TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/9 W226 2239320-1

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Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W226 2212849-1/17E
W226 2212858-1/12E
W226 2212855-1/9E
W226 2212853-1/11E
W226 2239320-1/6E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die gemeinsame Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, 4.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan und die Beschwerde von 5.) XXXX , geb. XXXX , StA. Kirgistan, vertreten durch Hofbauer & Wagner Rechtsanwälte KG, Riemerplatz 1, 3100 St. Pölten, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zlen.: 1195095603-180556852 (ad 1.)), 1195095701-180556865 (ad 2.)), 1195095004-180556879 (ad 3.)), 1195095102-180556887 (ad 4.)) und vom 20.01.2021, Zl. 1272290605-201259846 (ad 5.)), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1.1 Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind Staatsangehörige von Kirgistan. Der erste Beschwerdeführer (im Folgenden: BF1) ist Angehöriger der koreanischen Volksgruppe und dem Christentum zugehörig. Die zweite Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) ist Angehörige der kirgisischen Volksgruppe und dem Christentum zugehörig. Der dritte und vierte Beschwerdeführer sowie die fünfte Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF3, BF4 und BF5) sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder von BF1 und BF2.

Die BF 1 bis 4 stellten am 14.06.2018 nach vorangegangener legaler Einreise in das Bundesgebiet mittels Visum einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.1.2. Bei einer anschließenden Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich am selben Tag, gab der BF1 an, seine Mutter, sein Vater und sein Bruder seien noch in Kirgistan aufhältig. Ein Cousin dritten Grades lebe ebenfalls in Österreich. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, von der Polizei und radikalen Moslems bedroht worden zu sein, weil seine Frau Moslem sei und er der koreanischen Minderheit in Kirgistan angehöre, welche aufgrund ihrer christlichen Konfession von den Moslems bedroht würde. Er habe Angst getötet oder eingesperrt zu werden, es laufe ein Verfahren gegen ihn. Sein Sohn XXXX sei ohne seine Erlaubnis beschnitten worden. Er sei bereits mehrmals geschlagen worden, zu seinen Verletzungen gebe es ein ärztliches Protokoll.

Die BF2 gab im Zuge ihrer Erstbefragung am 14.06.2018 zu ihrem Fluchtgrund an, dass das Leben ihres Ehemannes in Gefahr sei und ein Verfahren laufe. Er sei überfallen und geschlagen und ihr Sohn beschnitten worden, ohne ihr Wissen. Auch sie sei mehrmals geschlagen worden, auch von ihren Verwandten, weil sie dem Christentum angehöre und aus dem Islam ausgetreten sei. Sie habe Angst ihre Kinder zu verlieren und, dass ihr Mann eingesperrt werde. Alle in ihrer Umgebung würden glauben, sie gehören einer Sekte an, weshalb sie bedroht würden.

I.1.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 04.12.2018 brachte der BF1 vor, die BF2 2002 heimlich geheiratet zu haben, da ihre Mutter und andere Verwandte dagegen gewesen seien. Seine Cousine wohne seit mittlerweile 15 Jahren in Österreich; sie sei eine Cousine väterlicherseits und er sei mit ihr gemeinsam aufgewachsen. In Kirgistan hätten sie in XXXX vier Jahre lang in einem Einfamilienhaus bis Ende Februar 2018 gelebt, danach seien sie für ein bis zwei Wochen in eine Wohnung gezogen und anschließend habe sich die ganze Familie an zwei Adressen versteckt, er wisse nicht, wo das war. Ein Freund habe ihn dabei unterstützt. Er habe zwei Eigentumswohnungen in XXXX . Mit seinen Eltern sei er einmal die Woche telefonisch in Kontakt. Mit seinem Bruder weniger. Weiters gebe es noch seinen Großcousin und seine Frau in Kirgistan. Nach einer Schilderung seiner bisherigen Ausbildung und Berufserfahrung sowie seiner Wohnorte, wurden dem BF1 inhaltliche Fragen zum christlichen Glauben gestellt, da der BF1 vorbrachte, dass er und die BF2 2007 zu Protestanten konvertiert seien. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF1 an, 2011 in XXXX wegen des Verdachts des Autodiebstahls mit dem Auto von Polizisten aufgehalten worden zu sein. Er sei im Kommissariat befragt und bedroht worden und habe sein Auto schließlich verloren. Es sei zu einer Gerichtsverhandlung gekommen, im Zuge welcher er Zeuge gewesen sei, obwohl er Besitzer des Autos gewesen sei. Im Dezember 2016 seien er und die BF2 zudem von muslimischen Männern angesprochen worden und der BF1, weil er seine Frau in eine Kirche gebracht habe, von diesen ins Gesicht, am Hinterkopf und Oberkörper geschlagen worden. Er habe das Bewusstsein verloren und die BF2 habe ihn nach Hause gefahren. Er sei anschließend zum Bezirkskommissariat gefahren, um eine Anzeige zu machen, anschließend habe er sich für das Gericht ärztlich untersuchen lassen und sei am nächsten Tag ins Spital gefahren. Es sei dann ein Strafverfahren eröffnet worden, welches nach einiger Zeit eingestellt worden sei. Im Mai XXXX sei er außerdem mehrere Tage von Polizisten wegen des Vorwurfs des Drogenverkaufs festgehalten worden. Sie hätten ihn gezwungen, die Schuld auf sich zu nehmen und ihn geschlagen. Er habe nichts unterschrieben und sei dann einfach so entlassen worden. Er sei danach nach Hause und anschließend mit einem Freund zur Staatsanwaltschaft gefahren, um eine Anzeige einzubringen. Die Staatsanwaltschaft habe das gar nicht annehmen wollen, weil er gegen die Polizei Anzeige erstattet habe. Er habe sich dann wieder für das Gericht ärztlich untersuchen lassen und sei am nächsten Tag zu einem anderen Arzt gefahren. Das sei der letzte Vorfall gewesen, er habe dann von der Staatsanwaltschaft gehört, dass kein Strafverfahren angeordnet werde. Er habe dann Hilfe bei der koreanischen Diaspora gesucht, welche einen Brief an den Präsidenten geschickt, aber keine Antwort bekommen habe, und habe einen Brief an die XXXX geschrieben, deren Antwort wieder nichtssagend gewesen sei. Danach habe er auch polizeiliche Ladungen bekommen, irgendwann 2018, einmal wegen einer Beschwerde der Nachbarn, dass der BF1 und die BF2 evangelisieren würden, ein weiteres Mal wegen einer Beschwerde der Eltern der BF2, dass der BF1 die BF2 ua zur Konversion gezwungen habe, woraufhin sie bei der Polizei ein Schreiben unterschrieben hätten, dass diese Vorwürfe nicht stimmen würden; der dritten Ladung sei er schließlich aus Angst, der Mai XXXX könnte sich wiederholen, nicht gefolgt. Im Februar 2018 habe außerdem die Familie der BF2 den BF3 ohne seine Zustimmung beschnitten. Danach seien auch Probleme in der Arbeit entstanden, Geschäftspartner seien auf einmal mit der Ware nicht mehr zufrieden gewesen, steuerliche Prüfungen seien durchgeführt worden, sein muslimischer Verkäufer sei ständig gefragt worden, warum er für den BF1 arbeite und Polizisten hätten ihn gezwungen, zu billigeren Preisen Waren an sie zu verkaufen.

