, aus denen ein dichtes Netzwerk an sozialen Kontakten ersichtlich ist. Insgesamt ist der Beschwerdeführer somit sozial und privat in Österreich hervorragend integriert und verfügt somit auch über ein schützenswertes Privatleben in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2.       Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, dem bekämpften Bescheid, der Beschwerde, den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zur Person, insbesondere zu Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf die unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, welche im Administrativverfahren nicht strittig waren.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Bei der im Spruch genannten handelt es sich um eine Verfahrensidentität.

2.2.    Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seiner Schulausbildung und beruflichen Tätigkeiten und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere auf die im Beschwerdeverfahren eingebrachten Unterlagen, sowie auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA folgende Integrationsunterlagen vor:

?        diverse Empfehlungsschreiben für die Familie XXXX , u.a. Stellungnahme des Bürgermeisters XXXX ;

?        Schreiben des Land- und Forstbetriebs XXXX über Projektmitarbeit Biotopbau;

?        Stellungnahme der HAK/HAS XXXX zum Asylverfahren;

?        Abschlussbestätigung Übergangsstufe an BMHS;

?        Schulnachricht und Jahreszeugnis 2016/2017;

?        Semesterzeugnis 2017/2018 (2. Klasse HAK);

?        Schulbesuchsbestätigung vom 12.9.2017 HAH XXXX ;

?        ÖSD Zertifikat B1 vom 27.06.2016;

?        Zertifikat für Workshop des YCC;

?        Teilnahmebestätigung „Extremismus und Rassismus Schulung“ von SOS Menschenrechte;

?        Teilnahmebestätigung Business in Action;

?        WKO – Jobprofil 2017;

?        diverse Empfehlungsschreiben der Klasse 2a der HAK in XXXX ;

?        Arbeitszusage der Fa. XXXX .

Im Beschwerdeverfahren legte der Beschwerdeführer ferner folgende Unterlagen vor:

?        Bestätigung der Volkshilfe, Therapiezentrum OASIS über Teilnahme an Kriseninterventionsgesprächen 05.11.2018;

?        Erneute Einstellungszusage XXXX vom 30.10.2018;

?        ÖSD-Zeugnis zur Integrationsprüfung B1 vom 22.12.2018;

?        Semesterzeugnis Schuljahr 2018/19 der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX ;

?        Teilnahmebestätigung des österreichischen Jugendrotkreuzes für den Auffrischungskurs Erste Hilfe;

?        Bestätigung über Teilnahme am Bundesfinale Businessplan-Wettbewerb „ XXXX “;

?        Urkunde für Schüler-/Projektgruppe „ XXXX “ über 1. Platz der Kategorie I – Bester Businessplan in Österreich beim Bank Austria Ideen- und Businessplan-Wettbewerb „ XXXX “;

?        Diverse Berichte über „ XXXX “;

?        Zahlreiche Empfehlungsschreiben und Verweise auf Medienbeiträge des Bezirksblatts „meinbezirk.at“;

?        Diverse Lichtbilder über Engagement des Beschwerdeführers ua. im Rahmen der KZ-Befreiungsfeier in XXXX , Mai 2018;

?        Teilnahmebestätigung SAP;

?        Bestätigung der HAK/HAS XXXX über Tätigkeit als Klassensprecher-Stellvertreter;

?        Reife- und Diplomprüfungszeugnis der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX .

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 07.07.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 38/2011) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A)

3.1.    Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Auf Grund der Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. in mündlicher Verhandlung am 09.07.2021 ist das Verfahren hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

3.2.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

§ 57 AsylG lautet auszugsweise:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

…“

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerde war in diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

3.3.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

§ 58 AsylG 2005 lautet:

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

§ 52 (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

In der Sache:

Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seiner Mutter, einem Bruder und zwei Schwestern, denen in Österreich zu GZ XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einer gemeinsamen Mietwohnung in Österreich. Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Mutter im Mietvertrag als Mieter genannt ist und kommt anteilig für die Miete auf. Es besteht damit sowohl eine gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, als auch ein enges persönliches Naheverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen zum dauerhaften Aufenthalt in Österreich berechtigten Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer verfügt damit über schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 ERMK in Österreich.

