TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/17 94/05/0181

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Veröffentlicht am 17.12.1996
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82259 Garagen Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §6 Abs6;
BauO Wr §6 Abs8;
BauRallg;
GaragenG Wr 1957 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Mai 1994, Zl. MD-VfR-B XXIII-13/94, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: J in W, zu Handen Dr. G, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der mitbeteiligte Bauwerber suchte am 14. Mai 1990 um die Baubewilligung für ein ebenerdiges Geschäftshaus mit Parkdeck auf dem Grundstück Nr. 727/5, KG A (G-Straße 24, gegenüber der Schnellbahnstation), an. Das Parkdeck soll nach den Vorhaben nicht nur den Kunden des Geschäftshauses, sondern auch als sogenannte "Park & Ride-Anlage" (im folgenden: P & R) Verwendung finden. Der Bauplatz weist die Widmung "gemischtes Baugebiet - Geschäftsviertel", Bauklasse I, geschlossen, Gebäudehöhe maximal 7,5 m, auf.

Die Beschwerdeführerin ist seitliche Nachbarin an jener Seite des Bauplatzes, an der die Auffahrt zum Parkdeck errichtet werden soll. Die Beschwerdeführerin wendete u.a. ein, die Errichtung von (damals vorgesehenen) 67 Stellplätzen und einer Auffahrt unmittelbar an der Grundstücksgrenze würde für sie eine enorme Lärm- und Abgasbelästigung und eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit bedeuten.

Im eingeholten Gutachten der Magistratsabteilung 22-Umweltschutz wurde ausgeführt, daß an der Grundgrenze der Beschwerdeführerin Lärmimmissionen von 51 dB, A-bewertet, als energieäquivalenter Dauerschallpegel, und Spitzen, die um etwa 10 dB höher liegen, zu erwarten seien. Die Magistratsabteilung 15 (Gesundheitsamt) führte aus, daß bei Werten über 65 dB Gesundheitsgefährdungen nachweisbar seien.

In der Folge änderte der Bauwerber sein Projekt insofern, als die Schrankenanlage bei der Zufahrt zum Parkdeck beseitigt und die Rampe mit einer verglasten Stahlkonstruktion eingedeckt wurde.

Während des Bauverfahrens erwarb der Bauwerber das Baugrundstück von der Stadt Wien; im Kaufvertrag verpflichtete sich der Bauwerber, das Vertragsobjekt entsprechend dem bestehenden Projektsplan widmungs- und bauordnungsgemäß zu bebauen; weiters übernahm er als Reallast die Verpflichtung, im Obergeschoß des zu errichtenden Bauwerkes ca. 69 nicht überdachte P & R-Stellplätze sowie eine Rampe zu errichten.

In einer Stellungnahme von 10. März 1992 führte die Magistratsabteilung 22-Umweltschutz aus, daß sich aufgrund der Überdachung der Rampe für die Beschwerdeführerin eine Verminderung der Spitzenschallpegel um 10 dB und eine Verringerung des energieäquivalenten Dauerschallpegels um 3 dB, also mit einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 48 dB und Spitzen um 50 dB ergebe.

In der zusammenfassenden Stellungnahme vom 1. März 1993 führte die Magistratsabteilung 15 folgendes aus:

"Nach einer dem Lärmschutz dienenden Änderung des Projektes durch den Projektanten (Ausführung der Rampe als überdachte Fahrstraße) hat die Magistratsabteilung 22 folgende Immissionen berechnet: 48 dB A-bewertet als Leq mit Spitzen um 50 dB A-bewertet für die Anrainerin C (T-Straße 5) und 45 dB A-bewertet als Leq mit Spitzen bis zu 55 dB A-bewertet für den Anrainer M (E-Straße 29). Diese Werte stellen - wie bereits aus dem Gutachten des Institutes für Umweltmedizin vom 27. Mai 1992 zu entnehmen ist - tagsüber keine aus medizinischer Sicht unzumutbare Belästigung dar.

Aus der Stellungnahme der Magistratsabteilung 22 vom 6. November 1992 ist ersichtlich, daß für die Liegenschaft Ecke G-Straße/T-Straße praktisch dieselben Immissionen enstehen werden, wie für die Liegenschaft T-Straße 5. Es wird also für keinen der Anrainer tagsüber aus medizinischer Sicht unzumutbare Belästigungen durch Lärm geben.

Für eine abschließende Beurteilung der nächtlichen Situation sind nach wie vor keine ausreichenden Unterlagen vorhanden. Die von der Magistratsabteilung 22 vorhergesagten oben genannten Immissionen liegen zumindest in einem kritischen Grenzbereich. Das laut Magistratsabteilung 22 in diesem Fall anzuwendende Widmungsmaß beträgt 45 dB A-bewertet als Leq nachts und ist damit identisch mit der WHO-Empfehlung für die Nachtzeit. Allerdings beziehen sich die Berechnungen der Magistratsabteilung 22 auf die ungünstigste Annahme, nämlich eine Fahrzeugbewegung pro Stunde und Stellplatz. Diese für die Tagzeit gültige Annahme ist sicher nicht auf die Nacht übertragbar. Vermutlich werden also geringere Immissionen auftreten. Betrachtet man noch die aus medizinischer Sicht wünschenswerte Förderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch eine derartige Anlage, so erscheint eine nächtliche Sperre des Parkdecks jedenfalls nicht angebracht. Vielleicht könnte die tatsächliche Belastung der Anrainer während eines Probebetriebes festgestellt und gegebenenfalls Auflagen erteilt werden.

