Entscheidungsdatum
25.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W240 2245534-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2021, Zl. 1187941504/201081591, zu Recht:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF) ist ein serbischer Staatsangehöriger und im Besitz einer Aufenthaltskarte - Angehöriger einer EWR-Bürgerin - und wurde ihm diese von der MA35 aufgrund der Eheschließung mit der italienischen Staatsangehörigen namens XXXX ausgestellt. Seine Aufenthaltskarte ist gültig von 09.05.2018 bis 09.05.2023.
Der BF wurde zwei Mal rechtskräftig von österreichischen Gerichten verurteilt, nämlich wie folgt:
Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom XXXX .2021 gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
Mit Urteil vom XXXX .2021 von einem österreichischen Landesgericht gemäß §§ 28 Abs. 1, 1. Fall, 28 Abs. 1, 2. Fall, 28 Abs. 3 SMG, gemäß §§ 28a Abs. 1, 5. Fall, 28a Abs. 2 Z 2 SMG, §§ 27 Abs. 1, Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Weiters wurde er zu einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom XXXX .2021 verurteilt.
Am 22.06.2021 wurde eine – nur auf Deutsch verfasste - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, datiert mit 22.06.2021, an den BF, aufhältig in einer österreichischen Justizanstalt, übermittelt, die der BF am 25.06.2021 übernommen hatte. In dieser Verständigung wurde dem BF mitgeteilt, dass aufgrund der Verurteilungen des BF eine Erlassung einer Rückkehrentscheidung § 52 iVm einem Einreiseverbot geplant sei. Der BF wurde aufgefordert binnen 14 Tagen eine Reihe von Fragen zu beantworten ab Zustellung der Verständigung, andernfalls würde eine Entscheidung ergehen.
Eine Stellungnahme hat der BF nicht abgegeben.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2021 wurde gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den BF ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß
§ 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Begründend war im Bescheid insbesondere ausgeführt worden, der BF sei im Besitz einer Aufenthaltskarte - Angehöriger einer EWR-Bürgerin - und wurde Ihnen diese von der MA35 aufgrund der Eheschließung mit einer italienischen Staatsangehörigen ausgestellt. Der BF halte sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei zwei Mal rechtskräftig verurteilt worden. Neben anderen Feststellungen wurde ausgeführt, dass der BF keine Deutschzertifikate vorgelegt habe und es entziehe sich der behördlichen Kenntnis, ob und wie gut seine Deutschkenntnisse sind. Das BFA führte aus, dass die Familienverhältnisse in Österreich und Serbien von der Behörde angenommen werden müssen, da es der BF unterlassen haben, eine Stellungnahme abzugeben. Die rechtskräftigen Verurteilungen des BF seien dem Strafregister und der Urteilsausfertigungen entnommen und seien deren Bestand unwiderlegbar. Das Verhalten des BF begründe eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, da der BF weder vor den Rechtsgütern anderer noch vor deren Unversehrtheit zurückschrecke. Die private und finanzielle Lage sei dergestalt, dass eine Widerholungsgefahr im Fall des BF ganz klar indiziert sei. Seine Verhältnisse seien nicht derart stabil, als dass eine Änderung wahrscheinlich wäre. Ihr Familienleben sei nicht derart schützenswert, sodass es einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen würde. Es könne beim BF nur eine negative Zukunftsprognose erstellt werden. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in der festgesetzten Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die vom BF ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
3. Gegen diesen Bescheid und zwar ausschließlich gegen Spruchteil I. erhob der der Beschwerdeführer Beschwerde. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass das erlassene Aufenthaltsverbot zur Gänze behoben werde, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein verhältnismäßiges Ausmaß reduziert werde. Beantragt wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Anberaumung der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
