TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/11 W178 2227859-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2021
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Entscheidungsdatum

11.10.2021

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §410
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W178 2227859-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerden des Herrn XXXX (Beschwerdeführer 1), vertreten durch RAe Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl und des XXXX , (Beschwerdeführerin 2) vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse Landesstelle Wien (ÖGK-W) vom 16.12.2019, Zl. 11130674, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

1.       Die Beschwerde des XXXX wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Beschwerde des Herrn XXXX wird teilweise stattgegeben und es wird in Abänderung des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides feststellt, dass die Beitragsgrundlagen wie folgt betragen:

von 01.10. 1989 bis 30.06.1990 ATS 33.693,33 (2.448,57 Euro)

vom 01.10.1990 bis 30.06.1991 ATS 21.466,66 (1.560,00 Euro)

vom 01.10.1991 bis 30.06.1991 ATS 19.506,66 (1.417,56 Euro)

vom 01.10.1992 bis 30.06.1993 ATS 42.666,66 (3.100,67 Euro)

vom 01.10.1993 bis 30.06.1994 ATS 40.000,00 (2.906,92 Euro)

vom 01.10.1994 bis 30.06.1995 ATS 25.000,00 (1.860,43 Euro)

vom 01.10.1995 bis 30.06.1996 ATS 28.600,00 (2.078,45 Euro)

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die WGKK (nunmehr ÖGK) hat auf Anregung des ASG Wien, bei dem Herr XXXX (Beschwerdeführer 1-Bf1) ein Verfahren betreffend seine Pensionsversicherungszeiten anhängig gemacht hat, einen Bescheid über die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 ASVG aufgrund seiner Tätigkeit als Musikpädagoge beim XXXX (Beschwerdeführerin 2-Bf2) in den im Spruch genannten Zeiträumen erlassen (Spruchpunkt 1.), es wurden die jeweiligen Beitragsgrundlagen festgestellt (Spruchpunkt 2.) und dem Bf1 die Nachentrichtung der Pensionsversicherungsbeiträge genehmigt (Spruchpunkt 3.).

2. Gegen Spruchpunkt 2. dieses Bescheides hat XXXX Beschwerde eingebracht und die Höhe der festgestellten Beitragsgrundlagen in Frage gestellt.

Ebenso hat die Bf2 ein Rechtsmittel eingebracht und bestritten, dass Pflichtversicherung als Dienstnehmer bestanden habe.

3. Am 28.09.2021 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, bei der ein Vertreter der Bf2 und der Bf1 einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bf1 war als Musikpädagoge für verschiedene Instrumente für die Bf2 tätig. Der Unterricht fand im XXXX , in der XXXX statt; dieses Zentrum wurde bzw. wird von der Bf2 betrieben. Die Verträge wurden jeweils vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.06. des Folgejahres geschlossen. Die Anzahl der tatsächlich geleisteten Stunden war von der konkreten Buchung der einzelnen Unterrichtsstunden durch Schülerinnen und Schüler abhängig. Nur diese Stunden wurden bezahlt. Die im Beiblatt angeführten Unterrichtszeiten waren als Rahmenvereinbarung gedacht, in denen der Bf1 zur Verfügung stand und ihm ein Raum für den Unterricht zugeteilt war. Durch diese Regelung entstanden sogenannte Leerzeiträume, in denen kein Unterricht stattfand und für die der Bf1 auch kein Entgelt bekam.

Es wurden pro Unterrichtsjahr (2 Semester) vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen. Das Unterrichtsjahr wurde jeweils mit 30 Wochen berechnet. Der Stundenlohn betrug zwischen € 190, -- und € 220, --.

Der Bf1 war neben seiner Tätigkeit für die Bf2 auch für eine VHS tätig und absolvierte ein Studium.

