Entscheidungsdatum
10.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W247 2244310-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA XXXX , gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: „Ihr Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses wird gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 14 Abs. 1 Z 5 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839/1992, idgF., abgewiesen“.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 2005 mit seiner Familie in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem wurde in zweiter Instanz mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylsenats vom 13.09.2006, Zl. XXXX , gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben und dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. In weiterer Folge wurde dem BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 01.10.2015 der Konventionsreisepass mit der Nummer XXXX , mit Gültigkeit bis zum 30.09.2020, ausgestellt
3. Mit Urteil des LG XXXX vom 17.09.2019, rk am 22.11.2019, zur GZ XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, wobei diese unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, und einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen à EUR 10,-- verurteilt.
4. Am 16.09.2020 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 1 FPG.
5. Mit Schriftsatz vom 05.04.2021 erhob der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Säumnisbeschwerde. Im Wesentlichen wurde darin begründend ausgeführt, dass dem BF der Status eines Asylberechtigten zukomme, weshalb ihm auf seinen Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen sei, was der BF am 16.09.2020 unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragt habe. Obwohl alle Voraussetzungen vorliegen würden, sei die belangte Behörde bislang untätig geblieben, weshalb Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werde.
6. Mit Schreiben des BFA vom 07.04.2021 wurde dem BF mitgeteilt, dass seine strafgerichtliche, rechtskräftige Verurteilung nach § 278d Abs. 1a Z2 StGB einen Passversagungsgrund darstelle und wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
7. Mit Stellungnahme vom 20.04.2021 brachte der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter zusammenfassend vor, dass es richtig sei, dass der BF mit Urteil des LG XXXX vom 17.09.2019, XXXX wegen des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, welche unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, und einer Geldstrafe von EUR 900 rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF zweimal höhere Geldbeträge über Western Union an einen, von der Mutter seines Freundes bekannt gegebenen Geldempfänger, überwiesen hat, von welchem der BF nicht gewusst habe, dass dieser in den Kreis der verdächtigen Personen in der Türkei gehöre, welche mit Geldbeträgen den Dschihad unterstützen würden. Vielmehr wäre der nunmehrige Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass er mit der Überweisung der Geldbeträge lediglich seinen ehemaligen Freund hinsichtlich seiner Rückreise nach Österreich unterstützen würde und er zum damaligen Zeitpunkt der Überweisungen nicht habe wissen können, dass er damit ein Mitglied der Terrorvereinigung unterstütze. Diese ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen seien deshalb von Bedeutung, weil die Ausstellung eines Fremdenpasses nur dann zu versagen sei, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass der Fremde die Absicht habe das Reisedokument zur Umsetzung diverser Straftaten zu benützen. Entgegen des Vorhaltes, dass die genannte Verurteilung ein dezidierter Passversagungsgrund sei, müssten gerechtfertigte Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der BF eine der in § 92 FPG genannten Straftaten begehen wolle. Gegenständlich werde offenkundig Z 5 des § 92 Abs. 1 FPG angesprochen. Es bestünden jedoch keine gerechtfertigten Gründe anzunehmen, dass der BF mit dem Reisepass die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde. Ebenso sei § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 nicht gegeben und würden keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der BF als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung durch seinen Aufenthalt die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde. Der BF sei als Einzeltäter wegen einer einzelnen Straftat, bestehend aus zwei Geldüberweisungen an eine Einzelperson verurteilt worden. Zum Versagungsgrund nach § 92 Abs. 3 FPG, wonach bis zum Ablauf von 3 Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen sei, werde auf die „jüngere“ Judikatur des VwGH verwiesen. Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des VwGH vom 12.12.2012, Zl. 2011/18/0244, habe § 14 Abs. 3 PassG, der inhaltsgleich zu § 92 Abs. 3 FPG sei, infolge der dem Unionsrecht beizumessenden Vorrangstellung unangewendet zu bleiben. Demnach stelle sich die Vorschrift des § 92 Abs. 3 FPG, mit der eine gesetzliche Vermutung des Bestehens einer maßgeblichen Gefahr für einen im Vorhinein festgelegten Zeitraum angeordnet werde, ohne, dass eine Bedachtnahme auf Umstände des Einzelfalls möglich sei, mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG, denen zufolge nicht schon für sich genommen der Umstand der strafrechtlichen Verurteilung die Einschränkung des aus dem Unionsrecht herrührenden Rechts auf Freizügigkeit zur Folge haben dürfe, als nicht vereinbar dar. Der BF benötige den Konventionsreisepass, weil er gelegentlich seine Verwandten, die in Frankreich leben würden, besuchen wolle. Außerdem verlange sein Arbeitgeber einen jederzeit für alle Länder gültigen und vorzeigbaren Lichtbildausweis, wobei der Führerschein vom Arbeitsgeber als nicht ausreichend angesehen werde. Mit Ausnahme der genannten Verurteilung sei von der Rechtstreue und dem Wohlverhalten des BF auszugehen, weshalb keine Gründe anzunehmen seien, wonach der BF den Konventionsreisepass dazu verwenden wolle, strafbare Handlungen zu begehen.