In erster Linie wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass das Recht des BF auf Parteiengehör verletzt wurde. Zwar sei dem BF ein Schreiben vom 22.06.2021 mit der Bezeichnung „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ übermittelt worden, doch sei eine solche schriftliche Verständigung zur Beurteilung der Intensität der privaten und familiären Bindung in Österreich nicht ausreichend. Der BF hätte jedenfalls einvernommen werden müssen, sodass sich die belangte Behörde einen persönlichen Eindruck und ein Bild vom Leben des BF in Österreich hätte machen können. Da eine persönliche Einvernahme des BF unterblieben sei, liege eine gravierende Verletzung des amtswegigen Ermittlungsgrundsatzes und des Rechts des BF auf Parteiengehör vor. In diesem Zusammenhang wurde in der Beschwerde weiter darauf hingewiesen, dass der BF rechtsunkundig sei und bei der Bezeichnung des Schreibens „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ gar nicht wissen hätte können, auf welche rechtlichen Umstände es bei einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ankomme. Im Rahmen einer Einvernahme hätte der rechtsunkundige BF daher angeleitet werden müssen, alle Angaben zu machen, welche für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes, so insbesondere sein Familien- und Privatleben sowie die berufliche Perspektive in Österreich, von Relevanz wären. Die Erstbehörde berücksichtige im Rahmen der Überprüfung des Privat- und Familienlebens des BF nur seine Gattin. Allerdings würden in Österreich auch noch zehn Cousinen und Cousins des BF leben, die Kinder des ebenfalls in Osterreich wohnhaften Onkels und seiner Tante, zu welchen ein regelmäßiger Kontakt bestehe. Einen wichtigen Umstand im Rahmen dieser Beurteilung hätten Art und Anzahl bisheriger Verurteilungen zu bilden, wobei insbesondere die verbrecherische Intensität zu berücksichtigen sei. Ferner komme es maßgeblich auf die Wiederholungsgefahr an, wobei die entfernte Möglichkeit neuer Störungen nicht hinreiche.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF) ist ein serbischer Staatsangehöriger und im Besitz einer Aufenthaltskarte - Angehöriger einer EWR-Bürgerin - und wurde ihm diese von der MA35 aufgrund der Eheschließung mit der italienischen Staatsangehörigen namens XXXX ausgestellt. Seine Aufenthaltskarte ist gültig von 09.05.2018 bis 09.05.2023.
Der BF wurde zwei Mal rechtskräftig von österreichischen Gerichten verurteilt, nämlich wie folgt:
Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom XXXX .2021 gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
Mit Urteil vom XXXX .2021 von einem österreichischen Landesgericht gemäß §§ 28 Abs. 1, 1. Fall, 28 Abs. 1, 2. Fall, 28 Abs. 3 SMG, gemäß §§ 28a Abs. 1, 5. Fall, 28a Abs. 2 Z 2 SMG, §§ 27 Abs. 1, Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Weiters wurde er zu einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom XXXX .2021 verurteilt.
Am 22.06.2021 wurde eine – nur auf Deutsch verfasste - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, datiert mit 22.06.2021, an den BF, aufhältig in einer österreichischen Justizanstalt, übermittelt, die der BF am 25.06.2021 übernommen hatte. In dieser Verständigung wurde dem BF mitgeteilt, dass aufgrund der Verurteilungen des BF eine Erlassung einer Rückkehrentscheidung § 52 iVm einem Einreiseverbot geplant sei. Der BF wurde aufgefordert binnen 14 Tagen eine Reihe von Fragen zu beantworten ab Zustellung der Verständigung, andernfalls würde eine Entscheidung ergehen. Eine Stellungnahme hat der BF nicht abgegeben.
Ohne Einvernahme des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2021 gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den BF ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Dem BF wurde im gegenständlichen Fall kein hinreichendes Parteiengehör gewährt.
Beweiswürdigung:
Beweis für gegenständliche Entscheidung wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt sowie durch Einsichtnahme ins Zentrale Melderegister, ins Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und ins österreichische Strafregister
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A) Zurückverweisung der Rechtssache:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
„In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 2. Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).“
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).
Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF) ist ein serbischer Staatsangehöriger und im Besitz einer Aufenthaltskarte - Angehöriger einer EWR-Bürgerin - und wurde ihm diese von der MA35 aufgrund der Eheschließung mit der italienischen Staatsangehörigen namens XXXX ausgestellt. Seine Aufenthaltskarte ist gültig von 09.05.2018 bis 09.05.2023.
