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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine willkürliche Verhängung einer Geldstrafe über einen Rechtsanwalt wegen eines Disziplinarvergehens; keine Verletzung des Grundsatzes des fair trial durch die Nichtaufnahme von BeweisenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 4. April 1990 wurde der Beschwerdeführer - ein Rechtsanwalt - schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er als Rechtsvertreter des R W dessen Handakt einer ungeeigneten Person, nämlich Dr. P, überlassen habe. Er wurde hiefür zu einer Geldstrafe von S 10.000,-- und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.
Begründend wurde ausgeführt, daß Dr. P, dem der Beschuldigte den Handakt "R W" mit Zustimmung des Mandanten zur Überprüfung der Erfolgsaussicht einer außerordentlichen Revision übergeben hatte, diesen Akt in einem Gastgarten gegenüber seiner Wohnung bearbeitet habe. Dort habe sich Dr. P an einer "Sauferei" beteiligt. Auf dem Wege in die eheliche Wohnung seien Teile des Handaktes im Stiegenhaus verloren worden. Andere Teile des Aktes habe Dr. P im Vorraum der Wohnung verstreut, "in welcher ihn die Sinne verließen".
Über das Vermögen von Dr. P, der am 17.7.1986 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet habe, sei am 25.7.1986 rechtskräftig der Konkurs eröffnet worden. Darüber hinaus sei er als Trinker und Spieler bekannt. Dem Disziplinarbeschuldigten, der Dr. P seit 1975 kenne, seien diese persönlichen Verhältnisse und Eigenschaften von Dr. P bekannt. Der Disziplinarbeschuldigte, der sich darüber im klaren sein mußte, daß Dr. P keine geeignete Person für die Überlassung eines Handaktes ist, habe dadurch, daß er diesem den in Rede stehenden Handakt gegeben habe, die Berufspflichten sowie Ehre und Ansehen des Standes verletzt und gegen §42 RL-BA verstoßen.
1.2. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) mit Bescheid vom 24. Jänner 1994 nicht Folge.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die geltend gemachten Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht vorliegen, daß gegen die Feststellungen der ersten Instanz keine Bedenken bestehen und daß jene Tatsachen, die durch die vom Disziplinarbeschuldigten beantragte Aufnahme von Beweisen nachgewiesen werden sollen, für die Entscheidung nicht wesentlich seien.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
4.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, dadurch Willkür geübt zu haben, daß sie sein Verhalten unter den Tatbestand der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes subsumiert habe. Das Willkürverbot erscheine auch dadurch verletzt, daß man ihm "geradezu hellseherische Gaben" hinsichtlich des "keinesfalls vorhersehbaren inkriminierten Vorfall(s) zumutete", welcher der "mittlerweile erworbenen Seriosität" des Dr. P widersprach. Auch liege eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren iSd Art6 EMRK vor, da die belangte Behörde nicht alle beantragten Beweise aufgenommen habe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich des weiteren durch den angefochtenen Bescheid "im Diskriminierungsverbot gem. Art3 MRK" verletzt und führt diesbezüglich aus, daß die Ausführungen im angefochtenen Bescheid über die Charaktereigenschaften des Dr. P dem genannten Grundrecht widersprechen würden. Schließlich wird noch ohne nähere Begründung die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung behauptet.
4.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, daß die OBDK bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hätte. Die belangte Behörde hat vielmehr auf der Grundlage des als Ergebnis eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhaltes ihre Entscheidung getroffen. Daß sie dabei in einer gehäuften Weise die Rechtslage verkannt hätte, vermag der Verfassungsgerichtshof weder zu finden, noch wurde derartiges behauptet.
Daß die OBDK vom Beschwerdeführer begehrte Beweise nicht aufgenommen hat, weil sie diese als für die Entscheidung nicht wesentlich erachtet hat, ist nach Lage des Falles angesichts des festgestellten Sachverhaltes jedenfalls vertretbar; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren iSd Art6 EMRK ist darin offenkundig nicht zu erblicken.
Schlechthin unerfindlich bleibt dem Verfassungsgerichtshof, wie durch Passagen im angefochtenen Bescheid, die von einem Dritten handeln, in das dem Beschwerdeführer durch Art3 EMRK u. a. verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, nicht einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, eingegriffen werden könnte.
Auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung durch den bekämpften Bescheid, mit dem die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- bestätigt wird, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen.
Es war daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in den von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden ist.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, fair trialEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B723.1994Dokumentnummer
JFT_10049773_94B00723_2_00