Die Frage der nächtlichen Anlieferungen, auf die vom Vertreter des Bauwerbers relativ ausführlich eingegangen wurde, wird voraussichtlich kein Problem darstellen, da diese den Plänen zufolge im Erdgeschoß stattfinden werden. Wie bereits erwähnt, ist diese Ebene laut Magistratsabteilung 22 auf Grund der Abschirmung durch das Gebäude bzw. die Rampe für die Betrachtung des Lärmes vernachlässigbar."

In der Verhandlung vom 19. April 1993 brachte die Beschwerdeführerin vor, durch die Überdachung der Rampe würde zwar der Lärm ebenerdig, nicht aber für die darüber liegenden Wohnungen gemindert werden. Die Werte des Gutachtens der Magistratsabteilung 22 ab fünf Uhr morgens seien für die Wohnparteien nicht tragbar.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1994 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Bewilligung für die Errichtung des projektierten Geschäftshauses mit Parkdeck für P & R. Der zwingenden Vorschrift des § 36 Abs. 1 Wiener Garagengesetz werde mit der Schaffung von

23 Pflichtstellplätzen entsprochen; darüber hinaus werden noch weitere 57 freiwillige Stellplätze und ein Behindertenstellplatz geschaffen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Lärm- und Abgasbelästigung wurden als im Gesetz nicht begründet abgewiesen. Dazu wurde begründend ausgeführt, daß die Nachbarin den eingeholten Gutachten, wonach die Möglichkeit des Auftretens von unzumutbaren Belästigungen ausgeschlossen sei, nicht entgegengetreten sei.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, durch die zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge ergäben sich Schadstoffimmissionen und Lärmbelästigungen, die bisher nicht vorhanden gewesen seien und deren genaues Ausmaß insbesondere in den Nachtstunden nicht feststehe. Der Bauwerber brachte in seiner Stellungnahme dazu vor, daß in den Nachtstunden mit keinerlei Fahrzeugbewegungen zu rechnen sei, weil weder durch die Geschäftskunden noch durch die Benützer der P & R-Anlage Fahrzeugbewegungen in den Nachtstunden erfolgen würden.

In der Berufungsverhandlung führte der beigezogene umwelttechnische Sachverständige aus, daß die bisher erstellten Emissionsprognosen von einer extrem starken Fahrzeugbewegung ausgingen, die etwa jener Frequenz entspreche, welche bei Bürogebäuden auftrete, wo die Angestellten in einem Zeitraum von etwa einer Stunde ankämen oder wegführen. Die Erfahrung mit KFZ-Parkanlagen zeige, daß die Frequenz zur Nachtzeit maximal 5 % dieser Werte betrage.

Der Einwendung der Beschwerdeführerin in dieser Verhandlung, die S-Bahn verkehre bis 0.48 Uhr und ab 4.51 Uhr im Fünfzehnminutenintervall, sodaß damit zu rechnen sei, daß die Fahrgäste ihre abgestellten Fahrzeuge abholten oder vorher abstellten, erwiderte die Vertreterin des Bezirksvorstehers, daß die S-Bahnstation Atzgersdorf/Mauer über einen allgemein zugänglichen Parkplatz mit 15 Stellplätzen verfüge, der vor Beginn des Berufsverkehrs in den Morgenstunden und ab etwa 19.00 bis 20.00 Uhr sehr schwach frequentiert sei.