Der Bf war in die Organisation der Musikschule integriert, er wurde in das Programm (Angebot an Kursen), das das XXXX den potentiellen Schülerinnen und Schülern anbot und das als Basis für die Anmeldung diente, aufgenommen. Es wurden ihm die entsprechenden Unterrichtsräume für ganz bestimmte Zeitintervalle zugeteilt, in denen der Unterricht, so er gebucht war, abzuhalten war. Er hatte auch regelmäßig, an jedem Unterrichtstag, einen Bericht über den erfolgten Unterricht zu verfassen, an Teambesprechungen teilzunehmen, auch Pausenaufsicht zu halten. Verhinderungen hatte er, so nicht kurzfristig eingetreten, eine Woche vorher zu melden und die entfallene Stunde entweder nachzuholen oder einen Ersatz zu benennen. Es gebührten keine Sonderzahlungen.

Das XXXX des XXXX war jedenfalls im gegenständlichen Zeitraum keine Einrichtung, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, im Sinne des § 5 Abs 1 Z 5 ASVG - in der im streitgegenständlichen Zeitraum anzuwendenden Fassung - betreibt.

Die Beitragsgrundlagen wie im Spruch festgestellt sind nicht aufgewertet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Unterlagen im Akt der belangten Behörde, insbesondere auf der Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.10.2017, den Verträgen zwischen dem Bf1 und der Bf2 sowie den jeweiligen Beiblättern zu den Verträgen; sie ergeben sich weiters aufgrund der Einvernahmen in der mündlichen Verhandlung.

Der Bf1 hat in der mündlichen Verhandlung mit plausiblen Argumenten und mit großer Glaubwürdigkeit dargetan, dass die Feststellungen der belangten Behörde betreffend Beitragsgrundlagen auf einer unrichtigen Interpretation der Verträge (Beiblätter) beruhten.

Die Feststellungen zu den konkreten Umständen der Tätigkeit in Bezug auf das arbeitsbezogene Verhalten ergeben sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und den Aussagen des Bf1. Der Bf1 konnte in der mündlichen Verhandlung überzeugend darlegen, wie die Beiblätter zu verstehen sind und in welchem Maß er tätig war. Er konnte plausibel darlegen, dass die in den Beiblättern angeführten Zeiträume nicht zu 100 % mit Schülerinnen und Schülern gebucht waren und dass er nur zu zwei Drittel der Zeit Unterricht gegeben und Entgelt bezogen hat. Nachvollziehbar ist auch das Argument, dass manche Zeitfenster für die Kundinnen und Kunden zeitlich schlecht gelagert waren und daher nicht gebucht wurden.

Auszahlungsbelege konnten aufgrund des Zeitablaufes weder vom Bf1 noch von der Bf2 vorgelegt werden.

Die Bf2 als Beschäftigerin hat dahingehend Stellung genommen, dass sie die Angaben des Bf1, die dieser in der mündlichen Verhandlung getätigt hat, für schlüssig hält.
3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1

Gemäß § 4 Abs 1 Z. 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

Gemäß § 4 Abs 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
3.2 In den streitgegenständlichen Zeiträumen war die allgemeine Beitragsgrundlage in § 46 ASVG geregelt:

(1) Zum Zwecke einer vereinfachten Berechnung der Beiträge und Leistungen kann durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung bestimmt werden, dass für alle oder für bestimmte Gruppen der im § 44 Abs. 1 genannten Pflichtversicherten die allgemeine Beitragsgrundlage nicht unmittelbar nach dem Arbeitsverdienst, sondern nach Lohnstufen gemäß den folgenden Absätzen ermittelt wird.

(2) Vom Bundesminister für Arbeit und Soziales ist nach Anhörung des Hauptverbandes für den gesamten sachlichen Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes (§ 2) ein einheitliches Lohnstufenschema zu erlassen, wobei jeweils so viele Lohnstufen vorzusehen sind, dass die für die Beitragsbemessung in Betracht kommenden Arbeitsverdienste erfasst werden. Der auf den Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst ist hierbei von zwanzig zu zwanzig Schilling abzustufen. (BGBl. Nr. 96/1965, Art. I Z 4 lit. a) – 1.1.1966; (BGBl. Nr. 23/1974, Art. I Z 9) – Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1975; (BGBl. Nr. 585/1980, Art. I Z 15, Ü. Art. VI Abs. 5) – Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1982.