Die BF2 wurde ebenfalls am selben Tag niederschriftlich vor dem BFA einvernommen, wobei sie angab, dass ihre Mutter, ihr Bruder und seine Familie sowie eine Schwester in Kirgistan leben würden, ihr Vater sei bereits verstorben. Es gebe weitere Verwandte, zu denen sie nach ihrer Hochzeit aber keinen Kontakt mehr gehabt habe. Nach dem Tod ihres Vaters habe der Bruder ihrer Mutter die Verantwortung für sie übernommen. Ihre Familie sei muslimisch. Ihre Mutter sei in Pension, ihre Geschwister würden arbeiten. Das Verhältnis zu diesen sei im Moment schlecht. Sie habe ohne Einwilligung ihrer Mutter und Geschwister geheiratet, weshalb das Verhältnis zu diesen zunächst schlecht gewesen sei. Nach der Hochzeit sei es etwas besser geworden. Das Problem sei die Volksgruppe, sowie die Religion des BF1 gewesen. Vor ihrer Ausreise habe sie Kontakt mit ihnen gehabt, nach der Taufe habe es aber nur Vorwürfe seitens dieser gegeben. Nach einer Schilderung ihrer bisherigen Ausbildung und Berufserfahrung sowie ihrer Wohnorte, wurden der BF2 inhaltliche Fragen zum muslimischen und christlichen Glauben gestellt, da die BF2 unter anderem vorbrachte, dass sie 2007 zu einer Protestantin konvertiert sei. Befragt, ob die BF2 jemals Probleme mit den Behörden oder staatsähnlichen Institutionen ihres Heimatlandes hatte, gab die BF2 an, persönlich keine Probleme gehabt zu haben. Im Zusammenhang mit ihrem Ehemann sei das Leben im Herkunftsstaat allerdings unmöglich geworden aufgrund seiner Volkszugehörigkeit und Religion. Die BF2 erzählte ebenfalls von den Vorfällen im Jahr 2016 und 2017, wobei sie beim Vorfall im Jahr 2016 angab, ihr Mann habe selbst mit den Männern gesprochen, sowie von den Ladungen an ihren Mann. Als ihre Familie im Jahr 2014 oder 2015, sie wisse nicht genau wie, von ihrem Konfessionswechsel erfahren habe, hätte ihre Familie mit ihr geredet und sie eines Tages Ende 2017 von zuhause abgeholt, einen Mullah eingeladen, die BF2 gezwungen, die Worte des Mullahs zu wiederholen und ihr ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen. Ihre zwei Onkel, ihr Bruder, ein Sohn von ihrem Onkel und ihre Tante hätten nicht mehr gewollt, dass die BF2 in die Kirche gehe. Ihr Bruder habe auch darauf bestanden, dass die Kinder Muslime seien und beschnitten werden. Im Februar 2018 habe ihr Bruder schließlich einen Sohn der BF2 von der Schule abgeholt und ihn beschneiden lassen. Sie könne nicht zurück, ihre Familie lasse sie nicht in die Kirche gehen, die staatlichen Organe würden ihren Mann verfolgen. Wenn er ins Gefängnis käme, wäre sie alleine auf sich gestellt. Sie habe Angst, dass man ihr die Kinder wegnehme und kein Vertrauen, dass die Polizei sie beschütze.

I.1.4. Jeweils mit Bescheid vom 12.12.2018 wurden die Anträge des BF1, BF3, BF4 und der BF2 auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurde gegen den BF1, BF3, BF4 und die BF2 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG jeweils festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgisistan zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.

Bezüglich des BF1 wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass der BF1 nicht glaubhaft habe machen können, dass er in seinem Herkunftsstaat einer hinreichend intensiven Verfolgung ausgesetzt sei, die eine Asylgewährung rechtfertigen würde. Es hätten sich keine Hinweise auf eine aktuelle, maßgebliche und auch in Zukunft bestehende Bedrohungssituation seiner Person ergeben. Der BF1 habe mehrere Vorfälle ins Treffen geführt, in denen der Schutzauftrag seines Herkunftslandes seinen Bürgern gegenüber durchaus erfüllt werde, sowohl gegenüber Christen, als auch gegenüber den Angehörigen der Minderheit der Koreaner. Es handle sich aus objektiver Sicht in diesen Fällen um keine maßgeblichen und systematischen Diskriminierungen. Was die Beschneidung seines minderjährigen Sohnes durch die Verwandtschaft seiner Ehefrau betreffe, handle es sich um einen kriminellen Akt und sei demzufolge eine polizeiliche Anzeige zur Einleitung rechtsstaatlicher Maßnahmen angezeigt. Bezüglich der BF2, des BF3 und BF4 wurde festgestellt, dass sie sich hinsichtlich der behördlichen Verfolgung und mangelnden Schutzfähigkeit ihres Herkunftsstaates auf die vorgebrachten Verfolgungsgründe ihres Ehemannes bzw Vaters stützen, welche dieser jedoch der Behörde gegenüber nicht glaubhaft habe machen können. Darüber hinaus seien im gesamten Verfahrensverlauf keinerlei relevante Verfolgungs- oder Bedrohungsaspekte hervorgekommen. Hinsichtlich des Vorbringens der BF2 bzw des BF3 wurde außerdem noch festgestellt, dass es sich bei den Übergriffen ihrer/ seiner Verwandtschaft bzw. Familie nach ihrer christlichen Taufe bzw der Beschneidung des BF3 um kriminelle Akte handle und demzufolge polizeiliche Anzeigen zur Einleitung entsprechender rechtsstaatlicher Maßnahmen angezeigt sei.

Es könne weiters nicht festgestellt werden, dass BF1, BF3, BF4 und die BF2 im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kirgistan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären. Der BF1 und die BF2 seien überdurchschnittlich gebildet und würden über (lange) Berufserfahrung und zwei Eigentumswohnungen verfügen. Sie würden im Rückkehrfall selbsterhaltungsfähig sein und den notwendigen Lebensunterhalt – wie auch vor der Ausreise – für sich und ihre Familie erwirtschaften können. Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass der BF1, BF3, BF4 und die BF2 abseits ihrer mitgereisten Familie in Österreich nicht verfahrensrelevant familiär verankert sei und eine gemeinsame Außerlandesbringung mit diesen Angehörigen beabsichtigt sei. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 seien maßgeblich im Heimatstaat familiär und sozial verankert. Der BF1 und die BF2 würden in Österreich über keine nennenswerten sozialen Kontakte verfügen und seien der deutschen Sprache nur mäßig mächtig. Es könne keine Integrationsverfestigung festgestellt werden.

