TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 W119 2178294-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
IntG §10 Abs2 Z3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W119 2178294-1/39E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA: Georgien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2017, Zl 1129323906 – 161241693/BMI-BFA_OOE_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des bekämpften Bescheides gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA VG auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 2 Z 3 IntG idgF wird Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 2 Z 3 IntG idgF wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die nunmehr volljährige Beschwerdeführerin reiste als Minderjährige gemeinsam mit ihrer Mutter (Zl W119 2178293) aus Georgien aus und stellte am 11.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich der am 12.09.2016 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab die Mutter der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund an, dass ihr Sohn (somit Bruder der Beschwerdeführerin) wegen Terrorismus verfolgt worden sei. Aus diesem Grund sei sie ebenfalls belästigt worden. Die Beschwerdeführerin habe gemeinsam mit ihrer Mutter am 17.08.2016 ihren Wohnort XXXX /Georgien mit dem Flugzeug Richtung Griechenland verlassen. In Griechenland sei die Einreise legal mittels eines am 04.08.2016 im griechischen Konsulat in Tbilisi (Tiflis) ausgestellten Aufenthaltstitel (Gültigkeitsdauer von 09.08.2016 bis 07.09.2016) erfolgt.

Am 09.08.2017 gab die Beschwerdeführerin per E-Mail bekannt, für die am 08.09.2017 vorgesehenen Einvernahme beim Bundesamt einen tschetschenischen Dolmetscher nicht zu akzeptieren, sondern ausschließlich einen georgischen Dolmetscher zu billigen.

Am 08.09.2017 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab eingangs an, die Sprachen Georgisch, Tschetschenisch, Englisch und Deutsch zu sprechen. Die Beschwerdeführerin sei weder verlobt, verheiratet noch jemandem versprochen. Zum Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin aus:

„F:      Wissen Sie, warum Sie nach Österreich gereist sind?

A:       Ja. Ein bisschen, nicht ganz.

F:       Erzählen Sie mir was Sie wissen.

A:       Meine Mama hat gesagt, wir gehen von Georgien weg, sie erzählt später warum. Es war, weil immer Menschen zu uns gekommen sind.

F:       Haben Sie diese Menschen gesehen?

A:       Ja. Aber ich habe sie nicht gekannt.

F:       Wie waren diese Menschen angezogen?

A:       Normal.

F:       So wie ich? Hemd oder T-Shirt, Jeans?

A:       Ja.“ (Niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt vom 08.09.2017, S.3f)

In Österreich besuche die Beschwerdeführerin die Neue Mittelschule und habe bereits einen Vorbereitungskurs „Kinderbetreuung“ als Vorbereitung zum Dienstleistungscheck absolviert.

In der gleichen Einvernahme gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, seit 1985 mit XXXX verheiratet zu sein und vier Kinder mit ihm zu haben. Ein Sohn lebe mit seiner Familie in der Türkei, ein anderer befinde sich mit seiner Familie in Deutschland. Die Beschwerdeführerin sei mit ihr mitgeflohen, sodass sie keine eigenen Fluchtgründe aufweise. Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin durch ihre Mutter im Asylverfahren vertreten.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, führte die Mutter der Beschwerdeführerin aus, zum einen von ihren Cousins sehr unter Druck gesetzt worden zu sein. Sie sei eine kurze Beziehung zu einem Mann, der Georgier und Christ gewesen sei, eingegangen. Die Beziehung habe im Jahr 2012 begonnen und acht Monate lang gedauert. Als ihre Cousins davon erfahren hätten, seien sie der Meinung gewesen, dass dies unsittlich sei. Aus diesem Grund habe es zwei Überfälle seitens der Cousins gegeben. Sie sei von diesen geschlagen und bedroht worden.

Zum anderem sei die Mutter der Beschwerdeführerin von der Polizei immer wieder über den Aufenthaltsort ihres ältesten Sohnes befragt worden. Die Polizei habe sie bedrängt, da ihrem Sohn vorgeworfen worden sei, Terrorist zu sein und sie seinen genauen Aufenthaltsort kenne, diesen aber verheimliche. Die Polizei habe ihm vorgeworfen, nicht in der Türkei zu leben, sondern in Syrien zu kämpfen.

