Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Sunder-Plaßmann Loibner & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Michael Hofstätter, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2021, GZ 38 R 161/20p-42, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 9. Juni 2020, GZ 33 C 303/18w-35, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung im Haus des Klägers. Er ließ in dieser Wohnung ohne Zustimmung des Klägers einen Baderaum mit einem Waschbecken, einer Badewanne und einem Elektroboiler einbauen, ohne zuvor eine Bauanzeige zu erstatten bzw eine Baubewilligung zu erwirken. Der Baderaum wurde verfliest, ohne dass die nach der Ö-Norm B2207 erforderliche Abdichtung unterhalb der Verfliesung vorgenommen wurde; insbesondere wurde in dem am höchsten gefährdeten Bereich unterhalb der Badewanne bei deren Ablauf nur ein Loch in der Fußbodenkonstruktion gelassen, wodurch Wasser im Fall einer schadhaften Randfuge direkt in die Deckenkonstruktion eintreten konnte. Die Randfugen waren [offenbar gemeint: im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung] bereits von den Flanken abgelöst und undicht.
[2] Von einer mangelhaften Abdichtung eines Badezimmers geht immer eine Gefahr für das Objekt aus. Bei langfristiger Durchfeuchtung ist mit Schimmel und Schädlingsbefall in der Deckenkonstruktion zu rechnen, weiters mit Vermorschungen, die zu einem statischen Versagen der Deckenkonstruktion führen können.
„Für den Badezimmereinbau gibt es eine Rechnung einer Firma K***** e.U. […] vom 29.12.2014. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese Firma jemals im Firmenbuch eingetragen war.“
[3] Während des erstinstanzlichen Verfahrens ließ der Beklagte das komplette Badezimmer entfernen bzw entfernte es selbst.
[4] Der Beklagte hat sich über die Jahre nicht um die Fenster der Wohnung gekümmert, hat diese nicht gepflegt und auch nicht dafür gesorgt, dass sie gewartet, Beschlagsteile ausgetauscht und die Fenster richtig eingestellt wurden. Werden Fenster nicht ausreichend gewartet und eingestellt, kommt es zu Fehlfunktionen und sie lassen sich nur noch mit Gewalt öffnen und schließen.
[5] Mit Schreiben vom 29. November 2017 wies der Österreichische Mieter- und Wohnungseigentümerbund, Landesgruppe Wien, namens des Beklagten die Hausverwaltung des Klägers auf dessen Erhaltungspflicht hinsichtlich der Fenster hin und teilte mit, dass einige der Fenster derart schlecht montiert seien, dass sie sich nicht öffnen ließen. Darauf reagierte die Hausverwaltung nicht. Es steht nicht fest, dass der Beklagte jemals davor die Hausverwaltung aufforderte, die Fenster zu warten und zu übergehen. Am 16. Jänner 2018 brachte der Beklagte bei der Schlichtungsstelle einen Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten ua hinsichtlich der Fenster seiner Mietwohnung ein.
[6] Der Kläger kündigte dem Beklagten das Bestandobjekt zum 31. Jänner 2019 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 1 Z 3 erster und dritter Fall MRG auf. Er brachte dazu – soweit in dritter Instanz noch relevant – vor, dass durch das vom Beklagten offensichtlich durch nicht befugte Gewerbetreibende in einem dafür nicht vorgesehenen Raum errichtete Badezimmer die Substanz des Hauses gefährdet sei. Es seien daher ernste Gefahren für das Haus zu befürchten. Schon aus diesem Grund mache der Beklagte vom Bestandobjekt einen erheblich nachteiligen Gebrauch. Aufgrund des vom Beklagten bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Antrags seien die Kunststofffenster im Bestandobjekt zu sanieren gewesen. Der vom Kläger beauftragte Baumeister habe dabei festgestellt, dass der Beklagte Teile der Fenster offensichtlich absichtlich entfernt und die Scharniere und Verschlüsse demoliert habe. Bereits einige Monate nach Durchführung der Sanierungsarbeiten Anfang Februar 2018, bei denen insbesondere die Fensterflügel im Vorzimmer und in der Küche ersetzt worden seien, habe der Kläger festgestellt, dass der Beklagte die Fensterscharniere wiederum absichtlich zerstört habe, sodass ein neuerlicher Austausch der Fenster notwendig sei. Diese Sachbeschädigung des Beklagten sei aufgrund der für den Fensteraustausch aufzuwendenden Kosten nicht bloß geringfügig.
[7] Der Beklagte wendete ein, er habe den Waschraum von einem befugten Unternehmer errichten lassen. Es sei dadurch zu keiner Schädigung der Substanz des Hauses gekommen und es sei auch keine ernste Gefahr für das Haus zu befürchten. An den Fenstern habe er sich nicht zu schaffen gemacht, er habe sie weder rechtswidrig noch absichtlich zerstört. Vielmehr sei dem Kläger deren Sanierung aufgetragen worden, weil sie undicht und desolat gewesen seien.
