TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/14 W178 2230813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2021
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Entscheidungsdatum

14.10.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14
VwGVG §28

Spruch


W178 2230813-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Mag. Franz Kellner, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse, ÖGK) vom 16.12.2019, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 17.04.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 17.04.2020 wird wegen Unzuständigkeit behoben.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen und zwar mit der Maßgabe, dass der Spruch des Bescheides vom 16.12.2019 wie folgt lautet:

„ XXXX ist als ehemaliger Geschäftsführer der XXXX GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG verpflichtet, der Österreichischen Gesundheitskasse die auf dem Beitragskonto 72033726 der XXXX GmbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für September 2017 bis Dezember 2017 samt Nebengebühren und Verzugszinsen (gerechnet bis 15.12.2019) in Höhe von insgesamt

EUR 21.915,33

zuzüglich Verzugszinsen ab dem 16.12.2019 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind derzeit 3,38 %, berechnet von EUR 19.499,03 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 16.12.2019 sprach die ÖGK aus, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der XXXX GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin) die zu entrichtenden Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume September 2017 bis Dezember 2017 von EUR 21.915,33 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab dem 16.12.2019 3,38 % p.a. aus EUR 19.499,03 schulde.

Begründend wurde ausgeführt, dass sämtliche Einbringungsmaßnahmen bei der Primärschuldnerin erfolglos geblieben seien. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei mit 24.01.2018 der Konkurs eröffnet worden und mit 30.08.2019 rechtskräftig aufgehoben worden. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Zeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Das Vorbringen, wonach ihm die Geschäftsführerschaft nicht bekannt gewesen sei, da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei nicht nachvollziehbar. Dem rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden zum Verschulden Stellung zu nehmen. Er habe zusammengefasst vorgebracht, dass sich aus dem Anmeldeverzeichnis und der Einsichtnahme der Forderungsanmeldung ergebe, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Gläubiger auch nur teilweise zu befriedigen. Die von der belangten Behörde nach Belehrung angeforderten Nachweise seien vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden. Das vorgelegte Anmeldeverzeichnis sei kein Nachweis dafür, ob der Schuldner über keine Mittel verfügt habe und ob er Gläubigergleichbehandlung vorgenommen habe, da befriedigte Gläubiger nicht im Anmeldeverzeichnis aufscheinen würden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass er mangels deutscher Sprachkenntnisse erst Ende des Jahres 2017 bemerkt habe, dass er Geschäftsführer der Primärschuldnerin sei. Da er trotz Erkundigungen weder vom faktischen Geschäftsführer noch von den Gesellschaftern irgendwelche Auskünfte erhalten habe, sei er nicht in der Lage gewesen zu erkennen, dass die verfahrensgegenständlichen Beiträge unberichtigt seien. Am 04.01.2018 habe er seinen sofortigen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt. Da der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt etwas mit der Primärschuldnerin zu tun gehabt habe und nachdem er seinen rechtlichen Status erkannt habe, sogar faktisch abgeschnitten worden sei, habe er gar nicht die Möglichkeit gehabt, über Mittel der Abgabenentrichtung zu verfügen. Der Beschwerdeführer habe anders als in der Entscheidung des VwGH vom 19.03.2015, 20013/08/0166, dem faktischen Geschäftsführer nicht blind vertraut, sondern gar nicht gewusst, dass er Geschäftsführer sei, sodass ihn auch kein Verschulden treffe. Mit der belangten Behörde sei wohl zu unterstellen, dass befriedigte Gläubiger nicht im Anmeldeverzeichnis aufscheinen würden. Allerdings habe die Massewalterin im Konkurs Forderungen von nahezu EUR 1.000.000,- anerkannt, die auf den gegenständlichen Beitragszeitraum entfallen würden. Es sei nicht zu unterstellen, dass die Befriedigung dieser Forderungen trotz vorhandener Mittel nicht erfolgt sei. Daraus sei zu schließen, dass Mittel auch zur Bezahlung der verfahrensgegenständlichen Beiträge nicht vorhanden gewesen seien. Jedenfalls sei es verfehlt, den Beschwerdeführer für die Beiträge für 12/2017 zur Haftung heranzuziehen, da diese am 15.01.2018 fällig geworden seien und der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Den Gläubigern sei bei der Aufhebung des Konkurses der Primärschuldnerin eine Verteilungsquote von 6,297437 % zugekommen. Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, ob diese bei der Ermittlung des Haftungsbetrags berücksichtigt worden sei und werde daher vorsichtshalber bestritten. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht wolle der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge geben und den Bescheid ersatzlos aufheben.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.04.2020 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert, sodass der Beschwerdeführer nunmehr als Geschäftsführer der Primärschuldnerin verpflichtet sei, die rückständigen Beiträge September 2017, Oktober 2017 und November 2017 samt Nebengebühren im Betrage von EUR 16.099,13 zuzüglich Verzugszinsen ab dem 17.04.2020 in Höhe von 3,38 % berechnet von EUR 14.320,79 zu bezahlen.