Die Mutter der Beschwerdeführerin habe nicht gewollt, dass die Beschwerdeführerin von diesen Problemen erfahre, sodass sie den tatsächlichen Hintergrund der Flucht auch nicht kenne. Aus diesem Grund habe die Mutter der Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung, bei der auch die Beschwerdeführerin anwesend gewesen sei, nicht alle Fluchtgründe nennen können.

Darüber hinaus fürchte die Mutter der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdeführerin zwangsverheiratet werden könne. Es sei tschetschenische Tradition, dass, sobald eine junge Frau reif sei, sie zu verheiraten sei. Die ältere Schwester der Beschwerdeführerin sei bereits durch die Schwiegermutter zwangsverheiratet worden. Die Beschwerdeführerin habe von all dem nichts mitbekommen und ihre Mutter habe ihr auch nichts sagen wollen.

Ergänzend legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung über Integrationsbemühungen vom 25.09.2017 vor.

Am 17.09.2017 und 21.09.2017 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung über ihre ehrenamtliche Tätigkeit vom 15.09.2017 und eine Kursbestätigung (Kinderbetreuung im Rahmen des Dienstleistungsschecks) vom 21.07.2017.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.10.2017, Zl 1129323906-161241693/BMI-BFA_OOE_RD, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V).

Mit Verfahrensanordnung vom 16.10.2017 wurde der Beschwerdeführerin die Organisation Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsberater mit Schriftsatz vom 10.11.2017 vollinhaltlich Beschwerde.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.12.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben vom 12.05.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin an das Gericht ein Konvolut an Integrationsunterlagen:

-        Teilnahmebestätigung am Pflichtschulabschluss-Lehrgang vom 31.01.2020

-        Schulbesuchsbestätigung der Neuen Mittelschule

-        Zertifikat „Finanzführerschein BASIC“ vom 05.02.2019

-        Kursbestätigung zum E-Learning Kurs „Verkaufstricks“ vom 08.01.2019

-        Kursbestätigung zu „Kinderbetreuung im Rahmen des Dienstleistungsschecks“ vom 21.07.2017

Am 04.06.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin ergänzend ein Empfehlungsschreiben des österreichischen Roten Kreuzes vom 10.03.2020.

Am 18.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der sich die Mutter der Beschwerdeführerin sowie ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ebenfalls beteiligten.

Zu ihrem Leben in Österreich führt die Beschwerdeführerin an, die Mittelschule und anschließend das Gymnasium (in der Übergangsklasse) besucht zu haben. Weiters habe sie ein halbes Jahr den Polytechnischen Lehrgang besucht. Zurzeit mache sie den Hauptschulabschluss. Für die Zukunft strebe die Beschwerdeführerin den Abschluss einer Lehre als Köchin an. Sie habe Freunde und Freundinnen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin einige Monate einen Karatekurs besucht. Weiters habe sie einige Schnuppertage bei der Gemeinde sowie im Kindergarten absolviert. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten sei, gab sie an:

„Ich bin von einem Tschetschenen beschimpft worden, weil ich mit einem Jungen einer anderen Nationalität gesprochen habe. Der Mann hat mir vorgeworfen, dass ich meine Nationalität beschmutze. Der Junge hat dann die Polizei gerufen. Die Polizei hat dann mich kontaktiert. Das war vor einer Woche. Seitdem hat sich die Polizei nicht mehr gemeldet. Ich weiß nicht, ob der Mann bestraft worden ist.“ (Verhandlungsprotokoll OZ 17, S. 19).

Auf die Frage, ob sie bereits zum Fluchtgrund befragt worden sei, führte die Beschwerdeführerin aus:

BF:      Ja, aber nicht über die Fluchtgründe. Nur, wo ich in die Schule gehe usw. Ich wurde zur Integration befragt. Nachgefragt gebe ich an, ich wurde gefragt, warum ich gekommen bin. Ich sagte, dass ich nicht alles weiß. Ich wurde gefragt, was ich genau weiß. Ich habe dann gesagt, dass es so sein könnte, wegen ein paar Leuten die zu uns kamen und meine Mutter deshalb Probleme hatte“ (Verhandlungsprotokoll OZ 17, S. 5).