I.1.5. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 brachten gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein, worin sie ausführten, dass entgegen den Ausführungen der Behörde die Misshandlungen von muslimischen Kirgisen, ergebnislosen Hilfsansuchen bei Polizei und Staatsanwaltschaft und die Misshandlungen seitens der Exekutivbeamten bei korrekter rechtlicher Beurteilung sehr wohl asylrelevante Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen würden. Weiters hätten sie zahlreiche Unterlagen, ärztliche Atteste, Anzeigen, etc vorgelegt, die Behörde habe hingegen im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich auf die allgemeinen Länderfeststellungen verwiesen, welche in keinerlei Zusammenhang mit den konkreten Angaben des BF1 und der BF2 stünden. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 hätten zudem zahlreiche Unterlagen, welche ihre außergewöhnliche Integration im Bundesgebiet dokumentieren würden, vorgelegt, womit sich die Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt habe.

I.1.6. Am XXXX kam das dritte Kind, die fünfte Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF5) der BF1 und BF2 auf die Welt, für welche ihre Eltern am 14.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

I.1.7. Mit Bescheid des BFA vom 20.01.2021 wurde der Antrag der BF5 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurde gegen die BF5 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgistan zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.

I.1.8. Am 20.04.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, wobei der BF1 und die BF2 vom erkennenden Gericht nochmals ergänzend zu ihren Fluchtgründen sowie zu integrativen Aspekten befragt wurden.

I.1.9. Am 04.05.2021 legten die BF diverse Urkunden zum Nachweis ihrer Integration vor.

I.1.10. Am 17.05.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Übersetzungen des Sachverständigengutachtens Nr. XXXX sowie des „Schreibens der XXXX der kirgisischen Republik zur Zahl XXXX “ den BF, woraufhin die BF eine Stellungnahme erstatteten, in welcher sie ua vorbrachten, dass das Sachverständigengutachten ergebe, dass der BF1 in seinem Herkunftsland schwer misshandelt worden sei, wobei massive Hinweise auf eine Misshandlung durch Exekutivbeamte vorliegen würden, weshalb dieses Gutachten die Angaben des BF1 stütze, in seinem Herkunftsstaat asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Außerdem seien Angehörige christlicher Minderheiten in Kirgistan nach wie vor massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. BF1 und BF2 sind seit 2002 verheiratet, deren gemeinsame Kinder der BF3, BF4 und die BF5 sind. Die BF sind Staatsangehörige von Kirgistan. Der BF1 gehört der Volksgruppe der Koreaner an und bekennt sich seit 2007 zum protestantischen Glauben. Die BF2 gehört der Volksgruppe der Kirgisen an und bekennt sich ebenfalls seit 2007 zum protestantischen Glauben, wobei sie zuvor dem Islam angehörte. Die Muttersprache der BF ist Russisch, die BF2 spricht auch ein wenig Kirgisisch. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 lebten zuletzt in der Stadt XXXX , wo sie über zwei Eigentumswohnungen verfügen. Die BF5 ist Österreich auf die Welt gekommen.

II.1.2. Der BF1, BF3, BF4 und die BF2 reisten im Juni 2018 legal mit einem Visum ins Bundesgebiet ein und stellten am 14.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF5 stellte am 14.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

II.1.3. Die BF sind gesund und leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der BF1 und die BF2 sind strafgerichtlich unbescholten. Die BF2 ist seit Mai 2019 in wöchentlicher bzw seit Beginn der Corona-Pandemie zweiwöchentlicher psychotherapeutischer Behandlung aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung.

II.1.4. Der BF1 absolvierte nach der Schule im Jahre 2002 ein fünfjähriges Universitätsstudium in Maschinenbau und arbeitete danach in verschiedenen Firmen in XXXX und XXXX und machte sich nach 2015 auch selbstständig. Die BF2 absolvierte nach der Schule im Jahre 2001 ein vierjähriges Universitätsstudium in Management und erlangte nach einem weiteren Studienjahr 2002 ein Abschlussdiplom für ihre höhere Ausbildung. Sie arbeitete danach als Buchhalterin an der pädagogischen Universität in XXXX bis 2007. Nach der Geburt ihres ersten Kindes, arbeitete sie ab November 2013 fünf Monate als Aushilfe für die Buchhaltung. Seit ihr zweites Kind auf der Welt ist, war die BF2 nicht mehr berufstätig.

II.1.5. Im Herkunftsstaat leben die Eltern des BF1, mit denen er regelmäßig Kontakt hat, der Bruder und ein Großcousin des BF1. Eine Cousine des BF1 lebt mit ihrer Familie in Österreich. Die BF2 verfügt im Herkunftsstaat über ihre Mutter, ihren Bruder, ihre Schwester, zwei Onkel und eine Tante.

II.1.6. Die Mitglieder der Familie der BF2 sind Angehörige des muslimischen Glaubens. Die Hochzeit der BF2 mit dem BF1 sowie die Konversion der BF2 zum Christentum führte zu Konflikten in ihrer Familie, wobei dies nicht zum gänzlichen Abbruch zumindest eines Teiles der Familie des Kontaktes zur BF2 führte. Der Onkel und Bruder der BF2 haben, als der BF1 und die BF2 in XXXX wohnten und insbesondere nach der Taufe der BF2, mehrmals Druck auf die BF2 ausgeübt, zum Islam zurückzukehren und die Kinder beschneiden zu lassen. In der Zeit, als der BF1 und die BF2 von etwa 2008 bis 2014 in XXXX gelebt haben, gab es keine Probleme mit dem Onkel und dem Bruder der BF2. Schließlich ließ der Bruder der BF2 den BF3 im Februar 2018 gegen den Willen des BF1 und der BF2 beschneiden.

II.1.7. Der BF1 wurde im Mai XXXX von der Polizei des Drogenhandels bezichtigt, auf das Kommissariat gebracht und von den Beamten mit Plastikflaschen am Kopf und mit einem Gummistock, sowie an den Fersen geschlagen, weiters ein Plastiksack über den Kopf gezogen bekommen und mit Handschellen an den Tisch gefesselt worden, damit er ein Schreiben unterzeichnet, dass er mit Drogen handelt. Er wurde schließlich nach Unterzeichnung einer Erklärung, keine rechtlichen Schritte gegen die Beamten zu unternehmen, freigelassen. Eine Anklage gegen ihn wurde in dieser Sache nicht erhoben. Er erstattete nach dem Vorfall eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft und wurde im Folge zum Gerichtssachverständigen geschickt, welcher ihn amtsärztlich untersuchte. Es wurde in weiterer Folge kein Strafverfahren gegen die Polizisten eingeleitet, weshalb sich der BF1 an die XXXX und den kirgisischen Präsidenten wandte. Laut dem Antwortschreiben der XXXX vom XXXX , werden die verantwortlichen Polizisten disziplinarisch belangt, sollten sich die Foltervorwürfe bestätigen.

Der BF1 erhielt Ende 2017, im Februar und April 2018 jeweils eine Ladung. Der ersten Anzeige lag eine Anzeige einer fremden Frau zugrunde, wonach der BF1 und die BF2 Broschüren über das Christentum an Leute verteilen und evangelisieren würden. Der BF1 leistete der Ladung Folge und ging zur Polizei des Bezirks XXXX , wo er eine Erklärung unterschrieb, dass sie dies nicht machen würden. Die BF2 war nicht dabei. Der zweiten Ladung lag eine Anzeige der Familie der BF2 zugrunde, wonach der BF1 die BF2 zum Kirchenbesuch zwinge und sie zuhause einsperre. Der BF1 sowie die BF2 unterschrieben dann bei der Polizei des Bezirks XXXX eine Erklärung, dass dies nicht stimme.