8. Mit Bescheid vom 09.06.2021, wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß „§ 94 Abs. 5 iVm § 92 Z 3 FPG“ abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF § 92 Abs. 3 FPG erfülle, weil er mit Urteil des LG XXXX vom 17.09.2019 wegen des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung verurteilt worden sei.
9. Mit Schriftsatz vom 07.07.2021 brachte der gewillkürte Vertreter des BF fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 10.06.2021, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wesentlichen Verfahrensmangels, ein, wobei beschwerdeseitig zunächst zusammenfassend erneut das Vorbringen der Stellungnahme vom 20.04.2021 wiederholt wurde. Daran anschließend wurde ein wesentlicher Verfahrensmangel geltend gemacht, zumal die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen habe, welche konkrete Gefahr vom BF ausgehe bzw. zu erwarten sei. Die Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid würden sich in der Zitierung bzw. Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen des § 94 FPG, sowie § 14 PassG erschöpfen und den Eindruck der richtigen Rechtsanwendung erwecken, ohne jedoch konkret einen entsprechenden Sachverhalt, insbesondere die von der belangten Behörde zu beurteilenden Gefährdung festzustellen und dies auch dementsprechend zu begründen. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts ohne Tatsachenfeststellungen würden den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Verletzung der verfahrensrechtlichen Vorschriften belasten. Beschwerdeseitig wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes dahingehend abändern, dass dem Antrag des BF vom 16.09.2020 auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses Folge gegeben wird, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen, und jedenfalls, 3.) eine Beschwerdeverhandlung vor dem Verwaltungsgericht unter Ladung des BF anberaumen.
10. Die Beschwerdevorlage vom 12.07.2021 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 13.07.2021 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die unter Punkt I. als Verfahrensgang dargelegten Ausführungen werden als Feststellungen der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt.
1.2. Die Identität des BF steht fest. Er ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volkgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig, im Strafregister der Republik Österreich ist folgende Verurteilung ersichtlich:
01) LG XXXX vom 17.09.2019 RK 22.11.2019
§ 278d (1a) Z 2 StGB
Datum der (letzten) Tat 11.02.2016
Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Geldstrafe von 90 Tags zu je 10,00 EUR (900,00 EUR) im NEF 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF Vermögenswerte für ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung, nämlich für die Terrororganisation „Islamic State“, von der der BF wusste, dass sie darauf ausgerichtet ist, Handlungen nach § 287d Abs. 1 StGB (Anm.: gemeint ist wohl § 278c Abs. 1 StGB) zu begehen, bereitgestellt hat, indem er am 15.10.2015 und am 11.02.2016 Geldbeträge in der Höhe von EUR 2.271,20,-- und EUR 1.006,46,--, die ihm von XXXX , der Mutter seines Freundes XXXX , der für den IS in Syrien kämpfte und später dabei getötet wurde, übergeben worden waren, per Western Union an XXXX , einem Mittelsmann des IS in der Türkei, transferierte, wobei der BF die Überweisungen nicht selbst, sondern jeweils durch seine Lebensgefährtin durchführen ließ.
Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als mildern die letztlich reumütige geständige Verantwortung, die bisherige Unbescholtenheit und den bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum, als erschwerend jedoch das Setzen zweier Tathandlungen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
2.2. Die Identität des BF steht aufgrund seiner Identifizierung seiner Person im Strafverfahren fest.
2.3. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergibt sich aus einem Strafregisterauszug der Republik Österreich und dem im Akt einliegenden Strafurteil des LG XXXX vom 17.09.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Spruchteil A
3.5. Zur Abweisung der Beschwerde:
3.5.1. Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG, sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 94 Abs. 5 FPG gelten die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.
Die Bestimmung des § 92 FPG, auf die hinsichtlich Konventionsreisepässe gemäß § 94 Abs. 5 leg.cit. sinngemäß verwiesen wird, hat folgenden Wortlaut:
"Versagung eines Fremdenpasses
§ 92. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;
2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;
3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;
4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;
5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
(1a) Die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.
(2) Die Ausstellung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.
(3) Liegen den Tatsachen die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992.
Gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1a FPG gelten weiters die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 sinngemäß, dh. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
„ illegalen Handel mit Waffen, Kriegsmaterial, radioaktiven Stoffen oder mit Gegenständen zu betreiben, die der Sicherheitskontrolle nach dem Sicherheitskontrollgesetz 1991, BGBl. Nr. 415/1992, unterliegen (Z 3 lit. d),
- Personen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zuzuführen oder sie hiefür anzuwerben (Z 3 lit. e), oder
- der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b StGB durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden (Z 5).“
3.5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 05.05.2015, Ro 2014/22/0031, zu den im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmungen festgehalten, dass die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FrPolG 2005 vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie vgl. jetzt RL 2011/95/EU) zu lesen sind (vgl. auch VwGH vom 2013/21/0055 v. 20.12.2013).
Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
Hinsichtlich dieser Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit der Republik Österreich wird in der Judikatur ein besonderes Gefahrenpotential - insbesondere bereits erfolgte Verurteilungen - sowie eine negative Prognoseentscheidung für das weitere Verhalten der Antragsteller verlangt (vgl. VwGH vom 16. Mai 2013, 2013/21/0003).
Der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 FPG setzt nicht voraus, dass der Fremde tatsächlich schon einmal ein Reisedokument für den verpönten Zweck benutzt hat (VwGH vom 7. 7. 2009, 2007/18/0243; VwGH vom 26. 2. 2015, Ra 2014/22/0133).
Nach dem Wortlaut der Bestimmung ("... ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen ...") ist der Behörde kein Ermessen eingeräumt, das ein Absehen von der Versagung erlaubt (VwGH vom 17.02.2006, 2006/18/0030; vom 24.09.2009, 2009/18/0155). Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Fremden ist im Falle des Vorliegens eines Versagungsgrundes keine Rücksicht zu nehmen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 92 FPG, K7).
Die Versagung eines Konventionsreisepasses stellt eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten dar. Bei der Prüfung der Frage, ob die vom Gesetz geforderte Annahme gerechtfertigt ist (Zukunftsprognose), ist festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die diese Annahme rechtfertigten (VwGH vom 05.07.2012, 2010/21/0345 mit Verweis auf VwGH vom 24.06.2010, 2009/21/0084).
Voraussetzung für die Passversagung ist in den angeführten Fällen jeweils eine durch die Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des Fremden zu treffende Prognoseentscheidung. Dabei liegt keine Bindung an die einem allenfalls vorangegangenen gerichtlichen Verfahren getroffenen Erwägungen vor [...] (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 92 FPG, K6).
Die Unmöglichkeit, die eigene Identität (im Bundesgebiet) durch einen Konventionsreisepass nachweisen zu können, ist bei Vorliegen eines Versagungsgrundes in Kauf zu nehmen (VwGH vom 22. 10. 2009, 2008/21/0570).
Ein Konventionsreisepass ist zur Darlegung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur legalen Arbeitsaufnahme des Fremden in Ö nicht erforderlich. Bei der Versagung ist - ebenso wie bei dessen Entziehung - auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen (vgl. VwGH vom 20.12.2013, 2013/21/0055; VwGH vom 4. 6. 2009, 2006/18/0204; VwGH vom 24. 1. 2012, 2008/18/0504).
3.5.3. Die belangte Behörde stützte seine Entscheidung auf Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses an den BF spruchgemäß auf „§ 94 Abs. 5 iVm § 92 Z 3 FPG“. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde auf § 92 Abs. 3 FPG Bezug genommen, jedoch verabsäumt sich explizit auf einen Versagungsgrund nach § 92 Abs. 1 Z 1 bis 4 oder Abs. 1a FPG zu stützen.