Zu den Fluchtgründen führte weiters die Mutter der Beschwerdeführerin aus, dass die Gründe der Asylantragsstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheides gleichbleibend seien: Sie habe eine Beziehung zu einem Christen gehabt und sei in diesem Zusammenhang von ihren Cousins misshandelt worden. Aufgrund dieser Beziehung seien Vorwürfe von ihrer Schwiegermutter sowie der Schwägerin entstanden, dass die Beschwerdeführerin nicht die leibliche Tochter ihres Vaters sei. Aus diesem Grund sei die Beschwerdeführerin Zuhause und in der Schule geschlagen worden.

Ein weiterer Grund für die Flucht sei die Tatsache gewesen, dass sie fürchtete, die Beschwerdeführerin werde zwangsverheiratet. Die Beschwerdeführerin wisse nichts davon, dass sie mit 14 Jahren hätte verheiratet werden sollen. Eine derartige Zwangsheirat sei bereits bei der älteren Schwester der Beschwerdeführerin erfolgt.

Zum ausgesprochenen fünfjährigen Einreiseverbot hielt die Richterin fest, dass die Verhängung des Einreiseverbotes ausschließlich auf die Rückführungsrichtlinie gestützt worden sei. Es sei zunächst keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt worden, da die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Die aufschiebende Wirkung sei durch das Bundesverwaltungsgericht allerdings zuerkannt worden, somit sei der Grund für das Einreiseverbot weggefallen. Darüber hinaus sei unsubstantiiert im Bescheid vermerkt gewesen, dass aufgrund einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Erlassung des Einreiseverbotes dringend notwendig sei, allerdings sei keine diesbezüglich nähere Begründung erfolgt. Die Richterin hielt darüber hinaus fest, dass sie keine Gründe sehe, die in der Zwischenzeit dazugekommen wären.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die Länderfeststellungen zur Situation in Georgien (Gesamtaktualisierung am 02.09.2019, Stand 16.03.2020) übergeben, wozu diesem eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt wurde. Die Richterin hielt fest, dass bis dato keine Berichte zur Situation von Frauen aus dem Rayon Achmeta, insbesondere dem Pankisi-Tal sowie Berichte zur speziellen Situation der Volksgruppe der Tschetschenen erhältlich seien.

Mit Schriftsatz vom 03.07.2020 wurde eine Stellungnahme eingebracht, um die in der Verhandlung vorgebrachten Ausführungen (Frauenmorde aufgrund des Ehebruchs) mit entsprechenden Berichten und Unterlagen zu untermauern. Zum Thema der religiösen Radikalisierung im Pankisi-Tal legte die Beschwerdeführerin Ausschnitte aus dem Bericht „Understanding Why Youth Fight In The Middle East – The Case Of Pankisi“ vom Juli 2019 vom Center For Social Sciences, vor. Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass in Pankisi Tal seit den 1990ern eine religiöse Transformation des Islam im Gange sei. Ein Leben, wie zu Zeiten des Propheten Mohammad gelte schließlich als Idealvorstellung. Damit einher gehe die Vorstellung, dass die strengen Sitten- und Verhaltensregeln aus jener Zeit einzuhalten seien, auch wenn sie jenen des Staates entgegenstünden. Vor allem die Rolle der Frau werde immer mehr in dieses traditionelle und zuvor bereits längst überwundene Rollenverständnis zurückgedrängt. Dass ein Fehlverhalten einer Frau, bzw. das Handeln gegen den Willen ihres Mannes durch ihren Mann (in Abwesenheit eines solchen) durch andere männliche Familienmitglieder bestraft werden solle, sei in diesem konservativen Umfeld gelebte Praxis. Wo durch den Koran bereits Regeln vorgegeben werden, solle es keine Einmischung der Polizei oder der staatlichen Gerichte geben. Diese Ausschnitte ließen erkennen, aus welchen Umfeld die Beschwerdeführerin und ihre Mutter stammten, welche Rolle die „Frauen“ spielten und welche untergeordnete Rolle hier die staatlichen Polizeibehörden einnehmen würden.

