TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/11 LVwG-2021/40/2323-1

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Veröffentlicht am 11.10.2021
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Entscheidungsdatum

11.10.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
AVG §59

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der AA, vertreten durch RAe BB, CC und DD, Adresse 2, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.08.2021, Zl ***, betreffend die Feststellung gemäß § 359b GewO 1994,

zu Recht:

1.  Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben wird.

2.  Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.   Verfahrensgang:

Mit Antrag vom 21.05.2021, eingelangt bei der belangten Behörde am 25.05.2021, suchte die EE unter Vorlage von Projektunterlagen mit der Bezeichnung „Technische Unterlagen für die Einreichung zur Erlangung der gewerberechtlichen Genehmigung einer Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage – Nutzungsänderung (Errichtung eines Schauraumes) am Standort Adresse 1, **** X bei der Bezirkshauptmannschaft Y um die Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung für eine Änderung der zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.06.2013, Zl ***, genehmigten Betriebsanlage an.

Mit Verständigung der belangten Behörde vom 26.05.2021, Zl ***, wurde die Antragstellerin, das Arbeitsinspektorat, die dem Verfahren beizuziehenden (Amts)Sachverständigen und der Projektant darüber verständigt, dass zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts am 08.06.2021 ein Ortsaugenschein anberaumt wird.

Ebenfalls mit Verständigung der belangten Behörde vom 26.05.2021 wurde den Nachbarn, sowie durch Anschlag an der Amtstafel und auf der Internetseite der belangten Behörde bekannt gegeben, dass gemäß §°359b Gewerbeordnung 1994 bis zum 12.06.2021 in den Räumlichkeiten der belangten Behörde Einsicht in die verfahrensrelevanten Pläne und sonstigen Behelfe genommen, vom Anhörungsrecht Gebrauch gemacht und zum Vorhaben eine schriftliche Stellungnahme abgegeben werden kann. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Folgen des § 42 AVG hingewiesen.

Mit E-Mail vom 26.05.2021 übermittelte die FF überarbeitete Planunterlagen und ersuchte um Austausch der Unterlagen.

Am 08.06.2021 hat in gegenständlicher Sache die mündliche Verhandlung stattgefunden. Im Zuge der Verhandlung äußerten sich der Vertreter des Arbeitsinspektorats Tirol, der brandschutztechnische Amtssachverständige, die gewerbetechnische Amtssachverständige und ein Vertreter der Gemeinde X. Stellungnahmen von Nachbarn wurden keine abgegeben.

Mit Eingabe vom 09.06.2021 übermittelte die gewerbetechnische Amtssachverständige ihre Stellungnahme zur Zl ***.

Seitens der Beschwerdeführerin wurde mit Schriftsatz vom 09.06.2021 eine Äußerung erstattet und beantragt, den Antrag auf Erteilung (Änderung) der Genehmigung für die Errichtung des Schauraumes zurückzuweisen, das ordentliche Verfahren einzuleiten und in eventu die beantragte Genehmigung abzuweisen und zu versagen. Zudem wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Änderung einer bestehenden Betriebsanlage beantragt sei, von solcher jedoch nicht die Rede sein könne und die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nicht vorlägen.

Nach dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens erging seitens der belangten Behörde der nunmehr angefochtene Feststellungsbescheid vom 10.08.2021, Zl ***, im Sinne des § 359b Abs 1 Z 2 und Abs 3 GewO 1994 und in Anwendung des § 93 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG).

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde die Zulässigkeit des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu Unrecht bejahe. Insbesondere wird ausgeführt, dass die EE in Wahrheit nicht einen unter die Bestimmungen des gewerbebehördlichen Feststellungsverfahrens nach § 359b GewO fallenden Antrag gestellt habe, sondern einen solchen zur Erlangung der gewerberechtlichen Genehmigung einer Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage. Die belangte Behörde hätte den Antrag der EE zurück- bzw abweisen müssen, da diese ausdrücklich die Änderung einer anderen gewerbebehördlichen Genehmigung, nämlich die der GG, zum Ziel habe.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage als erwiesen fest. In der gegenständlichen Beschwerde sind ausschließlich Rechtsfragen zu lösen, zu deren Klärung eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 24 Abs 2 Z 1 sowie Abs 4 VwGVG Abstand genommen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der Bescheid aufzuheben ist und die Akten überdies erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen.