Die Verteilungsquote des Insolvenzverfahrens, sowie die IEF Zahlung seien bei der Bescheiderstellung berücksichtigt worden. Die Uneinbringlichkeit der derzeit offenen Beiträge stehe somit fest. Der Haftungsbetrag sei aufgrund des Rücktrittschreibens vom 04.01.2018 auf die offenen Beiträge 09/17 bis 11/17 eingeschränkt worden. Betreffend die Frage, ob die Haftung für die rückständigen Beiträge dem Grunde nach besteht, wiederholte die belangte Behörde im Wesentlichen die Ausführungen des angefochtenen Bescheides.

4. In dem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führt der Beschwerdeführer an, dass er sein Beschwerdevorbringen vollinhaltlich aufrecht halte, und es weiterhin nicht erkennbar sei, ob die ÖGK die den Gläubigern im Konkursverfahren zugekommene Verteilungsquote bei der Ermittlung des Haftungsbetrages berücksichtigt habe. Erkennbar sei nur, dass der Haftungsbeitrag ohne Verzugszinsen um den laut Rückstandsausweis für Dezember 2017 aushaftenden Betrag reduziert worden sei. Wenn die ÖGK zu diesem Betrag nicht näher aufgeschlüsselte Nebengebühren, darin wohl auch Verzugszinsen, hinzuschlage, sodass sich am 17.04.2020 ein Haftungsbetrag von EUR 16.099,13 ergebe, so könne es nicht rechtens sein, wenn zum Haftungsbetrag samt Nebengebühren noch Verzugszinsen ab dem 17.04.2020 hinzukommen. Das führe dazu, dass auch bisher angelaufene Verzugszinsen noch einmal verzinst würden.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht wie in der Beschwerde beantragt (gänzliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides; der beschwerdestattgebende Teil der Beschwerdevorentscheidung möge in jedem Fall aufrechterhalten bzw. bestätigt werden).

5. Die ÖGK legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht samt Verfahrensakt vor und reichte über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts die Beilage des E-Mails vom 11.06.2018 (Haftungsschreiben) vor. Es handelt sich dabei um ein Schreiben des Rechtsanwalts des (vermeintlichen) faktischen Geschäftsführers der Primärschuldnerin an die ÖGK vom 28.05.2018.

6. Mit Schreiben vom 14.09.2021 wies das Bundesverwaltungsgericht den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer darauf hin, dass die Beschwerde nach Stellung eines Vorlageantrags nunmehr neu in alle Richtungen zu prüfen sei. Insbesondere werde er darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß § 58 Abs. 1 ASVG die allgemeinen Beiträge am letzten Tag des Kalendermonates fällig würden, in den das Ende des Beitragszeitraumes falle. Hier gehe es um Dezember 2017. Lediglich der Anfall der Verzugszinsen beginne mit 15. des Folgemonates des Beitragszeitraumes (§ 59 ASVG). Weiters sei nach der vorläufigen Prüfung davon auszugehen, dass die Beschwerdevorentscheidung zu spät, d.h. nach der zweimonatigen Frist des § 14 VwGVG, erlassen wurde.

