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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der W GmbH in W, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Juli 2021, W104 2211511-1/110E, betreffend eine Angelegenheit nach dem UVP-Gesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. J W, 2. Univ.-Prof. DI Dr. F H, 3. Mag. B H, 4. Dr. H A, 5. Dr. A H, 6. Dr. M F, 7. O K, 8. Dr. H I, 9. A H und 10. H M, alle in W und alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, sowie 11. A, z.H. C S in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 2021, Ro 2019/05/0018, 0019 (Vorerkenntnis), verwiesen. Mit diesem Vorerkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) betreffend eine Feststellung nach § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Zusammenfassend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu Folgendes aus:
„Zusammenfassend ist daher nach dem Gesagten festzuhalten, dass das BVwG gegenständlich ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Erstrevisionswerberin [Anmerkung: diese ist auch die revisionswerbende Partei des vorliegenden Revisionsverfahrens] zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden nicht mehr zuständig war und den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wegen dessen (nachträglicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben gehabt hätte.
Indem das BVwG dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.“
2 Mit dem im fortgesetzten Verfahren vor dem BVwG ergangenen Erkenntnis vom 15. Juli 2021 behob dieses den bei ihm bekämpften Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht ersatzlos (A) ) und erklärte eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung für nicht zulässig (B) ).
3 Begründend führte das BVwG dazu unter Verweis auf § 63 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) zusammenfassend aus, unter Zugrundelegung der im Vorerkenntnis geäußerten Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes sei der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt wird, das BVwG habe mit Beschluss vom 12. März 2019 einen näher genannten, während des Verfahrens beim BVwG gestellten Antrag der revisionswerbenden Partei abgewiesen, weshalb res iudicata vorliege. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bindungswirkung im Zusammenhang mit dem Hindernis der res iudicata vor.
5 Die Revision ist unzulässig.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtzustand herzustellen (vgl. für viele etwa VwGH 5.11.2019, Ra 2019/05/0290, 12.2.2019, Ra 2016/06/0132 oder auch 21.4.2016, Ro 2016/11/0007, jeweils mwN).
10 Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet nur der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. nochmals etwa die genannten Entscheidungen zu Ra 2016/06/0132 und Ro 2016/11/0007).
11 Im fortgesetzten Verfahren ist auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis geäußerten Rechtsansichten gebunden (vgl. etwa VwGH 13.9.2016, Ro 2016/01/0009 oder auch 17.3.2016, Ra 2015/11/0127, jeweils mwN).
12 Weder den Ausführungen des BVwG, noch jenen der revisionswerbenden Partei ist zu entnehmen, dass eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten wäre.
13 Angesichts der oben angeführten Rechtsprechung zur Bindungswirkung nach § 63 VwGG kann daher keine Rede davon sein, dass für die vorliegende Rechtssache Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle oder uneinheitlich sei.
14 Wenn die revisionswerbende Partei zur Zulässigkeit der Revision ausführt, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bindungswirkung im Zusammenhang mit dem Hindernis der „res iudicata“ vor, ist dazu festzuhalten, dass das BVwG den ins Treffen geführten Beschluss vom 12. März 2019 in Form eines verfahrensleitenden Beschlusses gefasst hat, gegen den gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig ist (vgl. dazu Rz 9 im Vorerkenntnis). Inwiefern diesbezüglich im Zusammenhang mit der nunmehrigen Enderledigung des Verfahrens vor dem BVwG durch das Erkenntnis vom 15. Juli 2021 entschiedene Sache vorliegen sollte, legt die Revision nicht dar; ebensowenig stellt sie in ihren Zulässigkeitsausführungen die Rechtsnatur des - soweit ersichtlich unbekämpft gebliebenen - Beschlusses vom 12. März 2019 als verfahrensleitenden Beschluss in Frage, geschweige denn weitere rechtliche Überlegungen dazu an. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird daher mit diesem Vorbringen für den Revisionsfall nicht aufgezeigt.
15 Im Übrigen ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, inwiefern die revisionswerbende Partei im Hinblick darauf, dass sie das vorliegende Verfahrensergebnis durch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages im Verfahren vor dem BVwG selbst initiiert und offenkundig auch intendiert hat, durch das nunmehr angefochtene Erkenntnis beschwert sein sollte. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020 oder 4.12.2020, Ra 2020/05/0218, jeweils mwN).
16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050153.L00Im RIS seit
05.11.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021