Ergänzend legte die Beschwerdeführerin folgende Integrationsunterlagen vor:

-        Unterstützungszusage einer Initiative

-        Empfehlungsschreiben des Roten Kreuzes vom 02.07.2020

-        Stellungnahme des in Österreich wohnhaften Onkels der Beschwerdeführerin vom 01.07.2020

Mit Schreiben vom 11.01.2021 wurde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Anfragebeantwortung zu Frauen in Pankisi-Tal, Zwangsverheiratung, Schutzmöglichkeit; Länderreport Georgien; aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) verständigt, wobei ihr eine dreiwöchige Frist für die Stellungnahme eingeräumt wurde.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführerin ebenfalls mit Schreiben vom 11.01.2021 im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht (§§ 15, 18 AsylG, § 39 Abs 2a AVG) aufgetragen, binnen einer Frist von drei Wochen die im Schreiben angeführten Fragen zu beantworten.

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungssauschusses vom 14. 01. 2021 wurde gegenständlicher Verwaltungsakt der Richterin Mag. SCHREY LL.M. abgenommen und der erkennenden Richterin zugewiesen.

Mit Schriftsatz vom 20.01.2021 wurde eine diesbezügliche Stellungnahme eingebracht, in der die Beschwerdeführerin auf diverse Videos in den sozialen Netzwerken verwies, welche die Situation der Frauen und die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin bekräftigen würden. Ergänzend legte die Beschwerdeführerin weitere Integrationsunterlagen vor:

-        Integrationsbestätigung einer Initiative vom 01.02.2021

-        Teilnahmebestätigung zum Pflichtschulabschluss-Lehrgang 31.01.2021

-        Zeugnis über den Pflichtschulabschluss vom 14.01.2021

Am 11.05.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin weitere Integrationsschreiben und zwar diverse Empfehlungsschreiben, eine Unterstützungserklärung durch den Onkel der Beschwerdeführerin sowie Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten.

Am 24.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die Beschwerdeführerin und ihre Mutter teilnahmen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm nicht teil. Die Beschwerdeführerin legte zunächst ein Schreiben des in Österreich wohnhaften Onkels, ein Empfehlungsschreiben sowie eine Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit vor.

Zum Fluchtgrund ihrer Mutter führt die Beschwerdeführerin aus:

RI:      Wollen Sie sich zu den Fluchtgründen ihrer Mutter äußern?

BF:      Ich wollte gar nicht nach Österreich kommen, aber ich wusste auch nicht warum ich herkommen sollte. Meine Mutter hat nichts gesagt. Sie hat nur gesagt, dass sie es mir später erklärt. Ich wollte immer zurückgehen und habe es auch meinen Betreuern gesagt.

RI:      Warum sind Sie nicht zurückgegangen?

BF:      Ich wusste am Anfang ja gar nichts. Es war in der Schule schwierig. Die Situation war überhaupt schwierig. Als ich meinem Betreuer meinen Rückkehrwunsch äußerte, fing meine Mutter an, mir die Situation in Georgien zu erklären.

RI:      Haben Sie daraufhin weiter auf eine Rückkehr bestanden?

BF:      Seit sie mir erzählt hat nicht, nein. (OZ 35, S.7)

Zu ihrer Einstellung zu Religion führt die Beschwerdeführerin aus:

RI:      Leben Sie gerne in Österreich?

BF:      Ja.

RI:      Sie sind eigentlich verschleiert, wie eine Tschetschenin auch in Tschetschenien verschleiert ist.

BF:      Ja. Ich trage das Kopftuch seit 2017. In Georgien habe ich keines getragen.

RI:      Warum tragen Sie seit 2017 eines?

BF:      Damals war ich klein und jetzt übe ich meine Religion aus. Ich will mehr über meine Religion wissen.

RI:      Auf welche Weise üben Sie Ihre Religion aus?

BF:      Wir fasten, geben anderen Geld. Wir praktizieren die fünf Säulen des Islam.

(OZ 35, S.6f)

[…]

RI:      Interessiert sich Ihre Mutter auch für die muslimische Religion?

BF:      Weiß nicht, glaube schon. Ich habe mehr Interesse daran, als sie.

Mutter der BF: Ich habe weniger Interesse. Fasten und beten mache ich schon, aber ich bin nicht so überzeugt wie meine Tochter.

RI:      Inwiefern ist Ihre Tochter überzeugt?

Mutter der BF: Ich habe damit gemeint, dass sich meine Tochter strikt an die Regeln hält wie z.B. ihre Aufmachung. Die Haare kann man eigentlich nicht zeigen, wenn man wirklich eine gläubige Muslimin ist. Meinte Tochter trägt einen Hijab.