7. In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 29.09.2021 wird ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung zwar erst nach Ablauf der Frist des § 14 Abs. 1 VwGVG und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, allerdings sei sie insoweit in Rechtskraft erwachsen als sie nicht mit dem Vorlageantrag bekämpft worden sei. Gegenstand der Prüfung auf eine Verletzung des Vorlageantragstellers sei demnach nicht mehr der ursprüngliche Bescheid, sondern die Beschwerdevorentscheidung. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Ausgangsbescheid, gegen den sich die Beschwerde gerichtet habe, Maßstab dafür bleibe, ob die Beschwerde berechtigt sei oder nicht. Für den vorliegenden Fall bedeute das, dass die Beschwerdevorentscheidung in ihrem beschwerdestattgebenden Teil aufgrund des entsprechenden Antrags im Vorlageantrag in Rechtskraft erwachsen sei. Dem Bundesverwaltungsgericht sei somit die Prüfung entzogen, ob die Teilstattgebung der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung im Hinblick auf die Bestimmung des § 58 Abs. 1 ASVG rechtens gewesen sei oder nicht. Der Beschwerdeführer wies zudem darauf hin, dass der VwGH in der gleichgelagerten Frage seiner Haftung für Gemeindeabgaben derselben Primärschuldnerin aktuell mit der Prüfung befasst sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer erhob am 15.01.2020 Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.12.2019 (zugestellt am 18.12.2019). Die Beschwerdevorentscheidung wurde am 17.04.2020 erlassen.

Der Beschwerdeführer wurde mit 15.05.2017 zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt und gab am selben Tag bei einem öffentlichen Notar eine Musterzeichnungserklärung ab. Mit 04.01.2018 erklärte der Beschwerdeführer seinen sofortigen Rücktritt als Geschäftsführer.

Die Primärschuldnerin schuldete der belangten Behörde für die Zeiträume September 2017 bis Dezember 2017 Beiträge in Höhe von EUR 19.499,03. Die Nebengebühren betragen EUR 256,48 und die Verzugszinsen gerechnet bis 15.12.2019 betragen EUR 2.159,82.

Über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde mit Beschluss des XXXX vom 24.01.2018, XXXX , der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom 12.08.2019 der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.

Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mehrmals (mit den Schreiben vom 23.04.2018, 11.06.2018 und 27.08.2019) Gelegenheit gegeben, dazutun, weshalb ihn an der Nichtentrichtung der offenen Beiträge kein Verschulden trifft. Zudem wurde der im gesamten Verfahren anwaltlich vertretene Beschwerdeführer auch ausführlich betreffend die Anforderungen an diese Nachweise belehrt. Der Beschwerdeführer legte jedoch keine Nachweise für die Gläubigergleichbehandlung vor.

Es konnte mangels Vorlage entsprechender Nachweise auch nicht festgestellt werden, dass bei der Primärschuldnerin im gegenständlichen Zeitraum gar keine Mittel mehr zur Befriedigung von Gläubigern zur Verfügung gestanden sind.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt in Zusammenschau mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag.

Die Feststellungen betreffend die Geschäftsführereigenschaft des Beschwerdeführers und den Konkurs der Primärschuldnerin ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Firmenbuchauszug vom 14.10.2019, sowie aus der vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegten Rücktrittserklärung vom 04.01.2018.

Die Höhe der Beitragsschuld sowie die Nebengebühren und Verzugszinsen bis 15.12.2019 ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Rückstandsausweises vom 16.12.2019. Hinsichtlich der im Vorlageantrag erhobenen Einwendungen betreffend die Vorschreibung von Verzugszinsen ist auf die diesbezüglichen Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen (Punkt 3.2.2.).

Dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit geboten hat, sein Vorbringen, wonach ihn kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Beiträge treffe, zu konkretisieren und zu belegen, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

Mit Schreiben vom 23.04.2018 informierte die ÖGK den Beschwerdeführer über die Höhe des Beitragsrückstandes der Primärschuldnerin und um Begleichung dieses Rückstandes durch den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Haftung der zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen bzw. gab Gelegenheit binnen einer bestimmten Frist alle Tatsachen vorzubringen, die gegen seine Haftung sprechen. Der Beschwerdeführer gab durch das Antwortschreiben seines Rechtsvertreters im Wesentlichen bekannt, dass er keine Kenntnis davon gehabt habe, dass er Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Mit Schreiben der ÖGK vom 11.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, darzutun, „aus welchen Gründen ihm an Nichtentrichten der offenen Beiträge kein Verschulden trifft (Gleichbehandlungsnachweis)“. Der Beschwerdeführer übermittelte daraufhin das Anmeldungsverzeichnis des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin und erklärte, daraus sei zu schließen, dass die Primärschuldnerin im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre Gläubiger auch nur teilweise zu befriedigen und daher nicht über die erforderlichen Mittel zur Entrichtung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge verfügt hätte.

Mit Schreiben vom 27.08.2019 informierte die ÖGK den Beschwerdeführer darüber, dass das Anmeldeverzeichnis ihrer Ansicht nach kein ausreichender Nachweis für die Gläubigergleichbehandlung ist. Außerdem ersuchte die ÖGK um Vorlage weiterer Nachweise zur Konkretisierung und Verifizierung seines Vorbringens und belehrte ausführlich betreffend die Anforderungen an diese Nachweise. Der Beschwerdeführer übermittelte jedoch keinen entsprechenden Nachweis zur Gläubigergleichbehandlung, sondern wiederholte sein Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer selbst wenn er die Geschäftsführung ausgeübt hätte, nicht über die erforderlichen Mittel zur Entrichtung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge verfügt hätte.

In diesem Schreiben vom 27.09.2019 räumte der Beschwerdeführer zudem selbst ein, dass die Einsicht in die Buchungsjournale und Saldenlisten der Primärschuldnerin ergeben habe, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einzelne Gläubiger befriedigt worden seien. Demgegenüber erbrachte er keine Nachweise, die sein in der Beschwerde bekräftigtes Vorbringen, wonach keine Mittel zur Bezahlung der verfahrensgegenständlichen Beiträge vorhanden gewesen seien, stützen. Dass das vorgelegte Anmeldeverzeichnis aus dem Konkursverfahren dies nicht zu belegen vermag, räumte er in seiner Beschwerde selbst ein. Ebenso kann sein Vorbringen, wonach insgesamt EUR 1.000.000,- an Forderungen anerkannt worden seien und es bei lebensnaher Betrachtung nicht zu unterstellen sei, dass diese trotz vorhandener Mittel nicht befriedigt worden seien, nicht darlegen, dass tatsächlich gar keine Mittel vorhanden gewesen wären. Auch eine hohe Gesamtsumme an Forderungen schließt nämlich nicht aus, dass einzelne Gläubiger trotzdem (zumindest teilweise) mithilfe der geringen verfügbaren Mittel befriedigt wurden und dabei nicht alle Gläubiger (insbesondere die ÖGK) nach der gleichen Quote befriedigt wurden.

Der Beschwerdeführer konnte daher nicht belegen, dass bei der Primärschuldnerin im gegenständlichen Zeitraum gar keine Mittel mehr zur Befriedigung von Gläubigern zur Verfügung gestanden sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A I.) Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom 17.04.2020

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

Da die Beschwerde am 15.01.2020 erhoben wurde, war die zweimonatige First zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung am 17.04.2020 bereits abgelaufen. Die Beschwerdevorentscheidung war daher gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG verspätet und wegen Unzuständigkeit der Behörde amtswegig zu beheben.

Zu A II.) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zum Prüfungsumfang

Der Beschwerdeführer bringt in der Stellungnahme vom 29.09.2021 im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdevorentscheidung zwar erst nach Ablauf der Frist des § 14 Abs. 1 VwGVG und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, allerdings sei sie insoweit in Rechtskraft erwachsen als sie nicht mit dem Vorlageantrag bekämpft worden sei. Das bedeute, dass die Beschwerdevorentscheidung insoweit einer Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht entzogen sei und sie in ihrem beschwerdestattgebenden Teil in Rechtskraft erwachsen sei.

Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers ist jedoch nicht zutreffend.

In seinem grundlegenden Erkenntnis vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, hat sich der VwGH ausführlich mit dem Verhältnis zwischen Bescheid und Beschwerdevorentscheidung und der damit einhergehenden Frage nach dem Entscheidungsgegenstand im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auseinandergesetzt.

Demnach bleibt auch im Fall einer ordnungsgemäß erlassenen Beschwerdevorentscheidung der Ausgangsbescheid Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

In dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0052, stellte sich demgegenüber primär die Frage, wie der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses, der auf Abweisung des Vorlageantrags lautete, zu verstehen ist. Zudem wird in den dazu getätigten Ausführungen auch bestätigt, dass das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht im Falle eines gegen eine Beschwerdevorentscheidung gerichteten zulässigen Vorlageantrages zu entscheiden hat, dennoch die Beschwerde bleibt. Der Vorlageantrag richtet sich nach dem VwGVG nämlich nur darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird. Die Beschwerdevorentscheidung kann daher in dem Sinne als „Gegenstand der Prüfung auf eine Verletzung eines Vorlageantragstellers“ verstanden werden, als nur sie aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann.

Im gegenständlichen Verfahren liegt zudem eine besondere Konstellation vor, da unstrittig feststeht, dass die Beschwerdevorentscheidung verspätet und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde. Die Ausführungen des Beschwerdeführers legen nahe, dass er davon ausgeht, dass die Beschwerdevorentscheidung mit einem Vorlageantrag auch bloß teilweise bekämpft werden könne und daher nur teilweise aufzuheben sei, während der andere (beschwerdestattgebende) Teil in Rechtskraft erwachse.

Dies ist jedoch nicht zutreffend, da die Beschwerdevorentscheidung wegen Unzuständigkeit zur Gänze aufzuheben war. Eine Unzuständigkeit ist nämlich von Amts wegen durch das Bundesverwaltungsgericht aufzugreifen und zwar unabhängig davon, ob die Partei die Unzuständigkeit geltend gemacht hat (vgl. VwGH 29.09.2016, Ra 2016/05/0080). Die Beschwerdevorentscheidung war daher zur Gänze aufzuheben.

Zudem richtet sich der Vorlageantrag (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, mag er auch eine (zusätzliche) Begründung enthalten (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Eine Einschränkung eines Vorlageantrags ist damit nicht denkbar. Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichts bleibt die Beschwerde (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

In Anbetracht des Umstandes, dass die teilweise stattgebende Beschwerdevorentscheidung zur Gänze aufzuheben war, ist es für den Beschwerdeführer jedoch auch nicht zielführend, den im Vorlageantrag gestellten Antrag, der beschwerdestattgebende Teil der Beschwerdevorentscheidung möge in jedem Fall aufrechterhalten werden, als nachträgliche Einschränkung der Beschwerde zu werten.

Auch das vom Beschwerdeführer angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vermag seine Rechtsansicht nicht zu stützen. Dem entsprechenden Zitat aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2017, W107 2110288-1, lag nämlich der Fall zugrunde, dass gegen eine verspätet erlassene und damit rechtswidrige Beschwerdevorentscheidung gar kein Vorlageantrag gestellt wurde und diese damit in Rechtskraft erwachsen konnte. Die verfahrensgegenständliche Konstellation unterscheidet sich jedoch insofern davon, als dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag gestellt hat und die Unzuständigkeit infolge Verspätung damit amtswegig aufzugreifen war.

Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass im Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG – mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren – kein Verbot der reformatio in peius besteht und zwar auch nicht im Verhältnis zu einer Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 09.09.2019, Ro 2016/08/0009). Vielmehr ist der angefochtene Bescheid (bzw. eine allfällige Beschwerdevorentscheidung) vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG aufgrund der Beschwerde in alle Richtungen zu prüfen.