II.  Sachverhalt:

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 21.05.2021 bei der Bezirkshauptmannschaft Y um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage angesucht. Diesem Ansuchen beigeschlossen waren die Projektunterlagen deren Deckblatt sich (auszugsweise) darstellt wie folgt:

BILD

In den Projektunterlagen selbst werden unter anderem nachstehende Angaben gemacht:

„2.2 Angaben zum (Alt-)Bestand

2.2.1 Gewerberechtliche Errichtungsgenehmigungen

Geschäftszahl                    Behörde                    Datum

***                                          BH Y                      14.06.2013“

„2.4.2 Art der Änderung der Betriebsanlage

Raumwidmungsänderungen im Bestandsgebäude, Errichtung und Betrieb eines Schau- und Verkaufsraumes am gleichen Standort“

„3 Beschreibung der Anlage

3.1. Bestandsgebäude

GG

Der obenstehend angeführte Bescheid liegt den Projektunterlagen bei und hat die Genehmigung einer Anlagenänderung für die GG zum Inhalt.

Die EE hat nunmehr um die Genehmigung des Betriebs eines Schauraumes für die Ausstellung von Kraftfahrzeugen und einer Büroeinheit im Top 8 der Bestandsanlage angesucht. Konkret beantragt wurde – entsprechend dem Wortlaut des Schreibens vom 21.05.2021 und den zugehörigen Projektunterlagen – die Genehmigung einer Änderung der bereits bestehenden Betriebsanlage.

Die belangte Behörde führt in der Begründung des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, jedoch u.a. aus wie folgt:

„Aus dem Genehmigungsansuchen hat sich ergeben, dass die gegenständliche Anlage den Bestimmungen des § 359b Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994 unterliegt und daher ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen ist.“

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.08.2021, Zl ***, welcher allen Beteiligten nachweislich zugestellt wurde, wurde festgestellt, dass die „eingangs und in den mit dem Genehmigungsvermerk zu diesem Bescheid versehenen Plänen und technischen Unterlagen beschriebene und dargestellte Anlage der EE in Form eines Autohandels (Büro und Schauraum) auf Gp **1 KG X […] den Bestimmungen des § 359 Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994 entspricht.“

III. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde zur Zl *** sowie aus der dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage. Insbesondere stützen sich die Feststellungen jedoch auf die Einreichunterlagen mit der Bezeichnung „Technische Unterlagen für die Einreichung zur Erlangung der gewerberechtlichen Genehmigung einer Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage – Nutzungsänderung (Errichtung eines Schauraumes) am Standort Adresse 1, **** X“, erstellt von der FF.

IV.  Rechtslage

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, idF BGBl I Nr 109/2021, lauten samt Überschriften (auszugsweise) wie folgt:

„Prüfungsumfang

§ 27

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Erkenntnisse

§ 28

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Br 51/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 59

(1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

[…]“

V.   Erwägungen:

Beim Betriebsanlagengenehmigungsverfahren handelt es sich um ein antragsgebundenes Verfahren. Dies ergibt sich unmissverständlich aus dem Wortlaut des § 353 GewO 1994.

Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann. Dies gilt auch für den Fall, dass das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein mag. Die Behörde darf nämlich nur über die durch Antrag umschriebene Angelegenheit (vgl § 59 AVG) entscheiden. Nur darauf bezieht sich die Rechtskraft ihres Bescheides (VwGH 19.02.1997, 95/21/1997; 27.09.2000, 98/04/0093).

Wenn die belangte Behörde im bekämpften Bescheid sohin ausführt, aus dem Genehmigungsansuchen habe sich ergeben, dass die gegenständliche Anlage den Bestimmungen des § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 unterliegt und daher ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen ist, verkennt sie, dass dadurch eine unzulässige Abweichung vom Antragsgegenstand (Antrag auf Änderung) erfolgt. Die Behörde ist in einem antragsgebundenen Verfahren jedoch an den Inhalt des Antrags gebunden und es steht ihr nicht frei, abweichend vom Antragsinhalt – je nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens – eine andere als die beantragte Genehmigung zu erteilen bzw. zu versagen, wenngleich seitens des erkennenden Gerichtes festzuhalten ist, dass von einer neu zu genehmigenden Anlage im Gegenstandsfall auszugehen ist.

Die belangte Behörde hätte daher der Antragstellerin allenfalls die Behebung des Mangels (Ansuchen um Neugenehmigung) innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen müssen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Die Erteilung einer von der Antragstellerin nicht einmal beantragten Genehmigung bewirkt jedoch Rechtswidrigkeit des Bescheides.

Indem die belangte Behörde über den mit Schreiben vom 21.05.2021 eigentlich gestellten Antrag auf Genehmigung einer Änderung einer bereits bestehenden Betriebsanlage im Ergebnis eine (Neu-)Bewilligung gemäß § 359b GewO 1994 ausgesprochen hat, hat diese nämlich eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zustand.

Nach § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht unabhängig vom Beschwerdevorbringen die Unzuständigkeit der Behörde aufzugreifen und diese von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Zuständigkeit der Behörde liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn sie über einen nicht gestellten Antrag entscheidet. Damit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die vorliegende Beschwerde und war daher der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu beheben.

VI.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Abweichung vom Antragsgegenstand
unzuständige Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.40.2323.1

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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