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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §79a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie den Senatspräsidenten Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Bundes (Bundesminister für Inneres), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. August 1994,
Zlen. UVS-02/31/00015/94 und UVS-02/31/00016/94, betreffend Hausdurchsuchung und Personsdurchsuchung (in Ansehung des Kostenzuspruches; mitbeteiligte Partei: O in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Kostenausspruch insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als der Mitbeteiligte nicht zum Ersatz der Kosten des Bundes verpflichtet wurde.
Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 2. August 1994 aufgrund der (in einem Schriftsatz enthaltenen) Beschwerden des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin die am 11. Dezember 1993 zwischen 10.15 Uhr und 10.45 Uhr in deren Wohnung durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien durchgeführte Hausdurchsuchung gemäß § 67c Abs. 3 AVG (BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995) für rechtswidrig erklärt und die Beschwerde, soweit sie sich gegen die am 11. Dezember 1993 über Veranlassung der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Personsdurchsuchung des Mitbeteiligten richtete, als unbegründet abgewiesen.
Weiters hat sie ausgesprochen, daß der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Mitbeteiligten und seiner Ehegattin (Beschwerdeführer im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) Kosten in der Höhe von S 18.973,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen hat, und das Mehrbegehren des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin abgewiesen.
Dieser Entscheidung liegt folgender wesentlicher, von der belangten Behörde als erwiesen angenommener Sachverhalt zugrunde:
Im Zuge einer gemeinsamen Aktion verschiedener Abteilungen der Bundespolizeidirektion Wien aufgrund des Verdachtes des Suchtgifthandels von Schwarzafrikanern, insbesondere Nigerianern, sollte die Wohnung des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin im Haus in W, T-Straße 15, infolge von vertraulichen Hinweisen von Hausparteien am 11. Dezember 1993 durch mehrere Beamte durchsucht werden. Nachdem der Mitbeteiligte nach Aufforderung durch die Beamten die Wohnungstüre geöffnet hatte, wurde seine Person von einem Beamten zur Eigensicherung in unauffälliger und dem Zweck angepaßter Weise durchsucht. Anschließend wurde die Hausdurchsuchung durchgeführt, welche negativ verlief. Einen richterlichen Befehl holte der Leiter der Amtshandlung nicht ein, weil aufgrund des aggressiven Verhaltens der Bewohner eine gespannte Atmosphäre herrschte und sich die Hausdurchsuchung rasch in fortgeschrittenem Stadium befand, sodaß seiner Meinung nach keine Zeit für eine Kontaktaufnahme mit dem Untersuchungsrichter verblieb.
Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, daß die Hausdurchsuchung gemäß § 2 Abs. 2 Hausrechtsgesetz und § 141 Abs. 2 StPO nur bei Gefahr im Verzug durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen hätte werden dürfen. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung nicht gegeben gewesen, weil es möglich gewesen wäre, vor Beginn der Hausdurchsuchung mit dem zuständigen Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien Rücksprache zu halten, um einen Hausdurchsuchungsbefehl zu erwirken.
Gemäß § 40 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz iVm § 3 der Richtlinienverordnung, BGBl. Nr. 266/1993, seien die einschreitenden Beamten jedoch aufgrund des Verdachts des Vorliegens einer konkreten Gefahr für die eigene Sicherheit bei Durchführung der Hausdurchsuchung berechtigt gewesen, die Personsdurchsuchung des Mitbeteiligten sogleich nach dem Öffnen der Wohnungstüre durch diesen durchzuführen.
Die Kostenentscheidung begründete die belangte Behörde - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:
Das Kostenmehrbegehren betreffend den Ersatz eines weiteren Schriftsatzaufwandes sei in analoger Anwendung des § 53 VwGG deshalb abgewiesen worden, weil die beiden Beschwerdeführer gemeinsam einen Verwaltungsakt, nämlich die Hausdurchsuchung, angefochten hätten.
Die vom Erstbeschwerdeführer (im vorliegenden Verfahren: mitbeteiligte Partei) zusätzlich bekämpfte Personsdurchsuchung stelle nach Ansicht der belangten Behörde - obzwar ein eigener Abspruch möglich sei - wegen ihres engen Konnexes einen Teil der Amtshandlung vom 11. Dezember 1993 dar, weswegen die Beschwerde im Sinne des § 50 VwGG "gegen einen Verwaltungsakt" gerichtet sei, der mehrere Teilakte umfasse. Die als Einheit zu beurteilende Beschwerde habe demnach teilweise Erfolg gehabt, die Beschwerdeführer gälten als obsiegende Parteien.
Die Beschwerde der "Republik Österreich (Bundesministerium für Inneres)" (wohl gemeint: "Bund (Bundesminister für Inneres)") richtet sich nur insoweit gegen den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Abspruch über die Verfahrenskosten, als damit trotz des Obsiegens der im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangten Behörde in bezug auf die Personsdurchsuchung die von dieser Behörde verzeichneten Kosten nicht zugesprochen wurden.
Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zur Beschwerdelegitimation:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Beschwerdeberechtigung im Falle einer auf diese Bestimmung gestützten Beschwerde darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid - unabhängig von dessen Gesetzmäßigkeit - in einem Recht verletzt sein kann, und nicht darauf, ob ihm im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren die Stellung einer Partei eingeräumt worden ist.
Beschwerdeberechtigt vor dem Verwaltungsgerichtshof ist daher jedermann, in dessen Rechte der Bescheid einer Verwaltungsbehörde eingreift (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 412 ff, zitierte hg. Judikatur).