Eine Auslegung von § 27 VwGVG 2014 dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist nicht zutreffend. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte, weil dann ein für den Beschwerdeführer über den Bescheidabspruch hinausgehender nachteiliger Verfahrensausgang vor dem Verwaltungsgericht wohl ausgeschlossen wäre, obgleich ein Verbot der "reformatio in peius" im VwGVG 2014 - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen - nicht vorgesehen ist. Im Übrigen ist auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG als ein bei den Verwaltungsgerichten maßgebliches Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten. Das Verwaltungsgericht ist daher bei der Prüfung der vorliegenden Sache auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung an das Beschwerdevorbringen nicht gebunden, und es darf und muss seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/03/0019, mwN).

3.2. Rechtsgrundlagen zur Entscheidung in der Sache

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 58 Abs. 1 ASVG (in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2010) sind die allgemeinen Beiträge am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in den das Ende des Beitragszeitraumes fällt, sofern die Beiträge nicht gemäß Abs. 4 vom Träger der Krankenversicherung dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden.

Gemäß § 58 Abs. 4 ASVG (in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2010) hat der Beitragsschuldner die Beiträge von der Gesamtsumme der im Beitragszeitraum gebührenden und darüber hinaus bezahlten Entgelte zu ermitteln (Lohnsummenverfahren) und an den zuständigen Träger der Krankenversicherung unaufgefordert einzuzahlen, sofern dieser die Beiträge nicht vorschreibt.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG (in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2010) haben die VertreterInnen juristischer Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Werden Beiträge nicht innerhalb von 15 Tagen 1. nach der Fälligkeit, 2. in den Fällen des § 4 Abs. 4 nach dem Ende des Monats, in dem der Dienstgeber Entgelt leistet, eingezahlt, so sind gemäß § 59 Abs. 1 ASVG von diesen rückständigen Beiträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs. 1 ein Beitragszuschlag oder gemäß § 114 Abs. 1 ein Säumniszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen in einem Hundertsatz der rückständigen Beiträge zu entrichten. Der Hundertsatz berechnet sich jeweils für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz (Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998) zuzüglich vier Prozentpunkten; dabei ist der Basiszinssatz, der am 31. Oktober eines Kalenderjahres gilt, für das nächste Kalenderjahr maßgebend. Für rückständige Beiträge aus Beitragszeiträumen, die vor dem Zeitpunkt einer Änderung dieses Hundertsatzes liegen, sind die Verzugszinsen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits vorgeschrieben sind, mit dem jeweils geänderten Hundertsatz zu berechnen. § 108 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, gilt entsprechend. Für die Berechnung der Verzugszinsen können die rückständigen Beiträge auf den vollen Eurobetrag abgerundet werden.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

3.3. Daraus folgt für die Beschwerde

3.3.1. Zur Haftung dem Grunde nach

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Zunächst ist festzuhalten, dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschuld unstrittig feststeht.

Die Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner ist in der Regel (unter anderem) nach Abschluss eines Sanierungsplans anzunehmen, ist doch - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - davon auszugehen, dass der in der Quote nicht mehr Deckung findende Teil der Beitragsforderung uneinbringlich sein wird (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Im vorliegenden Fall wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom 12.08.2019 nach Schlussverteilung aufgehoben. Die danach noch offene Beitragsforderung ist daher uneinbringlich.

Ebenso steht unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer von 15.05.2017 bis 04.01.2018 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen war. Als solcher war er gemäß § 58 Abs. 5 ASVG dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit entrichtet werden. Dieser Verpflichtung ist der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum betreffend die Beiträge für September 2017 bis Dezember 2017 nicht nachgekommen.

Der in der Beschwerdevorentscheidung vorgenommenen Einschränkung auf die Beiträge September 2017 bis November 2017, konnte nicht gefolgt werden. Die Fälligkeit der allgemeinen Beiträge tritt nämlich gemäß § 58 Abs. 1 ASVG jeweils am letzten Tag des Kalendermonates – und nicht erst am 15. des Folgemonats, wie in der Beschwerde vorgebracht – ein. Der Beschwerdeführer war daher zum Zeitpunkt als die Beiträge für Dezember 2017 fällig wurden noch Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Seinen Rücktritt erklärte er erst am 04.01.2018. Ihn traf daher auch die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Beiträge.