(3) Für die Einreihung der Versicherten in die Lohnstufen ist der auf den Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst maßgebend, wobei der Monat zu 30, die Woche zu sieben Kalendertagen anzusetzen ist. Änderungen des Arbeitsverdienstes, die während des Beitragszeitraumes eintreten, sind mit dem Tage der Änderung zu berücksichtigen.

(4) In jeder Lohnstufe gilt als Tageswert der allgemeinen Beitragsgrundlage der Mittelwert der durch die Lohnstufe erfassten Arbeitsverdienste im Sinne des Abs. 3. An die Stelle des Mittelwertes tritt

a) in der niedrigsten Lohnstufe der im Abs. 2 genannte Betrag,

b) in der höchsten Lohnstufe der um den im Abs. 2 genannten Betrag erhöhte Tageswert der zweithöchsten Lohnstufe.

(BGBl. Nr. 87/1960, Art. I Z 2) – Beginn der Beitragsperiode Mai 1960; (BGBl. Nr. 294/1960, Art. I Z 3) – Beginn der Beitragsperiode Jänner 1961; (BGBl. Nr. 301/1964, Art. I Z 3) – Beginn der Beitragsperiode Jänner 1965; (BGBl. Nr. 96/1965, Art. I Z 4 lit. b) – 1.1.1966; (BGBl. Nr. 23/1974, Art. I Z 8 lit. b) – Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1974.

(5) Die allgemeine Beitragsgrundlage für den Beitragszeitraum ist so zu ermitteln, dass der nach Abs. 4 sich ergebende Tageswert der allgemeinen Beitragsgrundlage mit der Zahl der in den Beitragszeitraum fallenden Kalendertage, für die Beitragspflicht bestanden hat, vervielfacht wird.

3.2 Zur Beschwerde der Bf2

Die Bf2 hat mitgeteilt, dass aus ihrer nunmehrigen Sicht die versicherungsrechtliche Bewertung der gegenständlichen Tätigkeit eine Einzelfallentscheidung darstellt.

Das BVwG kommt aufgrund der Feststellungen zur Ansicht, dass die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 ASVG zu bejahen ist. Insbesondere ist auf den einzuhaltenden Stundenplan (Dienstplan), die Pausenaufsichtspflicht, die Verpflichtung zum persönlichen Unterricht, die Berichtspflicht über den erteilten Unterricht, die Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungen, die Regelung, den Unterricht in den von der Bf2 zur Verfügung gestellten Räumen abzuhalten abzustellen. Die Verträge zur Erteilung von Musikunterricht wurden zwischen den Schülerinnen und Schülern (deren Eltern) und dem XXXX , nicht mit dem Bf1, abgeschlossen. Diese Elemente sprechen dafür, dass der Bf in die Organisation der Bf2 eingebunden war. Der Bf1 hatte in den im Rahmenvertrag angeführten Zeiten zur Verfügung zu stehen. Das Recht, die Arbeitsleistung abzurufen, kam der Musikschule bzw. den Schülerinnen und Schülern zu. Die persönliche Arbeitspflicht war gegeben, die Vertretung im Verhinderungsfall bedeutet keine generelle Vertretungsberechtigung.

Die Entgeltlichkeit ist unbestritten, ebenso, dass das Entgelt über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze lag, diesbezüglich wird auf die Beitragsgrundlagenfeststellung in Punkt II des Spruches verwiesen.

3.3 Zur Beschwerde des Bf1

Die von der belangten Behörde festgestellten Beitragsgrundlagen entsprechen nach den obigen Feststellungen nicht dem tatsächlich bezogenen Entgelt. Die Beitragsgrundlagen waren auf Basis des tatsächlichen Ausmaßes des Unterrichts bzw. des auf dieser Basis geleisteten Entgelts neu zu ermitteln und festzustellen. Wie oben festgestellt, war der Rahmenvertrag nur zu zwei Drittel abgerufen, sodass die Beitragsgrundlagen entsprechend zu reduzieren waren.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Dienstnehmereigenschaft Entgelt Herabsetzung mündliche Verhandlung persönliche Abhängigkeit Pflichtversicherung Teilstattgebung Unterricht wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2227859.1.00

Im RIS seit

08.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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