Der BF1 wurde am 11.12.2016 etwa eine halbe Stunde nach dem Besuch einer christlichen Kirchenmesse von muslimischen Männern ins Gesicht, am Hinterkopf und Oberkörper geschlagen. Die BF2 brachte ihn nachhause und der BF1 ging anschließend zum Bezirkskommissariat, um eine Anzeige zu machen und ließ sich für das Gerichtsverfahren ärztlich untersuchen. Das eingeleitete Strafverfahren wurde nach einiger Zeit mangels ausreichender Täterbeschreibung eingestellt.

II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 oder die BF2 einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, insbesondere aufgrund ihrer Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit in Kirgistan ausgesetzt sind.

Nicht festgestellt werden kann weiters, dass der kirgisische Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die gegen den BF1 im Dezember 2016 verübten Misshandlungen einer Gruppe muslimischer Männer, welche der BF1 bei der Polizei angezeigt hat, oder die von der Familie der BF2 verübte Beschneidung des BF3, welche gar nicht zur Anzeige gebracht wurde, hintan zu halten.

II.1.9. Unter Zugrundelegung der im Folgenden dargestellten Länderberichte liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass die BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefen, dort aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden oder aufgrund der allgemeinen Versorgungslage in eine aussichtslose Lage (Nahrung, Unterkunft) zu geraten.

Die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Die BF sind gesund und gehören mit Blick auf ihr Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die BF bei einer Rückkehr nach Kirgistan eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würden.

II.1.10. Der BF3 ist 13 Jahre, der BF4 fast 7 Jahre und die BF5 fast 1 Jahr alt. Der BF3 besuchte als außerordentlicher Schüler die dritte und vierte Volkschulklasse und derzeit die 1. Klasse einer Mittelschule. Der BF4 besuchte bisher den Kindergarten in Österreich und würde dieses Jahr eingeschult.

Der BF1 und die BF2 absolvierten beide die Deutschprüfung auf A2-Niveau. Die BF verfügen über Freunde und Bekannte in Österreich (Urkundenvorlage, Empfehlungsschreiben). Der BF1 betätigt sich bei der freiwilligen Feuerwehr der Marktgemeinde XXXX , besucht einen Deutschkurs auf B1-Niveau, machte in Österreich einen Autoführerschein und arbeitete im Juli, August und September 2020 als geringfügiger Arbeiter in „ XXXX “. Die BF2 ist seit 2019 bei der Tafel XXXX als Reinigungskraft via Dienstleistungscheck beschäftigt. Der BF1 und die BF2 sind seit 2019 assoziierte und aktive Mitglieder der staatlich anerkannten Freikirche „ XXXX “.

II.1.11. Zur Lage in Kirgistan:

1.       Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 22.1.2021: Ausgang der Präsidentenwahl am 10.1.2021 (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage).

Am 10.1.2021 fanden in Kirgisistan vorgezogene Präsidentenwahlen statt. Mehr als 15 Personen kandidierten (RFE/RL 10.1.2021; vgl. DW 10.1.2021). Die Wahlbeteiligung betrug 39,16%, als Sieger ging Schaparow Sadyr Nurgoschoewitsch mit 79,20% der abgegebenen Stimmen hervor (ZK 20.1.2021a; vgl. DS 11.1.2021, SWP 1.2021).

Die Präsidentenwahl wurde vorverlegt, nachdem das Parlamentswahlergebnis vom 4.10.2020 wegen Betrugsvorwürfen annulliert worden war (OSZE 11.1.2021, SWP 1.2021).

Laut den Wahlbeobachtern verlief der Wahltag ruhig, jedoch wurde das Wahlgeheimnis nicht immer gewahrt (OSZE 11.1.2021).

Zeitgleich mit der Präsidentenwahl fand ein Verfassungsreferendum mit dem Ziel statt, das Präsidialsystem wiedereinzuführen. Zu den Initiatoren des Referendums gehört der neu gewählte Präsident Schaparow. Das Referendum wurde von der Mehrheit der Abstimmenden angenommen (ZK 20.1.2021b, DW 10.1.2021; vgl. RFE/RL 10.1.2021, IWPR 14.1.2021). Die

Volksabstimmungsbeteiligung betrug 39,12% (ZK 20.1.2021b; vgl. RFE/RL 10.1.2021).


Quellen:

•        DS – Der Standard (11.1.2021): Populist Schaparow gewinnt Wahlen in Kirgistan, https://www.derstandard.at/story/2000123184816/populist-schaparow-gewann-kirgisische- praesidentschaftswahlen, Zugriff 21.1.2021

•        DW – Deutsche Welle (10.1.2021): Sadyr Schaparow wird neuer Präsident von Kirgisistan, https://www.dw.com/de/sadyr-schaparow-wird-neuer-pr%C3%A4sident-von-kirgisistan/a- 56187341, Zugriff 21.1.2021

•        IWPR – Institute for War and Peace Reporting (14.1.2021): Populist Wins Kyrgyzstan's Presidential Election, https://iwpr.net/global-voices/populist-wins-kyrgyzstans-presidential, Zugriff 21.1.2021

•        OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (11.1.2021): Kyrgyzstan’s well-run presidential election impaired by uneven playing field for candidates, international observers say, https://www.osce.org/odihr/elections/475559, Zugriff 21.1.2021

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (10.1.2021): Nationalist Politician Wins Kyrgyz Presidential Election, Set To Get Sweeping Powers, https://www.rferl.org/a/japarov- kyrgyzstan-presidential-election-referendum-/31040110.html, Zugriff 21.1.2021

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (1.2021): SWP-Aktuell 4 - Kirgistans dritte Revolution, https://www.swp- berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2021A04_UmbruchKirgistan.pdf, Zugriff 21.1.2021

•        ZK – ??????????? ???????? ?? ??????? ? ?????????? ???????????? ?????????? ?????????? (Zentralkommission für Wahlen und Volksabstimmungen der Kirgisischen Republik) (20.1.2021a): ??? ?? ????????? ?????????? ????????? ??????? ?????????? ?????????? ?????????? (Zentrale Wahlkommission der Kirgisischen Republik bestätigte die Ergebnisse der vorgezogenen Präsidentenwahl), https://shailoo.gov.kg/ru/news/4383/, Zugriff 21.1.2021

•        ZK – ??????????? ???????? ?? ??????? ? ?????????? ???????????? ?????????? ?????????? (Zentralkommission für Wahlen und Volksabstimmungen der Kirgisischen Republik) (20.1.2021b): ??? ???????? ???????????? ?????????? ?? ??????????? ????? ????????? ?????????? ?????????? (Zentrale Wahlkommission anerkannte das Referendum zur Festlegung der Regierungsform der Kirgisischen Republik), https://shailoo.gov.kg/ru/news/4384/, Zugriff 22.1.2021