Am 22.06.2021 wurde eine – nur auf Deutsch verfasste - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, datiert mit 22.06.2021, an den BF, aufhältig in einer österreichischen Justizanstalt, übermittelt, die der BF am 25.06.2021 übernommen hatte. In dieser Verständigung wurde dem BF mitgeteilt, dass aufgrund der Verurteilungen des BF eine Erlassung einer Rückkehrentscheidung § 52 iVm einem Einreiseverbot geplant sei. Der BF wurde aufgefordert binnen 14 Tagen eine Reihe von Fragen zu beantworten ab Zustellung der Verständigung, andernfalls würde eine Entscheidung ergehen. Eine Stellungnahme hat der BF nicht abgegeben.
Ohne Einvernahme des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2021 gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den BF ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Begründend war im Bescheid insbesondere ausgeführt worden, der BF sei im Besitz einer Aufenthaltskarte - Angehöriger einer EWR-Bürgerin - und wurde Ihnen diese von der MA35 aufgrund der Eheschließung mit einer italienischen Staatsangehörigen ausgestellt. Der BF halte sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei zwei Mal rechtskräftig verurteilt worden. Neben anderen Feststellungen wurde ausgeführt, dass der BF keine Deutschzertifikate vorgelegt habe und es entziehe sich der behördlichen Kenntnis, ob und wie gut seine Deutschkenntnisse sind. Dennoch war dem BF die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich auf Deutsch übermittelt worden. Im Bescheid war zudem ausgeführt worden, dass die Familienverhältnisse in Österreich und Serbien von der Behörde angenommen werden müssen, da es der BF unterlassen haben, eine Stellungnahme abzugeben. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in der festgesetzten Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die vom BF ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
In erster Linie wurde in der Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.07.2021 ausgeführt, dass das Recht des BF auf Parteiengehör verletzt wurde. Zwar sei dem BF ein Schreiben vom 22.06.2021 mit der Bezeichnung „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ übermittelt worden, doch sei eine solche schriftliche Verständigung zur Beurteilung der Intensität der privaten und familiären Bindung in Österreich nicht ausreichend. Der BF hätte jedenfalls einvernommen werden müssen, sodass sich die belangte Behörde einen persönlichen Eindruck und ein Bild vom Leben des BF in Österreich hätte machen können. Da eine persönliche Einvernahme des BF unterblieben sei, liege eine gravierende Verletzung des amtswegigen Ermittlungsgrundsatzes und des Rechts des BF auf Parteiengehör vor. In diesem Zusammenhang wurde in der Beschwerde weiter darauf hingewiesen, dass der BF rechtsunkundig sei und bei der Bezeichnung des Schreibens „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ gar nicht wissen hätte können, auf welche rechtlichen Umstände es bei einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ankomme. Im Rahmen einer Einvernahme hätte der rechtsunkundige BF daher angeleitet werden müssen, alle Angaben zu tätigen, welche für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes von Relevanz wären. Verwiesen wurde, dass neben der Gattin des BF noch zahlreiche Verwandte in Österreich aufhältig seien.
Auf der Grundlage des bisherigen Beweisverfahrens ist die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.
Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht liegen in einer Gesamtschau somit nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das erkennende Gericht die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt. Es liegt auch nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Sachverhaltes soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und – bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – zugleich enden.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.
Die erkennende Richterin verkennt nicht, dass der BF zwei Mal nachweislich im Bundesgebiet rechtskräftig verurteilt wurde. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren jedoch auch eine Einvernahme des BF durchzuführen haben und zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes tatsächlich vorliegen bzw. in welcher Höhe des Aufenthaltsverbotes angemessen ist.
Das BFA wird den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen haben. Der BF wird im Rahmen einer Einvernahme insbesondere auch zu seinem Verhalten, seiner Situation in Österreich, zu seinen Verurteilungen sowie zu seiner tatsächlich bestehenden Beziehung zu seiner Ehefrau und den übrigen Verwandten im Bundesgebiet zu befragen sein.
Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehenden Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt und festgestellt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Einvernahme Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2245534.1.00Im RIS seit
05.11.2021Zuletzt aktualisiert am
05.11.2021