Darüber hinaus übersieht die belangte Behörde, dass § 92 Abs. 3 FPG normiert, dass sofern den Tatsachen, die in § 92 Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde liegen, bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen ist, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Juni 2021 waren jedoch bereits mehr als 3 Jahre seit Begehung der letzten Tat im Februar 2016 vergangen, weshalb § 92 Abs. 3 FPG nicht zur Anwendung kommen durfte und jedenfalls eine Zukunftsprognose zu erstellen war.
Der Behörde ist hinsichtlich der Versagungsgründe des § 92 FPG, wie schon ausgeführt, kein Ermessen eingeräumt. Es bleibt daher zu prüfen, ob ein Versagungsgrund gemäß § 92 Abs. 1 und Abs. 1a FPG vorliegt und ist bei Vorliegen eines solchen die Ausstellung eines Passes – in casu – die neuerliche Ausstellung eines Konventionsreisepasses, zu versagen.
3.5.4. Im Fall des Beschwerdeführers trifft § 94 Abs. 5 FPG iVm § 92 Abs. 1a FPG iVm § 14 Abs. 1 Z 5 Passgesetz 1992 zu, insoweit bei ihm Umstände vorliegen, die die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses rechtfertigen würden.
Wie bereits festgestellt, weist der Beschwerdeführer eine rechtskräftige Verurteilung in Österreich auf. Auch in der Beschwerde bleibt unbestritten, dass der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid festgestellten Tathandlungen begangen hat und deshalb in der dort festgestellten Weise rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF für ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung, nämlich für die Terrororganisation „Islamic State“ (IS), in zwei Tathandlungen Geldbeträge per Kontodienst an einen Mittelsmann des IS in der Türkei transferierte, wobei der BF die Überweisungen nicht selbst, sondern durch seine Lebensgefährtin, durchführen ließ. Der BF wurde aus diesem Grund wegen des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs. 1a Z 2 StGB in Österreich rechtskräftig verurteilt.
Gerade durch die nunmehrige Einbindung der Bestimmung des Passgesetzes und die Novellierung der einschlägigen Bestimmungen im FPG mit dem Ziel der schnelleren und bedrohungsadäquaten Reaktionsmöglichkeiten auf Bedrohungsszenarien, wie den Terrorismus im Fremden- und Asylrecht, brachte der Gesetzgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er bereits Versagungsgründe sieht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber die innere und äußere Sicherheit gefährden könnte.
Beim BF kommt erschwerend hinzu, dass er zwei Tathandlungen, nämlich zwei Geldüberweisungen an einem Mittelsmann des IS, tätigen ließ (im Oktober 2015 und Februar 2016). Zudem sah es das LG XXXX als hinreichend erwiesen an, dass der Beschwerdeführer jedenfalls davon ausgegangen ist, dass dieses - auf sein Hinwirken hin - überwiesene Geld dem IS, insbesondere seinem Freund XXXX , als Unterstützungsleistung zukommen sollte. Darüber hinaus wurden beim BF, dem Strafurteil folgend, bei einer Durchsuchung Ende November 2017 Datenträger sichergestellt, auf denen eine Reihe von Audio- und Videodateien mit radikal-islamischer Propaganda gefunden wurden. Auf 11 Audiodateien sind dabei Reden bzw. Predigten zu hören, die den „Heiligen Krieg“ und den Kampf gegen „Kuffur“ (Anm.: „Ungläubiger“, „Gottesleugner“) zum Inhalt haben. Diese Hetzpropaganda ist vom BF zwar nicht weitergegeben, aber sehr wohl gespeichert worden. Das vom BF im Bundesgebiet gesetzte, strafrechtswidrige Verhalten bringt dessen massive Missachtung gegenüber der in Österreich geltenden Rechtordnung unmissverständlich zum Ausdruck und gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich. Gerade auch vor dem Hintergrund der Internationalität des Terrorismus und der Begehung besonderer Gräueltaten durch terroristische Gruppierungen, kommt der Verhinderung, sowie Vorbeugung terroristischer Straftaten besonderes großes Gewicht zu.