Betreffend die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Nichtentrichtung der rückständigen Beiträge trifft, ist das zentrale Beschwerdevorbringen, dass er mangels deutscher Sprachkenntnisse bis Ende des Jahres 2017 weder gewusst habe, dass er Geschäftsführer sei noch faktisch die Möglichkeit gehabt habe, über die Mittel zur Begleichung der Beitragsschulden zu verfügen.

Auf die mangelnde Kenntnis von seiner Funktion kommt es jedoch nicht an, weil der Beschwerdeführer die Funktion eines Geschäftsführers durch den von ihm abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag erlangt hat und allfällige Willensmängel bei Abschluss dieses Gesellschaftsvertrages nur zur Vertragsanfechtung vor den Zivilgerichten berechtigen, nicht aber in einem Verwaltungsverfahren eingewendet werden können, in dem es um die Erfüllung der Pflichten des Geschäftsführers geht (vgl. VwGH 26.05.2004, 2001/08/0127).

Betreffend das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer keinen Zugriff auf die für die Geschäftsführung nötigen Informationen und Mittel hatte, ist auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach ein Geschäftsführer im Falle der Behinderung durch andere Geschäftsführer, durch Gesellschafter oder durch dritte Personen verpflichtet ist, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer weiterhin tätig, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er (bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen) seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben (vgl. VwGH 20.02.2008, 2005/08/0129, mwN).

Es ist Sache des Geschäftsführers, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zur Vermeidung weiterreichender Haftung zurückzulegen. Wegen dieser Möglichkeiten ist die Beeinträchtigung seiner Geschäftsführung nicht geeignet, ihn von der Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG zu befreien (VwGH 22.12.1998, 97/08/0117).

Der Beschwerdeführer hat somit letztlich richtig gehandelt und hat nach Kenntnis seiner Funktion als Geschäftsführer seinen Rücktritt erklärt. Allerdings erfolgte die Zurücklegung seiner Funktion eben erst zu einem Zeitpunkt, in dem bereits Beitragsschulden aufgrund der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen angefallen sind. Dass er sich dieser Pflichtverletzung nicht bewusst gewesen sei, da er nicht gewusst habe, dass er Geschäftsführer ist, kann wie oben angeführt im gegenständlichen Verfahren nicht aufgegriffen werden. Damit haftet der Beschwerdeführer als im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer für die so entstandene und uneinbringlich gewordene Beitragsschuld der Primärschuldnerin – solange ihm nicht der Gegenbeweis gelingt, dass ihn kein Verschulden daran trifft.

Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039, mwN).

Im vorliegenden Fall legte der Beschwerdeführer jedoch keine tauglichen Nachweise dafür vor, dass die Beitragsforderungen der ÖGK mit der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern beglichen habe bzw. dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine liquiden Mittel zur Leistung von Zahlungen zur Verfügung gestanden seien. In seiner Beschwerde räumte er vielmehr sogar selbst ein, dass das vorgelegte Anmeldeverzeichnis aus dem Konkursverfahren dies nicht zu belegen vermag (s. dazu ausführlicher Punkt 2. Beweiswürdigung).

3.3.2. Zum Vorbringen betreffend die Höhe des Haftungsbetrags und Verzugszinsen

Zur Höhe der Haftungssumme brachte der Beschwerdeführer vor, dass keine Haftung für die Beiträge aus Dezember 2017 bestehe. Entgegen der in der (nunmehr aufgehobenen) Beschwerdevorentscheidung vertretenen Rechtsansicht war diesem Einwand nicht zu folgen (s. dazu oben 3.3.1.). Eine Minderung der Haftungssumme aus diesem Grund, kommt daher nicht in Betracht.

Im Vorlageantrag wiederholte der Beschwerdeführer sein bereits in der Beschwerde geäußertes Vorbringen, wonach nicht ersichtlich sei, ob die den Gläubigern im Konkursverfahren zugekommene Verteilungsquote berücksichtigt worden sei und ergänzte es um Einwendungen betreffend die Berechnung der Verzugszinsen.