2.       Politische Lage

Während die Verfassung von 2007 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse gab, enthält die in dem Referendum am 27.6.2010 angenommene Verfassung sowohl parlamentarische als auch präsidentielle Züge. Der direkt gewählte Staatspräsident besitzt eine Reihe wichtiger Vollmachten, beispielsweise hinsichtlich der Ernennung und Entlassung von Obersten Richtern und des Generalstaatsanwalts. Er ist ferner Oberkommandierender der Streitkräfte und Vorsitzender des Sicherheitsrates. Eine Präsidentschaft ist auf sechs Jahre beschränkt, die Wiederwahl laut Verfassung nicht möglich. In der Verfassung von 2010 ist der Grundrechtsschutz deutlich gestärkt worden. Die 2016 per Referendum beschlossenen Verfassungsänderungen sind nach der Präsidentschaftswahl 2017 voll umfänglich in Kraft getreten und haben unter anderem die Position des Premierministers gestärkt (AA 3.2018a).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 15.10.2017 wählte die Nation den ehemaligen Premierminister und Mitglied der Regierungspartei Sooronbai Jeenbekov zum Nachfolger des scheidenden Präsidenten Almazbek Atambayev. (USDOS 20.4.2018).

Die Präsidentschaftswahlen vom 15.10.2017 trugen zur Stärkung der demokratischen Institutionen bei, indem sie einen geordneten Machtwechsel von einem gewählten Präsidenten zum anderen mit sich brachten. Die Wahlen waren kompetitiv, da die Wähler eine große Auswahl hatten und die Kandidaten im Allgemeinen frei wählen konnten, obwohl Fälle von Missbrauch öffentlicher Mittel, Druck auf Wähler und Stimmenkauf weiterhin ein Problem darstellen. Während die im Fernsehen übertragenen Debatten zu mehr Pluralismus beitrugen, deuteten Selbstzensur und begrenzte redaktionelle Berichterstattung über die Kampagne Mängel in der Medienfreiheit an. Bei der Stimmenauszählung und den ersten Schritten der Ergebniserstellung wurden zahlreiche und erhebliche Verfahrensprobleme festgestellt (OSCE/ODHIR 8.3.2018).

Das Parlament besteht aus einem 120-köpfigen Einkammerparlament mit einer Frauenquote von 25%. Es wurde am 4.10.2015 neu gewählt. Die Partei der Sozialdemokraten SDPK, der auch der zu diesem Zeitpunkt regierende Präsident Almazbek Atambayev angehörte, konnte einen Stimmenzuwachs für sich verbuchen und ist mit 38 Sitzen die stärkste Partei im Parlament. Zweitstärkste Partei ist der Zusammenschluss der ehemals eigenständigen Parteien Respublika und Ata Jurt, die im Herbst 2014 fusionierten. Respublika-Ata Jurt sind mit 28 Abgeordneten vertreten. Die Sozialisten, Ata Meken, sind mit 11 Abgeordneten vertreten. Die Partei Ar Namys flog bei den Parlamentswahlen 2015 komplett aus dem Parlament. Dafür schafften es gleich drei neue Parteien ins Parlament: die „Kirgistan Partei“ bekam 18 Sitze, die Partei Önügüü (Fortschritt) 13 Sitze und Bir bol (Einheit) 12. Politische Analysten schätzen alle im Parlament vertretenen Parteien als pro- russisch ein. Das Parlament wird im fünf-jährigen Rhythmus gewählt (GIZ 3.2018). Die Verwaltungsstruktur des Landes: Die Republik ist in acht Verwaltungsbereiche gegliedert, davon sieben Regionen: Tschui, Issyk-Kul, Talas, Naryn, Osch, Dschalalabat, Batken und die Hauptstadtregion Bischkek. Die Regionen untergliedern sich wiederum in 39 Landkreise, Bischkek in vier. Die Landkreise umfassen insgesamt 429 Lokalverwaltungen

bzw. Gemeinden (AA 3.2018a).

Das kirgisische Parlament hat am 20.4.2018 Mukhammedkalyi Abylgaziyev als neuen Premierminister bestätigt, einen Tag nachdem Sapar Isakov, ein Verbündeter des ehemaligen Präsidenten Almazbek Atambayev entlassen wurde. Präsident Sooronbai Jeenbekov entließ Isakovs Regierung am 19.4.2018, Stunden nachdem das Parlament einen Misstrauensantrag als deutlichstes Zeichen eines Machtkampfes zwischen Präsident Jeenbekov und seinem Vorgänger Atambayev angenommen hatte (RFE/RL 20.4.2018). Isakovs Entlassung schien die Säuberung einer Reihe von Beamten abzuschließen, die vermeintlich Ex-Präsident Atambayev nahe standen. Damit wurde auch die Einschätzung vieler Kritiker in Frage gestellt, wonach Jeenbekov nach seiner Wahl zum Präsidenten nicht mehr als ein Handlanger seines Vorgängers Atambayev sein würde (bne 23.4.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kirgisistan – Innenpolitik, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/-/206926#content_4, Zugriff 23.4.2018

•        bne-INTELLINEWS (23.4.2018): Kyrgyz lawmakers name new prime minister, cabinet, file:///home/wjf5284/Schreibtisch/Dokumente/02_L%20%C3%84%20N%20D%20E%20R_L IB+KI/KIRGISISTAN/Politik/bne%20IntelliNews%20-%20Kyrgyz%20lawmakers%20name% 20new%20prime%20minister,%20cabinet.html, Zugriff 23.4.2018

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018): Kirgisistan

- Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte-staat/#c45784, Zugriff 23.4.2018

•        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (8.3.2018): Kyrgyz Republic – Presidential Election, 15 October 2017, OSCE/ODIHR Election Observation Mission - Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/kyrgyzstan/374740?download=true, Zugriff 23.4.2018

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (20.4.2018): Kyrgyz Parliament Approves New Prime Minister, Cabinet, https://www.rferl.org/a/kyrgyz-parliament-approves-new-prime- minister-cabinet/29182781.html, Zugriff 23.4.2018

•        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 -        Kyrgyz  Republic, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2017&dlid=277285# wrapper, Zugriff 23.4.2018

3.       Sicherheitslage

Die ruhig verlaufenen Parlamentswahlen vom 4.10.2015 haben die politische Lage weiter stabilisiert, jedoch stellen Armut und soziale Spannungen das Land weiterhin vor große Herausforderungen. Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität zu. Bei Demonstrationen besteht die Gefahr von gewalttätigen Ausschreitungen. Auch Terroranschläge können nicht ausgeschlossen werden (SDA 24.4.2018).

Die Rückkehr islamistischer Kämpfer, die Zeit im Dienst des sogenannten Islamischen Staates verbrachten, stellt eine Herausforderung dar, wenn auch derzeit von marginaler Bedeutung. Allerdings trägt die begrenzte staatliche Kapazität Kirgisistans, genauere Informationen hierüber zu erlangen, zu Sicherheitsbedenken in bestimmten ländlichen Gebieten bei (BTI 1.2018).