Aus der Formulierung des Abspruches über den Aufwandersatz ergibt sich im Zusammenhang mit dem übrigen Bescheidinhalt eindeutig, daß mit der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Kostenentscheidung abschließend über die gesamten Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde entschieden werden sollte und daher das Kostenbegehren der dort belangten Behörde (Bundespolizeidirektion Wien) im Ergebnis abgewiesen wurde.
Gemäß § 79a AVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 steht der Partei, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/19/0162, sowie in mehreren Folgeerkenntnissen, so in jenem vom 6. Mai 1992, Zl. 91/01/0200, ausgesprochen, daß sich die Behörde bei der Entscheidung über den Kostenersatz gemäß § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG zu orientieren hat.
Nach der somit sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 47 Abs. 5 VwGG hat für den Aufwandersatz, der aufgrund dieses Bundesgesetzes von einer Behörde zu leisten ist, der Rechtsträger aufzukommen, in dessen Namen die Behörde in der Beschwerdesache gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Diesen Rechtsträgern fließt auch der Aufwandersatz zu, der aufgrund dieses Bundesgesetzes an belangte Behörden zu leisten ist.
Da im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien die Bundespolizeidirektion Wien belangte Behörde war, hätten die Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde einen allfälligen Kostenersatz an den Bund zu leisten gehabt.
Daraus ergibt sich, daß eine Verletzung von eigenen Interessen des Bundes durch die das Kostenbegehren der Bundespolizeidirektion Wien abweisende Kostenentscheidung des angefochtenen Bescheides möglich ist und dem Bund daher insoweit die Beschwerdelegitimation zukommt (vgl. zum ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0148).
Zum Inhalt der Beschwerde:
Wie bereits dargelegt, hatte die belangte Behörde bei ihrer Kostenentscheidung die Grundsätze der §§ 47 ff VwGG sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 50 VwGG ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz in Fällen, in denen eine Beschwerde gegen einen Verwaltungsakt teilweise Erfolg hatte, so zu beurteilen, wie wenn der Verwaltungsakt zur Gänze aufgehoben oder für rechtswidrig erklärt worden wäre.
§ 52 Abs. 1 VwGG normiert, daß bei Anfechtung mehrerer Verwaltungsakte von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre.
Für die hier zu lösende Frage, ob hinsichtlich des Teiles des angefochtenen Bescheides, der die Personsdurchsuchung betrifft, eine eigene Kostenentscheidung (zugunsten des Bundes) zu treffen gewesen wäre, kommt es daher darauf an, ob es sich bei der zugrunde liegenden Amtshandlung (Hausdurchsuchung und Personsdurchsuchung) um EINEN Verwaltungsakt im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung handelte oder ob mehrere getrennt zu behandelnde Verwaltungsakte vorlagen.
Besteht eine Amtshandlung aus mehreren selbständigen Akten, so liegt nicht nur "ein Verwaltungsakt" vor. So hat der Verwaltungsgerichtshof die im Zuge einer Amtshandlung getrennt durchgeführten Untersuchungen eines Fahrzeuges nach verborgenen Waffen und danach, ob gefährliche Güter transportiert werden, als getrennte Verwaltungsakte behandelt (siehe das bereits zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 91/01/0200).
Im vorliegenden Fall handelte es sich bei der Personsdurchsuchung - ungeachtet des Umstandes, daß sie durchgeführt wurde, um die gefahrlose Abwicklung der Hausdurchsuchung zu ermöglichen - um einen von der Hausdurchsuchung verschiedenen Akt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem unterschiedlichen Zweck (Personsdurchsuchung: Sicherung der einschreitenden Beamten; Hausdurchsuchung: Suche nach Suchtgift), sondern auch aus der Tatsache, daß sich die Personsdurchsuchung nur an einen der beiden Adressaten der Hausdurchsuchung richtete. Im Verfahren vor der belangten Behörde unterschied der dortige Beschwerdeführer O (hier: Mitbeteiligter) insoweit zwischen den beiden Maßnahmen, als er - jeweils unter Erstattung eines unterschiedlichen Vorbringens - hinsichtlich der Hausdurchsuchung die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, hinsichtlich der Personsdurchsuchung jedoch nur die Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften geltend machte. Schließlich hat auch die belangte Behörde die Hausdurchsuchung und die Personsdurchsuchung insoweit getrennt behandelt, als sie in zwei gesonderten Punkten des Spruches ihrer Entscheidung - mit jeweils anderem Ergebnis - darüber absprach und auch in der Begründung auf diese Punkte einzeln einging.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher die Ansicht, daß es sich bei der Hausdurchsuchung und der Personsdurchsuchung jeweils um verschiedene "Verwaltungsakte" im Sinne des § 52 Abs. 1 VwGG handelte. Die belangte Behörde hätte daher nach dieser Bestimmung die Beschwerde des Mitbeteiligten und dessen Gattin gegen die Hausdurchsuchung und die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Personsdurchsuchung - obwohl in einem gemeinsamen Schriftsatz enthalten - nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses, sondern auch hinsichtlich der Kostenentscheidung gesondert behandeln müssen. Dies hätte zur Folge gehabt, daß hinsichtlich der Personsdurchsuchung O gegenüber dem Bund kostenersatzpflichtig geworden wäre.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, als der Mitbeteiligte hinsichtlich der die Personsdurchsuchung betreffenden Beschwerde nicht zum Ersatz der Kosten des Bundes verpflichtet wurde. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer kam nicht in Betracht, da der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG, in dessen Namen die belangte Behörde gehandelt hat, ident mit dem Beschwerdeführer ist (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0226, und vom 23. März 1994, Zlen. 93/01/0542, 0543).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994010714.X00Im RIS seit
20.11.2000