[8] Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Übergabe der geräumten Wohnung. Von dem vom Beklagten ohne Zustimmung des Klägers und ohne Genehmigung der Baubehörde errichteten Badezimmer, dem jede Abdichtung gefehlt habe, sei immer eine latente Gefahr für das Haus ausgegangen. Ein Badezimmereinbau ohne entsprechende Isolierung stelle einen erheblich nachteiligen Gebrauch dar. Auch wenn der Beklagte das Badezimmer während des Verfahrens entfernen habe lassen, sei die Substanzgefährdung im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vorgelegen. Überdies habe sich der Beklagte nicht um die Fenster der Wohnung gekümmert und diese über die Jahre verwahrlosen lassen.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Für das Vorliegen des Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauchs sei es nicht Voraussetzung, dass es bereits zu einer Schädigung des Hauses gekommen sei; vielmehr reiche eine bloße Substanzgefährdung aus. Soweit der Berufungswerber unterstelle, dass er einen befugten Gewerbsmann mit dem Badezimmereinbau beauftragt habe, entferne er sich von den getroffenen Feststellungen, wonach der beauftragte Unternehmer nie im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Der Beklagte habe daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass die von ihm beauftragte Person die Arbeiten ordnungsgemäß durchführe. Soweit der Beklagte hinsichtlich des Fensterzustands vorbringe, dass dieser nicht auf sein Zutun zurückzuführen sei, gehe er ebenfalls nicht von den Feststellungen aus, wonach er sich nicht um die Fenster gekümmert und nicht für deren Wartung gesorgt habe.
[10] Die Revision des Beklagten ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und im Sinn des – im Abänderungsantrag enthaltenen (vgl RS0041774 [T1]) – Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Zum Badezimmereinbau:
[12] 1.1. Der vom Kläger insoweit geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt vor, wenn der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich den Mietgegenstand in arger Weise vernachlässigt. Nach der Rechtsprechung stellt ein Badezimmereinbau ohne entsprechende Isolierung grundsätzlich einen erheblich nachteiligen Gebrauch dar, und zwar insbesondere dann, wenn er durch nicht befugte Gewerbsleute erfolgt (vgl RS0070359).
[13] 1.2. Im Verfahren ist strittig, ob der Beklagte sich für den Badezimmereinbau eines befugten Unternehmers bediente. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die vom Erstgericht allein behandelte Frage an, ob der beauftragte Unternehmer jemals im Firmenbuch eingetragen war, sondern darauf, ob er im Zeitpunkt seiner Beauftragung durch den Beklagten über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügte.
[14] 1.3. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG setzt zwar kein Verschulden des Mieters voraus, wohl aber das Bewusstsein der Vertragswidrigkeit, wie es von einem vertrauenswürdigen Durchschnittsmieter erwartet werden kann (vgl 7 Ob 78/09k = RS0070433 [T4]). Im Kern geht es darum, ob das vertragswidrige Verhalten den Mieter vertrauensunwürdig erscheinen lässt. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass das für das Weiterbestehen des Dauerschuldverhältnisses erforderliche Vertrauen weggefallen ist (Lovrek in GeKo Wohnrecht I § 30 MRG Rz 47 mwN).
[15] 1.4. Sofern der Beklagte mit dem Badezimmereinbau einen befugten Unternehmer beauftragt hat (wofür die von ihm als Beilage ./4 vorgelegte Rechnung [„Gas und Sanitär Installationen“] spricht), kann ihm nicht angelastet werden, dass dieser den Badezimmereinbau unfachgemäß, nämlich ohne die gebotene Feuchtigkeitsisolierung, durchgeführt hat. Aber selbst im gegenteiligen Fall wäre zu beachten, dass tatsächlich kein Schaden eingetreten ist, aufgrund dessen die mangelhafte Ausführung für den Beklagten (bis zur Gutachtenserstattung im Gerichtsverfahren, nach welcher er das Badezimmer entfernen ließ) erkennbar gewesen wäre; es kann ihm daher mangels irgendwelcher Risikohinweise nicht zum Vorwurf gemacht werden, bei Erkennbarkeit des Mangels nicht unverzüglich tätig geworden zu sein (vgl dazu 6 Ob 15/13v = RS0070359 [T6] und 4 Ob 107/19t = RS0070359 [T8]).
[16] 1.4. Der auf die fehlende Feuchtigkeitsisolierung gestützte Kündigungsgrund liegt daher nicht vor, was hiermit abschließend beurteilt ist.
[17] 2. Zu den Fenstern:
[18] 2.1. Diesbezüglich hat sich der Kläger in der Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG, konkret auf eine Sachbeschädigung des Beklagten durch absichtliches Zerstören der Fensterscharniere nach der Sanierung der Fenster, gestützt. Zu diesem Vorwurf hat das Erstgericht jedoch bisher keine Feststellungen getroffen. Der von ihm allein festgestellte Umstand, dass der Beklagte (bloß) die Fenster nicht gepflegt und sich nicht um deren Wartung gekümmert hat, ist ohne rechtliche Relevanz, weil der Kläger ein solches Verhalten nicht als Kündigungsgrund geltend gemacht hat und dieses den tatsächlich geltend gemachten Kündigungsgrund von vornherein nicht erfüllen kann.
[19] 2.2. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht seine Feststellungen daher (nur) zu diesem Punkt zu ergänzen und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.
[20] 3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E132996European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00095.21Y.0901.000Im RIS seit
04.11.2021Zuletzt aktualisiert am
25.01.2022