Die Präsidenten Kirgisistans und Usbekistans kamen im Oktober 2017 zu einem bahnbrechenden Treffen zusammen, das zur Lösung von 85% der Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern führte und eine verstärkte Zusammenarbeit an vielen Fronten verspricht. So wurde kürzlich der Grenzübergang bei Dostyk wieder geöffnet, wodurch sich durch die Grenze getrennte Familien ohne mühsamen bürokratischen Prozess sehen können. Diese Entwicklung folgte auf den Tod des usbekischen Präsidenten Islam Karimow 2016 und die Machtübernahme seines reformorientierten Nachfolgers (Al Jazeera 14.11.2017).

Im April 2018 haben sich Grenzbeamte in Kirgisistan und Usbekistan darauf geeinigt, die Koordinierung anlässlich der Erschießung eines kirgisischen Bürgers durch usbekische Grenzschutzbeamte zu intensivieren. Nach einem Treffen in der usbekischen Stadt Namangan kamen Beamte beider Länder überein, den Einsatz von scharfer Munition gegen Zivilisten außer in Ausnahmefällen zu verbieten. Es ist geplant, eine gemeinsame Grenzkommission einzuberufen, um die Zusammenarbeit zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für richtiges Verhalten in Grenzgebieten, die Koordinierung von Patrouillen und die Entwicklung eines einheitlichen Verhaltenskodex für das Grenzpersonal zu erörtern (Eurasia.net 13.4.2018).

Quellen:

•        Al       Jazeera (14.11.2017): Kyrgyz-Uzbek citizens welcome reopening of       borders, https://www.aljazeera.com/news/2017/11/kyrgyz-uzbek-citizens-reopening-borders- 171114065436085.html, Zugriff 24.4.2018

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf, Zu- griff 24.4.2018

•        Eurasianet (13.4.2018): Kyrgyzstan, Uzbekistan agree to boost border cooperation after fa- tal shooting, file:///home/wjf5284/Schreibtisch/Doku- mente/02_L%20%C3%84%20N%20D%20E%20R_LIB+KI/KIRGISISTAN/SICHER- HEIT/Eurasianet%20|%20Kyrgyzstan,%20Uzbekistan%20agree%20to%20boost%20bor- der%20cooperation%20after%20fatal%20shooting.html, Zugriff 24.4.2018

4.       SDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.5.2018): Reise- hinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-informa- tion/kirgisistan/reisehinweise-kirgisistan.html, Zugriff 11.5.2018

5.       Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist traditionell die schwächste der drei Gewalten. Trotz anhaltender Diskussionen über die Justizreform und das Versprechen der Unabhängigkeit der Justiz hat es die Führung Kirgisistans - insbesondere der Präsident - versäumt, der Justiz echte Autonomie und Selbstverwaltung zu gewähren. Denn im Gegenteil hat sich entgegen der Reformrhetorik die Unterordnung der Justiz gegenüber der Regierung und insbesondere dem Präsidenten verstärkt. Für ein paar Jahre war die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs die einzige bemerkenswerte Ausnahme von der gerichtlichen Unterwerfung. Viele der Entscheidungen der Verfassungskammer waren nicht zu Gunsten der Regierung und einige von ihnen widersprachen stark den Präferenzen des Präsidenten. Seit 2015 hat das Gremium jedoch durch die Entlassung eines Richters, der den Präsidenten kritisiert hatte, und die Ernennung von zwei dem Präsidenten treuen Richtern viel von seiner Unabhängigkeit verloren. Der Rest der Justiz ist nach wie vor weitgehend der politischen Kontrolle unterworfen, korrupt und institutionell abhängig. In allen jüngsten Meinungsumfragen wurden die Gerichte als eine der beiden korruptesten Institutionen wahrgenommen (die andere ist die Polizei). Es gibt viele Gründe für die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz. Das Budget der Justiz wird von der Regierung zugewiesen, wodurch die Justiz finanziell abhängig wird. Die juristische Ausbildung ist ein weiteres systematisches Problem, das eine kaum reformierte juristische Schule im sowjetischen Stil kultiviert, die an allen Universitäten als sehr korrupt empfunden wird. Ein Mechanismus zur Gewährleistung einer unparteiischen und leistungsorientierten Richterauswahl, der Nationale Rat zur Auswahl der Richter, wurde unmittelbar nach seiner Gründung in Streitigkeiten verwickelt und ist zu einem unbedeutenden Organ geworden (BTI 1.2018).

Wie in den vergangenen Jahren haben NGOs und Überwachungsorganisationen, darunter das UN- Hochkommissariat für Menschenrechte und die OSZE, Beschwerden über willkürliche Verhaftungen registriert. Die allgemeine gesetzliche Beschränkung der Untersuchungsdauer beträgt 60 Tage. Politische Machenschaften, komplexe Gerichtsverfahren, schlechter Zugang zu Rechtsanwälten und begrenzte Ermittlungskapazitäten verlängern oft die Zeit der Angeklagten in Untersuchungshaft über die 60-Tage-Grenze hinaus, wobei einige der Betroffenen bis zu einem Jahr festgehalten wurden. Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Richter sind der Beeinflussung oder der Korruption ausgesetzt. Es gibt Fälle, in denen die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen vorherbestimmt erscheinen. Mehrere Quellen, darunter NGOs, Anwälte, Regierungsbeamte und Privatpersonen, behaupten, dass Richter Bestechungsgelder zahlten, um ihre berufliche Positionen zu erreichen. Etliche Anwälte behaupten, dass Bestechung unter Richtern allgegenwärtig sei. Zahlreiche NGOs beschreiben allgegenwärtige Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, einschließlich erzwungener Geständnisse, Anwendung von Folter, Verweigerung des Zugangs zu Rechtsbeistand und Verurteilungen in Ermangelung hinreichend schlüssiger Beweise oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalttaten gegen

Angeklagte und Verteidiger innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals sowie von Einschüchterungen von Prozessrichtern durch Angehörige und Freunde der Opfer. Die Sitten und Gebräuche der Justiz widersprechen weiterhin dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen im Vorfeld des Verfahrens konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Sammlung ausreichender Beweise zum Nachweis der Schuld. Verteidiger beschweren sich, dass Richter routinemäßig Fälle, wenn es nicht genügend Beweise gibt, an die Ermittler zurückgeben, um Schuld nachzuweisen, während dieser Zeit können Verdächtige in Haft bleiben. Richter verhängen für gewöhnlich zumindest eine bedingte Strafe (USDOS 20.4.2018).

Die Zahl der Fälle, in denen Beamte strafrechtlich verfolgt werden, hat in den letzten Jahren generell zugenommen. Es kommt häufiger vor, dass mittlere Steuerbeamte, Staatsanwälte, Polizisten und andere öffentliche Amtsträger wegen Amtsmissbrauchs, Korruption oder Unterschlagung angeklagt und verfolgt werden (BTI 1.2018).

Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Kirgisistan auf Platz 82 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um einen Rang im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 84 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 101 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018).

In der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Arbeit von kirgisischen und internationalen Institutionen nehmen die nationalen Gerichte mit Abstand den letzten Platz ein. 50% beurteilen laut einer Studie [n=1.500] des International Republican Institute Ende 2017 die Arbeit der Gerichte negativ, während 41% diese positiv bewerten (bei 8% Unentschlossenen bzw. Antwortverweigerern). Hinsichtlich der Korruption hielten 83% der Befragten die Gerichte als sehr oder teilweise korrupt, lediglich von der staatlichen Autoinspektionsbehörde übertroffen (IRI 5.2.2018).