Der umwelttechnische Sachverständige führte aus, daß eine Frequenz von ungefähr vier Fahrzeugbewegungen (Zu- oder Abfahrten) zu Nachtzeiten pro Stunde zu erwarten sei. Dementsprechned vermindere sich das Ausmaß der Immissionen um 12 dB auf 36 dB. Der Spitzenpegel würde sich nicht ändern. Der medizinische Sachverständige stellte fest, daß eine Beeinträchtigung der in Nachbargebäuden sich aufhaltenden Personen durch Schallimmissionen im Ausmaß von 36 dB bzw. 45 dB Spitzenwerten nicht zu erwarten sei; derartige Immissionen bewirkten keine Schlafstörungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter Hinweis auf die in erster Instanz eingeholten und im Berufungsverfahren ergänzten Gutachten wurde ausgeführt, daß die von den geplanten Einstellplätzen ausgehenden Lärm- und Schadstoffimmissionen weder zur Tages- noch zur Nachtzeit eine unzumutbare Belästigung für Personen bedeuten würden, die sich auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin aufhalten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Versagung einer Baubewilligung wegen Verletzung des § 6 Abs. 1 Wiener Garagengesetz verletzt. Sie begehrt Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Angeschlossen wurde der Beschwerde ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. K. K.. Der Sachverständige verwies insbesondere darauf, daß in 25 m Entfernung Spitzenpegel von 60,5 dB vor den Fenstern und 55 dB im Haus der Beschwerdeführerin zu erwarten seien. Dieser Wert könne bei mehr als sechs Ereignissen zu Aufwachreaktionen führen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Wiener Garagengesetz (in der zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 34/1992 geänderten Fassung) muß jede Anlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen so beschaffen sein, daß eine das nach der festgesetzen Widmung zulässige Ausmaß übersteigende Belästigung der Bewohner derselben Liegenschaft oder der Nachbarn durch Lärm, üblen Geruch oder Erschütterung nicht zu erwarten ist. Aufgrund der hier gegebenen Widmung als gemischtes Baugebiet dürfen gemäß § 6 Abs. 8 der Bauordnung für Wien keine Gebäude oder Anlagen errichtet werden, die geeignet sind, u.a. durch Geräusche Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarn herbeizuführen.

Aufgrund dieser Widmung ist ein höheres Maß an Lärm zulässig als es auf einer Grundfläche mit der Widmung "Wohngebiet" zulässig wäre (hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1985, Slg. Nr. 11.795/A); der Nachbar hat allerdings einen Rechtsanspruch darauf, daß mit der Errichtung von Garagen keine das zulässige Ausmaß übersteigende Belästigung eintritt (hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/05/0119, BauSlg. Nr. 1169). Im vorliegenden Fall kam die Berufungsbehörde nach Ergänzung des Beweisverfahrens zum Ergebnis, daß das sogenannte "Istmaß" 36 dB und der Spitzenwert 45 dB betrage; solche Immissionen bewirkten keine Schlafstörung, lägen unter dem Widmungsmaß und seien nicht unzumutbar.

Die Beschwerdeführerin macht zwar auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, bekämpft aber in Wahrheit ausschließlich die Lösung der Tatfrage, wenn sie insbesondere behauptet, daß bei einer anderen Frequenzbeurteilung (nach ihrer nunmehrigen Darstellung 27 Parkbewegungen pro Stunde morgens bzw. 11 Parkbewegungen pro Stunde spät abends) eine höhere Lärmbelästigung zu erwarten wäre.

Soweit die belangte Behörde die "eigene Feststellung" der Vertreterin des Bezirksvorstehers zur Tatsachenermittlung herangezogen hat, kann ihr keine Mangelhaftigkeit der Beweisaufnahme oder Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung vorgehalten werden. Wenn - von der Beschwerdeführerin in der Berufungsverhandlung unwidersprochen - feststeht, daß ein bei der Schnellbahnstation unmittelbar befindlicher Parkplatz mit 15 Stellplätzen vor Beginn des Berufsverkehrs und ab 19.00 bis 20.00 Uhr nicht ausgenützt wird, so ist die Schlußfolgerung durchaus plausibel, daß die Frequenz in der (offenbar nicht unentgeltlich betriebenen) P & R-Anlage in der Nachtzeit ensprechend niedrig sein werde. Jedenfalls vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner nachprüfenden Kontrolle keine Unschlüssigkeit darin zu erkennen, daß die belangte Behörde von vier Fahrzeugen pro Stunde ausging und den Angaben des Sachverständigen, der Spitzenpegel betrage nachts 45 dB, folgte.

Eine Erhöhung des Spitzenpegels wäre wohl dann gegeben, wenn eine Vielzahl von Fahrzeugen GLEICHZEITIG die Anlage anfährt oder verläßt; derartiges ist aber nicht einmal dem vorgelegten Privatgutachten zu entnehmen. Im übrigen wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, spätestens anläßlich der Berufungsverhandlung einen Sachverständigen ihrer Wahl beizuziehen und damit die Ermittlungsbasis um weitere Sachargumente zu verbreitern; allein der in der Berufungsverhandlung wiederholte Hinweis auf die Betriebszeiten der Schnellbahn vermochte die Sachverständigenprognosen über die Nutzung der Anlage zur Nachtzeit schon wegen des vorhandenen, nicht ausgelasteten Parkplatzes bei der Station nicht zu entkräften. Da nicht eine Garage, sondern bloß ein offener Parkplatz errichtet wird, ist die Annahme keineswegs "lebensfremd", wie die Beschwerdeführerin meint, daß vorrangig vorhandene Parkplätze unmittelbar bei der Schnellbahnstation ausgenützt werden.

Jedenfalls ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, die nach einem umfangreichen Beweisverfahren gewonnenen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde zu entkräften. Ausgehend von einer Spitzenbelastung von 45 dB, welche aus medizinischer Sicht keine Schlafstörungen bewirkt, sind vom Vorhaben keine unzumutbaren Belästigungen zu erwarten.

Die Beschwerde erwies sich damit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994050181.X00

Im RIS seit

11.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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