BF:      Das hat aber nichts mit dem Kopftuch zu tun. Sie hat mich nicht dazu gezwungen.

Mutter der BF: Ich mag das eigentlich nicht ganz so, dass meine Tochter ein Kopftuch trägt, bei welchem man keine Haare sieht.

RI:      Haben Sie Freundinnen, die auch einen Hijab tragen?

BF:      Ich habe keine Freundinnen, die ein Kopftuch tragen.

(OZ 35, S.8f)

[…]

RI:      Welche Moschee besuchen Sie?

BF:      Ich gehe nicht in eine Moschee, weil ich nicht alleine möchte. Ich würde mit jemanden gehen, aber ich kenne niemanden, der mit mir dorthin gehen würde.

RI:      Wieso haben Sie den Beschluss gefasst, besonders gläubig zu sein?

BF:      Ich möchte Vieles machen, was im Buch steht. Es heißt nicht, dass man besonders gläubig ist, wenn man ein Kopftuch trägt.

RI:      Hat Sie jemand inspiriert, sich so eine Sichtweise anzueignen?

BF:      Ja, Maria, wir glauben auch an Jesus.

(OZ 35, S. 9)

Die Beschwerdeführerin führte zu ihrem Leben in Österreich aus, ehrenamtlich auf einem Bauhof zu arbeiten. Langfristig strebe sie an, medizinische Fachangestellte zu werden. Sie habe einige österreichische Freunde und gehe gerne ins Schwimmbad und ins Fitnessstudio.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden dem Rechtsberater der Beschwerdeführerin die Länderfeststellungen zur Situation in Georgien (Gesamtaktualisierung am 02.12.2020) sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 04.08.2020 zu Georgien übergeben, wozu diesem eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt wurde.

Am 03.09.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung über einen zugesicherten Praktikumsplatz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist georgische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekennt sich zu sunnitisch-muslimischen Glauben. Sie spricht Georgisch, Tschetschenisch, Englisch und Deutsch. Am 11.09.2016 stellte sie – noch als Minderjährige – gemeinsam mit ihrer Mutter (Zl W119 2178293) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde in Tbilisi (Tiflis) geboren und wuchs in XXXX auf. Sie besuchte zehn Jahre lang eine Grundschule und absolviert anschließend ein Technikum in Tbilisi (Tiflis). In der Zeit 2006 bis 2015 war sie als Sachbearbeiterin beim Gemeindeamt tätig.

Im Herkunftsland der Beschwerdeführerin leben die ältere Schwerster, eine Tante, eine Großtante, die Großmutter sowie weitere Verwandte. Darüber hinaus ist ebenfalls der Vater der Beschwerdeführerin wieder in Georgien aufhältig. Zwei Brüder der Beschwerdeführerin leben in der Türkei. Mit ihrer Mutter lebt die Beschwerdeführerin seit der Einreise nach Österreich durchgehend im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin ist seit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Die Beschwerdeführerin brachte keine eigenen Fluchtgründe vor.

Die angegebenen Fluchtgründe der Mutter der Beschwerdeführerin haben sich als nicht glaubhaft erwiesen.

Die Beschwerdeführerin ist im Fall ihrer Rückkehr nach Georgien keiner Verfolgung ausgesetzt.

Die Beschwerdeführerin erlangte eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung und strebt langfristig eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten an. Darüber hinaus arbeitet sie ehrenamtlich an einem Bauhof. Die Beschwerdeführerin beherrscht die deutsche Sprache in der Weise, dass eine Kommunikation problemlos möglich ist und hat sich darüber hinaus in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich unbescholten sowie gesund und erwerbsfähig. Ihre Bemühungen äußern sich insbesondere in den vorgelegten Empfehlungsschreiben. Diese spiegeln das Bemühen und Engagement der Beschwerdeführerin sowohl die deutsche Sprache zu erlernen als auch ihre Integration voran zu treiben. Die Beschwerdeführerin sowie ihre Mutter konnte schon zahlreiche sozialen Kontakte in ihrer Dorfgemeinde knüpfen und werden von ihren Mitmenschen besonders geschätzt.