Mindestens 200 Demonstranten haben sich Anfang März 2018 in der Innenstadt von Bischkek versammelt, um Justizreformen und die Entlassung von "korrupten Richtern" zu fordern. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Obersten Gerichtshof und marschierten dann zu dem Gebäude, in dem sich das kirgisische Parlament und die Präsidialverwaltung befinden. Die Demonstranten hatten eine Liste mit mehr als 20 angeblich korrupten Richtern und forderten Präsident Sooronbai Jeenbekov auf, diese zu ersetzen. Sie forderten auch den Rücktritt des Chefs des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbaev. Die Polizei hat sich nicht eingemischt (RFE/RL 5.3.2018).

Quellen:

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf, Zu- griff 25.4.2018

•        IRI – International Republican Institute (5.2.2018): Public Opinion Survey Residents of Kyrgyzstan, http://www.iri.org/sites/default/files/2018-2-5_iri_poll_presentation_kyrgyzs- tan.pdf, Zugriff 25.4.2018

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.3.2018): Kyrgyz Demonstrators Demand Dis- missal Of 'Corrupt' Judges, https://www.ecoi.net/en/document/1425958.html, 25.4. 2018

•        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html, Zugriff 25.4.2018

•        WJP – World Justice Projekt (31.1.2018): Rule of Law Index 2017-2018 – Kyrgyzstan, http://data.worldjusticeproject.org/#/groups/KGZ, Zugriff 25.4.2018

6.       Sicherheitsbehörden

Die Untersuchung allgemeiner und lokaler Verbrechen fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums, während Verbrechen auf nationaler Ebene in die Zuständigkeit des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB) fallen, welches auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten kontrolliert. Die XXXX verfolgt sowohl lokale als auch nationale Verbrechen. Sowohl lokale als auch internationale Beobachter sagen, dass die GKNB und Strafverfolgungsbehörden in weit verbreitete willkürliche Verhaftungen verwickelt sind, darunter einige, die angeblich politisch motiviert sind, sowie in Misshandlung von Häftlingen und Erpressung, insbesondere im südlichen Teil des Landes. Die Behörden haben die meisten Verfahren wegen Korruption oder Amtsmissbrauch gegen Beamte des Innenministeriums abgewiesen. NGOs und andere Rechtsbeobachter stellen routinemäßig den Mangel an Frauen und ethnischen Minderheiten in der Polizei und in allen Regierungspositionen fest. Offiziell machen Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten etwa 6 bzw. 4% der Polizeikräfte aus. Nach UN-Statistiken machen ethnische Minderheiten jedoch etwa 27% der Bevölkerung aus (USDOS 20.4.2018).

Wenn die Regierung Reformen durchführt, hat sie oft auf den Widerstand der bestehenden Kader, die von den Veränderungen betroffen sind. Dies war zum Beispiel bei der Reform des Polizeisystems der Fall. Der Konservatismus des Systems hat bei jedem Reformprogramm zum gleichen Ergebnis geführt, nämlich dass die einzigen wesentlichen Änderungen neue Namen waren. Der Umstand ist mit der Korruption und der Politisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden. Die Korruptionspyramide im Polizeidienst hat zu einer institutionellen Stagnation geführt, und das Fortbestehen der alten Strukturen und Muster bewirkt (BTI 1.2018).

Anfang April entließ Präsident Jeenbekov den Chef des Staatskomitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbayev, und Generalstaatsanwältin Indira Joldubayeva, die als Verbündete von Ex- Präsident Atambayev galten und welche seit langem für das Vorgehen gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Journalisten kritisiert wurden (RFE/RL 11.4.2018 u. 20.4.2018).

Quellen:

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Kyrgyzstan Country Report, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kyrgyzstan.pdf, Zu- griff 24.4.2018

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (11.4.2018): Another Atambaev Appointee On Way Out As Kyrgyz Lawmakers Back Prosecutor's Sacking, https://www.rferl.org/a/kyrgyzs- tan-prosecutor-general-sacking-atambaev-joldubaeva/29158671.html, Zugriff 25.4.2018

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (20.4.2018): Kyrgyz Parliament Approves New Prime Minister, Cabinet, https://www.rferl.org/a/kyrgyz-parliament-approves-new-prime-mi- nister-cabinet/29182781.html, Zugriff 25.4.2018

•        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/in- dex.htm?year=2017&dlid=277285#wrapper, Zugriff 25.4.2018

7.       Folter und unmenschliche Behandlung

Straffreiheit für Folter bleibt die Norm, und Untersuchungen zu Misshandlungen und Foltervorwürfen bleiben selten, verzögern sich oder sind unwirksam. Die kirgisische Koalition gegen Folter, eine Gruppe von 16 NGOs, die an der Verhütung von Folter arbeiten, berichtete im Februar 2017, dass die Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 435 Beschwerden wegen Misshandlung registriert hatte, es aber in 400 Fällen ablehnte, Untersuchungen einzuleiten (HRW 18.1.2018).

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Im Laufe des Jahres 2017 gab es keine prominenten Berichte über angebliche Folterungen durch Sicherheitskräfte; dennoch gab es weiterhin physische Übergriffe, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, in den Gefängnissen. Berichten zufolge blieben Misshandlungen durch die Polizei ein Problem, vor allem in der Untersuchungshaft. Nach Angaben von Mitgliedern der Anti-Folter-Koalition haben die von ihr eingereichten Klagen gegen mutmaßliche Folterer nicht zu Verurteilungen geführt. In historischen Fällen, in denen Polizisten wegen Folter vor Gericht gestellt wurde, erhoben Staatsanwälte, Richter und Angeklagte routinemäßig prozessuale und inhaltliche Einwände, die die Verfahren verzögerten, was oft zu kärglichen Beweisen und schließlich zur Klagsabweisung führte. Im Laufe des Jahres 2017 berichteten NGOs, dass Gerichte regelmäßig Geständnisse, die angeblich durch Folter erzielt wurden, als Beweismittel zugelassen haben. In der ersten Hälfte des Jahres 2017 erhielt das Büro der Ombudsperson 25 Folterbeschwerden (USDOS 20.4.2018).

Der Oberste Gerichtshof Kirgisistans hat am 27.1.2017 die Regierung angewiesen, der Familie eines Mannes, der nach polizeilicher Folter gestorben war, eine Entschädigung zu zahlen, in einer Entscheidung, die die Ergebnisse des UN-Menschenrechtsausschusses (HRC) in Genf bestätigte. Das Urteil ist das erste, durch welches das oberste kirgisische Gericht die Verbindlichkeit einer Entscheidung des HRC anerkennt. Die kirgisische Regierung reagierte zuvor auf eine Reihe kritischer Urteile der UN-Menschenrechtsvertragsorgane, indem sie die Streichung einer Verfassungsklausel veranlasste, die bisher die Umsetzung solcher Beschlüsse verlangte. Kirgisistan ist jedoch weiterhin Vertragspartei einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen, die die Umsetzung von HRC-Beschlüssen verlangen. Die kirgisische Verfassung sieht auch in der revidierten Fassung das Recht des Einzelnen vor, sich im Falle von Rechtsverletzungen an internationale Gremien zu wenden (OSF 20.3.2017).