Insgesamt ist dem BF vor dem Hintergrund der begangenen Straftat und unter Berücksichtigung des von ihm gesammelten ideologischen Gedankenguts, eine negative Zukunftsprognose zu attestieren.
Wenn beschwerdeseitig nun ausgeführt wird, dass der BF lediglich davon ausgegangen sei, mit der Überweisung der Geldbeträge seinem ehemaligen Freund zur Rückreise nach Österreich zu unterstützten, ist dem entgegenzuhalten, dass das erkennende Gericht an die rechtskräftige, strafgerichtliche Verurteilung des BF gebunden ist. Das Strafgericht führt in seinem Urteil klar aus, dass sich der BF umfangreich mit dem IS beschäftigt und Propagandamaterial auf seinem Handy gespeichert habe, er daher jedenfalls wusste, dass der IS eine Terrorvereinigung ist, die schwerste Straftaten in Syrien und andernorts begeht. Der BF habe – wie oben angeführt - auch von seinem Freund selbst telefonisch erfahren, dass dieser für den IS kämpfe und zeige der Umstand, dass der BF zur Verschleierung seiner Täterschaft seine ahnungslose Lebensgefährtin aufgefordert habe die Überweisung unter ihrem Namen zu tätigen, obwohl er sonst immer und ausschließlich die Geldgeschäfte erledige, dass der BF von der Strafbarkeit seiner Handlungen sehr wohl ausgegangen sei.
Soweit der BF in der Beschwerde darüber hinaus unsubstantiiert ausführt, dass keine gerechtfertigten Gründe für die Annahme bestünden, dass er die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde, lässt dieses Vorbringen jeglichen Begründungswert vermissen und erweist nicht dazu geeignet die dem BF erstellte negative Zukunftsprognose hinreichend substantiiert zu entkräften. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (VwGH vom 04.04.2019, Ra 2019/21/0060-5 Rz 11).
Terroristische Straftaten sind zweifellos mitunter die gravierendsten Straftaten, die das österreichischen Strafgesetzbuch kennt. Diesen Verbrechen zugrundeliegende Wertvorstellungen stehen den in Österreich gelebten Grund- und Menschenrechten, sowie westlich-demokratischen Werten, jedenfalls diametral entgegen und so stellen die Handlungen des BF eine eindringliche Gefahr für die öffentlichen Interessen der Republik Österreich dar. Hinsichtlich des Ausmaßes der von terroristischen Aktivitäten ausgehenden Gefahr, bedarf dies keiner näheren Erörterung. Insgesamt ist bei terroristischen Straftaten daher von einem besonders langen Wohlverhaltenszeitraum auszugehen.
Der BF hat in der Vergangenheit nicht nur zwei Tathandlungen gesetzt, in denen er Vermögenswerte an einen Mittelsmann des IS überwiesen ließ, sondern auch nach den durch seine Ehefrau getätigten Überweisungen, im Wissen, um die Strafbarkeit seiner vorherigen Taten, radikal-islamisches Propagandamaterial gesammelt und aufbewahrt, welches Ende November 2017 bei einer Durchsuchungsanordnung bei ihm gefunden wurde. Ein tatsächlicher, plötzlicher Gesinnungswandel des BF und seines ideologischen Gedankenguts kann dem BF aufgrund des sehr kurzen Beobachtungszeitraumes hinsichtlich dieser gravierenden Straftat von etwa 5 ½ Jahren (gerechnet von der letzten Straftat im Februar 2016), sowie des bei ihm im November 2017 gefundenen Propagandamaterials und der noch offenen Probezeit, nicht attestiert werden.
Es ist in einer Gesamtsicht dieser Erwägungen sohin zum Ergebnis zu gelangen, dass die erwähnten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass BF im Falle des Erlangens eines Konventionsreisepasses als zumindest Sympathisant und nachweislicher Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Sinne der UN-Sanktionsliste durch seinen Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit Österreichs mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährden könnte.
3.5.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.6. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gg. Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Entziehung Gefährdungspotenzial individuelle Verhältnisse Konventionsreisepass Rechtskraft Terror Versagungsgrund VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W247.2244310.1.00Im RIS seit
08.11.2021Zuletzt aktualisiert am
08.11.2021