Die Mutter der Beschwerdeführerin befindet sich in der Grundversorgung und übt daneben einige Tätigkeiten im Rahmen des Dienstleistungsschecks aus. Sie ist in Österreich unbescholten sowie gesund und erwerbsfähig. Sie absolvierte die Integrationsprüfung (Sprachniveau A2) und spricht sehr flüssig und verständlich Deutsch. Darüber hinaus beabsichtigt sie einen Deutschkurs auf B1 Niveau zu bestreiten. Weiters absolvierte sie den Werte- und Orientierungskurs sowie ein Seminar über Reinigungsarbeit in privaten Haushalten. Auch sie übte mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Aktuell engagiert sie sich in der Pflege und Betreuung in einem Landespflege- und Betreuungszentrum und war darüber hinaus in der Lage, eine Einstellungszusage vorzulegen. Zukünftig strebt die Mutter der Beschwerdeführerin die Aufnahme der Tätigkeit in einem Altersheim an.

Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter führen im Bundesgebiet seit fünf Jahren ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Sie sind in das Gemeindeleben bestens integriert.

Insgesamt weist die Beschwerdeführerin in Österreich Integrationsmerkmale in sprachlicher, und gesellschaftlicher Hinsicht auf.

Allgemeine Länderinformation der Staatendokumentation, Stand 02.12.2020

2 Covid 19

Letzte Änderung: 01.12.2020

Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg der positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020; vgl. WOM 30.11.2020). COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 30.11.2020a).

Tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen werden von der Regierung auf der Webseite https://stopcov.ge/en/ veröffentlicht (Stop-CoV.ge o.D.).

Aufgrund der steigenden Zahlen wurden mit Wirkung vom 28.11.2020 unter anderem folgende Beschränkungen landesweit, vorerst bis 31.1.2021, in Kraft gesetzt: Während der nächtlichen Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr sind öffentliche und private Verkehrsbewegungen, einschließlich zu Fuß gehen, sowie der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht gestattet. Der öffentliche Überlandverkehr einschließlich Bahn, Bus und Kleinbus ist ganztägig eingestellt. Reisen in Kleinfahrzeugen (einschließlich Taxis) sind – außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre – zulässig. Es herrscht eine Tragepflicht von Gesichtsmasken im Freien sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen. Personen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Großstädte Tiflis, Batumi, Kutaissi, Rustawi, Poti, Sugdidi und Telawi sowie die Wintersportorte Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia gelten zusätzlich u.A. folgende Einschränkungen: Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist vollständig eingestellt. Geschäfte sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Hygieneprodukten und Kiosken für Printmedien. Agrarmärkte, Schönheitssalons, Friseurläden und Zentren für ästhetische Medizin sind weiterhin in Betrieb. Kindergärten sind geschlossen, Schulen und Universitäten bieten ausschließlich Fernlehre an (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Periode Neujahr-Weihnachten (24.12.2020 bis 15.1.2021) werden einzelne Beschränkungen gelockert (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Die Einschränkungen von Linienflügen nach Georgien wurden mit 1.11.2020 gelockert, seither sind auch wieder Linienflüge nach Tiflis ex Wien erlaubt (GCAA 21.10.2020). Diese Flüge werden Stand Ende November 2020 einmal wöchentlich von Georgian Airways durchgeführt (F24 30.11.2020; vgl. VIE 30.11.2020).

Bei der Einreise aus dem Ausland müssen sich georgische Staatsangehörige sowie ihre Familienangehörigen für 8 Tage in Selbstisolation begeben, wenn sie an der Grenzübertrittsstelle einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen können. Sollte ein solcher Test nicht vorgewiesen werden, wird eine obligatorische Quarantäne verhängt (MoF o.D.; vgl. StopCoV.ge o.D.) und die Person wird in eine Quarantänezone verbracht (StopCoV.ge o.D.). In den Wintersportorten Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia werden Hotels ausschließlich als Quarantäne- oder COVID-Unterkünfte betrieben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).