Betreffend das Vorbringen zur Verteilungsquote wies die belangte Behörde bereits in der Beschwerdevorentscheidung darauf hin, dass diese – genauso wie die Zahlung des IEF – bei der Bescheiderstellung berücksichtigt worden sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist demgegenüber gänzlich unsubstantiiert und er gibt selbst an, dass es bloß nicht erkennbar sei, ob sie berücksichtigt wurde und behauptet nicht einmal, dass sie tatsächlich nicht berücksichtigt wurde. Vielmehr werde dies nur „vorsichtshalber“ bestritten. Es ergaben sich daher bezüglich der Berücksichtigung der Verteilungsquote für das Gericht keine Zweifel an der Höhe der Beitragsschuld.

Betreffend die Berechnung der Verzugszinsen brachte der Beschwerdeführer vor, dass die belangte Behörde – laut Spruch der Beschwerdevorentscheidung – zu dem laut Rückstandsausweis aushaftenden Betrag von EUR 14.320,79 nicht näher aufgeschlüsselte Nebengebühren hinzugeschlagen habe und dass darin wohl auch Verzugszinsen enthalten gewesen seien. Damit könne es nicht rechtens sein, dass zum Haftungsbetrag samt Nebengebühren noch Verzugszinsen ab dem 17.04.2020 hinzukämen.

Dem Beschwerdeführer ist zwar insofern beizupflichten, dass seine Rechtsansicht, wonach angelaufene Verzugszinsen nicht noch einmal verzinst werden dürfen, zutreffend ist. Zinseszinsen finden keine gesetzliche Grundlage, die Berechnung der Verzugszinsen erfolgt vielmehr vom „reinen Kapital“ (Derntl in Sonntag (Hrsg.) ASVG, 12. Auflage 2021, § 59 RZ 13).

Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass in den in den Rückstandsausweisen vom 16.12.2019 bzw. 17.04.2020 angeführten Summen der aushaftenden Beiträge von EUR 19.499,03 bzw. EUR 14.320,79 bereits Verzugszinsen enthalten wären. Vielmehr sind diese (genauso wie die unbestritten gebliebenen Nebengebühren) in einer weiteren Zeile eigens angeführt, sodass sich unter Hinzurechnung dieser die Summe der Forderung ergibt.

Verzugszinsen zählen zudem nicht zu den Nebengebühren, sondern sind gesondert zu verrechnen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 64 Abs. 2 ASVG, in dem die Ausstellung von Rückstandsausweisen zur Eintreibung der Beiträge geregelt wird und eine klare Unterscheidung zwischen Nebengebühren und Verzugszinsen getroffen wird. Der Zusatz „samt Nebengebühren“ bedeutet somit nicht, dass in dem Betrag bereits Verzugszinsen enthalten sind.

Es ergeben sich auch keine Bedenken betreffend die Vorschreibung von Verzugszinsen ab dem 16.12.2019 aus einem Betrag von EUR 19.499,03. Dieser Betrag entspricht nämlich nur der Summe der offenen Beitragsforderungen und zwar exklusive Nebengebühren und der bis 15.12.2019 angefallenen Verzugszinsen laut Rückstandsausweis vom 16.12.2019.

In Zusammenschau mit dem Rückstandsausweis vom 16.12.2019 ist der Spruch des angefochtenen Bescheides daher gut nachvollziehbar. Da die konkret gewählte Formulierung allerdings in Bezug auf die Vorschreibung von Verzugszinsen angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht präzise genug sein könnte, war der Spruch entsprechend anzupassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Spruch des Bescheides vom 16.12.2019 im Wesentlichen wiederherzustellen und lediglich eine Anpassung der Formulierung betreffend Verzugszinsen vorzunehmen.

3.4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer beantragt. Da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt aber bereits aus der Aktenlage in Zusammenschau mit der Beschwerde ergibt, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Beitragsrückstand Beschwerdevorentscheidung Fristablauf Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit Unzuständigkeit Verzugszinsen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2230813.1.00

Im RIS seit

08.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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