Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1995, Zl. 4.274.846/7-III/13/92, betreffend Feststellung gemäß § 3 Asylgesetz (1968), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Rumäniens, war mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juli 1989 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit Bescheid vom 11. November 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gemäß § 3 Asylgesetz (1968) fest, daß der Beschwerdeführer nicht mehr Flüchtling sei, da hinsichtlich seiner Person der im Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Oktober 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Erledigung vom 27. April 1992 eine Mitteilung über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung, daß der Beschwerdeführer nicht mehr Flüchtling sei, an den Beschwerdeführer gerichtet. Wenn auch diese Mitteilung infolge unrichtiger Adressierung dem Beschwerdeführer vor dem Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 (1. Juni 1992) nicht zugekommen ist, ist dennoch davon auszugehen, daß im Zeitpunkt dieses Inkrafttretens das mit dem angefochtenen Bescheid zum Abschluß gekommene Verfahren bereits bei der Behörde erster Instanz anhängig war. Die Behörden des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens haben daher zu Recht das Asylgesetz (1968) angewendet.
Gemäß § 3 Asylgesetz (1968) ist ein Fremder nicht mehr Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der im Artikel 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.
Gemäß Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Behörde erster Instanz ging davon aus, daß auf Grund der Mitgliedschaft Rumäniens bei der Genfer Flüchtlingskonvention, auf Grund freier Wahlen und der bereits bestehenden demokratischen Strukturen sowie auf Grund der zum Positiven geänderten politischen Verhältnisse eine Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland nicht mehr unzumutbar sei. Von der Durchführung weiterer vom Beschwerdeführer begehrter Erhebungen habe Abstand genommen werden können, weil die geänderten politischen Verhältnisse in Rumänien international nicht in Frage stünden.
Dem hat der Beschwerdeführer in der Berufung entgegengehalten, daß der Sturz des seinerzeitigen politischen Systems zu keiner grundlegenden politischen Änderung in Rumänien geführt habe. Dies sei allein durch den Umstand erwiesen, daß nach wie vor zahlreiche Flüchtlinge nach Österreich kämen, die über politische Verfolgung in diesem Staat berichteten. Der Beschwerdeführer sei gravierenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, die zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt hätten. Die Verfolgungssituation sei in Rumänien nach wie vor gegeben; Gründe für die Aberkennung des Asyls lägen nicht vor.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid darauf gestützt, daß die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling insbesondere auf Grund des zum damaligen Zeitpunkt in seinem Heimatland herrschenden totalitären Staatssystems erfolgt sei. Dieses Staatssystem existiere aber "- wie wohl unbestreitbar ist -" in der Gegenwart nicht mehr. Der Beschwerdeführer habe auch keine konkrete Furcht vor Verfolgung im Falle seiner Rückkehr behauptet. Die Argumentation des Beschwerdeführers in seiner Berufung müsse schon deshalb ins Leere gehen, weil er seinen Asylantrag vom 13. Mai 1989 ausschließlich mit gegen ihn gerichteten behördlichen Aktivitäten infolge mehrmaliger Grenzübertritte begründet habe, wobei davon auszugehen sei, "daß auch Behörden eines zu fingierenden idealen Staatsgebildes derartige Vergehen ahnden würden". Überdies herrsche in Rumänien nunmehr Reisefreiheit. Die persönliche Ansicht des Beschwerdeführers über die allgemeine politische Situation in seinem Heimatland sei aus asylrechtlicher Sicht unbeachtlich.
Die belangte Behörde hat aus dem Umstand, daß das seinerzeitige totalitäre System in Rumänien nicht mehr existiere, den Schluß gezogen, daß eine weitere Asylgewährung für den Beschwerdeführer nicht mehr erforderlich sei. Hiebei hat sie es aber - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde zutreffend ausführt - unterlassen anzugeben, auf welchen Ermittlungsergebnissen ihre diesbezüglichen Feststellungen beruhen. Die Durchführung von Ermittlungen über die tatsächliche Situation im Heimatland des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre aber im Hinblick auf das bereits in der Berufung des Beschwerdeführers enthaltene Vorbringen, trotz des Wegfalles des seinerzeitigen totalitären Systems habe sich die Verfolgungssituation in Rumänien nicht geändert, was durch Berichte von nach wie vor nach Österreich einreisenden Flüchtlingen belegt werde, erforderlich gewesen. Allein mit dem Hinweis, bei diesen Ausführungen des Beschwerdeführers handle es sich lediglich um dessen "aus asylrechtlicher Sicht" unbeachtliche persönliche Ansicht, konnte sie dieses Argument des Beschwerdeführers nicht entkräften. Insbesondere kann daraus nicht zwingend der Schluß gezogen werden, der Beschwerdeführer habe im Fall seiner Rückkehr keine Verfolgung zu befürchten (vgl. das zu einem ähnlichen Sachverhalt und zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des Asylgesetzes 1991 ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0900).
Mit ihrer Auffassung, die Berufungsausführungen des Beschwerdeführers gingen schon deshalb ins Leere, weil er seinen Asylantrag ausschließlich mit wegen illegaler Grenzübertritte gegen ihn gerichteten behördlichen Aktivitäten begründet habe, wobei aber - nach Auffassung der belangten Behörde - auch Behörden eines zu fingierenden Idealstaates derartige Vergehen ahnden würden, stellt die belangte Behörde die Richtigkeit der Gründe für die seinerzeitigen Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers in Frage. Derartige Überlegungen haben aber in den im Beschwerdefall herangezogenen Bestimmungen des § 3 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit den angeführten Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention keine Grundlage.
Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand, daß nunmehr in Rumänien Reisefreiheit herrsche - auch hiezu wurden dem Beschwerdeführer keine Ermittlungsergebnisse bekanntgegeben -, kommt im Beschwerdefall deshalb nicht zum Tragen, weil die belangte Behörde selbst ausgeführt hat, ausschlaggebend für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers sei der seinerzeitige Bestand des totalitären Regimes in Rumänien gewesen, wobei aber die Auswirkungen des Wegfalles desselben - wie oben ausgeführt - nicht in schlüssiger Weise geklärt wurden. Daher kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß dem Beschwerdeführer auf Grund von während der Herrschaft des seinerzeitigen Regimes zu seiner Verfolgung führenden Umständen auch nunmehr Verfolgung drohen könnte.
Es erweist sich somit, daß die belangte Behörde infolge der Versäumung gebotener Ermittlungen bzw. der Unterlassung der Wahrung des Parteiengehörs zum Ergebnis solcher den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat. Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010590.X00Im RIS seit
20.11.2000