Quellen:

-        Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722, Zugriff 30.11.2020

-        CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https://caucasuswatch.de/news/3289.html, Zugriff 30.11.2020

-        Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/georgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020

-        F24 – Flightradar24 (30.11.2020): TBS/UGTB Tbilisi International Airport, Georgia - Routes Tbilisi, https://www.flightradar24.com/data/airports/tbs/routes, Zugriff 30.11.2020

-        GCAA – Georgian Civil Aviation Agency (21.10.2020): News and Statements - 21 Oct. ’20 | Information for Passengers, http://www.gcaa.ge/eng/news.php?id=6285, Zugriff 30.11.2020

-        Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia, Zugriff 30.11.2020

-        MoF – Ministry of Foreign Affairs of Georgia (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/sazgvris-kvetis-regulaciebi.aspx?fbclid=IwAR0PQsqZ2jc22Etm9gyMDFzetGwWktKodcpXUVW4Op1HEZImKTEXi4SyUbU&lang=en-US%20%20, Zugriff 30.11.2020

-        StopCoV.ge (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/ , Zugriff 30.11.2020

-        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020a): COVID-19 Information for Georgia (November 30), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 30.11.2020

-        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020b): Measures to control the spread of COVID-19 in Georgia, https://ge.usembassy.gov/u-s-citizen-services/measures-to-control-the-spread-of-covid-19-in-georgia/, Zugriff 30.11.2020

-        VIE – Flughafen Wien-Schwechat / Vienna International Airport (30.11.2020): Routes - Vienna International Airport (VIE), http://tracker.flightview.com/customersetup/viennaairport/routemapper/, Zugriff 30.11.2020

-        WOM – Worldometer (30.11.2020): Coronavirus – Georgia, https://www.worldometers.info/coronavirus

3 Politische Lage

Letzte Änderung: 01.12.2020

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019).

Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).

Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020); vgl. Jam 26.11.2020.

Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weit verbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020).

In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020); vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020).

Laut Gesetz muss die Zentrale Wahlkommission bis spätestens 19. Dezember 2020 das endgültige Wahlergebnisse bekannt geben und das neue Parlament muss spätestens zehn Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammentreten. Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020).

Stand Ende November 2020 ist es weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben. Im Extremfall könnte die politische Krise nur durch vorgezogene Neuwahlen im Frühling 2021 gelöst werden (Jam 26.11.2020).

Quellen:

-        civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 9.3.2020

-        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

-        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

-        EN – Euronews (2.11.2020): Georgia’s ruling party wins parliamentary vote, opposition calls for protests, https://www.euronews.com/2020/10/31/georgia-s-ruling-party-claims-victory-in-parliamentary-vote, Zugriff 30.11.2020

-        Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org/georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls , Zugriff 30.11.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

-        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

-        Jam News (26.11.2020): Georgia: can a single-party parliament function?, https://jam-news.net/georgia-can-a-single-party-parliament-work-function/, Zugriff 30.11.2020

-        KP – Kaukasische Post (11.4.2020): Neues Wahlrecht mit Virus infiziert? in: Kaukasische Post Ausgabe März 2020, Seiten 1,2.

-        KP – Kaukasische Post (23.11.2019): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020

-        KP – Kaukasische Post (26.11.2020): Alle Wahlen wieder, in: Kaukasische Post Ausgabe Oktober/November 2020. Seiten 1,2.

-        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (1.11.2020): International Election Observation Mission Georgia

-        Parliamentary Elections, 31 October 2020 – Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/a/d/469005.pdf, Zugriff 30.11.2020

-        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (29.11.2018): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

-        RFE/RL– Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019

-        Standard, der (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

4 Sicherheitslage

Letzte Änderung: 02.09.2020

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. (EDA 23.3.202013.8.2019; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU- Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

-        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten der Republik Österreich (13.5.2020): Reiseinformation Georgien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reise information/land/georgien/ , Zugriff 10.6.2020

-        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_repor t_georgia.pdf , Zugriff 30.1.2019

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html , Zugriff 23.3.2020

-        MSZ – Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej (25.5.2020): Informacje dla podró?uj?cych – Gruzja, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/gruzja , Zugriff 10.6.2020

[…]

4.2 Südossetien

Letzte Änderung: 02.09.2020

Südossetien – amtliche Bezeichnung in Georgien auch: Region Tskhinvali – hat eine Fläche von ca. 3.900 km² (gov.ge o.D.) und eine Bevölkerung von ca. 53.000 (Jam 20.2.2016). Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH FH 4.3.2020s).

Im März 2019 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates erneut große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori [Leningor] lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 19.10.2019, vgl. FH 4.3.2020s). Die südossetischen de facto-Behörden verweigern den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien und erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 11.3.2020).