Zudem würde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenständlich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit November 2015 – somit inzwischen über fünfeinhalb Jahre – durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 20.11.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat die Dauer seines Aufenthalts in Österreich zudem genutzt, um sich einerseits durch den Erwerb von außerordentlichen Deutschkenntnissen und einer Schul- und Berufsausbildung, andererseits durch das Knüpfen einer Vielzahl sozialer Kontakte hervorragend zu integrieren:

Er besuchte ab dem Schuljahr 2016/17 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX und schloss diese im Schuljahr 2020/21 mit der Reifeprüfung ab. Er legte bereits am 27.06.2016 die ÖSD Prüfung B1 positiv ab. Am 14.12.2018 absolvierte er die Integrationsprüfung B1 des ÖIF, bestehend aus Inhalten zu Sprachkompetenz auf Sprachniveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen, wobei er jeweils die Mindestpunkteanzahl erreichte, und erfüllt damit Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG (sowie auch Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemäß § 10 IntG). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 09.07.2021 sprach der Beschwerdeführer fließend Deutsch.

Der Beschwerdeführer entwickelte gemeinsam mit drei Mitschülern im Rahmen des Schulgegenstandes Businesstraining, Projekt- und Qualitätsmanagement, Übungsfirma und Case Studies einen Businessplan zur Entwicklung des Produkts „ XXXX “, einem Handyladesystem über einen Fahrraddynamo und gewann mit diesem Produkt beim bundesweiten Businessplan-Wettbewerb „ XXXX “ den ersten Platz.

Der Beschwerdeführer zeigte ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement in der Marktgemeinde XXXX , wie etwa im Rahmen eines Menschenrechtesymposiums, der Befreiungsfeier des ehemaligen KZ Mauthausen oder der Eröffnungsfeier des Hauses der Erinnerung, wo er sich jeweils durch konkrete Beiträge einbrachte und sich auch dauerhaft als ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Verfügung stellte. Er verfügt über eine Einstellungszusage bei „ XXXX “, wo er bereits ein Praktikum absolvierte, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer in absehbarer Zukunft die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangen wird.

Der Beschwerdeführer legte zahlreiche Unterstützungsschreiben vor, aus denen ein dichtes Netzwerk an sozialen Kontakten ersichtlich ist. Insgesamt ist der Beschwerdeführer somit sozial und privat in Österreich hervorragend integriert und verfügt somit auch über ein schützenswertes Privatleben in Österreich.

Im Rahmen der Interessensabwägung ist im Übrigen auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist.

Das erkennende Gericht geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers eine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen besteht, dass bereits von „außergewöhnlichen Umständen“ gesprochen werden kann. Angesichts der inzwischen knapp fünfeinhalbjährigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers sowie seiner nachhaltigen Integration in Österreich stellt eine Ausweisung des Beschwerdeführers aus Sicht des erkennenden Gerichts im Rahmen der Abwägung der persönlichen und öffentlichen Interessen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben iSd. Art. 8 EMRK dar.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. 70/2015 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

§ 55 AsylG 2005 samt Überschrift lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

"(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 9 Abs. 4 des Integrationsgesetzes lautet:

„(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2.       (Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3.       über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4.       einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5.       als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.“

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 beim Beschwerdeführer in Folge des Ausspruches der Unzulässigkeit einer diese betreffende Rückkehrentscheidung gegeben sind, darüber hinaus durch die erbrachten Nachweise die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erfüllt sind, war dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu gewähren und spruchgemäß zu entscheiden.

Nachdem die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers, welche mit Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides erfolgte, in untrennbarem Zusammenhang mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung steht, diese aber mit dem gegenständlichen Erkenntnis behoben wurde, war auch der entsprechende Spruchpunkt V. zu beheben.

Infolge dessen entfiel auch die Grundlage für die Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise, sodass auch Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides zu beheben war.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel Deutschkenntnisse Integration mangelnder Anknüpfungspunkt Spruchpunktbehebung Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2208913.1.00

Im RIS seit

08.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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