In Kirgisistan hat der Koordinierungsrat für Menschenrechte unter der Regierung einen Entwurf für einen Aktionsplan zur Umsetzung der Grundsätze des Istanbuler Protokolls für 2017-2020 ausgearbeitet, der darauf abzielt, die Untersuchung von mutmaßlichen Fällen von Folter und Misshandlung zu verbessern. Beamte der XXXX haben die Absicht bekundet, Strafverfahren im Sinne der Folteropfer einzuleiten, auch wenn diese ihre Beschwerden zurückziehen oder sich weigern, Anklage gegen mutmaßliche Täter zu erheben. Die NGO „Coalition against Torture“ startete eine Kampagne mit Fernsehdiskussionen mit führenden Experten; eine Ausstellung mit Geschichten von Folteropfern und ihren Familien; ein Fußballturnier am 24.6.2017, an dem Vertreter von Behörden, das Büro des Bürgerbeauftragten für Menschenrechte, Anwälte, die NGO „Coalition against Torture“, Journalisten, kirgisische Popstars usw. teilnahmen. Ziel des Turniers war es, der Öffentlichkeit die gemeinsame Entschlossenheit zu demonstrieren, die schädliche Praxis der Folter in Kirgisistan zu bekämpfen (IPHR 26.6.2017).

Quellen:

•        HRW      –        Human   Rights  Watch   (18.1.2018): World   Report  2018    –        Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422484.html, Zugriff 25.4.2018

•        IPHR – International Partnership for Human Rights (26.6.2017): Calling for an end to torture in Central Asia on International Anti-torture Day, http://iphronline.org/calling-for-an-end-to- torture-in-central-asia.html, Zugriff 26.4.2018

•        OSF – Open Society Foundations (20.3.2017): Kyrgyzstan Accepts UN Human Rights Committee Ruling  with    Compensation Award, https://www.opensocietyfoundations.org/press-releases/kyrgyzstan-accepts-un-human- rights-committee-ruling-compensation-award, Zugriff 25.4.2018

•        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html, Zugriff 25.4.2018

8.       Korruption

Kirgisistan ist seit langem eines der korruptesten Länder der Welt. Jeder neue Präsident oder jede neue Regierung hebt die Korruption als ein großes Problem hervor, das angegangen werden muss. Trotz politischer Rhetorik bleibt die Korruptionsbekämpfung jedoch auf die selektive Bestrafung von politisch illoyalen Persönlichkeiten beschränkt. Im Jahr 2017 wurden mehrere hochkarätige Strafverfahren eingeleitet, bei denen die Angeklagten unter Anwendung des bisher selten applizierten Artikels 303 („Korruption“) des Strafgesetzbuches angeklagt wurden. Diese wurden jedoch weithin als politisch motivierte Schritte angesehen, die den selektiven Charakter der Korruptionsbekämpfung in Kirgisistan belegen. So waren alle Urteile gegen die oberste Führung der Oppositionspartei Ata Meken wegen Korruptionsvorwürfen in den Jahren 2010 oder 2011. Diese Fälle wurden als übereilte und politisch motivierte Verfolgung offener Kritiker des Präsidenten beschrieben (FH 11.4.2018).

Während das Gesetz strafrechtliche Sanktionen gegen Beamte vorsieht, die wegen Korruption verurteilt wurden, hat die Regierung das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Nach Angaben von Transparency International wurden offizielle Korruptionsfälle selektiv untersucht und verfolgt. Die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Vermeidung von Ermittlungen oder Strafverfolgung war ein großes Problem auf allen Ebenen der Strafverfolgung. Strafverfolgungsbeamte, insbesondere im Süden des Landes, setzten häufig willkürliche Festnahmen, Folter und die Androhung von Strafverfolgung als Mittel zur Erpressung von Bargeldzahlungen von Bürgern ein. Die einzige Regierungsstelle, die befugt war, Korruption zu untersuchen, war die Antikorruptionsabteilung des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB). Dieses ist keine unabhängige staatliche Einrichtung, und ihr Haushalt verblieb im Rahmen des Funktionshaushalts des GKNB. Die Zusammenarbeit der Agentur mit der Zivilgesellschaft war begrenzt, und ihre Untersuchungen führten zu sehr wenigen Fällen, die vor Gericht gestellt wurden (USDOS 20.4.2018).

Kirgisistan belegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2017 Platz 135 von 180 Ländern (2016: Rang 136 von 176 Staaten) (TI 2018). In der Unterskala

„Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Kirgisistan Rang 104 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018). Im World Competitive Index 2017/18 des Weltwirtschaftsforums nimmt Kirgisistan im Segment „illegale Zahlungen und Bestechungen“ Rang 122 von 137 Staaten ein (WEF 26.12.2017).

In einer Umfrage des IRI vom November 2017 sahen 95% der KirgisInnen die Korruption als ein sehr großes oder großes Problem an (74% „sehr großes Problem, 21% „großes Problem“. 20% meinten, dass die Regierung ausreichend Maßnahmen ergreift, um die Korruption zu bekämpfen. Zu den drei korruptesten Institutionen zählen, in den Augen der Öffentlichkeit, die staatliche Automobilinspektion (86% sehr oder teilweise korrupt), die Gerichte (83%) und die Polizei (83%). Bei keiner Institution überwog in Summe die Einschätzung von „wenig“ oder „gar nicht korrupt“ (IRI 5.2.2018).

Quellen:

•        FH       -        Freedom House:  Nations in       Transit 2018    –        Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/1429165.html, 25.4.2018

•        IRI – International Republican Institute (5.2.2018): Public Opinion Survey Residents of Kyrgyzstan, http://www.iri.org/sites/default/files/2018-2- 5_iri_poll_presentation_kyrgyzstan.pdf, Zugriff 25.4.2018

•        TI - Transparency International (2018.): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/KGZ, Zugriff 26.4.2018

•        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/1430382.html, Zugriff 26.4.2018

•        WEF – World Economic Forum (26.12.2017): World Competitive Index 2017/18 - Irregular payments and      bribes, http://www3.weforum.org/docs/GCR2017- 2018/05FullReport/TheGlobalCompetitivenessReport2017%E2%80%932018.pdf, Zugriff 26.4.2018

•        WJP – World Justice Projekt (31.1.2018): Rule of Law Index 2017-2018 – Kyrgyzstan, http://data.worldjusticeproject.org/#/groups/KGZ, Zugriff 26.4.2018

9.       NGOs und Menschrechtsaktvisten

Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan ist einer der am stärksten ausgeprägten in Zentralasien. Vertreter der Zivilgesellschaft wirken durch zahlreiche öffentliche Beratungsgremien in Ministerien und Behörden auf nationaler und lokaler Ebene mit. Derzeit sind mehr als 15.655 NGOs bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen registriert, wobei jedoch nur 5.200 aktiv sind und in vielen Bereichen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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