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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das am 15. Juni 2021 mündlich verkündete und am 30. August 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I401 2171394-1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 17. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Als Fluchtgrund brachte er vor, er sei von seinem Cousin sexuell missbraucht worden, woraufhin sein Vater ihn und seinen Cousin habe vergiften wollen.
2 Mit Bescheid vom 31. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0117, mwN).
8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe sich von ständiger Rechtsprechung entfernt, ohne diese näher zu bezeichnen. Das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht dargetan worden, weshalb es unzulässig gewesen sei, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Es wäre auch angesichts der drohenden Notlage des Revisionswerbers zu verhandeln gewesen. Diese Notlage ergebe sich aus der über sechs Jahre langen Abwesenheit des Revisionswerbers aus Nigeria, wobei er im Falle einer Rückkehr keinerlei Unterstützung erhalten würde, zumal es gerade seine Familie gewesen sei, die ihn habe vergiften wollen.
9 Die vorliegende Zulassungsbegründung, die keinen Bezug zu geltendem Recht oder aktueller Judikatur herstellt, entspricht den oben angeführten Anforderungen nicht, und zeigt schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, von deren Lösung die Revision abhinge (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2019/14/0119).
10 Außerdem hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers sehr wohl im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend auseinandergesetzt. Darüber trifft der Vorwurf, „es sei nicht verhandelt worden“ angesichts der am 15. Juni 2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu. Mit der Prämisse, die Familie des Revisionswerbers habe ihn vergiften wollen, entfernt sich die Revision entgegen § 41 erster Satz VwGG vom festgestellten Sachverhalt.
11 Wenn sich die Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidungen nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgericht wendet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist.
12 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen dieser Interessenabwägung alle fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände. Dass es die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche, zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0231, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140320.L00Im RIS seit
08.11.2021Zuletzt aktualisiert am
08.11.2021