Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in S, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. August 1995, Zl. 4.336.793/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der
"Jugosl. Föderation" und reiste am 24. April 1992 in das Bundesgebiet ein. Am 27. April 1992 stellte er den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 4. Mai 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er sei Kosovo-Albaner und stelle deshalb in Jugoslawien eine Minderheit dar, die in verschiedenster Weise benachteiligt werde. Es sei ihm deshalb auch nicht möglich gewesen, in seiner Heimat eine Arbeitsstelle zu finden. Er habe weder von der jugoslawischen Bundesarmee noch von anderen Territorialverbänden einen Einberufungsbefehl bekommen. Sein Fluchtgrund sei dennoch die Angst vor einer solchen Einberufung, weil junge Männer seines Alters schon überall in der Nachbarschaft seines Heimatdorfes von der Armee "eingesammelt" worden seien. Er sei deshalb nicht in Kroatien geblieben bzw. wolle dort nicht hin, weil dort Krieg sei und er vor der jugoslawischen Bundesarmee nicht sicher sei. Slowenien nehme keine Flüchtlinge auf.
Mit Formularbescheid vom 5. Juni 1992 wurde - ohne näheres Eingehen auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgründe - festgestellt, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung ergänzte der Beschwerdeführer sein Sachvorbringen dahingehend, er entstamme einer sehr religiösen Familie und habe einen Brief zur Einberufung in das Heer erhalten, sodaß es ihm nicht länger möglich gewesen sei, in seiner Heimat zu bleiben. Es widerspreche seinem Innersten, gegen Menschen mit Gewalt vorzugehen.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab (unter ausschließlicher Heranziehung des Asylausschließungsrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991).
Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0673, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge unrichtiger Anwendung des Asylgesetzes 1991) auf, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers unter Anwendung der Gesetzeslage nach dem AsylG (1968) (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete dies im wesentlichen nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr nunmehr in Anwendung gebrachten Rechtslage dahingehend, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren nicht glaubhaft machen können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten Volksgruppe allein könne die Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren, desgleichen rechtfertigten Schwierigkeiten bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, zumal der Beschwerdeführer auch nicht habe dartun können, daß diese Schwierigkeiten eine solche Intensität erreicht hätten, daß für ihn ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich geworden wäre.
Beschränkungen des Lebens und der Ausbildung für sich allein seien nicht als konkrete Verfolgungshandlungen im Sinne der Konvention anzusehen. Hinsichtlich der in der Berufung enthaltenen Behauptung, er habe die Einberufung zum Militär erhalten, schenkte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die ausdrückliche Verneinung dieses Umstandes anläßlich seiner erstinstanzlichen Einvernahme keinen Glauben und knüpfte als Alternativbegründung an, es sei dem Vorbringen des Beschwerdeführers darüber hinaus auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt worden wäre. Beweggründe, der eventuell geforderten Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, könnten für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ebenfalls nicht herangezogen werden, weil sich daraus keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation seitens der staatlichen Institutionen seines Heimatlandes hätten ziehen lassen. Im übrigen traf die belangte Behörde - ohne ihre Erkenntnisquellen näher bekanntzugeben - grundsätzliche Feststellungen zur allgemeinen Wehrpflicht im Heimatland des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zunächst rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Parteiengehörs im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG, insbesondere hinsichtlich der Zustellmodalitäten eines Einberufungsbefehls im Heimatland des Beschwerdeführers. Obwohl dieser Rüge grundsätzliche Berechtigung zukommt, kann dieser der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensfehler nicht zu dem von ihm gewünschten Verfahrensausgang führen, weil den damit bekämpften Feststellungen der belangten Behörde im vorliegenden Fall die Entscheidungsrelevanz fehlt. Zunächst ist festzuhalten, daß die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers in der Berufung, er habe einen Einberufungsbefehl zur jugoslawischen Bundesarmee erhalten, im Hinblick auf die ausdrückliche Verneinung dieses Umstandes anläßlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung keinen Glauben geschenkt hat. Da im Hinblick auf diesen Widerspruch die daran geknüpfte Beweiswürdigung nicht von vornherein als unschlüssig zu bezeichnen ist und die Beweiswürdigung vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht bekämpft wird, hat auch der Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer keinen Einberufungsbefehl zur Bundesarmee erhalten hat. Dies war auch nicht Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde. Daß die belangte Behörde darüber hinaus in einer Eventualbegründung auch das diesbezügliche Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers einer (zusätzlichen) rechtlichen Beurteilung unterzog, vermag daran nichts zu ändern, weil die Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich der Feststellungen über die allgemeine Wehrpflicht und Modalitäten der Ableistung des Militärdienstes durch Kosovo-Albaner im Heimatland des Beschwerdeführers mit der von der belangten Behörde herangezogenen Eventualbegründung in keinem notwendigen rechtlichem Zusammenhang steht. Die belangte Behörde hat nämlich zu Recht darauf verwiesen, daß auch dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen ist, daß seine Weigerung, Militärdienst zu leisten, auf einen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer berief sich in diesem Zusammenhang lediglich auf Gewissensgründe allgemeiner Natur. Verweist der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde daher auf die im hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, genannten Kriterien für allenfalls asylrelevante Umstände im Zusammenhang mit der Einberufung bzw. Ableistung des Militärdienstes, so gehen die diesbezüglichen Ausführungen schon mangels eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ins Leere.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1994, Zl. 93/01/0377, hinweist - in dieser Verfügung waren Überlegungen zur Asylrelevanz von Einberufungen zum Militärdienst, in dessen Rahmen von der Staatengemeinschaft mißbilligte Akte gesetzt werden sollten, enthalten - und geltend macht, es handle sich bei dieser Verfügung um "die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes", welche zu berücksichtigen sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser "Entscheidung" bloß um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgebenden Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bekanntgegeben wurden. Die darin vertretene Rechtsansicht hat aber im abschließenden, bereits angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 keinen Niederschlag gefunden.
Insoweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch auf eine Verletzung der Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 zu stützen sucht, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im Sinne des bereits zuvor zitierten, in derselben Asylsache ergangenen Erkenntnisses die Rechtslage nach dem AsylG (1968) anzuwenden hatte und auch angewendet hat, sodaß eine Verletzung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 nicht vorliegen kann. Aus diesem Grund war der Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht näherzutreten.
Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010429.X00Im RIS seit
20.11.2000