Die russische ’Grenzverfestigung’ (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 11.3.2020, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019).

Die Parlamentswahlen fanden im Juni 2019 statt. Trotz besserer Gesetze konnten sich viele Regierungskritiker und Anhänger der Opposition nicht zur Kandidatur anmelden, was der Regierungspartei half, ihre Dominanz im Parlament aufrechtzuerhalten. Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf Politik und Regierungsführung aus und schränkt die Möglichkeiten politischer Parteien erheblich ein, sich außerhalb eines engen politischen Spektrums frei zu betätigen (FH 4.3.2020s).

Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2019 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im Gegensatz zu vorangegangenen Jahren wurden die Grenzübergänge zu Kerngeorgien 2019 ohne Vorankündigung für längere Zeit geschlossen (FH 4.3.2019s).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Die Redefreiheit wird unterdrückt und ein Klima von Angst und Einschüchterung ist weit verbreitet (AI 8.4.2020). Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Selbstzensur ist weit verbreitet und gegen kritische Medien werden häufig Verläumdungsklagen eingebracht. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung vermeintlicher politischer Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.3.2019s).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.3.2019s).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.3.2019s).

Im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurde Anfang April 2020 die Grenze zu Russland auch für den Güterverkehr geschlossen und somit Südossetien effektiv vom Rest der Welt isoliert (Eurasianet 19.4.2020; vgl. Sputnik 10.4.2020, 4.4.2020). Die Sperre bleibt bis zum 31. Juli aufrecht. Südossetische Staatsbürger, die von Russland nach Hause zurückkehren wollen, müssen zuerst einen Antrag beim südossetischen Konsulat in Nordossetien [Wladikawkas] stellen. Darüber hinaus haben die südossetischen Behörden die Grenze zu Georgien vollständig geschlossen (RES 6.7.2020; vgl. IWPR 30.5.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/201 9042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

-        AI – Amnesty International (8.4.2020): South Ossetia/Tskhinvali Region: Persecution of Journalists who speak out [EUR 56/2112/2020], https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR562112 2020ENGLISH.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        AI – Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of ’borderization’ in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019 ENGLISH.PDF , Zugriff am 20.8.2019

-        Eurasianet (19.4.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia, https://eurasianet.org/dashboard-cor onavirus-in-eurasia , Zugriff 20.4.2020

-        FH – Freedom House (4.3.2020s): Freedom in the World 2020 - South Ossetia, https://freedomh ouse.org/country/south-ossetia/freedom-world/2020, Zugriff 16.6.2020

-        gov.ge – Government of Georgia (o.D.): http://www.gov.ge/index.php?lang_id=GEO&sec_id=214 , Zugriff 17.1.2020

-        IWPR – Institute for War & Peace Reporting (30.5.2020): South Ossetia Grapples with Covid-19, https://iwpr.net/global-voices/south-ossetia-grapples-covid-19 , Zugriff 5.6.2020

-        Jam News (20.2.2016): How many people live today in South Ossetia?, https://jam-news.net/how -many-people-live-today-in-south-ossetia/ , Zugriff 17.1.2020

-        RES - Staatliche Nachrichtenagentur ’Res’ der Republik Südossetien (6.7.2020): ??????????? ??? 85: ? ????? ?????? ?? ???????? ????? ??????? ??????????? ?????????????, http://co minf.org/node/1166530895 , Zugriff 10.7.2020

-        Sputnik News Južnaja Osetija (10.4.2020): ??????? ????? ?????? ? ??????? ????? ??????? ?? 1 ???, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200410/10401609/Granitsa-Yuzhnoy-Osetii -s-Rossiey-budet-zakryta-do-1-maya-.html , Zugriff 20.4.2020

-        Sputnik News Južnaja Osetija (4.4.2020): ????? ?????? ????????? ?????????? ???????? ????????? ? ???????, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200404/10371566/YuzhnayaOsetiya-polnostyu-prekratila-dorozhnoe-soobschenie-s-Rossiey.html , Zugriff 20.4.2020

-        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices:

-        Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 12.3.2020

5 Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 02.09.2020

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 19.10.2019).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 10.3.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/201 9042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

-        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

-        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

6 Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 02.09.2020

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (USDOS 11.3.2020).

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu ver

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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